Protocol of the Session on July 13, 2005

Selbst die Kernfrage einer geschlechterbezogenen Budgetanalyse - „Wer sind die Nutzer oder die Nutzerinnen der vom Staat angebotenen oder subventionierten Leistungen?“ - wird mit diesem Beispiel infrage gestellt. Wie also wollen wir dieses Ergebnis bewerten?

Es gibt für jede Zuordnungsmethode gute Gründe. Wir brauchen aber eine Analyse, die stimmig ist. Wir können nicht mal so oder mal so entscheiden. Wir brauchen eine einheitliche Methode.

Wir waren uns im Frauenausschuss daher einig - so habe ich auch den Diskussionsverlauf verstanden -, dass zur Weiterentwicklung vorhandener und zur Erarbeitung neuer Instrumente im Rahmen der Haushaltsaufstellung und der Haushaltsrechnung vom Finanzminister vorgeschlagene Modellprojekte zu Gender-Budgeting entstehen sollen.

Daran sollte dann herausgearbeitet werden, mit welchen Methoden und mit welchem Aufwand die erforderliche Transparenz erreicht werden kann und wie, darauf fußend, eine Umsteuerung von Haushaltsmitteln möglich ist. - Wir befinden uns also, wenn wir ehrlich sind, noch in einem frühen Stadium der Einführung von Gender-Budgeting.

Der Bericht über die Informationsreise des Ausschusses für Frauenpolitik in die Schweiz ist zwar in der 13. Legislaturperiode in den Ausschuss eingebracht worden, aber noch nicht beraten. Wir sollten daher diese Erkenntnisse auswerten und in die Beratung einfließen lassen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis für den Wunsch der Antragsteller nach geschlechtergerechter Haushaltspolitik habe ich daher ernste Zweifel, dass die Landesregierung die zentralen Forderungen des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen überhaupt zu unser aller Zufriedenheit erfüllen kann. Das soll nicht heißen, dass ich mir nicht auch wünsche, dass Veränderungen im Haushalt geschlechtergerecht ausfallen.

Bei den angekündigten Einsparungen und Konsolidierungsprozessen für den Haushalt 2006 werden wir genau aufpassen müssen, dass dies im Haushaltsentwurf 2006 nicht zulasten eines Geschlechts geschieht. Wir werden das aufzugreifen wissen.

Wir werden prüfen, wie sich Einsparungen auf die bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen und Männern auswirken. Ich fürchte allerdings, dass wir dazu eher auf unseren gesunden Menschenverstand angewiesen sind, als dass es eine verlässliche Budgetanalyse gäbe. Umso wichtiger ist es in der Tat, über die angestoßenen Modellprojekte dazu zu kommen, dass genau das in Zukunft möglich sein wird. Insoweit unterstützen wir die weiteren Anliegen der Antragsteller.

Auf welcher Ebene diese Projekte angesiedelt werden und welche Gremien sich damit zukünftig innerhalb und außerhalb der Administration befassen, dazu sollte die Landesregierung einen Vorschlag machen.

Natürlich stimmen wir dem Überweisungsvorschlag zu und hoffen, dass wir im Zuge der Beratungen auch mit dem Haushalts- und Finanzausschuss zusammen zu einer gemeinsamen Formel kommen, die von allen hier im Landtag vertretenen Fraktionen mitgetragen werden kann. Das Thema ist uns zu wichtig, als dass wir es im Rahmen der üblichen Rituale wieder zerreden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kieninger. - Als nächste Rednerin hat Frau Pieper-von Heiden von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich ist dieser Antrag überflüssig. Wenn man GenderMainstreaming ernst nimmt - und das tut die FDP -, ist die Konsequenz, dass die Verausgabung öffentlicher Gelder geschlechtergerecht gestaltet wird. Dass es letztendlich dieses Antrages nicht bedarf, sagen Sie in Ihrem Antrag selber mit

dem Satz sagen: NRW hat die Weichen für diesen Weg bereits gestellt.

Für uns Liberale ist es selbstverständlich, dass wir vor dem Hintergrund des durch Ihre Misswirtschaft nötigen Konsolidierungskurses Überlegungen zu einer gerechten Sparpolitik anstellen. Für Sie ist das aber nicht selbstverständlich. Das zeigt nicht nur dieser Antrag. Das zeigt vor allem Ihr Handeln bei den vergangenen Haushaltsberatungen.

Ich darf noch einmal erinnern: Die von Rot-Grün mitgetragene Landesregierung hatte damals zunächst vorgeschlagen, die zweifelsohne notwendigen Einsparungen ausgerechnet bei den Beratungsstellen zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen vorzunehmen.

Sie wollten nicht nur zulasten von Frauen, sondern vor allem zulasten derjenigen sparen, von denen Sie erwartet hatten, dass sie sich nicht wehren. Aber zum Glück haben damals diverse Frauenorganisationen ihre ohnehin knappe Zeit geopfert und Ihnen vor dem Landtag mit großem Erfolg klar gemacht, dass es so nicht geht.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

- Ja, ja, so ist es gewesen. Was Sie auf der einen Seite einsparen wollten, haben Sie auf der anderen Seite großzügig in die Hand genommen. Ich rufe nur die Positionen „Allgemeine Bewilligungen“, aus denen locker 2.790.000 € für Gutachten und Öffentlichkeitsarbeit, für die an anderer Stelle weitere 511.000 € und noch schlappe 306.000 € zur Verfügung gestellt wurden, ins Gedächtnis. Das Einzige, was Sie gendergerecht auf den Weg gebracht haben, war Ihr recht fragwürdiges Projekt „Waldpädagogik unter Gender-Aspekten“ - das am Rande bemerkt.

Ich möchte Sie hier nicht mit Beispielen ungerechter und undurchdachter Sparvorschläge der Grünen langweilen. Dafür gibt es viel zu viele. Ich nenne nur noch die Absicht der alten Landesregierung, die Unterstützung ausstiegswilliger Prostituierter einzustellen. Man beachte: Im Jahr 2004, dem Jahr der Menschen mit Behinderungen, wollten Sie bei Projekten für Frauen und Mädchen mit Handicaps - dort, wo Sie keine große Lobby erwartet haben - Gelder kürzen.

Glücklicherweise war der Widerstand in der Bevölkerung so groß, dass Sie Ihre Ziele nicht durchsetzen konnten. Nichtsdestotrotz zeigt dies Ihre Interpretation von geschlechtergerechter beziehungsweise generell gerechter Sparpolitik.

Wenn Sie hier die neue Landesregierung, der Sie einen katastrophalen Haushalt zurücklassen, auf

fordern, geschlechtergerechte Politik zu betreiben, dann darf ich darauf aufmerksam machen, dass es in der Vergangenheit vor allem die Liberalen waren, die immer wieder darauf hingewiesen haben, was es bedeutet, geschlechtergerecht zu agieren.

(Zurufe von der SPD)

- Ja, ja, Sie verstehen unter Gender-Mainstreaming vor allem immer noch Frauenförderung.

Warum hatten wir denn sonst eine Enquetekommission zur frauengerechten, aber keine zur geschlechtergerechten Gesundheitsversorgung?

(Beifall von Marianne Thomann-Stahl [FDP])

Wir waren es doch, die deutlich gemacht haben, dass Gender-Mainstreaming auch Männer- und Jungenförderung sein muss. Stichwort - es wurde eben angesprochen -: 70 % der Schulabgänger ohne Abschluss sind Jungen.

Der überwiegende Teil der Leitungsfunktionen an Grundschulen wird von Frauen besetzt. Fast alle Lehrkräfte an Grundschulen sind Frauen. Glauben Sie, dass es für die Entwicklung unserer Kinder gut ist, bis zum Eintritt in die weiterführende Schule fast ausschließlich von Frauen betreut zu werden und kaum Männer in der Erziehung zu Gesicht zu bekommen? - Es gibt auch noch das zweite Geschlecht.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Warum?)

- Warum? Weil diese Positionen für Frauen freigehalten werden. Da kann gerne ein Mann mit gleichen Wettbewerbsbedingungen, mit gleichem Examen kommen, aber er bekommt diesen Job nicht. Das ist so.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Ihr Antrag ist ein Offenbarungseid. Sie gestehen nämlich zu, dass Sie, seitdem wir im Jahr 2002 fraktionsübergreifend den Antrag zu GenderMainstreaming verabschiedet haben, diese Strategie nicht umgesetzt haben. Und Sie hatten immerhin drei Jahre Zeit dazu.

Gender-Budgeting ist - das habe ich bereits gesagt - die logische Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Prinzips. Ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss, in dem wir gerne über geeignete organisatorische Formen sprechen können.

Aber eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Einen weiteren Bürokratieaufbau, wie Sie ihn in Ihrem Antrag vorschlagen, wird es mit der FDP nicht geben. Wir werden keinen zusätzlichen Bei

rat schaffen, und wir werden auf der Ebene der Staatssekretäre auch keine Koordinierungsstelle institutionell verankern - nicht um den Preis, dass dadurch am Ende die Gelder für die eigentliche Sache schon verbraucht sind und nicht mehr zur Verfügung stehen. - Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. - Als nächster Redner für die Landesregierung Herr Minister Dr. Linssen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gender-Budgeting ist in der jedenfalls bislang entwickelten Form nur eine mögliche Ausgestaltung der Durchsetzungsstrategie des GenderMainstreamings im Bereich der öffentlichen Haushalte.

Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Landtages vom 21. November 2002 ist die Umsetzung von Gender-Mainstreaming - und das ist meiner Meinung nach unwidersprochen - gemeinsames Ziel aller Fraktionen.

Folgerichtig wurde im Haushaltsgesetz 2004/2005 - darauf ist schon hingewiesen worden - in § 7 c aufgrund der Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss Folgendes festgehalten: Wir sind als Landesregierung verpflichtet, dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages zum 30. September 2004 eine Entscheidungsgrundlage über eine modellhafte Erprobung von GenderBudgeting vorzulegen.

Dieser Verpflichtung ist die alte Landesregierung mit einem Bericht vom 29. September 2004 nachgekommen, und die wesentlichen Ergebnisse möchte ich Ihnen auch vortragen.

Die bislang entwickelten Gender-Budgeting-Analysemethoden - so hieß es damals - können in einem Haushalt, der vielfältige Sachverhalte abbildet, nur eingeschränkt brauchbare Ergebnisse für Gender-Mainstreaming/Gender-Budgeting erbringen.

In der Kategorie Geschlechtergerechtigkeit - so hieß es damals - ist ein allgemeiner Bewertungsmaßstab noch nicht bestimmt worden.

Die alte Landesregierung hat damals vorgeschlagen, ein oder mehrere Gender-Budgeting-Projekte zu entwickeln. Sie hat vorgeschlagen, in geeigneten Teilbereichen des Haushaltes unter wissenschaftlicher Begleitung so etwas zu versuchen, und zwar sollten die bestehenden Analysemetho

den in dieser Art und Weise weiterentwickelt werden.

Bislang - und das steht auch fest - gibt es trotz Prüfung geeigneter Teilbereiche kein GenderBudgeting-Pilotprojekt. Ich möchte Ihnen die Gründe hierfür vortragen.

Erstens. Die Belange der Gleichberechtigung werden bereits heute bei der Folgenabschätzung von Ansätzen im Haushalt berücksichtigt, und zwar, indem Beträge vor Ort unter Berücksichtigung von Gender-Mainstreaming zugewiesen werden.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ist so formuliert, dass er eine Sparpolitik, die vielleicht irgendwo erwartet wird, prospektiv beinhaltet, und diese soll auf jeden Fall gerecht sein. Es gab ja verschiedene Redebeiträge, die auf die Sparprozesse der alten Landesregierung abgehoben haben. Also, gerade bei den Haushaltsbewirtschaftungsmaßnahmen der früheren Landesregierung ist darauf keinerlei Acht gegeben worden.

Der zweite Grund: Die Umsetzung des Steuerungskonzeptes Gender-Mainstreaming hat die Landesregierung immer vorrangig vor GenderBudgeting gesehen, weil bisher keine geeigneten Instrumente gefunden werden konnten.