Protocol of the Session on December 6, 2006

(Beifall von GRÜNEN und Christian Weisbrich [CDU])

Sie sagen, das soll jetzt kommen. Ich appelliere an Sie, Herr Dr. Rüttgers, alle Zahlen auf den Tisch zu legen. Legen Sie das KPMG-Gutachten und alle Fakten auf den Tisch, damit die Öffentlichkeit weiß, wie teuer die Kohle ist und wie viel diese solidarische Haltung gegenüber den Bergleuten und ihren Familien das Land und den Bund kostet. Das wäre eine noble Geste und eine richtige Sache für das Parlament. Damit würde klar, dass das viel teurer wird, als wir bisher alle angenommen haben.

Wer will Ihnen etwas tun, wenn Sie dem Parlament das KPMG-Gutachten und alle Details geben, damit hier im Parlament angemessen beraten werden kann, wie weit das Haus bereit ist, Risiken einzugehen?

Ich will einen letzten Punkt ansprechen: Frau Kraft, …

Herr Kollege Priggen, auch Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich hatte keine Vorwarnung und nehme das jetzt als Vorwarnung, spreche noch einen Punkt an: Sie haben gesagt, der Börsengang werde gefährdet. – Ich glaube, dass der Börsengang eher dadurch in Gefahr ist, dass man jetzt versucht, das aufzusplitten. Denn irgendjemand muss die Haftung für einen Dauerbergbausockel übernehmen. Dazu wird sich kein Unternehmen bereit erklären, sondern das muss die öffentliche Hand leisten.

Diese Landesregierung kann und darf das nicht machen. Das ist zugesagt worden, und aus dieser Zusage werden wir Sie nicht herauslassen.

Damit müsste der Bund bereit sein, die gesamte Haftung für die Kosten aus den dauerhaften Risiken zu übernehmen. Das wäre der Offenbarungseid von Peer Steinbrück. Das können Sie eigentlich selber nicht wollen.

(Beifall von GRÜNEN, CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Priggen. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Papke das Wort.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen waren sehr gespannt auf die heutige Aktuelle Stunde, denn wir wollten von der SPD hören – das liegt auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und damit der Öffentlichkeit in NordrheinWestfalen insgesamt –, wie denn der Sockelbergbau konkret ausgestaltet und finanziert werden soll.

Frau Kollegin Kraft, das ist bisher nicht mehr als ein Schlagwort gewesen. Ich darf feststellen, dass Sie diese Erklärung in der Konkretisierung Ihres Sockelbergbaus absolut schuldig geblieben sind. Wir sind jedenfalls nicht klüger als vor der Debatte, was Ihre Überlegungen zum Sockelbergbau angeht.

Nur eines ist deutlich geworden: Der Sockelbergbau, wie Sie ihn sich vorstellen – soweit man das abschätzen kann –, ist eine gigantische Mogelpackung, deren Kosten Sie nicht darlegen.

Es ist schon bemerkenswert, dass jemand wie der Kollege Römer, der berufsbedingt etwas von der Materie versteht, hier allen Ernstes vorträgt – ich

darf ihn zitieren –: „Altlasten fallen im Bergbau auf jeden Fall an, unabhängig vom Sockel.“

Herr Kollege Römer, fortdauernder Steinkohlenbergbau verursacht zusätzliche Pensionslasten, zusätzliche Ewigkeits- und Pumpkosten, verursacht zusätzliche Bergschäden. Das müssen wir doch in den Blick nehmen: Wenn der Bergbau fortgesetzt wird, wird es zusätzliche Altlasten geben. Wenn Sie den Bergbau als Sockelbergbau fortsetzen wollen, müssen Sie die Frage beantworten, wer diese zusätzlichen Kosten übernehmen soll, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von der FDP)

Das tun Sie ganz bewusst nicht; denn dann würde klar, dass Ihr Ansatz, nämlich der Börsengang, bei dem es darum geht, die wettbewerbsfähigen Konzernbestandteile der RAG in die unternehmerische Freiheit zu entlassen, nicht mehr realisierbar wäre. Der Grundansatz des gesamten Börsengangs ist doch, zu sagen: Wir beenden den Subventionsbergbau. Dann schauen wir, welche Kosten, die auf Dauer anfallen, aufgelaufen sind, und wir bauen aus dem Erlös dieses Börsengangs einen Kapitalstock auf, um diese Lasten bewältigen zu können.

Wenn Sie weiter graben und abbauen, verursachen Sie zusätzliche Kosten für die Steuerzahler. Die sind in diesem Modell nicht eingerechnet. Das wäre überhaupt nicht tragfähig. Das wissen Sie, und deshalb verschweigen Sie dieses Problem.

(Beifall von der FDP)

Frau Kollegin Kraft, ich will Ihnen nicht vorenthalten, was wirklich der Gipfel ist: Sie stellen sich hierhin und äußern allen Ernstes die Kritik, wir hätten unser Modell „Zukunftsprogramm Montanregion“ – wie wir Freie Demokraten es nennen –, also unseren engagierten Versuch, in diesen schwierigen Verhandlungen in Berlin die Unterstützung des Bundes für ein Erneuerungsprogramm für die Bergbauregionen zu erreichen, noch gar nicht konkretisiert. So, wie Sie das aus dem Eckpunktepapier vorgelesen haben, klang das abschätzig. Es enthalte noch gar keine Substanz. Dabei hätten wir diese Konkretisierung doch längst, wenn Ihr Bundesfinanzminister dieses Erneuerungsprogramm für NordrheinWestfalen nicht seit Wochen und Monaten blockieren würde. Das ist doch die Realität.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Frau Kollegin Kraft, Sie gefährden dieses Erneuerungsprogramm für Nordrhein-Westfalen

durch Ihren Irrlauf mit dem Sockelbergbau. Das will ich Ihnen einmal klar sagen.

Deshalb fordere ich Sie jetzt auf, mit uns zusammen in Berlin dafür zu kämpfen, dass wir für die Restrukturierung der Bergbauregionen die Unterstützung des Bundes bekommen. Das muss das gemeinsame Interesse des Landtags NordrheinWestfalen sein.

(Beifall von der FDP)

Hören Sie auf, beim Bergbau Traditionspflege zu betreiben. Das ist kein Dienst an der Sache. Damit vertreten Sie nicht die Interessen der Bergleute, und damit vertreten Sie nicht die Interessen Nordrhein-Westfalens.

Streiten Sie mit uns dafür, dass der Bund, der den Steinkohlenbergbau immer als nationale Aufgabe betrachtet, jetzt auch seiner nationalen Verpflichtung, für den erfolgreichen Strukturwandel in den Bergbauregionen zu sorgen, Rechnung trägt. Das wäre Ihre politische Führungsverantwortung an der Spitze der SPD-Fraktion. Das gilt im Übrigen auch für Herrn Dieckmann an der Spitze des SPD-Landesverbandes. Das gefährden Sie. Und stellen Sie sich bitte nicht hierhin, um uns für etwas zu kritisieren, was an Ihrem Finanzminister in Berlin gescheitert ist.

Herr Kollege, auch Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich stelle mich jetzt darauf ein, Herr Präsident. Danke für den Hinweis. Ich will auch zum Schluss kommen, aber ich möchte noch einen Gedanken aufgreifen.

Ich möchte noch einmal klarmachen, weshalb wir als Freie Demokraten für den schnellstmöglichen Ausstieg eintreten. Wir sind der Überzeugung, dass das im Jahr 2012 geht, und zwar deshalb, weil wir sagen, die RAG muss ihrer unternehmerischen Verantwortung für die Mitarbeiter im Steinkohlenbergbau auch gerecht werden.

Dazu hätte ich von der SPD gerne einmal etwas gehört. Sonst ist für Sie das Thema „unternehmerische Verantwortung“ doch ungeheuer bedeutsam. Weshalb nicht in diesem Fall? Wenn die RAG ihrer unternehmerischen Verantwortung gerecht werden will, können wir es schaffen, 2012 auszusteigen. Dann können wir mindestens 12 Milliarden € mobilisieren, die andernfalls bis 2018 in den Bergbau gepumpt werden würden. Darum geht es.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen schnell aussteigen. Wir wollen sozialverträglich, ohne betriebsbedingte Kündigungen, aussteigen. Aber wir wollen dann das Geld, das ansonsten in den Bergbau fließen würde, in die Zukunft der Bergbauregionen investieren. Es sollte Ihre politische Pflicht sein, uns dabei zu unterstützen, Frau Kollegin Kraft. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Vielen Dank, Herr Dr. Papke. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Thoben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kraft, Sie haben ein paar falsche Querverbindungen hergestellt:

Sie sagen, die Sanierung der Ostbraunkohle sei ein Beispiel dafür, wie man die Ewigkeitslasten …

(Hannelore Kraft [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, Sie sollen sich an- schauen, wie man so etwas aufteilen kann!)

So, dann muss ich Ihnen sagen, dass das nun einmal nicht vergleichbar ist. Ewigkeitslasten bei der Braunkohle gibt es nämlich nicht; dort sind die Kosten endlich. Die Wasserhaltung im Ruhrgebiet ist der dickste Brocken; den haben wir auf Dauer. Insofern ist dies das falsche Beispiel. Aber so haben Sie das früher immer gemacht: Zahlen abnicken, nicht fragen, nicht prüfen, Geld überweisen. Das gibt es mit uns nicht mehr.

(Beifall von der CDU)

Wir können das nicht mehr. Deshalb geht es bei uns auch nicht um das, was Sie hier vorgetragen haben. Sie lassen Varianten des Sockelbergbaus durchrechnen, und danach würden Sie sich für eine entscheiden. Auch die aus Ihrer Sicht preiswerteste Variante werden wir nicht mitfinanzieren. Deshalb werden wir eine unbequemere Debatte mit Ihnen führen müssen.

Was die Haushaltsrelevanz angeht, so ist Ihnen doch bewusst, dass das Aufteilen zwischen Herrn Pinkwart und mir auf jeden Fall dem Land zugute kommt, nicht einem einzelnen Ministerium.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Was die strukturelle Abfederung angeht: Auch wenn es unbequem ist, muss ich Sie davon unterrichten, dass wir in den bisherigen Gesprächen verzweifelt versucht haben, eine Verabredung ü

ber die Abfederung in den Bergbauregionen zu treffen. Wir konnten bisher nur erreichen, dass der Bund bereit ist, darüber zu sprechen. Das hat etwas damit zu tun – das vergessen Sie vielleicht, Frau Kraft –, dass der Bund das Gesprächsangebot davon abhängig macht, dass, entgegen den bisherigen Verabredungen, die Kohlebeihilfen bis 2012 eingespart werden. Auch da gibt es noch eine Reihe von unbequemen Entscheidungen und Problemen.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Wenn Sie uns einen Vorwurf machen, so sage ich Ihnen: Reden Sie doch einmal mit Ihrem Finanzminister darüber, ob der dann Ihre Position – so, wie wir es sehen – in diese Gespräche einbringt. Das wäre doch hilfreich.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Dringend not- wendig!)

Frau Kraft, außerdem wird das, was Sie vorhaben – das ist unsere Einschätzung –, im Zusammenhang mit dem EU-Beihilferecht erhebliche Probleme aufwerfen. Die grundsätzlichen Parameter der EUBeihilfeverordnung aus dem Jahr 2002 schließen zwar einen Sockelbergbau nicht von vornherein aus. In den Parametern zur konkreten Ausgestaltung hat der Ministerrat allerdings festgelegt, dass die Beihilfen für den Steinkohlenbergbau einem abnehmenden Trend folgen müssen, der zu einem nennenswerten Abbau der Beihilfen führt und – das ist für unsere Gespräche noch viel bedeutsamer –, dass nach dem 31. Dezember 2007 keine Beihilfe zur Rücknahme der Fördertätigkeit mehr gewährt werden darf.

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, noch einmal zu überdenken, ob wir bei dem, was Sie so leichtfertig ins Spiel bringen, an der Ecke nicht ein weiteres Problem bekommen und die Verhandlungen aufhalten.