Protocol of the Session on January 25, 2007

Wenn Sie in diesem Zusammenhang fordern, wegen des Sturms vom Projekt Forstreform abzulassen, frage ich mich, wo Sie den Bezug sehen. Der Sachverhalt ist doch so, dass der Revierförster in der Fläche vor Ort verbleibt.

(Annette Watermann-Krass [SPD]: 58 Stellen werden gestrichen!)

Der Revierförster bleibt Ansprechpartner der Waldbesitzer. Der Revierförster wird es vor Ort organisieren.

Herr Minister, ich bitte Sie, auf das Danaergeschenk des Kollegen Remmel gar nicht einzugehen. Wir haben vor der Landtagswahl erklärt: Wir werden die Reform durchführen. Wir haben die Entwürfe dazu vorgelegt, und wir werden sie durchführen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die Erde ist ei- ne Scheibe! – Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Zwischen Orkan und Landesforstreform besteht keine Beziehung. Die Opposition mag das konstruieren; den intellektuellen Inhalt dahinter vermag ich kaum nachzuvollziehen.

(Beifall von FDP und CDU)

Der Landesbetrieb Wald und Holz hat professionell gehandelt. Das ist in Ordnung. Waldbesucher und Waldarbeiter sind vor Schäden zu schützen. Die Flächen sind aufzuräumen. Das Sturmholz ist zu vermarkten. Herr Minister, bei der Vermarktung des Holzes sollte man allerdings überlegen, ob es möglich ist, die Vermarktung, die der Landesbetrieb Wald und Holz durchführt, zugunsten derjenigen, deren Existenz in ihrem Privatwald liegt, zu mäßigen und zurückzuführen. Ich weiß, dass der Landesbetrieb Wald und Holz finanziell in engen Grenzen lebt.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Wir müssen darüber reden, wie sich das auswirkt. Aber es ist zu überlegen, ob die öffentliche Hand nicht eine Vorbild- und Schutzfunktion für diejenigen wahrnehmen kann, die ihr tägliches Brot mit dem Wald verdienen. Ich bitte Sie, darüber einmal nachzudenken.

Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich, dass die Landesregierung die Spielräume nutzt. Ich mag gar nicht ausführen, was Frau Brunert-Jetter eben dargestellt hat; das brauche ich nicht zu wiederholen.

Der Kollege Remmel hat seine Betroffenheit ausgedrückt. Die Betroffenheit nehme ich ernst. Die persönlichen und existenziellen Schäden sind bemerkenswert. Da müssen wir helfen. Das macht auch betroffen.

Allerdings, Herr Kollege Remmel: Sie müssen sich entscheiden, welchen Weg Sie gehen wollen. Es gibt den Weg des Katastrophentourismus. Sie sind im Fernsehen durch den Wald gestapft und haben gesagt: Jetzt Ärmel aufkrempeln; alle müssen dort hin. Auf der anderen Seite sagt der Landesbetrieb Wald und Holz zu Recht: Jetzt durch den Wald zu stapfen ist eine gefährliche Sache. Dafür müssen wir sogar ein Ordnungsgeld von 5.000 € oder 25.000 € verhängen.

Wenn Sie als Parlamentarier und als Vorbild die Bevölkerung aufrufen, jetzt im Wald herumzustapfen,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist doch dummes Zeug! So etwas müsste verboten werden!)

muss man sagen: Entweder fordern Sie die Leute auf, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, …

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist doch dummes Zeug!)

Getroffener Hund bellt. Danke schön, Herr Kollege. Das ist eine Bestätigung, dass es Ihnen um einen Showeffekt geht und um nichts anderes.

(Beifall von FDP und CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

Dass Sie einen Showeffekt nach dem anderen abziehen, bestätigt die Zeitung, die sonst Ihre Hauspostille ist: die „taz“. Wenn Sie als Heißluftbläser dargestellt werden, konkretisiert sich das in diesem Fall.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie sind eine Dumpfbacke!)

Auf die sachlichen Argumente, die der Minister gleich vorträgt, möchte ich in meinem dritten Redebeitrag eingehen. Schade, dass Sie diese Aktuelle Stunde heute missbraucht haben, um, anstatt konkrete Hilfestellung anzubieten, Ihre Personalityshow fortzuführen. Ich möchte die „taz“ nicht gern zitieren.

(Zuruf von der SPD: Warum nicht?)

Ich kann nur sagen: Sie hat Recht. Das muss man so deutlich sagen. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU – Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Jetzt hat für die Landesregierung Umweltminister Uhlenberg das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, auch dem Landtag über die Lage in unseren Wäldern nach dem Orkan Kyrill und über die Sofortmaßnahmen, die die Landesregierung auf den Weg gebracht hat, zu berichten.

Der Orkan Kyrill war bisher der schwerste Sturm, der jemals in unseren Wäldern gewütet hat. Bislang galten Wiebke und Vivian in den 90er-Jahren als die Stürme mit den schlimmsten Folgen für unsere Wälder. Damals gab es die größten Schäden allerdings nicht in Nordrhein-Westfalen. Von den 80 Millionen m3 Sturmholz in ganz Deutschland entfielen auf Nordrhein-Westfalen lediglich 2 bis 3 Millionen m3. Kyrill hat jetzt nach der aktuellen Schätzung mehr als 12 Millionen m3 Holz zu Boden gefegt. Etwa 25 Millionen Bäume wurden regelrecht rasiert. Damit entfällt fast die Hälfte des Gesamtschadens allein auf unser Bundesland.

Diese Zahlen können aber das wahre Ausmaß der Verwüstung kaum beschreiben. Ich bin am Montag in die am stärksten betroffene Region gefahren, in den Hochsauerlandkreis, um mir ein persönliches Bild von der Lage zu verschaffen und mit den Betroffenen, mit den Waldbesitzern und den Förstern, zu sprechen.

Meine Damen und Herren, man muss die zerstörten Wälder und die kahlen Bergkuppen gesehen haben, um die gesamte Dimension zu begreifen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier wurden in wenigen Stunden natürliche Lebensräume und Landschaftsbilder radikal verändert, die in Jahrhunderten gewachsen sind und die für die touristische Anziehungskraft dieser Region von großer Bedeutung waren. Man muss den Waldbauern in die Gesichter sehen und ihnen zuhören, um die Verzweiflung der Menschen ermessen zu können, die über Nacht um die Ergebnisse der Arbeit von Generationen gebracht wurden.

Den Waldbauern wurde nicht nur teilweise ihre gesamte wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen – nein, meine Damen und Herren, diese Familien, die seit Jahrzehnten ihre Wälder pflegen, ihre Bäume pflanzen, um sie an ihre Enkelkinder weiterzugeben, sind schon aus emotionalen Gründen zutiefst erschüttert. Diese Menschen wissen aber auch ganz genau, dass wir es hier

mit ungeheuren Naturgewalten zu tun hatten, gegen die wir alle oft machtlos sind. Deswegen helfen in dieser konkreten Situation auch vermeintlich kluge Hinweise auf Monokulturen oder Belehrungen überhaupt nicht weiter.

(Beifall von CDU und FDP)

Dieser Orkan hat in weiten Gebieten jeden einzelnen Baum und alles, was sich ihm in den Weg stellte, umgerissen. Ich kann nur davor warnen, angesichts dieser Naturkatastrophe in den vier Kreisen in Nordrhein-Westfalen jetzt schnell damit anzufangen, nach den angeblich Schuldigen zu suchen. Damit werden wir den Problemen der Menschen vor Ort in keiner Weise gerecht.

(Beifall von CDU und FDP)

Da ist noch etwas, was wir uns in dieser schwierigen Situation dringend verkneifen sollten. Angesichts der Lage und der Stimmung, wie ich sie geschildert habe, besonders im Sauer- und Siegerland und im Eggegebirge, aber auch in vielen anderen Teilen Nordrhein-Westfalens, sollten wir den Versuch unterlassen, aus den schlimmen Folgen dieses Naturereignisses, aus dem Schicksal der Waldbauern in ganz und gar plumper und billiger Weise parteipolitisch Kapital zu schlagen.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Abgeordnete Schulze, Ihre Rede, die Sie hier gehalten haben, hätten Sie genauso gut im Deutschen Bundestag oder in irgendeinem Landtag in der Bundesrepublik halten können, denn sie hatte nur sehr bedingt etwas mit der konkreten Situation in Nordrhein-Westfalen zu tun.

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist unver- schämt!)

Herr Abgeordneter Remmel, das Sofortprogramm, das Sie gefordert haben, wird ja in diesen Tagen umgesetzt. Die Menschen brauchen jetzt Zuwendung, sie brauchen eine Perspektive, und sie brauchen schnelle, praktische und unbürokratische Hilfe. Ich habe noch am Freitag – Sie wissen, dass ich auf der Grünen Woche in Berlin war – die ersten Maßnahmen in die Wege geleitet. Ich habe mich dort – Sie waren auch in Berlin – mit den Vertretern der nordrhein-westfälischen Land- und Forstwirtschaft und mit den Fachleuten meines Ministeriums zusammengesetzt und dafür gesorgt, dass es sofort einen engen Schulterschluss aller Behörden und Institutionen gab, dass alle an einem Strang ziehen, die in dieser Krisensituation gefordert sind.

Alle Schritte wurden selbstverständlich sofort von einer Spezialistengruppe im Ministerium koordi

niert und unterstützt: das Sperren von Wäldern, das Erfassen der Schäden, das Freiräumen von Straßen und Wegen. Ich habe veranlasst, dass wir den Waldbesitzern, Arbeitskräften und Kunden unsere satellitengestützte elektronische Absicherung der Waldarbeit zur Verfügung stellen.

In Arnsberg, in der Waldarbeitsschule, hat der Landesbetrieb Wald und Holz ein Informations- und Kommunikationszentrum eingerichtet, das zu allen Fragen im Zusammenhang mit den Waldschäden Auskunft geben kann. Und es gibt demnächst natürlich auch konkrete Hilfe, wenn es darum geht, mit den Folgen dieser Katastrophe fertig zu werden.

Meine Damen und Herren, wir haben unverzüglich die Voraussetzungen geschaffen, um so schnell wie möglich die Wege frei zu räumen, anschließend die vom Windbruch betroffenen Flächen aufzuarbeiten und das Holz vor Beginn des Borkenkäferflugs in die Werke oder ins Lager zu bringen. Zu den Maßnahmen zählen der Einsatz aller verfügbaren Arbeitskräfte – auch an Wochenenden – und die Möglichkeit, Holz auch am Sonntag und mit erhöhten Lasten abzufahren. Ich bedanke mich beim Verkehrsminister für die schnelle und unbürokratische Unterstützung.

Meine Damen und Herren, das Krisenmanagement hat funktioniert. Die Kritik daran, Herr Abgeordneter Remmel, die außer Ihnen kein Mensch ernsthaft erheben würde, ist doch nur damit zu erklären, dass Sie von diesem Schaden in irgendeiner Form politisch profitieren wollen. Es ist unverantwortlich, und ich kann nur das unterstreichen, was Herr Kollege Ellerbrock gerade gesagt hat: Während wir die Menschen aufgefordert haben, jetzt nicht in die Wälder zu gehen, weil es gefährlich ist, kriechen Sie unter den Bäumen her, nur, um abends ins Fernsehen zu kommen. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Hilfe, die wir als Land unmittelbar und im technischen Bereich geben können, ist aber nicht alles. In den Hauptschadensgebieten liegt oft das gesamte Vermögen der Forstbetriebe am Boden. Wir wollen daher mit steuerlichen Maßnahmen und mit entsprechenden Förderprogrammen und gegebenenfalls mit Landesbürgschaften den betroffenen Waldbesitzern auch finanziell unter die Arme greifen. Die Banken haben sich bei uns gemeldet; sie wollen Sonderprogramme auflegen.

Die Waldbesitzer haben mir am Montag versichert, dass sie keine Almosen haben wollen. Ich meine, das ehrt die Waldbesitzer in besonderem Maße. Es erfolgt nicht zuerst der Ruf nach dem

Staat. Das passt aber auch zu den Waldbauern. Montag habe ich bei ihnen in Oberkirchen in der Küche gesessen. Dort ist mir das wieder deutlich geworden. Die Waldbauern wollen sich selbst helfen. Dort allerdings, wo sie es nicht ohne staatliche Hilfe schaffen, steht die Landesregierung bereit.