Protocol of the Session on October 25, 2006

Auch dieses Argument von Ihnen bringt es also überhaupt nicht.

Wir müssen noch über vieles, was im Moment in diesem Land an Einsparungen, an Entlassungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passiert, sprechen. Ich hoffe, dass wir darüber an anderer Stelle noch einmal intensiv diskutieren können. Wenn wir uns diese gesellschaftliche Situation angucken, dann muss, finde ich, klar sein, dass die Erreichung politischer Ziele verbunden mit einer gänzlich abstrahierten Vergabe von öffentlichen Aufträgen eigentlich nicht der richtige Weg sein kann. Vielmehr müssen wir als Politik ganz klar überlegen, welche Steuerungsinstrumente wir auch hier haben, damit es in diesem Land nicht in dieser Richtung weitergeht.

Von daher wird die Fraktion der Grünen selbstverständlich diesen Gesetzentwurf, den Sie jetzt vorgelegt haben, ablehnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herzlichen Dank, Frau Steffens. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Brockes.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen Steffens und Schmeltzer! Frau Steffens, ich finde es schon ein bisschen scheinheilig, wenn Sie hier sagen, Sie hätten Anmerkungen und Anregungen zum Gesetzentwurf gemacht. Dazu muss ich feststellen: Sie sind Ihrer parlamentarischen Pflicht nicht nachgekommen. Denn wenn Sie wirklich meinen, dass dieses Gesetz verbesserungsfähig ist, dann wäre es Ihre verdammte Pflicht gewesen, auch entsprechende Änderungsanträge ins Plenum einzubringen.

(Beifall von FDP und CDU – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Änderungsanträge beim Gesetz- entwurf?)

Aber nichts davon ist geschehen. Nein, es gab weder Änderungsanträge von SPD und Grünen noch gar eine Anhörung zum Tariftreuegesetz. Sie sind als Oppositionsfraktionen hier Ihrem Auftrag nun wahrlich nicht gerecht geworden.

Herr Kollege Brockes, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Steffens?

Bitte schön.

Herr Kollege Brockes, kennen Sie die Mehrheitsverhältnisse hier in

diesem Landtag Nordrhein-Westfalen? Und wissen Sie, dass die Koalitionsfraktionen ganz klar gesagt haben, dass sie keine Änderungen, die wir hier in der ersten Lesung eingebracht haben, auch nur irgendwie für diskutabel halten?

Liebe Frau Kollegin Steffens, ich finde es bemerkenswert, dass Sie das, was wir als Koalition sagen, schon sozusagen als Gesetz hinnehmen und sich deshalb erst gar nicht mehr die Arbeit machen. Ich muss aber sagen, ich sehe das irgendwie als Arbeitsverweigerung an.

(Lachen von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sagt der Richtige!)

Wenn Sie wirklich der Auffassung sind, dass Sie bessere Vorschläge haben als wir, dann legen Sie uns diese doch vor! Dann können wir in der Sache darüber reden.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, dies ist hier nun wirklich nicht der Fall gewesen.

Die Koalition der Erneuerung hat sich auf die Fahnen geschrieben, Bürokratie abzubauen und überflüssige Vorschriften und Gesetze abzuschaffen. Genau dem kommen wir heute hier nach.

Herr Kollege Brockes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmeltzer?

Herr Kollege Brockes, kann ich Ihren Ausführungen zu den Anmerkungen der Kollegin Steffens entnehmen, dass Sie demnach die Anhörung zum Ladenöffnungsgesetz so ernst nehmen, dass Sie die Anregungen in Ihr Gesetz aufnehmen werden?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Lieber Kollege Schmeltzer, selbstverständlich haben wir die Anhörung sehr ernst genommen

(Lachen von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das hat man in der Pres- se gesehen!)

und im Gegensatz zu vielen Kollegen aus Ihren Reihen auch bis zum Schluss verfolgt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sind ja auch nur einer!)

Sie werden mit Sicherheit in den nächsten Tagen feststellen, dass es auch beim Ladenöffnungsgesetz die eine oder andere Veränderung geben wird. Da sind wir nicht so beratungsresistent, wie Sie es in der Vergangenheit immer gewesen sind.

(Beifall von FDP und CDU – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Bitte? Das ist eine absolute Frechheit, was Sie da von sich geben!)

Der Kollege Schmeltzer hat es ja eben schon aufgegriffen. Das Tariftreuegesetz ist aus unserer Sicht nun wahrlich ein bürokratisches Monster. Ich komme Ihnen da gerne entgegen und verwende auch heute diese Formulierung wieder. Wir betreiben hier ernsthaften Bürokratieabbau. Denn ein Gesetz, das nicht taugt, gehört abgeschafft. Das machen wir heute. Das ist ein guter Tag für dieses Land.

(Lachen von der SPD)

Deshalb kommt es sehr gut aus, dass wir das dann auch gleich im Rahmen des Festaktes zum 60-jährigen Bestehen des Landes noch gebührend feiern können. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Brockes, auch für die gewonnene Zeit. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Thoben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Aufhebung des Tariftreuegesetzes wird ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Bürokratieabbau getan. Es geht darum, der Wirtschaft bürokratische Fesseln zu nehmen und der wirtschaftlichen Dynamik insbesondere im Mittelstand Raum zu geben.

(Lachen von Frank Sichau [SPD])

Mit der Abschaffung des Tariftreuegesetzes kehrt das Land Nordrhein-Westfalen übrigens zum Grundprinzip der Vergabe öffentlicher Aufträge im wirtschaftlichen Wettbewerb zurück. Dieses Grundprinzip ist in § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beschrieben. Dort heißt es:

„Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben.“

Wir meinen, das ist ein guter Grundsatz.

(Widerspruch von der SPD)

§ 97 Abs. 4 enthält allerdings noch einen Ausnahmevorbehalt:

„Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“

(Frank Sichau [SPD]: Das ist es doch!)

An diese Ausnahmebestimmung knüpft das Ende 2002 verabschiedete Tariftreuegesetz an. Eine Reihe von Ländern in der Bundesrepublik haben derartige Gesetze geschaffen. Allerdings ist die Verfassungsmäßigkeit von Tariftreuegesetzen mit Blick auf den Grundsatz der Koalitionsfreiheit nach wie vor umstritten. Sachsen-Anhalt hat sein Tariftreuegesetz bereits wieder aufgehoben.

Eine genaue Betrachtung zeigt im Übrigen, dass die bestehenden Gesetze in ihrem Anwendungsbereich durchaus unterschiedlich sind. Das gilt insbesondere für die oft zum Vergleich herangezogene bayerische Regelung. Diese findet auf kommunale Aufträge keine zwingende Anwendung. Der kommunale Straßenbau ist von der Anwendung des Gesetzes vollkommen ausgeschlossen. Dass die bayerische Regelung den Verkehrsbereich überhaupt nicht erfasst, sei zusätzlich erwähnt. Der in der Argumentation oftmals gehörte Hinweis auf Bayern als Vorbild für Nordrhein-Westfalen trägt hier also nicht.

Die vorliegenden statistischen Zahlen weisen keinen positiven Einfluss von Tariftreueregelungen auf Erhalt oder Steigerung des Beschäftigungsniveaus in den vom Gesetz betroffenen Branchen nach.

Maßgeblich bei der Bewertung des Tariftreuegesetzes ist für uns das Urteil der Betroffenen in Wirtschaft und Vergabestellen. Diese berichten weit überwiegend von rechtlichen Unklarheiten, Belastungen, Vollzugsdefiziten und insbesondere einem Defizit bei Kontrollen.

Auch die Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Hohen Hauses im März 2004 und die noch von der vorherigen Landesregierung in Auftrag gegebene Studie der Sozialforschungsstelle Dortmund liefern keine grundlegend positiven Erkenntnisse.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Falsch!)

Da wir jetzt Einsicht in die Unterlagen der Fachressorts der alten Landesregierung haben, muss ich Ihnen zudem sagen: Vor Verabschiedung des

Gesetzes haben die maßgeblichen Fachressorts das Vorhaben intern abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: Wer macht denn Geset- ze: die Fachressorts?)