Protocol of the Session on September 28, 2006

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD] – Gegenruf von Dietmar Brockes [FDP])

Welche Perspektiven hat ein solches Unternehmen? – Herr Römer, in Deutschland kann doch kein Mensch ohne Subventionen Kohle fördern. Das heißt: Wer Kohle fördert, muss anderen Leuten, ehrlichen Bürgern und Steuerzahlern, jede Menge Geld aus der Tasche ziehen. Das wird erkennbar schwieriger. Als es noch 600.000 Kumpel

gab, ist der Bergbau auf einer Woge der Solidarität geschwommen. Heute mit nur noch wenigen Beschäftigten schlägt dem Bergbau vielerorts – das wissen Sie selbst – eine Woge der Ablehnung entgegen. Täglich bekommen wird doch massenhaft Briefe von Bürgern, die gegen die Schädigung ihrer Heimat und gegen die Verschwendung von Steuergeldern mobilmachen. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

Herr Römer, die Deutsche Steinkohleproduktion – so sehr Sie sie lieben – kann schon aus geologischen Gründen international niemals wettbewerbsfähig werden. Wer ehrlich ist, weiß das.

Tief aus dem Erdinneren fördert ein Bergmann in Deutschland jährlich 800 Tonnen Kohle zutage. Sein Kollege in Übersee schafft dort im Tagebau jährlich 16.000 Tonnen. Bei dieser Relation kann überhaupt keine Wettbewerbsfähigkeit entstehen. Deswegen ist es kein Wunder, dass der Kohlepreis, wie die Ministerin gesagt hat, in Deutschland dreimal so hoch ist wie der Weltmarktpreis. Ebenfalls ist es kein Wunder, dass der deutsche Steuerzahler keinen Bock mehr darauf hat, diese Differenz bis in alle Ewigkeit auszugleichen.

Ergebnis: Das Subventionsvolumen – darauf sind Sie noch stolz – und damit die Steinkohleproduktion gehen Jahr für Jahr zurück.

Herr Römer, jetzt kommt die eigentlich spannende Betrachtung: Für den heimischen Bergbau macht dieser Rückgang der Subventionen, den wir eigentlich alle wollen und den Sie immer mitgetragen haben, die Situation schier ausweglos. Denn je weniger produziert wird, desto stärker schlagen die Altlasten als Fixkosten auf den Produktpreis durch: betriebswirtschaftlich ganz einfach.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Bei einer Fördermenge von 30 Millionen Tonnen, wie es sie in der Vergangenheit pro Jahr gegeben hat, lag der Altlastenanteil im Schnitt bei etwa 18 € pro Tonne. Bei 15 Millionen Tonnen, die Ihr Ex-Kanzler Schröder avisiert hat, sind das bereits 36 € Altlastenanteil pro Tonne. Bei einer Sockelförderung von 6 Millionen wären das bereits 90 € Altlastenanteil je Tonne. Meine Damen und Herren, das ist das Doppelte des Weltmarktpreises. Das Aufrechterhalten eines Sockel- oder Referenzbergbaus ist ökonomischer Unsinn hoch drei. Das ist Schwachsinn!

(Beifall von CDU und FDP)

Die Konsequenz kann nur heißen: So schnell wie möglich raus aus dem subventionierten Bergbau, damit nicht der ganze Konzern zusammenbricht, denn Letzteres wollen wir nämlich auch nicht.

Herr Müller hat es klar erkannt; ich bin sicher, Ihr IG BCE-Chef, Hubertus Schmoldt, ebenfalls. In der „Rahmenvereinbarung zur Neuorientierung des deutschen Steinkohlenbergbaus“ aus dem Jahre 1997 heißt es ganz eindeutig:

„Die gegenwärtige RAG-Konzernstruktur sichert den Haftungsverbund zwischen Bergbau und Beteiligungsbereich. Änderungen dürfen diesen Haftungsverbund nicht beeinträchtigen. Im Falle von Insolvenzgefahren bei der RAG, die bei dieser Preisentwicklung leicht entstehen können, wird die RAG den gesamten Beteiligungsbereich des Konzerns auch durch Mobilisierung seiner Substanz einsetzen.“

Meine Damen und Herren, die Alternative zu diesem vorgegebenen Substanzverzehr, Stück für Stück, ist in der Tat das Stiftungsmodell – eine Lösung, die Paul Mikat bereits konzipiert und die Herr Müller jetzt publikumswirksam auf den Markt gebracht hat. Wie das im Einzelnen aussieht und insbesondere, wer Stifter ist, ist am Ende Verhandlungssache. Die RAG kann es jedenfalls aktienrechtlich nicht sein. Denkbar ist ein Treuhandmodell. Denkbar ist auch, dass Bund oder Land oder beide zusammen als Stifter auftreten. Und das muss man genau und ruhig untersuchen. Was Frau Thoben laut „WZ“ vom 22. September über den Aktienerwerb gesagt hat, ist nur in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Im Eckpunktepapier der RAG heißt es: Der Konzern hat seinen finanziellen Ursprung in staatlichen Kohlesubventionen. Frau Thoben hat erklärt: Aufgrund von 128 Subventionsmilliarden gehört der Konzern moralisch ohnehin den Bürgern. Das ist für meine Begriffe eine identische Betrachtungsweise.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Die Aussage von Frau Thoben steht deshalb nur für den Hinweis auf ein Beteiligungsrecht des Landes an der Stiftung, die sich am Ende auch am Unternehmen beteiligen kann, was vielleicht sogar Sinn macht, wenn man vermeiden will, dass, wenn es zu einem Komplettbörsengang kommt, später auf Druck von Analysten und Investmentbankern der Konzern doch zerschlagen wird und der Reibach von Spekulanten – das wollen wir nicht –, nicht von der öffentlichen Hand und nicht von Arbeitnehmern gemacht wird.

Ich schlage vor: Wir sollten einmal die Eckpunkte, auf die sich die Kohlerunde am 21. September verständigt hat, gelassen zur Kenntnis nehmen und die Landesregierung ebenso gelassen in ihrem Bemühen unterstützen, den Ausstieg aus dem subventionierten Bergbau zeitlich zu fixieren.

Das ist wichtig, es ist das Allerwichtigste: die Interessen der im Bergbau Beschäftigten und der Steuerzahler gerecht abzuwägen; zu einer vernünftigen Lastenverteilung zwischen Bund und Land zu kommen und die Zukunftsfähigkeit des weißen Bereichs im Interesse der Beschäftigten und des Landes in geeigneter Weise zu sichern. Das ist eine vernünftige Position. Daran sollten Sie nicht herumnörgeln. Sie sollten froh sein, dass unsere Landesregierung ein so tolles Verhandlungsergebnis erzielt hat. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die Grünen spricht jetzt Herr Priggen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Weisbrich, um mit Ihrem Schlusssatz, wir sollten froh sein, dass die Landesregierung ein so tolles Verhandlungsergebnis erreicht habe, zu beginnen: Wir wüssten gerne, wie das Ergebnis im Detail aussieht. Ich bin auf die Journalistenkollegen angewiesen und darauf, mir nach einem solchen Gespräch alle Zeitungen zu besorgen und durchzulesen. Da kann ich mir dann Millimeter für Millimeter das Ergebnis herausbuchstabieren, weil diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen bisher nicht bereit sind, die notwendige Transparenz fürs Parlament zu liefern. Ich will das ganz klar sagen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Vorsichtig! Ich habe immer verstanden, warum der Kollege Römer und diejenigen, die vorher tätig waren, das Ergebnis nicht geliefert haben: Es gab eine bestimmte Interessenslage. Aber Sie haben zugesagt und über Jahre in der Opposition versprochen, es würde anders, aber Sie machen es nicht anders.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Kollege Brockes, Sie sind gleich dran. Sie haben eben ausgeführt, seit Donnerstag bestände Einvernehmen, dass es im Jahre 2012 nur noch 10.600 DSK-Beschäftigte gäbe. – Es wäre eine absolute Sensation, herrschte tatsächlich Einvernehmen über diese Zahl.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Meine Bitte an die Ministerin ist, das gleich zu bestätigen. Es hieß bisher, beim Kohlekompromiss 2003/2004 sei ausgehandelt worden – der Bundeskanzler kam zum Steinkohletag nach Essen –: 17 Milliarden €, damit gesichert eine sozi

alverträgliche Absenkung der Zahl der Beschäftigten von 36.000 auf 20.000 Mann. Dafür ist das Geld gegeben worden. Herr Tönnies hat uns in diesem März mitgeteilt: Mit bestimmten Maßnahmen kann man den Personalbestand noch einmal um 4.000 auf dann 16.000 reduzieren. Jetzt kommen Sie und sagen, es sei sozialverträglich zu schaffen, in der Zeitachse bis 2012 wäre eine weitere Reduzierung um 5.000 Mann auf dann rund 10.600 machbar.

Das hat sofort Auswirkungen auf Standorte. Konkret hieße das: Es müssten, ohne einen Einzigen in die Arbeitslosigkeit zu schicken, mindestens zwei oder sogar drei weitere Standorte bis 2012 geschlossen werden. Das heißt das. Ich glaube es Ihnen nicht. Wenn das sozialverträglich ginge, wäre das eine gute Nachricht auch für die Kassen auf lange Sicht. Aber ich glaube nicht, dass diese Aussage Substanz enthält. Sie sind dazu jede Antwort schuldig geblieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin Herrn Lienenkämper dankbar, weil er klargestellt hat, dass das Land nicht daran denkt, Aktien zu kaufen. Dann ist es klar. Es erleichtert mich in gewisser Weise, wenn das nicht der Fall ist. Dann ist dieses zumindest klargestellt.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Frau Ministerin, ich muss Sie noch einmal ansprechen. Sie haben gesagt, die RAG habe Rechenmodelle vorgelegt, wonach es möglich sei, bis 2018 das Ganze ohne Kündigungen zu vollziehen. Und es gibt weitere Szenarien. Legen Sie diese doch dem Parlament vor! Warum die Geheimniskrämerei?

(Beifall von den GRÜNEN)

Die RAG bekommt von uns zwei Drittel ihrer Kosten erstattet. Zwei Drittel der Kosten des Kohlebergbaus bezahlt die öffentliche Hand. Die RAG steht nicht im Wettbewerb. Warum werden dem Parlament, das hier für über 600 Mio. € im Jahr die Hand heben soll, diese Fakten nicht vorgelegt, wo sie doch in Berlin vorliegen?

Ich kann nur auf die Pressetribüne schauen und sagen: Wer von Ihnen mir als Erster das KPMGGutachten gibt, dem gebe ich eine Kiste Wein aus. Ehrlich, das ist ein ganz faires Angebot. Wir bekommen das Gutachten sonst nicht. Einer von den Kollegen wird morgen darüber schreiben, wenn die Ministerin sagt, dass es vorliegt. Es ist für uns der einzige Weg, an diese Zahlen heranzukommen. Ich richte das nette und freundlich gemeinte Angebot an Sie. Wenn Sie behilflich sein können, bin ich dafür offen.

Das KPMG-Gutachten liegt also vor. Ich habe gefordert, es solle die maximale Risikoabschätzung enthalten. Wenn es so ist, ist das in Ordnung. Wir wollen uns nur die Zahlen anschauen.

Sie haben die Revisionsklausel angesprochen. Ich habe ganz schlechte Erfahrungen mit Klauseln in Steinkohlezuwendungsbescheiden. Wir haben im Bundestag und hier parlamentarisch beschlossen, wie viel Geld wir über die Jahre hinweg geben wollen. Dann wurde in Berlin eine sogenannte Sprechklausel im Zuwendungsbescheid eingefügt, die sogenannte Sprechklausel zwischen Bundesfinanzminister Eichel und Wirtschaftsminister Clement; die Sprechklausel, die, wie uns von Werner Müller gesagt, bedeutet: Wenn die Finanzmittel nicht ausreichen und wir Probleme bekommen, dann gibt es noch etwas mehr – wie an der Wursttheke.

Wenn eine Revisionsklausel kommt und sie so aussieht wie von Ihnen skizziert – sie gilt nur bei Wettbewerbsfähigkeit und wenn der Weltmarktpreis entsprechend gestiegen ist –, dann haben Sie in der Tat Recht und wir werden den Punkt nicht erreichen können. Wenn die Revisionsklausel zwischen zwei Ministerien in Berlin verabredet wird, ist das eine ganz vorsichtig zu betrachtende Sache. Das lehrt uns die Erfahrung aus der Vergangenheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will auch das Stiftungsmodell ansprechen. Das ist ein interessanter Gedankengang. Auch da gilt: Der Landesinnenminister als Stiftungsaufsicht hat erhebliche Bedenken gegen das vorgeschlagene Modell der RAG. – Es ist ein De-Luxe-Modell. Das muss man nicht so machen. Dann muss diese Landesregierung aber einmal aufzeigen, was aus Landessicht sachlich geboten ist. Auch diese Antwort bekommen wir nicht. Wir bekommen keine Stellungnahme der Stiftungsaufsicht. Wir können nachher sehen, was wir aus der Zeitung erfahren.

Die Kollegen der CDU bitte ich: Äußern Sie sich auch zu der Frage „Niederrhein“. Wir haben die Standortfrage landauf, landab diskutiert. Es ist kein böser Akt gegen die Kollegen, die dort beschäftigt sind. Ich habe Ibbenbüren als ein Beispiel genannt. Ich hätte auch über das Bergwerk Ost reden können. Es gibt Standorte mit unterschiedlicher Akzeptanz, es gibt Standorte mit katastrophalen Schäden in Relation zur Wertschöpfung. Ich sehe die Kollegin Fasse an. Wir waren oft am Niederrhein und haben uns das angesehen.

Man muss sich dazu äußern. Gerade dann, wenn Herr Dr. Papke als Fraktionsvorsitzender viele

große Worte zur Kohle sagt, ist er jetzt, wo seine Partei an der Regierung ist, auch gefordert, das konkret umzusetzen. Ich hoffe, dass er das gleich tut. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Priggen. – Das Wort hat jetzt Herr Dr. Papke für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Priggen, wir haben uns beim Thema Steinkohle manchen Ball – ich denke: erfolgreich – zugespielt. Ich finde aber, dass Sie jetzt mit Ihrer Nörgelei übertreiben. Ich sage es einmal so klar.

Diese Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen sind im Begriff, das ins Werk zu setzen, was Sie nicht hinbekommen haben,

(Beifall von FDP und CDU)

nämlich den Ausstieg aus dem Subventionsbergbau. Sie sind in dieser Debatte in zehn Jahren Regierungsverantwortung der Grünen keinen Millimeter weiter gekommen. Sie haben keine einzige Information zu diesem Thema aus der eigenen Landesregierung herauskitzeln können. Jetzt arbeiten Sie doch nicht den aufgestauten Frust von zehn Jahren am falschen Adressaten ab.