Protocol of the Session on October 25, 2006

Meine Damen und Herren, es war rechtlich wie politisch ein Fehler, die Ergebnisse von Tarifverhandlungen durch Regelungen des öffentlichen Vergaberechts ändern zu wollen. Es war ein Fehler, die sich abzeichnende höchstrichterliche Rechtsprechung zu ignorieren. Es war töricht, ein Gesetz zu erlassen, dessen Kernaussage in dem Hinweis gipfelt: Es ist verboten, gesetzliche Mindestlöhne nicht zu beachten. Wer das eine nicht beachtet, wird das andere kaum beachten.

Das Tariftreuegesetz hat nachweislich den Arbeitnehmern nicht genützt, dafür aber horrende Bürokratiekosten ausgelöst und somit den Kommunen und den betroffenen Unternehmen erheblich geschadet. Es gehört deshalb kassiert. Ich bedanke mich bei der Landesregierung für die Konsequenz und den Mut, genau das auch zu tun.

Noch eine letzte Bemerkung: Wenn Verdi heute rügt, Herr Schmeltzer, dass die Aufhebung des Gesetzes ohne erneute Anhörung erfolgt, fühlen wir uns nicht angesprochen.

(Beifall von der FDP)

Bei den bekannten Standpunkten wäre es Sache der Opposition gewesen, eine solche Anhörung zu fordern. Wenn Sie darauf verzichtet haben, liegt für mich die Vermutung nahe, dass Ihre Proteste, die jetzt folgen, nicht viel mehr sind als heiße Luft und Rituale. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Cari- na Gödecke [SPD])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weisbrich. – Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Kollegen Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit den Ausführungen des Kollegen Weisbrich an: Die rot-grüne Landesregierung war sehr wohl von diesem Gesetz überzeugt. Denn sonst wäre ein solches Gesetz nicht zustande gekommen.

(Heiterkeit von der CDU)

Die rot-grüne Landesregierung war genauso von einem solch guten Gesetz überzeugt wie die bayerische Landesregierung mit Herrn Stoiber.

(Heiterkeit von Christian Weisbrich [CDU])

Bayern hat ein solches Gesetz und hat auch Verbesserungen angebracht – darauf komme ich gleich zu sprechen –, die sehr wohl dieses Gesetz kontrollierbar und handhabbar machen.

Bezüglich der Verdi-Anhörung: Herr Weisbrich, Sie wollen uns doch wohl nicht erzählen – beziehungsweise Sie sagen uns ja immer wieder, dass wir der Steigbügelhalter für Verdi seien –, wann wir eine Anhörung beantragen müssen und wann nicht.

Bei dieser populistischen Art und Weise, die Sie seit 2002 beim Thema Tariftreue an den Tag gelegt haben – bis hin zur Forderung nach Zerschlagung des Tarifkartells –, können Sie doch nicht sagen, wir müssten eine Anhörung für Verdi fordern. Was Sie hier machen, ist zynisch. Das steht Ihnen an dieser Stelle – gerade bei Tariftreue – absolut nicht zu.

(Beifall von der SPD – Lachen von Christian Weisbrich [CDU])

Das Tariftreuegesetz – 2002 von der rot-grünen Landesregierung eingebracht und mit der Mehrheit des damaligen Hauses verabschiedet – ist gut und es ist richtig. Dieses Gesetz muss fortentwickelt werden.

(Zuruf von der CDU: Fort!)

In diesem Gesetz müssen Kontrollmechanismen verbessert werden. Das haben wir an vielen Stellen gesagt. Wir beziehen uns – der Kollege Eumann hat es in der letzten Plenarsitzung schon getan – unter anderem auf Bayern.

Wir sagen ganz deutlich: Die Wertgrenzen für die beschränkte Ausschreibung im Bausektor müssen angehoben werden. Das ist ein richtiger Weg. Damit haben wir eine bessere Steuerung der Wirtschaftsentwicklung vor Ort. Die Gemeinden profitieren letztlich dadurch, dass sie mehr Steuereinnahmen haben. Letztlich schützen wir natürlich auch die heimischen Arbeitsplätze.

Aber wie sagte schon der Kollege Brockes am 17. Mai zum Gesetz selber? Weder zum Tariftreuegesetz noch zum vorliegenden Gesetzentwurf hat er ja viel gesagt. Er sagte: Was nichts taugt, gehört abgeschafft.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Das ist die Politik dieser Koalition. Das sehen wir auch beim eingebrachten Ladenöffnungsgesetz. Da werden wir letztlich sehen, was taugt und was nicht taugt. Denn da schlagen Sie sich ja ganz offensichtlich, wie die letzte Anhörung gezeigt hat, mit Ihren eigenen Waffen.

Dann will ich noch einmal zur Anhörung kommen. Herr Kollege Weisbrich, Sie zeichnen sich ja bei Debatten immer dadurch aus, dass Sie nach Ihrer Rede nicht mehr zuhören.

(Beifall von der SPD – Christian Weisbrich [CDU] winkt ab.)

Sie haben schon einmal bei der Anhörung am 17. Mai falsch wiedergegeben, was die Sozialforschungsstelle dargelegt hat. Durch viele falsche Wiederholungen wird es nicht richtiger.

(Christian Weisbrich [CDU]: Ach!)

Die Sozialforschungsstelle hat deutlich gesagt, dass dieses Gesetz ein gutes Gesetz ist. Es besteht Verbesserungsbedarf, insbesondere im Bereich der Kalkulation und der Kontrollen. Es ist nicht abzuschaffen, sondern es ist zu verbessern. – Mit dieser Art von Unwahrheit kommen Sie uns an dieser Stelle nicht durch. Aber Sie ignorieren es, wie Sie viel Richtiges ignorieren – gerade bei der Tariftreue und bei der heimischen Wirtschaft.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Die Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss meines Erachtens ein Interesse daran haben, dass Gesetze eingehalten werden und dass Gesetze handhabbar und durchführbar werden. Gerade dies ist bei dem Tariftreuegesetz der Fall: Bezüglich der Handhabbarkeit und der Durchführbarkeit müssen wir nachbessern.

Aber bei der Tariftreue sitzt bei der Koalition seit 2002 ein tiefer Stachel. Kollege Brockes, Kollege Papke und viele andere bezeichnen es immer wieder – Herr Brockes, ich bin mir sicher, es kommt gleich wieder –

(Beifall und Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]: Ja!)

als „bürokratisches Monster“. Die Koalition liebt es doch, an dieser Stelle die Klischees zu bedienen und zu pflegen. Mit der Realität hat das, was Sie dort tun, relativ wenig zu tun. Es passt jedoch in Ihre verengte Weltsicht.

Am 14. Juni hat sich der Wirtschaftsausschuss mit der Tariftreue beschäftigt. Frau Thoben konnte relativ wenig sagen zur Frage nach dem Präqualifikationssystem, wobei Minister Linssen sie am 17. Mai im Plenum vertreten hatte. Mit Schreiben

vom 29. Juni 2006 sind Sie darauf eingegangen. Allerdings haben Sie dort auch sehr viel herumgeeiert, denn über die Landesbeteiligung – das haben Sie indirekt zugestanden – hätte die Tariftreue eingebunden werden können.

Sie wollen ausschließlich mit der Abschaffung dieses Gesetzes die mittelstands- und arbeitnehmerfeindliche Politik noch einmal unterstreichen. Aber ich sage Ihnen: Wer das Kind mit dem Bade auskippt, ist nicht an der idealen Wassertemperatur interessiert. Sie wollen nicht verbessern; Sie wollen nur abschaffen. Das ist die einfache Welt der Thobens und der Papkes in diesem Land, und das hat nichts mit verantwortungsvoller Politik zu tun.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Als Nächstes hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Steffens das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde in Anbetracht dessen, was heute noch alles vor uns liegt, versuchen, mich möglichst kurz zu fassen. Trotzdem glaube ich – gerade nach dem, was Herr Weisbrich eben gesagt hat –: Man muss schon die Positionen klar und deutlich machen. Wir Grüne haben natürlich immer gesagt: Es gibt bestimmte Punkte, die nachjustiert werden müssen. Es gibt bestimmte Punkte, die verändert werden müssen.

Aber an dieser Stelle zu sagen, weil es inhaltlich an der einen oder an der anderen Stelle Veränderungsbedarf gibt, werfen wir das ganze Gesetz in die Tonne, halte ich für vollkommen verfehlt – vor allem, wenn man sich noch einmal überlegt, welche Absicht hinter der Schaffung dieses Gesetz stand. Das Tariftreuegesetz war doch dafür da, um unbotmäßige Konkurrenz durch den Niedriglohnsektor und durch Niedriglohnarbeitskräfte zu verhindern und damit auch die Sozialversicherungssysteme zu entlasten.

Das ist ein Punkt, an dem alle schreien: Die Sozialversicherungssysteme sind überfordert; wir müssen nach Lösungen suchen. Aber zu den konkreten Entlastungsmaßnahmen, die es gab, sagen Sie: Die brauchen wir nicht mehr. Das halte ich für politisch unverantwortlich.

Wir haben Vorschläge ganz klar benannt: Anhebung der Bagatellgrenze von 10.000 € auf 50.000 €. Wir haben gesagt: Einschränkung der Kontrollverpflichtungen der auftragnehmenden

Unternehmen bezüglich der Kalkulation ihrer jeweiligen Nachunternehmen. Wir haben gesagt: Wir wollen die Übertragung der Überprüfungsfunktionen in die Phase nach der erfolgten Vergabe. Wir haben andere Vorschläge gemacht bezogen auf die Entkoppelung von Auftragsvergabe und Sanktionszuständigkeit.

Aber alle Vorschläge, die gemacht worden sind, wischen Sie einfach vom Tisch mit dem Argument: Das bringt es nicht. Das war zu teuer. Das ist politisch einfach leicht gemacht. Denn Sie haben keine Antworten. Eigentlich müssten Sie an der Stelle eingestehen, dass Sie keine argumentative Auseinandersetzung wollen, sondern einfach aus ideologischer Denke heraus sagen: Weg mit dem Gesetz!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie wissen ganz genau, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens bezüglich der grundlegenden Ziele des Tariftreuegesetzes gibt. Sie wissen, dass es neben den Gewerkschaften – wo Sie immer schreien: die Gewerkschaften wollen das, und alle, die für ein Tariftreuegesetz sind, sind nur Sprachrohr der Gewerkschaften – auch die Verbände der Bauwirtschaft sind, dass es eine deutliche Mehrheit der Unternehmen ist, die öffentliche Bauaufträge durchführen. Sie wissen, dass diese die grundsätzlichen Ziele dieses Gesetzes für richtig halten und dass es auch da Anmerkungen und Anregungen gab, wie man dieses verändern, weiterentwickeln und verbessern kann. Aber Sie sagen: nein, weg damit. Sie reden auch hier an einer Mehrheit des gesellschaftlichen Konsenses einfach vorbei.

Sie sagen: Präqualifizierungsverfahren; das ist sozusagen Ihre Antwort. Darüber kann man reden. Aber das ist keine Alternative. Das eine tun, ohne das andere zu lassen,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Richtig!)

das wäre die Devise, aber nicht das eine statt des anderen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte aber auch noch eine Anmerkung zu den Kosten machen. Auf der einen Seite sagen Sie, das Gesetz habe es nicht gebracht, denn das sei alles nur eine Schmalspurprüfung gewesen; das sei alles überhaupt nicht richtig passiert. Auf der anderen Seite sagen Sie, das bringe aber eine Kostenersparung von 5 % für die Auftraggeber. Das kann doch nicht richtig sein. Wie kommen Sie zu der Aussage, dass die Aufhebung eines Gesetzes, das nicht angewandt worden ist, Kosten einspart? Das ist eine sehr mutige Behauptung.

Auch dieses Argument von Ihnen bringt es also überhaupt nicht.