Protocol of the Session on September 28, 2006

(Beifall von der SPD)

Damit keine Legenden aufkommen, will ich mit Blick auf den zurückliegenden Donnerstag den Vorsitzenden der IG Bergbau, Chemie, Energie in Erinnerung rufen. Herr Schmoldt hat nach dieser Gesprächsrunde erklärt – ich zitiere –, es habe keine Einigung über einen Auslaufbergbau gegeben. Damit das klar ist: Dieses Zitat stammt von jemandem, der an diesem Gespräch teilgenommen hat. Frau Thoben, ich weiß nicht, ob Sie an diesem Gespräch teilgenommen haben.

(Unruhe von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt dem Thema „Börsengang“ zuwenden. Vor allen Dingen mit Blick auf die Wirtschaftsministerin will ich ein paar Punkte herausarbeiten, die verdeutlichen, was sich bisher bei der Wirtschaftsministerin an Meinungsbildung zu diesem wichtigen Punkt herausgebildet hat. Wir haben jedenfalls bei der Prüfung festgestellt, Frau Thoben, dass bei Ihrer Meinungsbildung ganz offensichtlich eine Springprozession stattgefunden hat.

(Zuruf von der CDU)

Erster Sprung – ein Schritt vor –: Wirtschaftsministerin Thoben stellt den Börsengang der RAG infrage und bevorzugt offensichtlich deren Zerschlagung. Laut der „Rheinischen Post“ vom 14.03.2006 drängt Frau Thoben – Sie haben das gerade noch einmal gesagt – auf ein Gutachten,

(Ministerin Christa Thoben: Das ist richtig!)

das die Frage beantworten soll, ob der Verkauf der Einzelteile der RAG nicht mehr Geld bringen würde als der Börsengang dieses Konglomerats.

(Ministerin Christa Thoben: Ja!)

Zweiter Sprung – ein Schritt zurück –: Wirtschaftsministerin Thoben stellt den Börsengang nicht mehr infrage. Ministerin Thoben im Wirtschaftsausschuss am 23.08.2006 – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Ich stelle den Börsengang nicht infrage. Ich stelle nur Fragen.

Dritter Sprung – halber Schritt vor, Frau Thoben –: Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 07.09.2006 zitiert aus einem Brief von Ihnen an den Bundeswirtschaftsminister, ein vorgelegtes Gutachten enthal

te keine klaren, plausiblen und nachvollziehbaren Aussagen über die finanziellen Risiken, die auf das Land zukämen.

(Ministerin Christa Thoben: Ja!)

Vierter Sprung – neue Richtungsänderung zwei Wochen später; das ist mit einfachen Schritten schon gar nicht mehr zu messen –: Frau Thoben kreiert eine bislang unbekannte Figur: den eingesprungenen Thoben.

(Lachen von der SPD)

Plötzlich will Wirtschaftsministerin Thoben die RAG AG sogar aktiv vor einer Zerschlagung schützen. Im Interview mit der „Westdeutschen Zeitung“ am 22.09.2006 fragt Wirtschaftsministerin Thoben, ich zitiere: „Warum zum Beispiel sollte sich das Land nicht mit 25 oder 30 % der Aktien an dem Konzern beteiligen?“ Das ist ein eklatantes Beispiel für Ihre Wirtschaftskompetenz.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Abenteuerlich ist das! – Lachen von Ministe- rin Christa Thoben)

Im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Börsengang hat Frau Thoben einen weiteren interessanten Gedanken geäußert: Da in den vergangenen Jahren 128 Milliarden € an Subventionen in die Steinkohle geflossen seien, gehöre die RAG AG eigentlich den Bürgern.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Edgar Mo- ron [SPD] – Christian Weisbrich [CDU]: Rich- tig!)

Diesen Gedanken kann man aus drei Blickwinkeln beleuchten, Herr Weisbrich. Die erste Frage lautet: Hat Frau Thoben Recht? – Meine Antwort ist nein;

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

denn ein Blick in das Aktiengesetz zeigt, dass der Konzern den Anteilseigenern gehört. Eon, RWE, Thyssen-Krupp und Arcelor besitzen zusammen 100 % der Anteile.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist ganz ein- fach!)

Zweite Frage: Wenn dem Land quasi 25 bis 30 % zustünden, wem gehört dann der Rest? Die Antwort lautet: Das Land hat in den vergangenen Jahren weniger als 20 % der gesamten Subventionen geschultert. Wenn Frau Thoben daraus einen Landesanteil am Konzern von 25 bis 30 % ableitet, stünde dem Bund der gesamte Rest zu. Im Ergebnis will Frau Thoben also offensichtlich

nicht den Börsengang; sie fordert den Staatskonzern RAG AG. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der SPD)

So gesehen hat auch die abstruse Idee von Herrn Papke ein bisschen Sinn. Ein von Frau Thoben gesteuerter Staatskonzern könnte dann auch die mehr als 10.000 Mitarbeiter der DSK in den weißen Bereich übernehmen, quasi als Beschäftigungsgesellschaft.

Dritte Frage: Begründen Subventionen Besitzansprüche, Frau Thoben? Steinkohlebeihilfen subventionieren Kohle. Aus den Steinkohlebeihilfen leitet die Wirtschaftsministerin Thoben im Prinzip den volkseigenen Betrieb VEB RAG AG ab.

(Lachen von Hannelore Kraft [SPD])

Agrarbeihilfen subventionierten jahrzehntelang Weizen und Rindfleisch. Welchen Schluss muss man aus Ihrer Logik eigentlich ziehen, Frau Thoben? Begründen die in die Landwirtschaft geleisteten Subventionen

(Zuruf von der SPD: Jetzt sind Sie dran!)

in Milliardenhöhe deshalb etwa den Staatsbetrieb Landwirtschaft?

(Zuruf von Minister Eckhard Uhlenberg)

Ist der Hof von Herrn Uhlenberg eigentlich schon aufgrund erhaltener Subventionen Teil einer solchen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft?

(Beifall von der SPD)

Das alles, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, ist doch grober Unfug.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Das macht doch deutlich, dass die wirtschaftspolitische Inkompetenz dieser Ministerin an diesem Punkt offensichtlich ist. Die Wirtschaftsministerin sollte sich endlich um etwas Richtiges kümmern. Sie sollte sich endlich darum kümmern, handwerklich sauber das Erforderliche zu tun, um den Beschäftigten der RAG Aktiengesellschaft, der Deutschen Steinkohle AG, deren Familien, den Auszubildenden und den betroffenen Regionen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Darauf kommt es an, Frau Ministerin. Darauf sollten Sie sich konzentrieren.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Römer. – Für die CDU spricht nun Herr Weisbrich.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Römer, Ihr Plädoyer für die Beibehaltung der Steinkohleförderung war wieder einmal herzzerreißend.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das war eine sehr gute Rede! – Beifall von der SPD)

Wenn Sie im englischen Parlament wären, hätten Sie natürlich vorneweg sagen müssen: I’m interested – ich bin Lobbyist. Das haben Sie vergessen zu sagen.

(Beifall von der FDP)

Sie sind der größte Lobbyist, der hier im Haus sitzt.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der SPD: Ihnen ist natürlich jeder Lobbyismus fremd!)

Ich will mich gar nicht auf das Kleinklein einlassen, sondern versuchen, Ihnen als vernünftiger Mensch zu erklären, wie es tatsächlich um die RAG steht, wenn man die Nebelkerzen weglässt.

Was steht denn im Eckpunktepapier der RAG vom 1. März 2005 zum Börsengang? Dort heißt es:

„Der Konzern hat seinen finanziellen Ursprung in staatlichen Kohlesubventionen. Daher haftet der Konzern immer noch mit seinem gesamten Vermögen für unerwartete Verluste im Kohlebereich. Außerdem trägt er mit einem jährlichen Eigenbeitrag zur Kohlefinanzierung bei. Gewinne werden nicht ausgeschüttet.“

Sie dürfen auch nicht ausgeschüttet werden, weil sonst alles an Subventionen zurückzuzahlen ist. Wenn die RAG aufgelöst und verkauft und dabei ein hoher Betrag herauskommen würde, dann steht der Erlös nach einem Gutachten, das Herr Müller selbst in Auftrag gegeben hat, der öffentlichen Hand zu und niemandem sonst – nicht den Aktionären.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD] – Gegenruf von Dietmar Brockes [FDP])