Michael Groschek

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick ist es sehr erfreulich, wenn hier im Hause eine breite Koalition – selbst Herr Kollege Priggen sagte: Im Prinzip schon, aber mit ganz gewissen Vorzeichen – pro CCS festzustellen ist.
Frau Thoben, allerdings haben Sie gerade eine Pirouette gedreht, die wir uns schwerlich erklären können. Obwohl wir Ihnen in der Analyse zustimmen, verstehen wir nicht Ihren Schwenk, zu sagen: Weil CCS so dringend notwendig und richtig ist, verschieben wir die Problematik auf die nächste Wahlperiode. – Das ist eine Logik, der wir nicht folgen können und der auch ihre Parteifreundin Hildegard Müller nicht zu folgen vermag. Denn die erklärte: Wer jetzt verschiebt, bedroht diese Tech
nologie mit dem Ausstieg. Da kann man Hildegard Müller und nicht Ihnen, Frau Ministerin Thoben, zustimmen.
Jetzt sind wir bei einem anderen Punkt. – Sie sind gerade wehrhaft für CCS in die Bresche gesprungen und haben gemeint, die Berliner hätten zügiger, konsequenter handeln müssen. – Ihr Ministerpräsident macht das ja häufig: Er springt nur allzu oft wie ein Tiger und landet wie ein Bettvorleger. Das ist mindestens schon die zweite große Pleite, die er erlebt hat. Nach den Jobcentern ist das jetzt die zweite Klatsche, die er sich zum Nachteil NordrheinWestfalens und der Arbeitsplätze in diesem Land in Berlin abholt. Das muss man mal feststellen.
Um gleich der Legendenbildung vorzubeugen: Die Arbeitsteilung heute Morgen in Berlin sah folgendermaßen aus: Kauder hat Struck darüber informiert, dass in der CDU/CSU-Fraktion für dieses Gesetz keine Mehrheit vorhanden ist und es deshalb keine Zustimmung durch die CDU/CSUFraktion gibt. Struck hat das zur Kenntnis genommen.
Das heißt: Sie haben um des Populismus willen einen wichtigen industriepolitischen Konsens aufgekündigt. Wir stehen zu Arbeit und Umwelt. Das sind die Tatsachen, Kollege Weisbrich.
Ich will daran erinnern, warum diese Technologie so wichtig ist: Wir haben jetzt global im Schnitt pro erzeugter Kilowattstunde Strom durch Braunkohlekraftwerke eine Belastung von 1.350 g Kohlendioxid. In der EU liegt sie bei 1.050 g je Kilowattstunde. Stand der heutigen Technik sind 930 g je Kilowattstunde. CCS wäre wirklich die Revolution für Umwelt und Arbeit, weil dann nämlich 0 statt 930 g dort stünden.
Deshalb müssen wir doch gemeinsam dafür kämpfen, dass CCS so schnell wie möglich die Referenztechnologie in Nordrhein-Westfalen wird.
An Sie persönlich muss man doch appellieren, sich an Ihren eigenen Maßstäben zu messen. Sie in Person und in Fraktion waren doch immer derjenige, der gefordert hat: Sie dürfen sich nicht dem Druck der Straße beugen. Sie haben doch immer davon gesprochen, dass Politik konsequent gutes Handwerk sein muss.
Aber was machen Sie denn jetzt? Wo leisten Sie keinen Widerstand? – Sie leisten keinen Widerstand, wenn Pfusch am Bau gemacht wird, wenn „gemerkelt“ wird, wo werkeln nötig wäre. Das ist doch das Schlimme an diesem Vorgang, weil Sie letztlich die Prinzipienfestigkeit opfern und der Prinzipienlosigkeit frönen. Auf Deutsch gesagt: Sie er
klären Opportunismus zur Staatsräson. Damit landen wir allesamt in der Sackgasse, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sie machen den Opportunismus zur Staatsräson. Denn nichts anderes ist es, wenn Landtagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein sagen: Die CDU in Schleswig-Holstein kann dem nicht zustimmen. Deshalb muss dieses Gesetz auf die Zeit nach der Wahl vertagt werden. – Das ist entweder Wählerbetrug oder Verrat an dieser Technologie. Entweder sagen Sie nach der Wahl in Schleswig-Holstein: April, April, wir machen doch weiter! – Oder Sie verabschieden sich endgültig. Dann verraten Sie die Standortinteressen Nordrhein-Westfalens.
Mich hat es schon ein Stück weit nachdenklich gemacht, als ich das Zitat von RWE gelesen habe: Die Widerstände überraschen uns. – Ich glaube, es gibt in der Republik ein paar Vorgänge, bei denen man auch als großer Stromerzeuger damit hätte rechnen können, einen zusätzlichen Aufklärungsbedarf befriedigen zu müssen. Deshalb sollten wir gemeinsam RWE einladen, die Öffentlichkeitsarbeit so transparent, nachvollziehbar und glaubwürdig anzulegen, dass die Betroffenen das Gefühl haben, Beteiligte zu sein. Denn nur wenn Betroffene zu Beteiligten werden, werden wir die Akzeptanz bekommen.
Das haben Sie den Menschen in der Industrieallianz versprochen. Jetzt, im Wirtschaftsausschuss, erklären Sie hingegen frank und frei: Ist doch alles nur Wahlkampfgeplänkel. Nach der Wahl stimmen wir als CDU insgesamt der CCS-Technologie zu und verabschieden uns aus dem Moratorium. – So nicht, Herr Weisbrich! Jeinsagen war schon immer schlecht, gerade für die CDU.
Sagen Sie Ja oder Nein und versuchen Sie nicht, sich durchzumogeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die FDP mit einer solchen Inbrunst Betriebsräte und Gewerkschafter zitiert, ist das – mit Verlaub – intellektueller Sozialmissbrauch, Herr Papke.
Wir haben gerade in Nordrhein-Westfalen Industriepolitik häufig auch gegen Ihren Widerstand modernisiert. Das wurde als rot-grüne Flausen denunziert. Aber die ökologische Erneuerung der Industriepolitik in Nordrhein-Westfalen setzt in Wirklichkeit Maßstäbe, an die Sie sich langsam heranrobben wollen und für die Sie immer noch kein klares Kursbuch haben.
Arbeit und Umwelt wurden in Nordrhein-Westfalen großgeschrieben. Was wir jetzt als Chance des Klimawandels bezeichnen, nämlich durch modernste Umwelttechnologien Klimaschutz zu betreiben, hatte seine Wurzeln unter rot-grüner Ägide in Nordrhein-Westfalen. Deshalb kann das Land industriepolitisch aufatmen, wenn der Muttertag des nächsten Jahres vorbei ist, meine Damen und Herren.
Wenn wir uns auf den Antrag von CDU- und FDPFraktion beziehen, erkennen wir seit einigen Monaten ein typisches Strickmuster. Sie besetzen Themen, ohne sie zu durchdringen. Sie besetzen sie, indem der Ministerpräsident Schlagzeilen macht, ohne das Thema bis ins Kleingedruckte zu durchdringen. Das ist die neue Masche der sogenannten Koalition der Erneuerung, wobei „Erneuerung“ bei Ihnen nur noch kleingeschrieben wird.
Nein, jetzt noch nicht, später vielleicht.
Drei Botschaften stehen in Ihrem Antrag. Die erste Botschaft lautet: Wir müssen die Blockade überwinden. Die zweite Botschaft lautet: Wir müssen Atomkraftwerke länger laufen lassen.
Die dritte Botschaft lautet: Wir müssen endlich ein industriepolitisches Leitbild suchen. – Seit wann sind Sie eigentlich in der Regierungsverantwortung? Wann fangen Sie endlich einmal mit der Suche
nach einer industriepolitischen Perspektive für dieses Land und für die arbeitenden Menschen an?
Die richtige Weichenstellung wurde in Ihrem Antrag jedenfalls nicht vorgenommen. Eine klare Orientierung fehlt. Deshalb sagen wir Nein zu diesem Antrag. Zum Entschließungsantrag der Grünen sagen wir Ja.
Ich komme nun auf einzelne Punkte zu sprechen, zunächst auf die Blockade. Sie selbst sind doch oft an der Spitze der Blockierer. In Krefeld hat sich Kollege Schittges gegen Großprojekte ausgesprochen. Die inzwischen legendäre Kölner CDU war zusammen mit Kommunisten im Regionalrat gegen die Planungsperspektiven der Kraftwerkserneuerung.
Sie heften Orden an die Brust von SolarWorld und loben die Windkraft, die von uns gepowert wurde. Gleichzeitig blockiert Ihre neue Mehrheit hier das Repowering von Windkraftanlagen. Eine solche Politik ist doch schizophren!
Kommen wir zur Kraftwerkserneuerung. Frau Kollegin Thoben wollte mit der Weltmacht Oberösterreich gegen die EU zu Felde ziehen und die Vollauktionierung im Emissionshandel unterbinden.
Sie hätten lieber dafür sorgen sollen, dass frühzeitige Einnahmen aus dem Emissionshandel in Zukunft investiert werden und nicht auf die Gewinnkonten von RWE & Co. fließen, wie es jahrelang passiert ist.
Ich will Hubertus Schmoldt zitieren – weil Sie sich gern auf Gewerkschafter berufen –, der im Dezember vergangenen Jahres gesagt hat, es müsse Schluss sein mit der Schweinerei, dass die großen Energieversorger bis zu 5 Milliarden € jährlich als leistungsloses zusätzliches Gewinneinkommen bei den Kunden abzocken, weil sie kostenlos zugewiesene Emissionsrechte einpreisen. Das ist eine verantwortungslose Energiepolitik auf dem Rücken von Umwelt und Verbrauchern. Damit muss endlich Schluss sein in Nordrhein-Westfalen.
Ich komme zum nächsten Punkt, weil Herr Brockes ein klares Signal gefordert hat. Wenn Sie hier eingestehen, dass Sie keine industriepolitische Strategie haben, ist das im Grunde die Fortsetzung der gestrigen Diskussion. Es war schon bezeichnend, dass die FDP hier sagt, mit ihr werde es keine staatliche Rettungsoption bei Opel oder sonst wo geben. Der neue wirtschaftspolitische Held der Union sagt: Jein, mal schauen, wie wir klarkommen. – Mit einer solchen Brüderschaft wird man die Krise in Nordrhein-Westfalen nicht meistern können.
Das Gleiche gilt für Ihre, wie ich glaube, bewusst gesetzte strukturpolitische Zurückhaltung, um es vorsichtig zu formulieren. Gerade jetzt brauchen wir in den Problemregionen und in den Problembranchen eine sehr zielstrebige und problemorientierte Ziel-2-Förderung. Was machen Sie? Sie schreiben erneut in den Antrag, Sie wollten keine Problemorientierung, sondern eine Wettbewerbsorientierung der Fördergelder. Das haben Sie immer noch nicht gelernt. Das beruht auf Ihren Ideologien „Privat vor Staat“ und „Freiheit vor Gleichheit“. Das ist „Gestern“ und nicht „Morgen“!
Wenn Sie Atomkraftwerke länger laufen lassen wollen und sich neben dem stellvertretenden Ministerpräsidenten mit der Zukunftskommission einen zweiten Kronzeugen mit dem Hinweis besorgen, der Neubau von Atomkraftwerken in Nordrhein-Westfalen müsse möglich werden, zeigt das, dass Sie nichts begriffen haben.
Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen eine Energiepolitik für Umwelt und für Arbeitsplätze. Das ist eine Energiepolitik mit der heimischen Braun- und Steinkohle, mit Energiesparen und mit erneuerbaren Energien. Ich fordere Sie auf: Beenden Sie endlich die Repowering-Blockade von Windkraftanlagen! Das wäre ein konkreter Schritt nach vorn – und nicht das, was Sie aufgeschrieben haben.
Unsere Perspektive ist klipp und klar: Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit auch in der Industriepolitik finanzieren. Wir wollen endlich neben der Schutzfunktion auch eine Gestaltungsfunktion wahrnehmen. Wir wollen gute Arbeit für alle als Zielmarke des nächsten Aufschwungs. Dabei müssen alle mitmachen: Wirtschaft und Gewerkschaften, Arbeitnehmer und Unternehmer sowie ein handlungsfähiger und gestaltungswilliger Staat. Diese Landesregierung ist eine Tunichtgut-Landesregierung, die nichts macht, außen vor bleibt und im Antrag noch nicht einmal als Antreiber einer solchen
Industriepolitik erwähnt wird. Das ist zu kurz gesprungen, meine Damen und Herren.
Wir wollen ganz klar eine Problemorientierung statt einer Wettbewerbsorientierung bei den Ziel-2Mitteln. Wir wollen als neues Instrument, um Arbeit zu schaffen und stützen, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, einen Struktursozialplan. Das heißt: Es muss möglich sein, dass bedrohte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, in ihrem Unternehmen zu einer Qualifizierungs- und Transfergesellschaft wechseln, wobei sie ein Rückkehrrecht in das Altunternehmen bekommen. Denn das ist sowohl eine wirksame Sozialpartnerschaft als auch eine Brücke der Solidarität, die diese Gesellschaft bauen muss. Wir wollen, dass der erfolgreiche Kurs von Olaf Scholz fortgesetzt und diese Brücke neu gebaut wird, und fordern daher einen Sozialplan Struktur.
Wir wollen ferner Mitbestimmung stärken, weil gerade in der Krise deutlich wurde: Die Betriebsrätinnen und Betriebsräte haben als Erste ein Interesse daran, jenseits von kurzfristigen Profitperspektiven langfristig das Wohl des Unternehmens und die Arbeitsplatzsicherheit in den Fokus zu stellen. Deshalb brauchen wir eine Stärkung und keine Aushöhlung der Mitbestimmung in unserem Land.
Wir brauchen weiterhin ein Bündnis für eine ökologische Industriepolitik. Da springen Sie in Ihrem Antrag am kürzesten. Sie delegieren die Verantwortung für das Schaffen von Akzeptanz auf die Anlagenbauer, auf die Produzenten, auf die Industrie. Nein, meine Damen und Herren, die Landesregierung muss sich endlich an die Spitze setzen, um in diesem Land Akzeptanz zu schaffen. Akzeptanz war eine gute sozialdemokratische Tradition. Sie haben diese Tradition vor die Wand gefahren.
Das funktioniert nur, wenn man aus Betroffenen Beteiligte macht; das haben Sie sträflich versäumt.
Sie haben schließlich die Pflicht, das RWE endlich dazu zu zwingen, zu drängen, dass das Kraftwerkerneuerungsprogramm Zug um Zug umgesetzt wird. Das RWE ist im Verzug. Garzweiler II wäre nie genehmigt worden, wenn man von vornherein eine solche Investitionsblockade durch das RWE selbst hätte vermuten können.
Letzter Punkt: Es muss Schluss sein mit der Verunsicherung von energiewirtschaftlichen Investoren durch Ihr Aufbohren der Verträge des Atomkraftausstiegs.
Wer so tut, als sei die längere Laufzeit für nord- und süddeutsche Atomkraftwerke ein Pluspunkt in Nordrhein-Westfalen, verschweigt seine eigentlichen Ziele. Denn das kann nicht Ihr Interesse sein. Ihr
Interesse ist offensichtlich eine Neubauoption für Atomkraftwerke in diesem Land. Auch dazu sagen wir Nein; da wird es bei uns nie eine Akzeptanz geben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben einen großen Zitatenschatz gehört, aber wir haben nichts dazu gehört, wie es der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen in diesem Moment mit seiner Aussage hält, der Neubau von Atomkraftwerken müsse auch bei uns möglich sein. Dazu, Herr Professor Pinkwart, hätten wir von Ihnen gerne eine Klarstellung gehört. Sie haben zwar viel geantwortet, aber eben nicht auf diese zentrale Frage, Herr Professor Pinkwart.
Solange diese Meinungsäußerung von Ihnen, die wir nicht willkürlich erfunden haben, sondern aus der Presse zitieren, nicht widerspruchsfrei von Ihnen ausgeräumt wird, haben wir nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, die Menschen darüber aufzuklären, an welchen Standorten in Nordrhein-Westfalen ein solcher Neubau potenziell stattfinden könnte oder müsste.
Das ist unsere politische Pflicht!
Wir zitieren nur aus einem Enquetebericht, den Sie in Berlin selbst in Auftrag gegeben haben; das ist doch keine Phantasievorstellung von uns. Wir messen Sie also an Ihren eigenen Worten.
Außerdem äußert nicht nur Herr Professor Pinkwart, der Neubau von Atomkraftwerken müsse denkbar und möglich sein, sondern auch ein erheblicher Chor von gestandenen CDU-Bundestagsabgeordneten sagt, dass wir nicht nur über eine Laufzeitver
längerung, sondern auch über den Neubau von Atomkraftwerken nachdenken müssen. Dazu sagen wir: Nein danke! Mit uns gibt es eine solche Neubauperspektive für Atomkraftwerke nicht, und zwar weder im Bund noch in Nordrhein-Westfalen!
Jetzt komme ich dazu, wer denn vertragsbrüchig geworden ist. Wir haben seit den bürgerkriegsähnlichen Zuständen nicht nur vor Kalkar, sondern auch vor Wackersdorf einen klaren Kurs gefahren. Damals ist gesagt worden, dass wir auf heimische Kohle, auf Energieeffizienz und auf erneuerbare Energieträger setzen. Das ging in der Großen Koalition eine ganze Zeit lang gut. Dann aber hat die CDU – damals noch in der Oppositionsrolle hier im Landtag – die Kohle-Koalition aufgekündigt. Der zweite Wortbruch war, dass Sie gesagt haben, das Ausstiegsgesetz sei nicht mehr bindend, weil Sie die Laufzeiten – das ist gesetzesbrecherisch – verlängern wollen.
Jetzt nehmen wir zur Kenntnis, dass offensichtlich schon zum dritten Mal der Bruch eines Versprechens vorbereitet wird. Wenn ich Herrn Kollegen Lienenkämper richtig verstanden habe, dann ist seiner Meinung nach der Einsatz modernster Energietechnik für CO2-freie Kohlekraftwerke 2020 gar nicht erreichbar. RWE, Herr Kollege Lienenkämper, hat den Einsatz im Jahr 2014 angeboten. Wenn Sie jetzt bestreiten, dass 2020 machbar ist, dann laufen Sie damit energie- wie gesellschaftspolitisch in eine Sackgasse. Auf diesem Weg werden wir Sie nicht begleiten.
Die Diskussion hier und heute seitens der CDU ist ein besonderes Vergnügen. Herr Kollege Weisbrich, Gesundbeten und Jeremias zitieren, reichen nicht als klimapolitische Leitlinie in diesem Haus.
Sie haben im Grunde genommen den Weg in ein klimapolitisches Liechtenstein vorgezeichnet. Sie haben auf Sarkozy und Barroso verwiesen, aber in Wirklichkeit ihre Bundeskanzlerin Merkel gemeint. Sie müssten zunächst einmal im eigenen Hause klären, lieber Kollege Weisbrich, wo es langgehen soll.
Gerade ein gutes halbes Jahr vor der Europawahl empfinde ich es als unverantwortlich, wie sie mit Blick auf Polen eine Mischung aus Deutschtümelei und Altersstarrsinn präsentiert haben. So geht das nicht!
Als Herr Lienenkämper gesprochen hat, haben wir gedacht, es spreche der Enkel von Weisbrich. Aber in Wirklichkeit war es der Vortrag, der aller Ehren eines Opas von Weisbrich wert war. Denn außer Sprüchen aus der kalten Kriegerküche der Klimakiller haben Sie nichts gebracht, Kollege Lienenkämper. Ihr Verweis auf Glos ist an Abenteuerlichkeit nun wirklich nicht mehr zu überbieten.
Um was geht es – eingebettet in sämtliche Diskussionsbeiträge – eigentlich? – Es geht doch darum, dass Konsens in diesem Haus war: Basis unseres Wohlstands ist eine funktionierende Industrie in Nordrhein-Westfalen: Chemie, Elektro, Metall, Maschinenbau, Strahlerzeugung und Energiewirtschaft. Das heißt: Erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss immer intelligente Industriepolitik sein. Intelligente Industriepolitik muss immer um die Vernetzung von Ökonomie, Ökologie und Innovation bemüht sein. Oder auf Deutsch und nordrheinwestfälisch gesagt: Wir müssen darauf achten, dass das technologische Gütesiegel „Arbeit und Umwelt“ Gütesiegel in Nordrhein-Westfalen bleibt.
Ziehen wir mit Blick auf die Krise einmal Schlüsse, welchen Erkenntnisstand es für NordrheinWestfalen gibt, sehen wir uns in zwei Punkten bestätigt:
Erstens. Industrie und produzierendes Gewerbe schaffen die eigentlichen Werte und sind abgegrenzt zur Seifenblasenökonomie zu sehen.
Zweitens haben Sie seit dem Zeitpunkt große Probleme, Ihren Weg und Ihren Kurs zu bestimmen, seitdem Ihr ideologischer Leithammel, dieses „Pri
vat-vor-Staat“, auf die Schlachtbank geführt wurde und Sie keinen Ersatz dafür gefunden haben.
Jetzt wird deutlich, dass das nichts weiter als ein schwarz-gelber Teppich für die Krisengewinnler war. Seitdem irrlichtern Sie mit einem Antirezessionsprogramm, in dem Steuerberatungskosten abzugsfähig gemacht werden sollen, mit einem Konjunkturprogramm, einer Mischung aus kaltem Kaffee und heißer Luft als Notlüge in Reaktion auf SPD-Vorschläge!
Bei Ihnen wird selbst Gutgemeintes schlecht gemacht. Ein Beispiel ist die Fachhochschule Niederrhein. Statt eine Fachhochschule in den Bereich Kleve/Arnheim zu geben, hätten Sie einmal die Bergbaustandorte aufwerten und Kamp-Lintfort stärken sollen. So aber erreichen Sie eine größere Auswahl für die Studienanfänger aus Arnheim, aber keine strukturpolitische Zeichensetzung.
Das Gleiche Irrlichtern gilt auch in Ihrer Energiepolitik: Sie beschwören die Beschäftigungseffekte von Windkraft, verhindern aber gleichzeitig das Repowering der Anlagen.
Sie setzen insgesamt auf altes Eisen, alte Windkraftanlagen, alte Atomkraftwerke. Sie selbst sind ideologisch gesehen in der Klimapolitik ein altes Eisen, meine Damen und Herren.
Wir hätten von der Landesregierung längst erwartet, dass sie sich das RWE einmal richtig vornimmt, um zu sagen: Wir wollen, dass die Profite, die durch das Abzocken der Stromkunden und die Einpreisung gemacht worden sind, endlich in Zukunftsinnovationen, in ein CO2-freies Kraftwerk umgesetzt werden. Das muss der Zukunftsexportschlager werden, nicht aber das, was Sie ständig präsentieren.
Deshalb verstehen wir den Strategievorstand des RWE nicht. Wenn Birnbaum behauptet, das RWE investiere 80 Milliarden €, aber nicht in Deutschland, sondern in Osteuropa, in den baltischen Ländern und sonst wo, sagen wir: Das ist ein falsches Zeichen! Wir wollen keine neuen Atomkraftwerke in Bulgarien mit diesem Geld finanziert wissen, sondern moderne Kohlekraftwerke im Rheinland. Das muss die Perspektive sein, und zwar auch unter Beschäftigungsgesichtspunkten.
Sie haben doch mit der Weltmacht Oberösterreich gegen Windmühlen gekämpft, als wir Ihnen schon Problemlösungen auf dem Silbertablett präsentiert haben. Im September haben wir Sie eindringlich gebeten, sich darum zu kümmern, wie das konkret umgesetzt werden kann, was jetzt an Beschlüssen wahr wurde. Wir haben Ihnen die hundertprozentige kostenlose Zuteilung prognostiziert und auch, dass
die EU-Mitgliedstaaten in den Bereichen kompensieren können, in denen besondere Strompreissteigerungen anfallen können. Wann kümmert sich die Landesregierung endlich um die sachgerechte Ausgestaltung der Standards, die notwendig sind?
Sie tun nichts. Sie halten die Hände im Schoß. Deshalb glauben wir, dass Sie Recht und Anspruch verloren haben, in der Klimapolitik maßgeblich mitzubestimmen. Das, Frau Thoben, ist einmal mehr der Beweis dafür, dass Sie leider in der Wirtschaftspolitik, in der Strukturpolitik das „Schwarze Loch“ in Nordrhein-Westfalen sind.
Welche Abgeordneten sind Ihnen bekannt, die Einfluss genommen haben auf eine potenzielle Vergabe von diesen Bußgeldern?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag auch als Einladung an die Landesregierung und an die Landtagsmehrheit verstanden, zu beweisen, dass sie für die Sache der Gerechtigkeit in unserem Land nicht nur Mundwerker von weltmeisterlichem Format, sondern auch politische Handwerker sind.
Wir sollten das, was der Ministerpräsident sozial löblich auf seiner Brasilienreise vollbracht hat – beispielsweise die praktische Solidarität mit den dortigen Obdachlosen –, der Streichung der Mittel für die Obdachlosenberatung in NordrheinWestfalen gegenüberstellen.
Wir sollten sein Interesse für das Projekt „Kinderdorf Rio“, eine katholische Einrichtung, die aus Oberhausen gesponsert wird, dem entgegensetzen, was die Arbeitslosenberatung der katholischen Kirche in Oberhausen zum selben Ministerpräsidenten und seiner Landesregierung sagt: Statt Geld kamen Sonntagsreden. Das hat nichts mit katholischer Soziallehre zu tun. – Das ist die Wirklichkeit in unserem Land.
Wenn wir schon dabei sind, so etwas wie einen Dr.Rüttgers-TÜV zu reklamieren, lassen Sie mich klipp und klar sagen: Wir als Sozialdemokraten wissen, Johannes Rau war und bleibt moralische Instanz in unserem Land und darüber hinaus. Dr. Rüttgers ist bislang bloße Inszenierung in unserem Land und darüber hinaus.
Diese Inszenierung zielt allerdings auch nach Berlin, getreu dem Motto: Koch ist der harte Hund, Wulff bleibt der ewige Schwiegermutterliebling – inszeniere ich mich als der Johannes Rau des 21. Jahrhunderts. – Anders ausgedrückt: Das ist in Wirklichkeit die Dr.-Rüttgers-Variante, an den Gitterstäben des Kanzleramts zu rütteln, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Einladung „Wenn für Lau, dann jau“ geht ganz konkret an Sie. Diese Maßnahmen kosten kein Geld, sondern nur guten politischen Willen und bedürfen sozialer Verantwortung in unserem Land. Man kann sich nicht nach dem ansonsten bei Ihnen üblichen Motto drücken: Wir reklamieren soziale
Gerechtigkeit auf Bundesebene, tauchen aber weg, wenn es um landespolitische Verantwortung geht.
Erstens. Sorgen Sie mit uns gemeinsam dadurch für ein Stück Bildungsgerechtigkeit, dass die Gemeinschaftsschule dort sofort genehmigt wird, wo es vor Ort eine Mehrheit gibt. Das kostet kein Geld, sondern nur guten Willen.
Zweitens. Sorgen Sie für einen Privatisierungsschutz. Bekennen Sie, dass „Privat vor Staat“ falsch war. Privatisierungsschutz heißt, gleich beim Sparkassengesetz zuzustimmen, dass ein Satz ergänzt wird: Die Privatisierung von Sparkassen ist in Nordrhein-Westfalen verboten. Das ist ganz einfach und eine Perspektive, die Sie sofort mittragen können, Herr Ministerpräsident.
Drittens. Beim Landespersonalvertretungsgesetz werden wir nie die Blamage, die Kollege Laumann und die Seinen vom CDA erleiden mussten, und ihre Körperhaltung vergessen, als die CDAMitglieder noch als Blümianer verschrien waren, nämlich: Köpfe runter, Hände hoch, Augen zu und durch. – Das ist keine St.-Martins-Haltung, Kollege Laumann. Sie geben Ihren St.-Martins-Mantel an der Garderobe ab und kneifen hier. Diese Politik dokumentiert keine Gradlinigkeit.
Viertens. Bei der Gerechtigkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer flötet Herr Stahl mit den Seinen: Wir brauchen einen Tarifbonus für Gewerkschaftsmitglieder. – Da bleibt selbst Lindner als Koalitionspartner die Spucke weg. In Wirklichkeit aber haben Sie das Tariftreuegesetz geopfert, positionieren Sie sich gegen Mindestlöhne und haben Sie die Arbeitslosenberatung kurz und klein gestrichen.
Fünftens. Regionale Gerechtigkeit. Frau Thoben schafft neue Halden, nämlich Millionen und Milliarden Euro von Ziel-2-Mitteln. Bauen Sie endlich diese Halde ab, damit Sie in Kohlerückzugsgebieten initiativ werden können. Die brauchen Investitionen und tätige Hilfe und keine gut gemeinten Wettbewerbe, die an den Problemen vorbeigehen. Es ist und bleibt ein Skandal, dass 240 Millionen € auf Halde liegen und nur 40 Millionen € abgeflossen sind. Ein gemeinsames Flächenmanagement wäre besser.
Deshalb sage ich noch einmal sehr ernsthaft: Wir laden Sie ein, hier konkret Ja oder Nein zu sagen. Verweisen Sie nicht wieder auf irgendwelche Erblastsünden, sondern stellen Sie sich hier und heute!
Bekennen Sie Farbe, dass Sie es mit der sozialen Gerechtigkeit in unserem Land genauso ernst meinen, wie Sie es so gerne unverbindlich bundespolitisch fordern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schulterklopfen der Union hilft nicht weiter. Wir werden uns bei der Abstimmung zu diesem Antrag gleich enthalten, nicht, weil wir ihn inhaltlich als korrekturbedürftig ansehen, sondern weil uns die Finanzierung nicht plausibel erscheint. Wir hätten es besser gefunden, statt einer direkten Abstimmung heute eine Abstimmung nach den Haushaltsberatungen bzw. im Verlaufe der Haushaltsberatungen – auf jeden Fall nach der Steuerschätzung – vorzunehmen. Das hätte uns die Zustimmung möglicherweise erleichtert. Inhaltlich ist es, wie gesagt, der richtige Fingerzeig.
Man kann diese Regierung und diese Landtagsmehrheit nach einem Hinweis, wie er gerade beispielsweise wieder einmal gekommen ist, nicht einfach laufen lassen. Wir haben eine Klima-, eine Finanz-, eine Sozial- und womöglich auch eine Realwirtschaftskrise, die im Grunde genommen vier unterschiedliche Phänomene mit einem Ursachenbündel ausmacht. Deshalb muss der Landtag dar
über reden, dass er an die Problemlösungen integrativer herangeht, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Wir haben dem Landtag dazu einen Klimaausschuss als Querschnittsausschuss vorgeschlagen und darüber hinaus ein Klimakabinett eingefordert. Jetzt kommt eine ganz spannende Geschichte: Sie haben das damals höhnisch und hämisch abgelehnt; das sei typischer Quatsch der Sozialdemokratie. Für morgen haben Sie eine Aktuelle Stunde beantragt, mit der Sie Ihre bisherige Handlungsunwilligkeit und Sprachlosigkeit auf dem Feld des Klimaschutzes dadurch krönen, dass Sie den Kampf gegen die Windmühlen fortsetzen: gegen die Einbeziehung aller in den Emissionshandel. Das ist im Grunde ein Stück aus dem Tollhaus. Selbst die Gewerkschaften, die Sie in Ihrem Boot glaubten, haben Ihnen gesagt: Mit uns nicht! Spielen Sie alleine weiter Don Quichotte. Wir geben uns nicht als Sancho Panza her. – Deshalb ist die morgige Aktuelle Stunde der wirkliche Ausdruck Ihres klimapolitischen Verständnisses und kann nicht in dieses finanzpolitische Korsett abgeschoben werden.
Im Zusammenhang mit den klimapolitischen Perspektiven muss man dieser Landesregierung unter die Nase reiben, dass sie den Status als Energieland Nummer eins verspielt hat. Sie behindern massiv das Repowering der Windkraft. Das ist verantwortungslos. Wir stehen dafür, die 100-mBlockade aufzulösen. Nordrhein-Westfalen ist unter anderem erfolgreich durch Export.
In 2007 haben wir Exportzuwächse von 9 %. Die Inlandsunternehmen haben damals schon 3,5 % ihrer Arbeitsplätze abgebaut. Nordrhein-Westfalen hat nur durch einen Zuwachs bei den Exportunternehmen in Höhe von 2 % einen positiven Beschäftigungssaldo erreicht hat. Nordrhein-Westfalen ist Weltmarktführer unter anderem beim Windkraftanlagenbau. Wir bestreiten 50 % des US-Marktes mit Windkraftanlagen.
Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo in den Vereinigten Staaten durch Obama die Energiewende eingeläutet wird, verabschieden Sie sich fahrlässig von diesem Exportmarkt Nummer eins. Das ist verantwortungslos!
Genauso offenbar ist das in Brandenburg. In der Lausitz wird das größte Solarkraftwerk gebaut, 150 ha. Sie aber lamentieren nur über den Ausstieg aus der Atomkraft. Dabei ist Nordrhein-Westfalen atomkraftwerkfrei. Also haben wir im Grunde durchgängig das Prinzip Don Quichottes. Deshalb kann man konstatieren: Wir in Nordrhein-Westfalen ha
ben leider Gottes keinen Gabriel, keinen Steinbrück, noch nicht einmal eine Merkel.
Was uns bleibt, ist eine NRW-Ausgabe von Glos. Aber unser Glos heißt Thoben! Das ist das Drama der Wirtschafts- und Strukturpolitik in diesem Land!
Kreisverkehr statt klarer Kurs, das ist Ihr klimapolitischer Kurs.
Ich komme zu dem anderen Investitionsteil, der von den Grünen richtig beschrieben wurde. Sie haben die Investitionsfähigkeit des Landes und damit auch der Kommunen im Grunde verspielt. Wir hatten, seit Schwarz-Gelb regiert, ein Steuerplus von 25 % auf der Einnahmeseite. Bei den Investitionen haben wir ein Minus von 20 %, was signalisiert, dass genau die ordnungspolitisch konformen Konjunktur- und Strukturimpulse von Ihnen abgeblasen wurden und in den Konsum verschwunden sind. Schuldenabbau war ja nicht Ihr Thema. Sie haben Schulden in einem Tempo aufgehäuft, das selbst uns nicht unterbieten konnte – in einer angeblich höchst rekordgefährlichen Zeit. Also: Da viel mehr Bescheidenheit!
Was ist denn Ihre Krankenhausinvestitionspauschale? Das ist doch eine Investitionsbremse, weil die Kommunen nicht mitkommen. Was ist denn Ihre Übervorteilung beim Solidarfonds gegenüber den Kommunen? Eine massive ökologische Investitionsbremse, weil die Kommunen nicht nachkommen. Also fordern wir Sie klar auf, den Weg zumindest für die Nutzung der Bundesprogramme freizumachen. Es wird auch darum gehen, ob die Kommunen im Nothaushaltsrecht die Bundesprogramme in Anspruch nehmen und dann Impulse setzen können.
Morgen werden Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir fordern einen Klimarat, wir sind gegen den Emissionshandel in der jetzigen Form. – Wir hätten längst handeln können. Hören Sie auf, Don Quichotte zu spielen. Versuchen Sie, da anzuknüpfen, wo Arbeit und Umwelt unter Rot-Grün Markenzeichen der Landespolitik waren. Dann kommen wir einen Schritt weiter, dann werden wir bald ein Stück weit auch die Finanzprobleme überwunden haben, die Sie so vehement beschrieben haben. Wir werden uns der Stimme enthalten, weil es der falsche Zeitpunkt ist, aber die Ideen richtig sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klarheit und Wahrheit hätte diese Debatte bringen können. Aber die Regierungskoalition hat sich anders entschieden. Wir haben hier zur Kenntnis nehmen müssen, dass eben nicht klargestellt wurde, auch nicht durch den Finanzminister, dass dieses Sparkassengesetz nicht von Lohnschreibern der Beratungsfirma Freshfields begleitet wurde. Sagen Sie doch: Diese Beratung hat nicht stattgefunden. – Das wäre ein Stück mehr Klarheit und Wahrheit. Wir würden uns darüber freuen, Herr Finanzminister.
Warum ist dieses Beratungsunternehmen so wichtig? Weil es schon ein anderes Bankgeschäft beraten hat und weil die Sparkassenszene zu Recht vermutet, dass das Sparkassengesetz in NordrheinWestfalen so formuliert wurde, dass es in Brüssel gecancelt werden musste. Sie sind zu feige, Eigenverantwortung für die Privatisierung der Sparkassen und die Vertikalisierung zu übernehmen. Das wollen Sie nicht. Deshalb muss Brüssel Ihnen da aus der Patsche helfen.
Warum bekennen Sie sich nicht klar zu dieser Verantwortung? Der Kollege Papke kann hier als wandelnde Nebelkerze auftreten und so tun, als sei das Sparkassengesetz womöglich noch ein Rettungsanker für die internationale Finanzkrise. So hat er es ja dargestellt. Sie als Finanzminister können das nicht. Eigentlich kann das auch der Ministerpräsident nicht. Es ist schon nahe an einem Skandal, wenn die Chefsache mit einem leeren Chefsessel im Parlament angegangen wird, meine Damen und Herren!
Gerade der Finanzminister müsste sich darüber empören; denn er ist doch in den Schwitzkasten genommen worden nach dem Motto: Lieber Helmut, lass mich mal machen! – Er war doch in der Kneifzange von Rüttgers und Breuer.
Beide sind heute nicht da – der eine aus verständlichen Gründen, der andere war eigentlich erst ab
15 Uhr entschuldigt, hat sich aber gestern bei der Traumnacht mit Merkel offensichtlich erkältet.
Zu dem Risiko und zu dem Vertrauen: Hier ist deutlich geworden, dass Sie eben nicht die Vertrauensleute der Sparkassenszene sind. Ihre eigenen Leute, Herr Weisbrich, Vorstand und Verwaltungsrat der Kreissparkasse Düsseldorf, haben Ihnen gestern noch – Kollege Körfges hat darüber gesprochen – ins Stammbuch geschrieben: Es ist historisch einmalig in Nordrhein-Westfalen, dass eine Landesregierung ein Sparkassengesetz gegen die Sparkassenverbände und gegen die kommunalen Spitzenverbände formuliert. Es ist einmalig, so die Kreissparkasse Düsseldorf – Ihre Leute! –, dass eine Zwangsvereinigung statt einer funktionierenden Partnerschaft gesetzlich verordnet werden soll.
Es ist einmalig, dass in Nordrhein-Westfalen als einzigem Bundesland diese jetzt funktionierende Partnerschaft zu gesetzlichem Zwang werden soll. Das gibt es in ganz Deutschland nicht.
Von den Sparkassen ist auch kritisiert worden, dass mit diesem Gesetz eine zusätzliche politische Langfingerei manifestiert werden soll. Denn es soll ein neues Aufsichtsgremium geschaffen werden, das darüber wacht, was Sparkassen und WestLB miteinander an Partnerschaft vereinbaren und treiben. Die Kreissparkasse Düsseldorf – Kollege Weisbrich, Ihre Leute! – kommt deshalb zu dem schriftlichen Urteil: Dieses Sparkassengesetz ist ein Enteignungsgesetz. – Die CDU hat das formuliert, nicht wir.
Dieses Sparkassengesetz ist ein Enteignungsgesetz; denn es enteignet die kommunalen Träger um ihr Sparkassenvermögen. Das ist Ihre Sprache. Und an dem Punkt haben Sie recht; das kann ich nur unterstreichen.
Das Schreiben endet mit der dringlichen Bitte: Streichen Sie die Novelle zum Sparkassengesetz! – Dieser Ihrer christdemokratischen Bitte können wir Sozialdemokraten uns nur aus vollem Herzen anschließen. Da sollten wir gemeinsam handeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen enthält eine Beispielsammlung, wo Fehlinvestitionen der Landesregierung zu buchen und Hinweise zu geben sind. Er bietet aber auch Gelegenheit, einmal zu bilanzieren, wie eigentlich die Zukunftsentwürfe der verschiedenen Parteien und Fraktionen aussehen und zu bewerten sind.
Die CDU hat uns zum Glück ein gutes Beispiel gegeben: Wir können sie an ihrem Landesparteitag aus der jüngsten Vergangenheit messen. Die Botschaft der CDU in Nordrhein-Westfalen lautete: Das ganze Land wird schwarz, wird RüttgersLand. – Ihr Landesparteitag war doch nicht mehr als eine Messe der Eitelkeiten, nicht mehr als die Zurschaustellung arroganter Macht und nicht mehr als der Nachweis, dass bei Ihnen Semantik statt Substanz herrscht.
Wie fing das Schauspiel vor drei Jahren an? Der neue Ministerpräsident stand hier und sagte: Ab jetzt gilt „Privat vor Staat“ und „Freiheit vor Gleichheit“. – Heute sagt derselbe Ministerpräsident: Neoliberalismus darf nicht sein. Turbokapitalismus muss bekämpft werden. – Er schämt sich nicht einmal, Anleihen bei Johannes Rau und Willy Brandt zu machen. Aber auch das wird zum Scheitern verurteilt sein, meine Damen und Herren.
Lassen Sie uns einmal zusammenfassen, was sich hier gestern und vorgestern abgespielt hat. Wir haben zur Kenntnis nehmen können, dass die Steuereinnahmen um 20 % gewachsen sind. Damit haben Sie überhaupt nichts zu tun; Sie können sie vereinnahmen. Im gleichen Zeitraum sind aber Zukunftsinvestitionen im Land um 20 % abgesenkt worden. Das ist ein Missverhältnis.
Nein, später bei der zweiten Runde. Wir freuen uns gleich zunächst
einmal auf den Kollegen Post, der erklären kann, warum er gegen das Sparkassengesetz in Mönchengladbach gestimmt hat und wie er sich wohl hier im Plenum verhalten wird.
Die Sparkommission von Rüttgers hat zu Beginn der Legislaturperiode erklärt: Wir zeigen Rot-Grün mal, wie Personalkosten gespart werden. 34.000 Stellen werden wegrationalisiert. Jetzt lautet die Ankündigungsbilanz: Wir werden wohl 2.500 schaffen. Nebenbei werden insgesamt 97 „schwarze Filzstifte“ verbeamtet.
Bei den Lehrerstellen werden wir mit abenteuerlichen Rechnungen abgespeist. Gestern erst haben wir zur Kenntnis nehmen können, dass angeblich 1.831 neue Stellen für Lehrerinnen und Lehrer geschaffen werden. Wenn Sie genau hinschauen, entlarvt sich das als Schimäre: Von diesen 1.831 Stellen kommen doch real nur 130 neue Lehrerstellen dem Unterricht zugute. Der Rest fließt in die Ganztagsbetreuung sowie in die Betreuung über Mittag und hat mit Unterrichtsversorgung überhaupt nichts zu tun. Diese Milchmädchenrechnung lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Apropos Milchmädchen: Kommen wir zur Ministerin Sommer. O-Ton Jürgen Rüttgers: Bildung ist Menschenrecht. Alle Talente müssen gefördert werden. – Originaltat der Landesregierung: Statt eines Sommermärchens wie im Fußball wird uns Woche für Woche ein Schauermärchen geboten – demnächst sogar in Propagandaform: Schulzeit in Druckformat heißt das neue Magazin.
Für die erste Ausgabe möchte ich ein paar Hinweise geben. Wir schlagen Ihnen vor, über Folgendes zu berichten: Frau Ministerin Sommer im Zentralabi durchgefallen. – Wir richten Kopfnotensalat an. -Jürgen Rüttgers allein zu Haus. Hauptschule hat nur noch bei der CDU Zukunft, weil sich die FDP auf den Marsch zu einer vernünftigeren Bildungspolitik macht.
Originalton Jürgen Rüttgers auf dem Landesparteitag im März 2005:
Ich traue mir in zehn Jahren zu, eine Million neue Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen zu schaffen.
Originaltat: Nordrhein-Westfalen wird beim Ranking der Wirtschaftsdynamik aller Bundesländer –
auch der ostdeutschen – auf den vorletzten Platz durchgereicht. Statt Wirtschaftsdynamik kommen wir hier nicht vom Fleck. Sie sagen, das ganze Land wird schwarz, wir sagen, NordrheinWestfalen kann es besser, meine Damen und Herren.
Originalton Jürgen Rüttgers: Wir schaffen Transparenz statt Filz. – In Wirklichkeit – die Originaltat – wird politische Kultur in Nordrhein-Westfalen gebeugt. Warum? – Weil Parteigeneräle nicht nur Wahltermine dem Innenminister diktieren, sondern auch das Wahlrecht vorschreiben. Ein Skandal! In 112 Fällen, gemessen an der letzten Kommunalwahl, wird weniger Demokratie praktiziert; denn die Oberbürgermeisterwahl wurde erst mit der Stichwahl entschieden und so wurde verhindert, dass beispielsweise in einer 600.000-Einwohner-Stadt wie Duisburg ein Oberbürgermeister mit weniger als 20 % Legitimität durch Wahlzustimmung gewählt wurde. Das ist weniger Demokratie. Sie empfinden Demokratie als Wagnis und nicht als Chance. Das unterscheidet uns.
Originalton Jürgen Rüttgers, Landesparteitag 2008: Wir sind Kommunalpartei. – Wie sieht die Originaltat der Kommunalpartei CDU aus? – Solidarfondsbetrug, der Gewerbesteuerverrat wird fortgesetzt, bei der Gewerbesteuerumlage werden 165 Millionen € vorenthalten, Krankenhausinvestitionen werden verschlechtert, Stadtwerke werden angegriffen, Regionalisierungsmittel für den ÖPNV werden in Nordrhein-Westfalen nicht ersetzt und, das Schäbigste bei der gesamten Streichaktion, der Strukturdefizitausgleich für Elternbeiträge wird abgeschafft. Im Klartext: Arme Kinder und arme Städte zahlen bei Ihrer Haushaltspolitik eben drauf. Sie verhöhnen seine Menschen und spalten das Land.
Originalton Jürgen Rüttgers: Toleranz und Stolz muss in Nordrhein-Westfalen nach vorne gebracht werden. – Toleranz und Stolz. Dann hören Sie sich einmal die CDU in Neuenrade im Märkischen Kreis an. Der Fraktionsvorsitzende Klinke: Wir lassen uns auch mit SED-Methoden von der CDU-Landesspitze nicht mundtot machen. – Der Mann weiß, wovon er spricht.
Oder letzte Haushaltsausschusssitzung: Rüpelei gegen den Landesrechungshof. – Weil eben zu deutlich wurde, dass ein Schuldenrekord ins
Stammbuch geschrieben wurde. Auf Deutsch gesagt: Willfährigkeit und Gefolgschaft sollen die neuen Kardinaltugenden werden. Deshalb streiten Sie mit dem Weihbischof Grawe um das Sparkassengesetz, deshalb fangen Sie Krach mit der evangelischen Kirche in Westfalen an und deshalb sagt selbst Meisner: Diese CDU hat nichts mehr mit einem christlichen Menschenbild in der Politik zu tun.
Wir sagen: Nordrhein-Westfalen kann es besser, beispielsweise beim Thema Schule. Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen, wir brauchen Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Uni, wir brauchen einen echten Ganztag, wir brauchen eine Gemeinschaftsschule, weil Gemeinschaftsschule besser ist als das dreigliedrige Schulsystem, meine Damen und Herren.
Wir sagen: Nordrhein-Westfalen kann es besser, beispielsweise in der Energie. Es reicht eben nicht, Alt-AKWs in der Laufzeit zu verlängern nach dem Motto „Wir besuchen mal den Goldeselstreichelzoo beim RWE“. Da muss man schon mehr energiepolitische Kompetenz an den Tag legen. Wir sagen: Einen neuen energiepolitischen Konsens kann es nur dann geben, wenn es beim Ausstieg aus der Atomkraft bleibt,
wenn die heimische Energie, kohlesparende und erneuerbare Energien nach vorne gebracht werden. Das hat Zukunft. Bei Ihnen hat das Volksbündnis mit der PDS-Zukunft in Köln; denn Sie blockieren Kraftwerkserneuerungen im Braunkohlerevier. Das ist schändlich für den gesamten Standort Nordrhein-Westfalen.
Wenn wir über Kraftwerke reden, dann lassen Sie uns auch darüber reden, dass Kraftwerkserneuerung von Ihnen eben nicht vorangetrieben wird und dass der Ausbau der CO-Pipeline von Ihnen nicht vorangetrieben wird,
schauen Sie sich vor Ort um, wer den Bürgerprotest organisiert! –, dass es keinen Masterplan Logistik gibt, den selbst der Kollege Rasche von der FDP-Fraktion gefordert hat.
Weder bei Betuwe noch beim „Eisernen Rhein“, noch beim Investitionsrückstand Landesstraßen haben Sie überzeugende Konzepte, wie Sie den Industriestandort NRW sicherer machen wollen. Stattdessen müssen wir Sorge haben, dass letztendlich die Industrie überlegt, ob sie an die Küste abwandert, weil dort Kraftwerkstandorte der Zukunft entstehen könnten, bessere Logistikbedingungen sein könnten und die Frage in NordrheinWestfalen nicht beantwortet wird, wie wir es denn schaffen können, die Exportweltmeister, die wir hier haben, nämlich die altindustriellen Standorte von Stahl und Chemie, wirklich zukunftssicher durch Infrastrukturinvestitionen abzusichern.
Nordrhein-Westfalen kann es besser auch beim Wasser. Sie haben bislang versäumt, das Wasserland Nummer eins Nordrhein-Westfalen wirklich als Exportschlager aufzustellen. Wir können Nordrhein-Westfalen bei der Forschung – Stichworte: Trinkwasser, Abwasser –, bei Wasserenergie, Wasserwirtschaft, Ökologie, Gewässerschutz, Freizeit und Erholung zu einem Markenzeichen, zu einem Exportschlager machen. Das ist ökologische Industriepolitik, wie wir sie uns vorstellen und wie wir sie von Ihnen nirgendwo zu sehen bekommen.
Schlussum, in der Zwischenbilanz nach drei Jahren muss man feststellen: Für Sie war das vor allen Dingen eine Mastkur satter Selbstgefälligkeit. Sie sind zur konstruktiven Kritik an der Landesregierung nicht fähig oder nicht willens und selbstkritisch schon gar nicht. Sie geben das Bild eines Nickdackels ab, politisch gesehen, für den sich jede Hutablage schämen muss. Wir wollen, dass sich das 2010 wieder ändert. Wir sind wahrhaft verliebt ins Neue. Deshalb sind wir sicher, dass Gott und das Wahlvolk dafür sorgen werden, dass sich die Verhältnisse hier ändern. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Thema Gau, Herr Kollege Stahl, fällt mir vieles ein, unter anderem eine Rede wie diese zu diesem Thema. Auch das ist ein politischer Gau für dieses Land, Herr Kollege Stahl.
Herr Stahl, wir sollten uns erst einmal bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie uns die Gelegenheit geben, hier noch einmal unsere Position zu verdeutlichen.
Wir lassen uns von Ihnen aber nicht diktieren, wann und wo wir Fragen beantworten und diskutieren, die Sie rhetorisch stellen. Wir werden unsere Position markieren, wie wir es überall tun.
Der erste Punkt zum Mitschreiben: Wir wollen und werden die stärkste Fraktion im nächsten Landtag sein.
Zweite Bemerkung: Wir wollen und werden die Linkspartei aus dem nordrhein-westfälischen Landtag heraushalten. Herr Sagel dreht eine Runde, aber keine zweite.
Wir wollen und werden nicht die Zusammenarbeit suchen, sondern die inhaltliche Auseinandersetzung. Das hätte ich eigentlich auch von Ihnen, Herr Stahl, und von Ihnen, Herr Papke, erwartet. Sie beide haben an diesem Punkt versagt.
Was ist das eigentlich Spannende? – Das Spannende steht beispielsweise in der „Rheinischen Post“. Dort steht: CDU verliert massiv Wählerinnen und Wähler. Warum? – Weil Ihnen als Partei sowohl der kulturelle Überbau als auch der geistige Unterbau fehlt. Das ist ein Problem.
Wenn wir uns die Wahlanalysen ansehen, dann – das können Sie uns glauben – macht uns betroffen, dass zwei Drittel der Linkswähler im Grunde unsere Leute sind. Aber ein Drittel sind Ihre. Warum ist das so? –
Das ist so – inhaltlich auseinandergesetzt –, weil die Menschen, die uns vertraut haben, statt Aufstiegschancen zu sehen immer mehr Abstiegsängste haben. Das ist unser Problem. Darauf haben wir Antworten gegeben.
Bei Ihnen sieht die Welt nicht ganz anders aus. Bei Ihnen ist zumindest im CDA-Bereich längst erkannt, dass das Gleichnis „Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gut“ auch nicht mehr gültig ist. Deshalb hauen die bei Ihnen ab und gehen zur Linkspartei.
Deshalb empfinden doch immer mehr Menschen in unserem Land, auch in Nordrhein-Westfalen,
nicht dieses Gequake vom Linksrutsch, sondern sie empfinden etwas ganz anderes, nämlich einen gesellschaftlichen, einen sozialen und ökonomischen Rechtsruck weg von der sozialen Marktwirtschaft hin zur radikalen Marktwirtschaft. Diesen Ruck gehen viele Menschen nicht mit.
Deshalb sagen wir – so interessant die Auseinandersetzung mit Ihnen und Ihnen ist –: Unser eigentlicher politischer Gegner in NordrheinWestfalen sind Sie überhaupt gar nicht. Sie haben auch bei der letzten Landtagswahl, absolut gerechnet, keinen Wähler dazu gewonnen.
Das Problem für uns war ein anderes. Wir haben die dritte Volkspartei in Nordrhein-Westfalen im Grunde nicht in den Griff bekommen.
Und diese dritte Volkspartei ist die „Sofa-Partei“ derjenigen, die immer bewusster nicht zur Wahl gehen, weil sie frustriert und enttäuscht sind, und zwar sowohl von Ihnen als auch von uns, Herr Kollege Stahl.
Wir haben eine sehr ernsthafte Antwort darauf zu geben versucht. Ich will daran erinnern: Wir als Sozialdemokraten haben zehn Wahlauseinandersetzungen in ganz Deutschland verloren. Es waren zehn Stück hintereinander weg.
Wir haben dann gesagt: Unsere programmatische Erneuerung fußt im Grunde auf zwei großen Botschaften: Neben der Demokratisierung und der Globalisierung wollen wir erreichen – das haben wir im Hamburger Programm formuliert –, dass der vorsorgende Sozialstaat Wirklichkeit wird. Das heißt, dass Bildung eben nicht mehr Privileg bleibt und im Feudalismus des 19. Jahrhunderts hängen bleibt, wie Sie es immer noch wollen.
Das Zweite ist, dass Sozialstaat Armut bekämpfen muss. Und auch da sind Sie auf dem Holzweg. Denn wir sagen: Es muss des Staates sein, was des Staates ist, aber es muss des Arbeitgebers sein, was des Arbeitgebers ist. Und deshalb brauchen wir im Zweifel staatliche Mindestlöhne und keine Staatssubventionen in die Löhne über Kombilöhne, wie Sie es fordern.
Nein, keine Zwischenfrage. Wir können das von mir aus bis zum SanktNimmerleinstag weitermachen, aber jetzt rede ich erst einmal.
Dann kommen wir zum zweiten Punkt. Sie scheuen sich doch inzwischen, Ihre Formel „Privat vor Staat“ im Regierungsprogramm als offenes Bekenntnis vor sich her zu tragen. Richtig so!
Wir sind gegen eine solche neoliberale Formel, und wir sind als Sozialdemokraten gleichfalls gegen die Allmachtsvisionen der Linken, die da sagen: Der Staat kann alles. Staat vor Privat. – Das ist genauso vorgestrig wie Ihre Position, meine Damen und Herren.
Deshalb sagen wir: Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat – solide finanziert –, der im Zweifel auch als handlungsfähiger Staat, als Partner Staat, die Marktwirtschaft da resozialisieren kann und muss, wo Nokia und andere sie kriminalisieren. Das ist unser Punkt in der Auseinandersetzung.
Dann kommen wir auf das Kauderwelsch vor allen Dingen der CDU zu sprechen. Volker Kauder hat uns ja qua Zeitung ermahnt, sich nach rechts und links abzugrenzen, sei die große historische Aufgabe der großen Parteien. – Dann gucken wir uns doch mal an, wie bei Ihnen die Abgrenzung nach rechts aussieht.
Ich will der Fairness halber sagen: Otto Wels und das Ermächtigungsgesetz kann ich nicht gegen Sie wenden, weil sie mit Recht sagen, dass Sie erst nach dem Krieg gegründet wurden. Gleichwohl waren es nicht unsere Leute, die Hitler und anderen in die Ermächtigung verholfen haben.
Dann machen wir weiter: Die Globkes und die Lübkes, die Filbingers und Oettingers beweisen eines: dass es bei Ihnen die ungebrochene Tradition gibt, dass der rechte Rand bei Ihnen eben keine rechte Randgruppe ist, sondern dass er immer wieder den Weg in Ihre Mitte findet.
Dann will ich daran erinnern, dass es weder Kurt Beck noch Gerd Schröder waren, die mit Bimbes schwarz-gelbe Parteitagsmehrheiten gekauft haben und der Demokratie Hohn gesprochen haben. Das waren nicht unsere Leute, meine Damen und Herren.
Und es war auch kein Sozialdemokrat in Hamburg, der sich das Kainsmal von Schill hat auf die Stirn tätowieren lassen.
Und es waren auch nicht unsere Leute in Hessen, die mit jüdischen Vermächtnissen und mit Doppelpass-Hasskampagnen Vorlagen für Rüttgers und Rechts in Nordrhein-Westfalen und seinen Wahlslogan „Kinder statt Inder“ geliefert haben. Auch das waren nicht wir.
Da ich den Kollegen Hegemann sehe, fällt mir noch ein, dass der Schatten von Herrn Hohmann bis auf die Kreisgeschäftsstelle der Union in Recklinghausen und nicht auf unsere gefallen ist. Und ich will darauf hinweisen: Wenn man vom GAU für das Parlament und die Demokratie spricht, dann sollte man sich die Schlagzeile zu Uckermann und „pro Köln“ angucken. Wer bei denen zum Gauleiter aufsteigen will, hat in Ihrer Partei eigentlich schon längst nichts mehr zu suchen, meine Damen und Herren.
Dann kommen wir zur Auseinandersetzung mit Links. Wie sieht die denn aus? Wer hat denn Menschen und Moneten der Blockparteien OstCDU und Bauernpartei bei sich einverleibt? Waren Sie das, oder waren wir das? – Sie waren es. Wenn in Deutschland rote Socken gestopft werden, dann geschieht das doch auf Ihren Parteitagen und nicht auf unseren Parteitagen.
Und wer war immer dabei, als Kohl mit der Nulltarif-Lüge blühender Landschaften Wahlbetrug begangen hat? War das Dr. Rüttgers, oder waren das unsere Leute? – Nein, das war Dr. Rüttgers als parlamentarischer Geschäftsführer, als Bundesminister und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bund.
Von daher: Seien Sie nicht naseweis. Wir halten es mit Pinkwart: erst die Programme und Personen angucken, dann urteilen, aber nicht vorurtei
len. – In diesem Sinne lade ich Sie herzlich zur inhaltlichen Auseinandersetzung ein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Tag Revue passieren lassen nach der Eingangspräsentation des Ministerpräsidenten, dann stellen wir fest: Der erste Höhepunkt der Regierungsparteien war die Danksagungsorgie. Herr Stahl dankt Herrn Papke, Herr Papke dankt Herrn Stahl, Herr Stahl dankt der CDU-Fraktion. Ja, wofür? Er dankt für die tolle
kreative Zusammenarbeit, die mutige Diskussion. Er hat nur eines vergessen: Die Entschuldigung gegenüber den Vergewaltigungsopfern in Ihrer Fraktion bei den Abstimmungen zum KiBiz und zu § 107 der Gemeindeordnung. Das hat er vergessen.
Dann wurden hier Lorbeerkränze geflochten, einer üppiger als der andere. Jeder der Regierungsvertreter, der Koalitionsvertreter hat sich mit den Lorbeeren der Halbzeitbilanz geschmückt. Wenn man nüchtern Bilanz zieht, was wirklich in den Feldern Struktur- und Wirtschaftspolitik gelaufen ist, dann müssen wir sagen, selbst heute haben wir nicht einen originären Vorschlag der Regierungskoalition zur Kenntnis nehmen können,
sondern nur Eigenlob mit Lorbeerkränzen aus unserer Vitrine. Das ist der Punkt. Bis jetzt ist Null an Originalität im Bereich Wirtschaft- und Strukturpolitik festzustellen, geschweige denn im Ruhrgebiet. Da gibt es seit der ersten Regierungserklärung des Ministerpräsidenten die Ankündigung: Wir werden ein Zukunftsinvestitionsprogramm Ruhr vorstellen! – Immer wieder die gleiche Ankündigung, immer wieder null und nichts an originärer neuer Idee für den Strukturwandel.
Dann haben Sie hier kundgetan, wie Sie sich auf den einzelnen Feldern abgearbeitet haben. Festzustellen bleibt, dass Sie auf keinem politischen Feld ein zukunftssicheres Krisenkonzept haben, auch nicht bei der Haushaltskonsolidierung, obwohl es da ein Leichtes wäre. Steuereinnahmen fließen wie zu Sterntalers Zeiten!
Und was ist hier? Sie haben uns keinen verschuldungsfreien Haushalt, sondern im Gegenteil eine große Verfassungspleite mit einem verfassungswidrigen Haushalt präsentiert. Steuermehreinnahmen werden nicht zur nachhaltigen Konsolidierung genutzt.
Heute Morgen, meine Damen und Herren, wieder ein Schauspiel: Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses zur WestLB-Zukunft. Einmal mehr hat sich der Finanzminister als Zuschauer in diesem Prozess präsentiert und musste zugeben, dass die Fäden und Strippen in der Staatskanzlei gezogen würden, weil der Kurs bei dieser Frage natürlich nicht rational, sondern von der persönlichen Feindschaft der Herren Rüttgers und Oettinger bestimmt wird. Das ist kein Maßstab für gute Politik in diesem Land!
Was haben wir bei der Energiepolitik erlebt? Dabei wurde die Option als Lügenmärchen derjenigen abgetan, die den Bergbau zu lange subventioniert hätten.
Nein, gerade wenn man schon oberflächlich vom Zwang der Globalisierung der Wirtschaft spricht, hätte man erkennen müssen, dass die Option 2012 eine Riesenchance angesichts der weltweiten Entwicklung der Energiemarktpreise sein kann.
Wir wissen nicht, wie hoch die Produktionskosten für 1 t Kohle 2012 sein werden, aber wir wissen, dass schon heute ein neues Bergwerk auf der grünen Wiese billiger produzieren könnte als bei der Versorgung über den Weltmarkt, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir dann auf KiBiz, Schule und Studium zu sprechen kommen, ist die praktische Politik im Ergebnis genau das Gegenteil dessen, was der Ministerpräsident und andere dargestellt haben. Denn es ist ein Rückschritt, wenn Sie sozialen Mauerbau in diesem Land betreiben, statt Fortschritte zu fördern und Barrieren abzubauen. Es gibt mehr anstatt weniger sozialer Selektion, seitdem Sie an der Regierung sind.
Beispiele für diese falsche Politik und für die handwerklichen Fehler ist neben dem verfassungswidrigen Haushalt auch die Erinnerung an das mehr als blamable Verfassungsschutzgesetz.
Beim Stichpunkt Bildung haben wir das erschütternde Ergebnis eines PISA-Tests erlebt. Offensichtlich ist sowohl die große als auch die kleine Mathematik in den Reihen der Regierungskoalition höchst umstritten. Es fing damit an, dass der Ministerpräsident 4.500 neue Lehrerstellen als Erfolgsbonus propagierte. Dann meinte Herr Papke, man würde wohl 6.400 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer schaffen.
Die Krönung war Herr Recker, der Frau Sommer für 4.880 Stellen dankte, und der die Stellen, die Sie noch nicht gestrichen haben, dazuzählte und auf 9.000 Stellen kam.
Darauf sagte mein Kollege Eiskirch zu Recht, vor dem Spiegel seien es 18.000! So machen Sie Politik mit Lehrerinnen und Lehrern. Das ist gespenstisch, meine Damen und Herren!
Ich mache weiter mit der Bildung. Fakt ist, dass nach wie vor im Haushalt 2.000 kw-Stellen von Lehrerinnen und Lehrern ausgewiesen sind. Das heißt künftig wegfallend, und sie werden nicht aufgestockt.
Ganz ruhig, Herr Kollege Witzel, ich bin nicht Herr Pinkwart. Sie können sich abregen.
Zum Thema Unterrichtsausfall gibt es ein neues Zauberwort: EVA, also eigenverantwortliches Arbeiten. Das ist die Mogelpackung der Bildungspolitik! Die Kinder werden ohne Lehrerinnen und Lehrer im Unterrichtsraum belassen und sollen sich selbst beschäftigen: im Zweifel mit den Schulbüchern, aber zweifellos werden sie mit dem Gameboy spielen und sich mit dem Lineal auf ihre Köpfe hauen. Das ist keine fortschrittliche Bildungspolitik, sondern das Gegenteil!
Dazu kommt, dass das Ministerium und die Verantwortlichen natürlich Hinweise geben, wenn statistische Erhebungen laufen, damit sich die Schulen präparieren können, um sich als Wonneproppen bei der Unterrichtsorganisation zu präsentieren, damit bloß nicht die Statistik verhagelt.
Apropos Statistik und Hauptschulen! Es ist eine Riesenschweinerei, so zu tun, als hätten die Hauptschulen durch Ganztagsbetrieb wirklich eine realistische Chance zur paritätischen Emanzipation.
Sie machen die Hauptschule und Grundschule in sozial schwachen Stadtteilen zum Abschiebebahnhof für diese Kinder und Jugendlichen.
Das ist die Wahrheit, und diese Perspektive haben Sie zu bieten!
Dazu passt, dass Sie bei den Hauptschulen jetzt schon 2.344 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer abgebaut haben. Sie lassen die Hauptschülerinnen und die Hauptschüler, die Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer im Stich. Das ist Ihre wahre Perspektive!
Überdies fehlt ein Konzept für den doppelten Abiturjahrgang, wenn das Abi in zwölf Jahren zusammen mit dem letzten Jahrgang der alten Abiturienten demnächst Wirklichkeit wird.
Bei den Universitäten hatten Sie Zaubertricks und Zahlenspielereien vorgeführt. Herr Pinkwart stellt sich ans Rednerpult und sagt: 10 % plus und Studiengebühreneinnahmen.
Fakt ist: 3,4 % sind im Haushalt ausgewiesen. Fakt ist, dass der Innovationsfonds bislang mit Privatisierungserlösen in Höhe von einmalig 40 Millionen € rechnen kann. Sie sind schneller verfrühstückt, als die Universitäten überhaupt Konzepte auf den Tisch legen.
Der Punkt ist: Es gibt offensichtlich einen Innovationsbericht, der eigentlich schon längst hätte vorgelegt werden müssen. Er wird aber als geheime Verschlusssache gehandelt, weil er für diese Landesregierung zu peinlich ist.
Dass gerade auf dem Feld der Wissenschafts- und Universitätspolitik vieles im Argen liegt, ist uns eindrucksvoll bestätigt worden: nicht durch Gutachter, die durch uns ideologisch eingefärbt sein könnten, sondern durch den Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen. Der Bericht zur Hochschulfinanzierung der Bundesländer im Vergleich ist in seiner Nüchternheit der Offenbarungseid für diesen Wissenschafts- und Innovationsminister. Er kann gern Einsicht nehmen. Wir werden auf diese Ergebnisse im Ländervergleich liebend gern zurückkommen, um zu entlarven, wie weit auch dabei Wort und Tat auseinanderklaffen.
An einem Punkt bedauern wir allerdings sehr, dass der Geistesblitz von Herrn Pinkwart auf die Blitzableiter der FDP-Fraktion gestoßen ist. Herr Pinkwart hat sich nämlich einmal aufgeschwungen zu sagen, wohin die Reise aus seiner Sicht
der Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems gehen muss,
nämlich hin zu einer zu einer regionalen Mittelschule. Er geht also von einem Zweisäulenmodell aus. Ich gehe, lieber Kollege Recker, jede Wette ein, dass der nächste Landtagswahlkampf bildungspolitisch durch unser Modell der Gemeinschaftsschule bestimmt wird. Dabei kann man sagen, dass es um unser oder – mit Nuancen – um ein rot-grünes Modell sowie um den schwarzgelben Gegenentwurf, das Zweisäulenmodell, gehen wird.