Protocol of the Session on January 25, 2007

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schulze. – Für die CDU-Fraktion erhält die Frau Abgeordnete Brunert-Jetter das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Schon Tage vorher war bekannt, was da am vergangenen Donnerstag über Nordrhein-Westfalen hinwegfegen würde, vielleicht kein Jahrhundertsturm, gewiss aber ein heftiger Sturm. Daran hatten die Meteorologen keinen Zweifel aufkommen lassen.

Soweit wie möglich sind deshalb hier in Nordrhein-Westfalen auch vorbereitende Maßnahmen getroffen worden. Über die Medien wurden die Menschen in den Landesteilen gewarnt, in denen der Orkan voraussichtlich besonders hohe Windstärken erreichen würde. Behörden und Unternehmen ließen dort ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzeitig nach Hause gehen. Schulen wurden vorzeitig geschlossen, zahllose Bauzäune, Straßenschilder und Plakatwände abmontiert.

Dennoch ist der Orkan Kyrill verantwortlich für den Tod von sechs Menschen und für über 140 Verletzte in Nordrhein-Westfalen. Bei aller Aufgeregtheit über die verheerenden sächlichen Ausmaße dieser Naturgewalt geht es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, so denke ich, genauso wie mir: Hier empfinde ich Trauer und Betroffenheit.

Meine Damen und Herren, bis die ganze Bilanz der Sachschäden erstellt ist, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen. Eines lässt sich aber schon jetzt sagen: Gut vorbereitete und reaktionsschnelle Einsatzkräfte konnten viele zusätzliche Schäden und Unglücke verhindern. Ich weiß, wovon ich spreche, denn als Abgeordnete aus dem Sauer-/Siegerland, ja eine der am meisten betroffenen Regionen, konnte ich das hautnah miterleben. Die Leistung von Polizei und Feuerwehr, aber auch vom Technischen Hilfswerk und den anderen Rettungsdiensten war zweifellos beeindruckend.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Ich möchte das an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen und gleichzeitig allen, die sich haupt- oder ehrenamtlich, in Nachbarschaftshilfe oder einfach aus der Situation heraus eingebracht haben, sehr herzlich danken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht zu verhindern waren freilich die Schäden, die der Orkan im Wald verursachte. In vielen Forstbetrieben, vor allem im Sauer-/Siegerland, hat Kyrill ganze Wälder verwüstet. Man schätzt, dass rund 50.000 ha entwaldet sind. Das ganze Landschaftsbild hat sich verändert und ist zu großen Teilen einfach verschwunden. Herr Remmel hat das eben auch schon beschrieben. Hier gibt es eine große Betroffenheit von vielen Waldbesitzern. Stellenweise hat der Orkan Forstbetrieben ihre gesamte ökonomische Substanz genommen.

Wenn wir dann heute Vormittag unter anderem den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Tenor „Kyrill erfordert Hilfe für die Waldbesitzer“ diskutieren, kann ich nur feststellen: Die findet schon statt. Der Minister hat mit den anderen Ressorts bereits ein umfangreiches Maßnahmenpaket abgestimmt, um schnell und unbürokratisch zu helfen. Dieses Maßnahmenpaket wird bereits zu großen Teilen durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesbetriebs Wald und Holz vor Ort umgesetzt.

Dazu gehört zunächst, Waldbesucher und auch die Arbeitskräfte vor Schäden zu schützen, das heißt, Freiräumen der Wegetrassen und Aufarbeiten der flächigen Windwürfe. Um hier Unfälle bei den Waldarbeitern zu vermeiden, werden bereits in dieser Woche von den Forstämtern Sicherheitslehrgänge und eine intensive Beratung angeboten.

Den Privatwaldbesitzern wird Hilfe bei der schnellen und zügigen Vermarktung angeboten. Die derzeitige Unterversorgung mit Holz bei der Industrie bietet hier eindeutig Chancen. Auch die große Nachfrage auf dem Energieholzmarkt lässt davon ausgehen, dass ein zügiger Absatz des jetzt anfallenden Holzes möglich sein wird.

Es werden die Arbeitszeitbeschränkung am Wochenende außer Kraft gesetzt, die Nutzlast für Holztransporte erhöht und das Sonntagsfahrverbot aufgehoben. Hier bemüht sich der Minister darum, dass die Regelung für den Transport nicht nur für Nordrhein-Westfalen gilt, sondern auch bundesweit Anwendung finden kann. Außerdem soll arbeitsrechtlich ein schneller Zugang von Spezialisten aus dem Ausland auf den hiesigen Arbeitsmarkt möglich werden.

Erstmalig für Deutschland wird es eine Anlaufstelle für Sicherheit, Kommunikation und Koordination geben. Hierdurch wird dauerhaft eine Informationsdrehscheibe, insbesondere für Waldbesitzer, Holzkäufer oder auch Aufarbeitungskräfte, geschaffen.

Für die Hauptschadensgebiete wird der Landesbetrieb Wald und Holz intern Personalverschiebungen regeln. Und ganz wichtig: Für die Waldbesitzer, die nach Kyrill jetzt zwingend ihr Holz vermarkten müssen, versucht NordrheinWestfalen, eine möglichst weitgehende Steuerentlastung beim Bund für die Betroffenen zu erreichen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Außerdem wird das Ministerium die ihm zur Verfügung stehenden Fördermittel in Höhe von ca. 8 Millionen € schwerpunktmäßig für die Betroffenen und zur Beseitigung der Schäden einsetzen.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal feststellen, dass die Landesregierung umgehend nach der Windkatastrophe ein Krisenmanagement eingesetzt hat, das bereits am vergangenen Freitag begonnen hat und erst mit der Anpflanzung von Neukulturen enden wird. Darauf können sich die betroffenen Waldbesitzer verlassen.

Ein besonderes Wort des Dankes und der Anerkennung gilt in diesem Zusammenhang den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesbetriebs Wald und Holz. Ganz hautnah erlebe ich das großartige Engagement des Forstamtes in meinem Wahlkreis, und ich sehe auch, dass sich in den anderen Forstämtern des Landes genauso engagiert eingesetzt wird. Dieses persönliche Engagement jedes Einzelnen wird auch durch die geplante Forstreform nicht behindert. Aber darauf wird mein Kollege Rainer Deppe gleich in dieser Debatte noch näher eingehen.

Ihr Antrag für den heutigen Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, ist, wie Sie feststellen können, durch das Handeln der Landesregierung bereits überholt. Trotzdem: Danke fürs Zuhören. Ich hoffe, ich habe Ihnen noch einmal Handeln und Zusammenhänge erklären können. Vielleicht werden Sie dann auch irgendwann einsehen, dass auf diese Landesregierung grundsätzlich Verlass ist. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Brunert-Jetter. – Für die FDPFraktion erhält Herr Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was heute hier vom Kollegen Remmel und von Frau Schulze vorgetragen worden ist, ist fast audiovisuelle Körperverletzung.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN: Oh!)

Erstens. Dass sich das Klima im Laufe der Geschichte wandelt, ist so alt wie die Welt selbst.

Zweitens. Wir haben unterschiedliche Auffassungen über den menschlich bedingten Einfluss auf das Klima. Herr Priggen, gestern habe ich noch einmal versucht, wieder eine Sachdiskussion mit Ihnen darüber aufzubauen. Wenn wir die Diskussion über den menschlich bedingten Einfluss führen, wende ich mich dagegen, das alles auf CO2 zu fokussieren.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wenn wir Vulkanismus, wenn wir submarine Rutschungen, wenn wir Methan und andere spurenrelevante Gase betrachten, ist das sicherlich insgesamt eine wissenschaftliche Diskussion, in der es unterschiedliche Denkrichtungen gibt.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Es gibt keine unterschiedlichen Denkrichtungen! Es gibt nur eine!)

Gestern habe ich noch einmal angedeutet, dass Schnittmengen mit anderen Bereichen ein sinnvolles Handeln erlauben.

Wir haben jetzt den Sturm Kyrill erlitten. Ich will mich nicht wiederholen, aber betrachtet man die Sturmhäufigkeit seit 1970, muss man feststellen: Das war ein heftiger Sturm; aber in Relation zu anderen Ereignissen war es keine Katastrophe oder Ähnliches.

Die „Welt“ macht es deutlich. Horst Malberg, ehemaliger Direktor des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin, hat in einem Interview mit „Welt.de“ gesagt, Orkane seien keine Folge des Klimawandels. Wenn man das liest – das setzt natürlich voraus, dass man sich mit dem Problemkreis beschäftigt hat –, wird man zu einer ganz anderen Erkenntnis kommen. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich zitieren:

„WELT.de: Stimmt es, wie manche Meteorologen behaupten, dass so ein Orkantief im Winter sehr ungewöhnlich ist?

Horst Malberg: Das ist völlig falsch.“

„WELT.de: Die Anhänger der KlimawandelTheorie führen die Temperaturdifferenz aber

nicht auf die eisige Polarluft, sondern auf den Treibhauseffekt zurück, also darauf, dass es in den Tropen immer heißer wird.

Horst Malberg: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen.“

(Heiterkeit von Minister Dr. Ingo Wolf)

„Nach deren Lesart müsste sich der Temperaturgegensatz eher verringern, der Treibhauseffekt würde also dafür sorgen, dass der stärkste Temperaturanstieg um sechs Grad in den Polarregionen stattfindet. Die Tropen und Subtropen würden dagegen nur um ein bis zwei Grad wärmer – und das auch nur im Lauf von 50 bis 100 Jahren.

WELT.de: Träfe diese Theorie zu, müssten wir also eher weniger Stürme statt mehr bekommen?

Horst Malberg: Richtig.

WELT.de: War mit dem Orkan zu rechnen?

Horst Malberg: Orkantiefs sind normal. Bis 1988 etwa hatten wir im Durchschnitt pro Winter 16, die irgendwo in Europa landeten, anschließend ein paar Jahre lang 30. Heute sind es etwa 20. Ab und zu zieht eben auch mal eines zu uns hinein.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Es besteht überhaupt kein Anlass, mit der Angst der Menschen Politik zu machen.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Man braucht nur in den „Focus“ zu schauen. Dort gibt es eine deutliche Darstellung, wie dieser Sturm unter die Stürme in Europa seit 1990 einzuordnen ist.

(Annette Watermann-Krass [SPD]: Erzählen Sie das doch einmal den Waldbesitzern in Nordrhein-Westfalen!)

Es hat uns in Nordrhein-Westfalen getroffen. Das ist richtig. Deswegen muss man sich fragen, wie wir in Nordrhein-Westfalen gehandelt haben. Deswegen ist es richtig, dass wir heute über die Schäden für die Wald- und Forstbesitzer reden. Die Schäden sind nicht nur materieller Art; es geht auch um Schäden des ökologischen Systems und um Schäden an der Schutz- und Erholungsfunktion – auch bei Ihnen vor Ort, Herr Remmel – des Waldes.

Diese Sache hat die Landesforstverwaltung – ich will nicht sagen: business as usual – ganz normal abgearbeitet. Sie ist gewohnt, mit solchen Ereig

nissen umzugehen. Diese Arbeiten werden abgearbeitet. Sie war auch vorbereitet; auch das ist gut.

Wenn Sie in diesem Zusammenhang fordern, wegen des Sturms vom Projekt Forstreform abzulassen, frage ich mich, wo Sie den Bezug sehen. Der Sachverhalt ist doch so, dass der Revierförster in der Fläche vor Ort verbleibt.