Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß manchmal gar nicht, ob es noch Zweck hat, zu versuchen, Leute zu überzeugen, die sich nicht überzeugen lassen wollen, oder für Leute zu sprechen, die ohnehin wissen, dass wir das alles machen. Ich will noch einmal den Versuch starten und auf einen anderen Aspekt des Antrags zur Aktuellen Stunde eingehen.
Alle Debattenbeiträge haben sich bisher auf das Thema U3 konzentriert, aber zu dem generellen Thema Kinderlosigkeit haben wir noch nichts gehört. Dazu gibt es auch Studien in Deutschland. Man muss nicht nach Frankreich schauen, denn die haben wir auch.
Bevor ich dazu komme, würde ich Ihnen gerne mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren, was der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Edgar Moron, noch 2003 in einer mir vorliegenden Pressemitteilung zur Zusammenführung des Arbeitslosengeldes mit der Sozialhilfe gesagt hat:
„Wir sind entschieden gegen Pläne, wonach die Kommunen das eingesparte Geld für die Betreuung von unter Dreijährigen einsetzen sollen.“
Dass wir jetzt wissen, dass das Geld nie gekommen ist, ist eine andere Sache, aber wo haben Sie sich dagegen verwahrt, dass das Geld eben
Kommen wir jetzt zu den Studien und gehen auf einen anderen Aspekt ein, der die Kinderlosigkeit insgesamt betrifft: Sie haben vielleicht von der aktuellen Befragung – der Name Opaschowski ist bekannt – des BAT Freizeitforschungsinstituts gehört. 2.000 Personen im Alter von 14 bis Ende 30 sind nach ihren Lebensplänen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen, gefragt worden.
Dabei ist es erschreckend, wenn vor allem junge Männer sagen, dass sie von Familiengründung nichts wissen wollen, weil ihnen persönliche Freizeitinteressen wichtiger sind. 2003 haben 34 % der jungen Männer so geantwortet, 2006 sind es schon 43 %. Vier von zehn Männern sagen, dass ihnen Sport, Hobbys und Reisen wichtiger sind als Heiraten und eine Familie zu gründen. Das heißt, sie machen von ihrem Zeugungsverweigerungsrecht Gebrauch. Das ist doch eigentlich schade, oder?
Wollen Sie das vielleicht auch der Landesregierung in die Schuhe schieben? Dazu können Sie gleich noch etwas sagen, aber daran sind wir wirklich nicht schuld.
Ist es nicht auch interessant, nach den Ursachen zu schauen: Was geben die Befragten als Gründe für ihre Position an? – Sie sagen, dass bei ihnen sehr wohl Gründe vorliegen, warum sie sich gegen Familiengründungen aussprechen. In Zeiten von fehlenden Beschäftigungsgarantien wird sie zum einen generell als Wagnis empfunden. Zum anderen fehlt der Mut zur Übernahme von lebenslanger Verantwortung, wobei diese Antwort bei Personen mit höheren Bildungsabschlüssen erstaunlicherweise noch zunimmt im Gegensatz zu denen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen. Man hat auch generell Angst vor Armut oder Wohlstandsverlust.
Damit sind wir bei dem Antrag, den die Koalitionsfraktionen erst vor ein paar Monaten diskutiert haben: Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Welches sind die Anforderungen an die Wirtschaft? Wir stimmen mit den Erkenntnissen aus dieser Studie überein, denn auch dort wird an die Wirtschaft appelliert, aktiv zu werden und das Vaterbewusstsein zu stärken, damit Männer Chancen bekommen, sich in beiden Kompetenzfeldern zu tummeln und damit ihre Wünsche unter einen Hut bringen zu können.
Ich erinnere daran, dass Sie als Opposition in den beiden Fachausschüssen – sowohl im Wirtschafts- als auch im Generationenausschuss – diesen Antrag von uns abgelehnt haben. Bei Ihnen geht es immer nur partiell um einen Grund; es geht Ihnen nicht einmal um das ganze Thema.
Auch hier sage ich: Schade eigentlich, oder? Bitte glauben Sie mir – es nützt ja eh nichts mehr, da die Argumente schon ein paar Mal ausgetauscht worden sind und noch einige Redner kommen –: U 3 ist nicht alles. Es ist ein großer Teil der Medaille, aber U 3 ist nicht alles. Diese Plätze sind unabdingbar nötig, aber sie sind nicht glücklich machend für alle. Wir sollten nicht so tun, als gäbe es nicht auch noch andere Themen, die wir anpacken wollen, bei denen Sie wieder mit Nein stimmen werden.
(Gisela Walsken [SPD]: Der findet seine Re- de nicht! – Britta Altenkamp [SPD]: Herr Wit- zel, Koalition der Erneuerung! Das sagen Sie doch immer! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke)
(Gisela Walsken [SPD]: 39 Jahre! – Britta Al- tenkamp [SPD]: Ich bedanke mich bei dem Minister! – Weitere Zurufe von der SPD – Anhaltende Unruhe – Glocke)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zurufe der Opposition sind schon bezeichnend. In der Tat ist es so, dass unser Ehrgeiz nicht ausreicht für das, was Sie uns nach den viel zu langen Jahren,
(Lachen und Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Der braucht kein Manuskript! Es geht auch ohne!)
die Sie in diesem Land Verantwortung getragen haben, hinterlassen haben. Deshalb sind die Zusagen, die Ihnen die Koalition der Erneuerung von Beginn dieser Legislaturperiode an gemacht hat und die Minister Laschet gerade noch einmal dargestellt hat …
Meine Damen und Herren! Herr Witzel, einen Augenblick bitte. – Oben auf der Tribüne sitzen eine ganze Reihe junger Menschen, die uns zuhören.
Sie möchten zuhören, und ich möchte bitten, dass wir dem Redner Respekt entgegenbringen. – Herr Witzel hat das Wort.
Deshalb sind die Ziele um ein Vielfaches ambitionierter als das, was Sie hinterlassen haben. Selbstverständlich können wir bei den Realitäten, die wir vorgefunden haben, nicht alles über Nacht verbessern. Aber Sie haben das gute Recht – das ist auch eingangs deutlich geworden –, zum Ende der Legislaturperiode Bilanz zu ziehen. Dann werden wir erstens schauen, welche Fortschritte wir in den fünf Jahren dieser Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu dem uns von Ihnen im Status quo zu unserem Regierungsbeginn Hinterlassenen erreicht haben. Zweitens werden wir prüfen können, welche Ihrer Zusagen und Versprechungen seitens des Bundes leere Floskeln waren, die Sie unterstützen wollten.
(Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch einmal etwas Konkretes, was Sie machen wollen! – Britta Altenkamp [SPD]: Das hatte er sich aufgeschrieben! Das weiß er nicht mehr!)
Sie haben noch zu Zeiten der rot-grünen – mittlerweile und seit Längerem abgewählten – Bundesregierung ehrgeizige Ziele formuliert, die Sie aber nicht durch Handlungskonzepte unterlegt haben. Diesen Vergleich können wir uns gerne anschauen.
Ich halte das Thema der von Ihnen für heute initiierten Aktuellen Stunde in der Tat für künstlich konstruiert: Sie greifen bei dem Aufhänger Ihrer Aktuellen Stunde auf Medienbeiträge zurück, die gar nicht im direkten Zusammenhang mit der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen stehen.
Ich glaube – das ist unser Gesamtansatz, den wir in dem von uns neu geschaffenen Generationenausschuss auch diskutieren –, dass wir insgesamt eine Strategie für ein richtig justiertes Zusammenleben der Generationen brauchen. Wir müssen alle Fragen und Aspekte der demografischen Entwicklung in einen ganzheitlichen Zusammenhang stellen. Deshalb ist es uns auch ausdrücklich wichtig, die Verbesserungen, die wir bei der Bildung und Betreuung anstreben, in ein Gesamtkonzept einfließen zu lassen.
Die zukunftsfähige Gestaltung des demografischen Wandels wird eine wichtige Aufgabe der Koalition der Erneuerung sein. Wir werden in den nächsten Jahren mit weiteren Impulsen auf Sie zukommen, aber in einem ganzheitlichen Konzept. Es kann keine seriöse Debatte stattfinden, wenn Sie an dem einen Tag behaupten, dass zu wenig für die Alten getan werde, wir dort die Schwerpunkte setzen müssten und Sie auf die Verschlechterungen bei den Lebensbedingungen in ganz Deutschland hinweisen, aber am nächsten Tag dann sagen, dass der Fokus falsch sei und mehr für die Jugend getan werden müsse. Irgendwann werden es die Jahrgänge des mittleren Alters sein.
Wir brauchen eine Gesamtstrategie, um den demografischen Wandel zu gestalten. Deswegen brauchen wir Verbesserungen im Betreuungsbereich und mehr Perspektiven für die Jüngeren. Aus diesem Grunde haben wir bislang, nach anderthalb Jahren – trotz der erreichten Haushaltskonsolidierung, trotz der Vorlage eines wieder verfassungskonformen Haushalts –, insgesamt über eine Viertelmilliarde mehr Geld für Zukunftsaufgaben wie Bildung und Betreuung ausgegeben – aber immer kombiniert mit einer Gesamtgenerationenstrategie, die auch die Interessen anderer Generationen berücksichtigt. Das ist unsere Politik im Generationenbereich. Ich bitte Sie dafür herzlich um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank.
Zuhörer! Der Kollege Witzel hatte sein Redekonzept offensichtlich nicht so schnell zur Hand. Das war auch nicht nötig. Das nennt man, glaube ich, klassischerweise einen Platzhalter.
Es gibt noch einige Punkte, die man zur Debatte beitragen muss. Herr Kollege Lindner hat erzählt, dass Sie als neue Landesregierung die Budgetvereinbarung jetzt deutlich in den Stiel gestoßen und die Plätze für unter Dreijährige vor diesem Hintergrund schon eine deutliche Vermehrung erfahren hätten. Herzlichen Glückwunsch, Herr Lindner. – Das Problem ist nur – da hat Frau Asch Recht –: Die Budgetvereinbarung lag ausverhandelt auf dem Tisch. Diese Budgetvereinbarung ist wahrlich nicht der Verdienst Ihrer Regierung.
Warum sage ich das? – Weil daran deutlich wird, dass das, was hier behauptet wird, nämlich dass wir keinerlei Maßnahmen ergriffen hätten, völlig falsch ist. Auch die alte Landesregierung hat sehr deutlich versucht, darauf zu reagieren, dass der Druck im U3-Bereich erheblich gestiegen war.