Protocol of the Session on December 6, 2006

Der von Ihnen geforderte Sockelbergbau macht energiepolitisch keinen Sinn,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die CDU in Hamm sieht das anders!)

die Diskussion um die Energieknappheit wird auch durch ständiges Wiederholen nicht richtiger.

Was sich auf den ersten Blick noch einigermaßen verständlich anhört – „Unsere Kohle ist unsere Sicherheit“ –, ist auf den zweiten Blick und beim Blick auf die Produktionskosten überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen. Importkohle hat mit Öl und Gas nicht das Geringste zu tun; hier sehen die Weltmarktpreise völlig anders aus.

Der Anteil der heimischen Steinkohle an der Energieerzeugung liegt bei weniger als 5 % des Energieverbrauchs, und im Gegensatz zu Öl- und Gasvorräten liegen die Kohlevorkommen in politisch stabilen Ländern wie Polen, Tschechien, Südafrika, Kanada oder Australien. Die weltweiten Kohlevorräte reichen noch für über 200 Jahre, was die Bedeutung der heimischen Förderung weiter absinken lässt.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Kollege Brockes hat eben schon einiges zu den Preisen ausgeführt. Der Preis für Importkohle liegt bei ungefähr 60 €, heimische Steinkohle kostet im Schnitt 191 €, also dreimal so viel. Diese Differenz, meine Damen und Herren von der SPD, bürden Sie nonchalant weiterhin und dauerhaft dem Steuerzahler auf. Jede zukunftsgerichtete Verwendung dieser Mittel wird unmöglich. Anstatt in innovative Bereiche zu investieren, wird das Geld in einer nicht zukunftsfähigen Industrie verbuddelt.

In einer aktuellen Prognos-Studie wird die Preissteigerung von Importkohle auf 10 % bis 2030 geschätzt. Das zeigt, wie stabil der Markt für Importkohle ist. Weltweit werden 804 Millionen t gehandelt, von denen Deutschland 63 Millionen t verbraucht. Davon kommen wiederum nur 27 Millionen t aus heimischer Produktion. Wenn es also zu einem Auslaufbergbau kommt, müssen 3,3 % der weltweiten Förderung durch Importkohle ersetzt werden. Diese Argumente zeigen schon, in welchen Größenordnungen sich Ihr Sockelbergbau bewegt.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das entscheiden die Unternehmen, nicht die Politik!)

Zu dem Argument der Bergbautechnik, Frau Kraft: Nicht einmal die Zulieferindustrie sieht ihre Zukunft im heimischen Steinkohlenbergbau. In keinem anderen Land wird Steinkohle in ähnlichen Tiefen abgebaut wie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Technik ließe sich allenfalls in anderen Bereichen einsetzen, was aber eine Präsentation in Deutschland nicht zwingend notwen

dig macht; Präsentationen erfolgen auch jetzt nicht zwingend nur in Deutschland.

(Markus Töns [SPD]: Das ist doch totaler Quatsch, Herr Lienenkämper! Sie kennen sich doch überhaupt nicht aus!)

Das lässt sich genauso gut in anderen Ländern darstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Deshalb zusammenfassend: Sie stellen Forderungen zulasten Dritter, und zwar insbesondere zulasten des Steuerzahlers. Wahrscheinlich nehmen Sie sogar billigend in Kauf, dass am Ende ein zusätzliches Risiko beim Land NRW landet.

Das lassen wir mit uns nicht machen. Wir kümmern uns um die Menschen in unserem Land, um die 100.000 Mitarbeiter der RAG, um eine sozialverträgliche Lösung für die 36.000 Beschäftigten im Bergbau, und wir ziehen Gelder frei für dringend benötigte Zukunftsinvestitionen, für weiteres Wachstum nachhaltig und dauerhaft für die Bergbauregionen und zum Wohle der Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das glauben Sie doch alles selber nicht!)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja, bitte!)

Das Schöne ist, dass hier keine Redezeit angezeigt wird. Deshalb hatte ich die Hoffnung, ich könnte endlos sprechen.

Das ist verführerisch, aber Ihre Redezeit ist trotzdem zu Ende.

Ich komme natürlich zum Ende, wenn sie zu Ende ist.

Einzig sinnvoll ist es, meine Damen und Herren, die Verhandlungen zügig und zielorientiert weiterzuführen und allen Beteiligten dabei Planungssicherheit zu geben. Ich bin dankbar, dass unsere Landesregierung daran engagiert und im Interesse der Menschen in Nordrhein-Westfalen arbeitet. Unsere Fraktionen unterstützen das nachdrücklich.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lienenkämper. – Für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Priggen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben ein Jahr intensiver Debatte über die Steinkohle hinter uns. Werner Müller hat mit seinem Vorstoß, den weißen Bereich der RAG an die Börse zu bringen, diese Debatte intensiviert. Er hat das richtig gemacht. Ich sehe für den sinnhaften Vorgang, mit der RAG an die Börse zu gehen, Risiken in dem Vorstoß der SPD.

Im Verlaufe der Debatte dieses Jahres haben wir einige Positionen gehört, die ich nicht für realistisch halte.

Herr Pinkwart, Sie haben einmal gesagt, 2010 zahle das Land kein Geld mehr. Das können Sie zwar sagen, aber ich glaube nicht, dass das durchzusetzen ist.

Der Kollege Papke hat vom Ende des Bergbaus für das Jahr 2012 gesprochen; die Beschäftigen des Bergbaus gingen in den weißen Bereich. – Auch das ist nicht zu halten.

Die Debatte hat sich zwischen den Punkten „Ausstieg“ im Jahre 2012 und 2018“ bewegt. Mit diesem Zeitrahmen lag die Debatte richtig. Ich bin davon überzeugt, dass wir es im Jahr 2015 mit den dann folgenden Entlastungen für die öffentlichen Haushalte schaffen könnten, ohne dass einer der Bergleute in die Arbeitslosigkeit geht.

(Beifall von GRÜNEN und Christian Weisbrich [CDU])

In diese Debatte ist die SPD jetzt noch einmal massiv mit einem Vorstoß eingetreten – so meine Wahrnehmung –, wobei wir alle angenommen hatten, sie sei davon weg, es werde allenfalls über die Jahre 2014, 2015 und 2018 als Äußerstes verhandelt, aber – so hatten wir angenommen – nicht mehr infrage gestellt, dass es vernünftig ist, den Bergbau sozialverträglich zu beenden.

(Beifall von GRÜNEN, CDU und FDP)

Frau Kraft, auf das, was Sie eben an Argumenten angeführt haben, will ich eingehen, weil ich finde, dass das die Problemlage für das Land ein Stück weit auf den Kopf stellt und auch falsch ist:

Denn wenn Sie sich zum Anwalt des Ruhrgebiets machen, müssten Sie auch ganz nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass der Bergbau bei der Ausweisung neuer Gewerbeflächen und Ansiedlung großer Betriebe für das Ruhrgebiet mittlerweile eher ein Standortnachteil ist.

(Beifall von GRÜNEN und Christian Weisbrich [CDU])

Wir haben über die Ansiedlung von BMW diskutiert. Es sei für Großbetriebe, haben wir gehört, ein K.-o.-Kriterium, wenn es um die Ansiedlung auf ehemaligen Bergbauflächen geht. BMW wäre in NRW nur nach Euskirchen gegangen, weil das Ruhrgebiet wegen des Bergbaus als Standort ausscheidet.

Bei der Anhörung zum Bergwerk West hier im Plenum hat uns die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Wesel erklärt, neue Betriebe gingen in Voerde in bergbaubelastete Bereiche nicht hinein, weil sie wüssten, dass es zu Absenkungen kommen könne. So etwas kann sich kein Betrieb erlauben, weil er zwar Geld für die Gebäudeschäden bekommt, nicht aber für Schäden an den Produktionsanlagen und für Produktionsausfälle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir können stolz sein auf eine lange Bergbautradition und können sie in Anstand zu Ende führen. Aber es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass es eine Perspektive für das Ruhrgebiet gibt, wenn wir über die sozialverträgliche Achse hinaus an der Kohle festhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da ist ein großer Konsens, der viel Geld erfordert, es so ohne Entlassungen zu Ende zu führen. Die Beschäftigten von BenQ und anderen Unternehmen sowie Betriebe bei uns in Aachen, die dicht gemacht haben, wären dankbar, wenn wir ihnen auch eine solche Garantie geben könnten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben nach der Sicherheit für die Bergleute gefragt. Die Bergleute sind der einzige Berufszweig, dem wir eine solche Sicherheit in der Form bieten können, und zwar mit erheblichen öffentlichen Mitteln: Das Land gibt jedes Jahr über 600 Millionen € dafür aus. Das ist sehr viel Geld. Es wäre nicht zu verantworten, auf Dauer etwas für einen Bergbausockel auszugeben.

Herr Kollege Römer und Frau Kraft haben etwas angesprochen, das mich ehrlich gesagt amüsiert hat: Es soll konkrete Berechnungen geben. Es soll genau ausdifferenziert werden können, welche Altlasten wem zuzurechnen sind. – Ich höre schon die Musik: Für zwei der acht Bergwerke ist die Stilllegung beschlossen, drei weitere werden stillgelegt, die anderen drei sind der Sockel. Jetzt dividiert man die Kosten auseinander.

Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Bei den Verhandlungen zur Kohleregelung 2006/2012 haben wir dieses Papier gehabt.

(Der Abgeordnete hält ein Papier hoch.)

Dieses mehrseitige Papier kam aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Es drehte sich um die Anschlussfinanzierung für die Steinkohle von 2006 bis 2012. Dieses Papier enthält die Produktionskosten für jedes Jahr: Für 2006 waren es 132 € je Tonne, für 2007 132 € je Tonne, fallend auf 129 € je Tonne im Jahr 2012. Das waren die konkreten Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium – nicht aus dem grünen Hauptquartier –, die wir hatten.

Am Samstag habe ich mit ganz großer Freude in der „Rheinischen Post“ endlich einmal Zahlen gelesen, die aber nur – um das auch einmal klar zu sagen – die Förderkosten widerspiegeln. Das sind nicht die Gesamtkosten, sondern das ist nur das, was die Förderung kostet. Von all dem, was uns gesagt worden ist, was Grundlage für die Finanzierung war, ist das für das Jahr 2006 Lichtjahre weg. Dabei geht es nicht um 130 oder 129 € je Tonne, sondern da steht für das Bergwerk Ost: 349 € je Tonne!

Wenn das nur die Förderkosten sind – das muss man ganz nüchtern feststellen –, die Folgeschäden nicht berücksichtigt sind und wir unsere Kohle zum Teil mit Abschlägen für minderwertige Kohle und Ballastkohle deutlich unter Weltmarktpreis abgeben müssen, müssen wir noch einmal 10 bis 15 € bei einzelnen Bergwerken herausrechnen. Diese Zahlen muss man alle auf den Tisch legen. Das aber passiert nicht.

(Beifall von GRÜNEN und Christian Weisbrich [CDU])