Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/1880 ist gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Hauptausschuss überwiesen worden, und zwar mit der Bestimmung, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Hauptausschusses liegen dem Haus als Drucksache 14/2624 vor. Auf dieser Grundlage beraten wir nun.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeremy Rifkin, der amerikanische Soziologe, der den „Europäischen Traum“ träumt, hat im Jahre 2000 ein ebenfalls sehr lesenswertes Buch mit dem Titel „Access“ – Zugang – geschrieben. „Das Verschwinden des Eigentums“ ist der Untertitel.
Seine These lautet: Da sich die Politik immer mehr aus den öffentlichen Bereichen zurückziehe – Stichwort Privatisierung; in Nordrhein-Westfalen heißt das übrigens seit dem Regierungswechsel immer wieder „Privat vor Staat“ – und damit auch der kulturellen Vielfalt ein immer stärkerer kommerzieller Ausverkauf drohe, werde die Wirtschaft mehr und mehr zur hegemonialen Kraft heutiger Mediengesellschaften. – So die These Rifkins.
Die Wirtschaft will damit auch über die Zugänge bestimmen. Maut- oder Verschlüsselungssysteme sorgen für vorgebliche Exklusivität. Nicht die Gesellschaften bestimmen, wohin die Entwicklung gehen soll, sondern die kommerziellen Interessen immer größerer Verbünde.
Das also ist die Tendenz: Immer weniger transnationale Konzerne sind die Hüter des Zugangs in einer Welt, die durch und durch kommerzialisiert ist und deren Format von eben den Pförtnern bestimmt wird, die die Zugangsmodalitäten regeln. Dagegen – so Rifkin – helfe nur das, was die Welt im Innersten zusammenhalte: die Kultur.
Ich füge hinzu: Dagegen hilft auch ein gesellschaftliches Bewusstsein darüber, was soziale Gerechtigkeit, ökologische Demokratie, Frieden und Freiheit für die Menschen bedeuten. Diese Grundfesten unserer Gesellschaft drohen im Zeitalter der Weltbörsen-Geschäftemacherei und der unglaublichen Materialverschwendung durch Kriegstreiberei endgültig zu zerbrechen. Auch die Globalisierung lässt unser Fundament erzittern.
Access – Zugang also – ist sicherlich das Thema der Zukunft. Chancengerechtigkeit, diskriminierungsfreie Zugänge, die in fast allen Bereichen dringend notwendige Trennung von Netz- und Betrieb sind auch die entscheidenden Themen für den medienpolitischen Gestaltungswillen.
Genau hier setzt unser Antrag vom Mai 2006 an. Er fragt danach, wo denn die jetzige Landesregierung in diesem für unser Land so wichtigen Politikfeld – rund 300.000 Menschen finden hier Arbeit und Brot – die von ihr in jedem dritten Satz erwähnte – ich glaube, heute Morgen ist das Wort auch wieder so oft gefallen – sogenannte Erneuerung eigentlich begonnen hat.
Die Antwort beschreibt unter anderem der zweite Bericht des Landesmedienrates. Darin heißt es – ich zitiere –:
„Vor allem fehlen erkennbare Konturen und Strategien, eine konzentrierte Förderpolitik und ein sichtbares Engagement bei zentralen regulatorischen Fragen. Andere Bundesländer, allen voran Bayern und Berlin, laufen NRW hinsichtlich einer aktiven Medienpolitik den Rang ab.“
Diese Feststellung des Medienrates beruht auf Hunderten von Gesprächen und Recherchen mit Expertinnen und Experten, mit Aktiven, mit Fördernden aus der Medienszene unseres Landes. Ich glaube, deshalb muss die Politik das sehr ernst nehmen. Machen Sie also jetzt nicht wieder den Fehler – das ist meine Bitte –, diese Kritik sozusagen als Kritik am Land zu nehmen. Nicht das Medienland NRW steht schlecht da, sondern die Medienpolitik dieses Landes.
Wir alle sind gefordert, diesem wichtigen gesellschaftspolitischen und auch ökonomisch bedeutsamen Bereich Medien entschieden gestalterisch zu begegnen, die diversen Belange zu sortieren und – das ist meine Meinung und die Meinung meiner Fraktion – diese mit einem gesellschaftspolitischen Kompass einzuordnen, der etwas komplizierter und anspruchsvoller funktioniert als Ihr plattes Regierungsmotto „Privat vor Staat“.
Herr – heute nicht anwesender – Medienministerpräsident Rüttgers, ich weiß es zu schätzen, dass Sie im wohltuenden Gegensatz zu Ihrem Vorgänger im Amt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fast jede Lanze brechen. Ich weiß aber auch, dass Ihr kleiner Regierungspartner denselben öffentlich-rechtlichen Rundfunk am liebsten auf sogenannte Kernbereiche mit strengem OnlineRegime herabregieren möchte. Bleiben Sie also hier stark, öffnen Sie die sinnlose 0,75-%-Grenze
für die Online-Aktivitäten, gewähren Sie Bestands- und Entwicklungsgarantie für das großartige plurale, vielfältige öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot in Deutschland!
Lassen Sie sich von Zwischenrufern nicht stören und sprechen Sie sich auch mutig für die dritte Säule im Internet aus!
Denn bei der Verbreitung von Rundfunkangeboten müssen auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk alle Wege offenstehen, gerade im Zeitalter der Digitalisierung.
Über die freie terrestrische Empfangbarkeit haben wir gesprochen. Wir sind einhellig der Meinung, dass DVB-T ein guter Weg ist, weil es eben bedeutet, ohne Barrieren über die Antenne frei TVAngebote zu empfangen. Wir haben ja gute Chancen, dass das auf Sicht im Land überall möglich ist. Das ist gut für unsere Mediennutzerinnen und -nutzer im Land.
Herr Medienministerpräsident, streiten wir also nicht über das Medienland NRW. Es steht nämlich nach wie vor gut da. Es ist ein Topstandort für die Medien mit einer der größten Filmstiftungseinrichtungen Europas. Aber leider haben Sie genau diesem Erfolgsinstrument die Mittel schon 2006 gekürzt. Aus unserer Sicht war das ein Fehler. Erfreulicherweise haben Sie zwar den Kulturetat erhöht – aber genau diesen Widerspruch versteht im Land niemand, der sich in der Kultur- und Medienszene engagiert und dort arbeitet.
Streiten wir also lieber darüber, dass Sie mit Ihren bisherigen medienpolitischen Ansätzen bisher in keiner Weise dem Land gerecht geworden sind. Es beginnt schon – ich darf das offen aussprechen – mit der Regierungsstruktur. Warum um Himmels willen machen Sie denselben Fehler wie Ihre Vorgänger und machen den Medienstaatssekretär gleichzeitig zum Regierungssprecher?
Ich verstehe es nicht. Das schafft niemand, und es ist ein echter Konstruktionsfehler. Medienpolitik und das Amt des Pressesprechers haben inhaltlich nichts miteinander zu tun. Im Parlament ist dieser Staatssekretär auch nicht sprechfähig. Warum haben Sie nicht wirklich Erneuerung gewagt
und haben eine Staatsministerin oder einen Staatsminister für Kultur und Medien, also zwei landespolitische Hoheitsthemen, ernannt, eine wirkliche Ansprechstelle dafür, mit einem Stab erstklassiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wirklich in der Lage wären, den dringend notwendigen strategischen Brückenkopf zwischen Berlin und Brüssel hier in Düsseldorf zu besetzen? Das wäre doch was.
Und analog zu Berlin sollten wir im Landtag endlich auch einen eigenen Ausschuss für Kultur und Medien einrichten, in dem Bewusstsein, dass Medieninhalte eben keine Ware sind, sondern dass es hier um das politisch-kulturelle Fundament unserer Gesellschaft geht.
Die Freistellung Ihres Kulturstaatssekretärs von allen anderen Aufgaben belegt übrigens meine These. Der Mann kann sich nun wirklich nur um die Kultur im Land kümmern und tut das auch mit einem durchaus anerkennenswerten Erfolg. Aber diese Erneuerung wurde leider aus der Not geboren, nicht aus strategischer Einsicht. Deshalb gibt es den gefühlten Bedeutungsverlust im Medienland NRW.
Stattdessen brauchen wir – das ist meine Sicht, und davon spricht auch unser umfassender Antrag – eine klare strategische gesellschaftspolitische Ausrichtung der Medienpolitik in NRW. Meinungsvielfalt ist politisch wichtiger als reine Angebotsvielfalt. Die Digitalisierung kann nicht nur kartellrechtlich sortiert werden. Wir brauchen klare medienrechtliche Regelungen. Deshalb ist Regulierung notwendig. Es ist falsch und schädlich, dieser Entwicklung immer nur hinterherzulaufen.
Herr Medienministerpräsident, Sie haben auf dem Medienforum 2005 in Ihrer ersten medienpolitischen Rede unter anderem gesagt, NRW solle als Medienland Weltspitze werden. Das ist ein verdammt hoher Anspruch. Bisher sind Sie aus meiner Sicht im Wesentlichen gescheitert. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn beim nächsten Medienforum, was ich politisch durchaus für bedeutsam und für begrüßenswert halte, die Bundeskanzlerin als EU-Ratspräsidentin eine medienpolitische Grundsatzrede halten wird. Das ist gut so, aber es ersetzt nicht die Medienpolitik des Landes, die bisher aus meiner Sicht gescheitert ist beziehungsweise – ich kann es noch schlimmer formulieren – de facto nicht stattfindet,
und das, obwohl Sie alle operativen Chancen haben, die medienpolitischen Ärmel endlich hochzukrempeln und NRW klar und zukunftsgerecht in Stellung zu bringen. Ihre medienpolitisch stärks
ten Konkurrenten sind entweder politisch versenkt wie Ede Stoiber oder politisch überbeschäftigt wie Kurt Beck. Es ist also die beste Zeit, NRW insbesondere gegenüber Brüssel stark und einflussreich zu positionieren. Dort spielt man nämlich immer noch die schrille Kommerzflöte. Setzen Sie doch endlich ein wohl klingendes Kulturorchester entgegen.
Bauen Sie Ihre Staatskanzlei noch einmal mutig um. Geben Sie Ihrer Medienpolitik endlich ein personell erkennbares Gesicht und strukturelle Handlungsmöglichkeiten, denn ohne Strategie bleiben die Ankündigungen der viel zitierten Erneuerung Seifenblasen. Immer mehr Akteurinnen und Akteure im Medienland sehen diese Blasen platzen.
NRW ist ein großes und starkes Medienland, es fehlt nur eine entschlossene, kluge und mutige Medienpolitik der Landesregierung.
Sie haben uns vorgehalten, unser Antrag sei so umfassend. Ich hoffe, Ihnen ist klar geworden, dass es um eine strategisch umfassende Betrachtung geht und nicht um die kleinteilige Debatte, die wir ja noch gleich unter dem nächsten Tagesordnungspunkt führen werden, bei dem es um Details geht, die aber den Gesamtzusammenhang nicht erkennen lassen, in dem Sie medienpolitisch agieren.
Sie werden den Antrag nach dieser Debatte mit Ihren Stimmen versenken; er kommt dann ins digitale Archiv. Das ist schade, aber wir hoffen, dass wir trotzdem Möglichkeiten haben, konstruktiv und kritisch die weitere Debatte miteinander zu führen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Dr. Brinkmeier das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter und geschätzter Herr Kollege Keymis, ich kann Ihnen versichern, dass wir diese und viele weitere Debatten zur Medienpolitik konstruktiv, strittig, aber sicherlich zu einem guten Ende bringend führen werden. „Gutes Ende“ bedeutet, dass natürlich am Ende Entscheidungen getroffen werden müssen.
Sie haben Ihren Antrag im Mai des vergangenen Jahres sozusagen als Beitrag zu dem damaligen Medienforum in den Landtag eingebracht. Diesen Antrag haben Sie als umfassend beschrieben. Er enthält eine umfangreiche Sammlung relevanter medienpolitischer Themen – diese haben Sie erwähnt –, die – so habe ich Sie jedenfalls verstanden – als Anstoß für eine Diskussion über die medienpolitische Arbeit der Landesregierung sowie als Impuls für gemeinsames Handeln von Legislative und Exekutive gedacht sind. Dass wir viele Themen über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam behandeln werden, darüber waren wir uns bereits in der vergangenen Legislaturperiode einig und werden das auch in dieser Legislaturperiode sein, aber es wird auch Unterschiede geben.
Nach Auffassung der CDU ist eine summarische Auflistung wie in diesem Fall wenig hilfreich dafür, sich den einzelnen Punkten in einer Debatte ausführlich zuzuwenden. Wir halten es deswegen für besser, die einzelnen Aspekte jeweils dann zu behandeln, wenn die Notwendigkeit dafür besteht. Dies wird ja beim nächsten Tagesordnungspunkt der Fall sein.
Es muss allerdings die Frage erlaubt sein, warum die rot-grüne Landesregierung beziehungsweise die sie tragenden Fraktionen in der vergangenen Legislaturperiode all die Vorhaben, die Sie, Herr Keymis, jetzt angesprochen haben und die auch damals schon virulent waren, nicht auf den Weg gebracht oder wenigstens angeschoben haben.
Ich erinnere einmal daran, was die Medienpolitik der vergangenen Wahlperiode an Highlights gebracht hat:
Sie haben seinerzeit die NRW Medien GmbH aus der Taufe gehoben. Diese wird zurzeit beerdigt. Die Liquidation mussten Sie sogar noch selber in der vergangenen Legislaturperiode einleiten.
Sie haben das vorher so hoch gelobte Europäische Medieninstitut am Ende als Ein-Mann-Institut enden lassen.