Warum ist das so – das müssen Sie auch erkennen, denn deshalb ändern sich Ihre programmatischen Aussagen langsam –: weil sich das Familienbild und das Familienverständnis in unserer Gesellschaft verändert hat.
Es geht nicht darum, Frauen in die Schuhe zu schieben, dass wir nicht genug Kinder haben. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, darzustellen und deutlich zu machen, dass die Art und Weise, in der die Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur in Deutschland organisiert ist, nicht auf die geänderten Lebensbedürfnisse der Menschen reagiert. Die Familie ist der Ort, wo mehrere Generationen füreinander eintreten, und eben nicht der Ort, wo Kinder behütet und betreut werden, bis irgendwann in der Schule der Ernst des Lebens beginnt.
Sie haben bis heute nicht ein einziges Konzept genannt – auch nicht in der heutigen Veranstaltung –, wie Sie auf diese Situation reagieren wollen.
Jetzt kommen wir einmal zu einem entscheidenden Punkt, Herr Lindner. Frau Doppmeier hat von 2.000 Plätzen gesprochen. Frau Kastner hat gestern in ihrer Pressemitteilung 6.000 Plätze genannt. Sie gehen davon aus, dass es 6.000 Plätze sind. Es ist richtig – ich kritisiere das auch immer –, dass wir alle nicht in der Lage sind, nachzulesen, um wie viele Plätze es sich denn tatsächlich handelt. Vor diesem Hintergrund muss ich feststellen, Herr Lindner: Das ist eine gegriffene Zahl.
Warum haben Sie nicht von 11.000 Plätzen gesprochen? Das kann man Ihnen genauso wenig nachweisen, wie man die 6.000 Plätze nachweisen kann.
Sie haben kein Konzept für unter Dreijährige. Sie haben noch nicht einmal eines entwickelt; denn das, was Sie heute vorgeschlagen haben, ist nichts anderes als der Antrag der SPD vom 6. September 2005. Das ist der Punkt.
Weil dieser Antrag von der SPD kam, haben Sie ihn abgelehnt – auch nach einer Anhörung, bei der viele Experten Ihnen gesagt haben, dass der Antrag gut ist, gemessen an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen aber längst nicht weit genug geht. Sie jedenfalls fanden, dass dieser Antrag ablehnenswert ist. Heute stellen Sie allerdings exakt das Konzept vor, das in diesem Antrag dargestellt worden ist.
Jetzt kommen wir einmal zu den 40 %. Richtig, Herr Lindner; Sie haben dargestellt, dass man bei dem von Frau Kraft vorgeschlagenen Konzept für die unter Dreijährigen am Ende natürlich auch berücksichtigen muss, dass es wahrscheinlich mehr als 20 % sein werden. Wir sind am 6. September 2005 in unserem Antrag auch noch von 20 % ausgegangen. In der Zwischenzeit ist aber etwas passiert. Zum Beispiel wurde das Elterngeld eingeführt.
Vor diesem Hintergrund gehen nicht nur wir, sondern auch viele Fachleute – und übrigens auch die kommunalen Spitzenverbände – davon aus, dass es bei den unter Dreijährigen einen weit höheren Bedarf als 20 % geben wird – und zwar nach dem zwölften bis 14. Lebensmonat, weil die Eltern dann einen erheblichen Einkommensverlust in Kauf nehmen müssen, wenn sie keinen Ganztagsbetreuungsplatz bekommen.
Das ist der zentrale Vorwurf, den wir Ihnen hier machen. Sie haben noch nicht einmal ein Konzept für U3 insgesamt – jedenfalls kein eigenes; denn das, was Sie haben, haben Sie abgeschrieben.
Außerdem haben Sie auf die geänderten Rahmenbedingungen überhaupt keine Antwort. Das ist der zentrale Vorwurf.
Wir sind alle ganz glücklich darüber, wie es nach Ihrer heutigen Ankündigung mit dem GTK weitergehen soll. Eines sage ich Ihnen aber, Herr Minister: So dumm sind die Menschen nicht. Eine Verdoppelung der institutionellen Plätze entspricht eben nicht dem Erreichen von 20 %.
Das ist das, was Sie hier angekündigt haben. Eine Verdoppelung der institutionellen Plätze ist das Ziel.
Das heißt, dass es sich bei dem, was gestern in der Diskussion um die Tagespflege angedeutet worden ist, um die tatsächliche Wahrheit handelt. Sie wissen, dass Sie das Ganze in institutionellen Bereichen nicht erreichen können, weil Sie nicht in der Lage sind, Geld in die Hand zu nehmen.
Mit Ihrer Forderung nach 100 Millionen € mehr für das GTK sind Sie bei der CDU doch gnadenlos auf die Schnauze gefallen.
Für den Begriff „auf die Schnauze fallen“ muss ich mich entschuldigen. Tut mir Leid! Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck, den man hier normalerweise nicht in den Mund nimmt.
Sie sind also gnadenlos am Fraktionsvorsitzenden der CDU gescheitert, Herr Lindner. Das kann man an dieser Stelle schon sagen.
In dieser Aktuellen Stunde ist eines ganz deutlich geworden: Sie haben kein eigenes Konzept. Sie haben keine Antworten auf das, was die Menschen hier im Land – insbesondere die Familien – tatsächlich erwarten. Dafür war diese Aktuelle Stunde ausgesprochen hilfreich; denn das ist hier überaus deutlich geworden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Altenkamp, ich freue mich ja, dass Sie Herrn Jörg diese Aufgabe abgenommen haben. So ist wenigstens etwas Leben in die Bude gekommen. Im Interesse der Kinder hätten wir uns allerdings mehr gefreut, wenn Sie die gleiche Energie, die Sie gerade hier gezeigt haben, in all Ihren 39 Regierungsjahren gezeigt hätten;
(Britta Altenkamp [SPD]: Ich bin Jahrgang 1964! Wie soll ich das gemacht haben? – Weitere Zurufe von der SPD)
Wenn ich Sie so höre, fühle ich mich ins Fußballstadion am Wochenende zurückversetzt. Eine solche Atmosphäre generieren Sie hier.
Das, was Sie hier tun, ist so, als würde Fortuna Düsseldorf Bayern München erklären, wie man nun tatsächlich die Tabellenspitze erreichen kann.