Protocol of the Session on July 13, 2005

Frauen gehen auch häufiger zu Fuß als Männer und sind eher mit kleinen Kindern unterwegs. Frauen verfügen für den alltäglichen Gebrauch wesentlich seltener über ein Auto als Männer. Gleichzeitig haben sie aufgrund der immer noch vorherrschenden geschlechtsspezifischen Rollenverteilung die Hauptverantwortung für die Koordinierung aller familiären Aktivitäten. Daraus ergeben sich geschlechtsspezifisch unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen, zum Beispiel an das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs. „Privat vor Staat“, „Erarbeiten vor Verteilen“, „Deregulieren und Privatisierung“ sowie „Outsourcing“

(Ralf Witzel [FDP]: Alles richtig!)

sind Begriffe, die nicht unbedingt Gutes für Frauen versprechen. Wir wollen das prüfen.

(Ralf Witzel [FDP]: Outsourcing ist frauen- feindlich?)

- Ich kann Ihnen erklären, warum Outsourcing ein Problem ist. Wenn man eine Sache privatisiert und outsourct, dann will derjenige, der damit Geld verdient, natürlich auch Gewinne machen. Meistens geht das in den Bereichen Reinigungsdienste und woanders zulasten der Gehälter derjenigen, die dort beschäftigt sind, und das sind Frauen. Ihr Zwischenruf ist wirklich typisch. Lassen Sie uns den Haushalt daraufhin gemeinsam überprüfen!

Vielleicht werden dann auch Ihnen die Augen aufgehen, wo genau diese frauenspezifischen Bereiche sind und wo Frauen stärker als Männer von Kürzungen und Maßnahmen betroffen sind.

Im Koalitionsvertrag lautete es: Die Gleichstellung von Mann und Frau berücksichtigen wir als Querschnittsaufgabe bei allen politischen Entscheidungen. - Das heißt, wir haben bezogen auf den Haushalt zwei Aufgaben vor uns:

Erstens gehören alle Kürzungsvorhaben auch auf den Gender-Prüfstand. Was bedeuten Kürzungen für Frauen?

Zweitens heißt es, dass der Bereich Gleichstellung von Frauen und Männern im bisherigen Einzelplan 11 von den Sparvorhaben ausgenommen werden muss. Warum? - Diese Mittel, 1 % des Gesamtansatzes des Haushaltsplans, dienen bereits festgestellten Benachteiligungen von Frauen und Mädchen im Sinne des Gleichstellungsauftrags, um diesen Benachteiligungen entgegenzuwirken.

Meine Damen und Herren, Gender-Budgeting ist kein Instrument zum Sparen, sondern zum geschlechtergerechten Umverteilen und effizienten Einsatz der immer knapper werdenden Haushaltsressourcen. Hier kann ich nur an die Worte des Ministerpräsidenten von heute Morgen anknüpfen: „Geht nicht“ gibt es angesichts der Schuldenlast des Landes nicht. Wo wenig Geld ist, sind mehr Ideen und mehr Phantasien gefragt. Ja, wir brauchen mehr Ideen, mehr Phantasien, wir brauchen Gender-Budgeting-Analysen. Diese umfassen auch Bedarfs- und Nutzerinnenanalysen, sodass die Mittel bedarfsorientierter und zielgerichteter eingesetzt werden können. Sie umfassen auch Effizienzkontrollen, sodass bei Nichterreichung von Zielen gegengesteuert werden kann.

Der Weg ist nicht einfach. Er ist lohnenswert. Das Motto lautet: Learning by doing. Es gibt international und national zahlreiche Bemühungen und Vorbilder, nämlich Österreich, die Schweiz, Berlin, München, um nur einige zu nennen. Auch viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben erkannt, dass die Umstellung auf das neue kommunale Finanzmanagement Chancen für GenderBudgeting bietet, und sind eingestiegen.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Mein letzter Satz: Meine Damen und Herren, verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre darf kein Konzept für Nordrhein-Westfalen werden. Ich

hoffe, dass Sie, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, nicht das fortsetzen, was im Koalitionsvertrag durchgeklungen ist, sondern dass wir ganz konkret zur Umsetzung des GenderMainstreamings kommen. Dementsprechend hoffe ich auf Einstimmigkeit des Landtags und freue mich auf intensive Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Als nächste Rednerin hat Frau Westerhorstmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Was ist bislang auf den Weg gebracht worden? Alle Parteien - das haben Sie, Frau Steffens, bereits gesagt - haben in der 13. Wahlperiode Aussagen zu GenderMainstreaming getroffen und die Geschlechtergerechtigkeit zu einem Prinzip der Politik erklärt.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie fordern in Ihrem Antrag, Gender-Budgeting jetzt umzusetzen. Sie wollen keine ungerechte Sparpolitik.

Ich stimme Ihnen zu, dass in der Haushaltsplanung eine wichtige Weichenstellung zur Gestaltung des Gemeinwesens erfolgt. Sie wissen auch: Frauen und Männer profitieren unterschiedlich von den Entscheidungen, die im öffentlichen Bereich in den Haushalten getroffen werden. Das können sowohl Frauen als auch Männer sein.

Nun komme ich zu dem, was Querschnittsaufgabe ist. So ist bei Jugendlichen zum Beispiel die unterschiedliche Nutzung von Jugendtreffs dadurch gekennzeichnet, dass Jungen diese Einrichtungen stärker nutzen - mit bis zu 80 % - als Mädchen. Mädchen hingegen profitieren im Bildungsbereich, was sich durch bessere Noten und bessere Schulabschlüsse zeigt. Unser Augenmerk sollte sich daher insbesondere auf die Politikfelder richten, in denen leicht nachzuweisen ist, dass die Geschlechter unterschiedlich partizipieren. Das werden wir in unseren politischen Entscheidungen berücksichtigen.

Sie sprechen davon, dass Frauen verstärkt vom Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst betroffen sind. Die Ursachen dafür sind woanders zu suchen. Meine Damen und Herren von Rot und Grün, die öffentlichen Kassen sind leer. Wir haben die Finanz- und Haushaltspolitik im Auge. Es ist schon erstaunlich, dass Sie, kaum dass Sie auf der Oppositionsbank Platz genommen haben, einen Antrag zu Gender-Budgeting einbringen. Ich

erinnere mich sehr gut an den Doppelhaushalt 2004/2005; wurde in ihm doch insbesondere bei jenen Haushaltstiteln gekürzt, von denen Frauen massiv betroffen waren.

(Beifall von CDU und FDP - Barbara Steffens [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Kinder, Frauen und Jugendliche gehörten in diesen Haushaltsplänen zu den Verlierern.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: In welchen denn?)

Sie haben in Ihren Ausführungen vorhin gesagt, Frauen gingen häufiger zu Fuß. Leben Sie mal auf dem Land! Dort sind die Frauen auf das Auto angewiesen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das habe ich auch gesagt!)

Die Spritpreise sind zurzeit entsprechend hoch.

Sie haben in all den Jahren viel über Gender geredet.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das ist auch richtig so!)

Wesentliches auf den Weg gebracht haben Sie bis heute aber nicht.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist nicht damit getan, dass eine Analyse nach der anderen erstellt wird. Das größte Übel ist doch, dass die Kassen in diesem Bundesland leer sind. Darunter haben auch wir Frauen zu leiden.

(Zuruf von der FDP: Wir Männer auch!)

Wo war Ihre realistische Folgenabschätzung? Ich kann nicht umhin, meine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen. Nur durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für den Prozess des Gender-Mainstreaming und des Gender-Budgeting ist noch nichts auf den Weg gebracht. Wir schaffen uns nichts anderes als neue Bürokratie.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Sie müssen mal über den Tellerrand hinausschauen!)

Ich habe heute Morgen wieder einmal zwei Exemplare des hervorragenden Buches zu GenderMainstreaming auf den Tisch bekommen. Zwei stehen schon bei mir zu Hause. Es ist seinerzeit eine vornehme, edle Ausgabe auf den Weg gebracht worden. Das hätte auch in einer einfacheren Fassung geschehen können.

Gender-Budgeting macht durchaus Sinn. Ich glaube, darin sind wir einer Meinung. Im Hinblick auf den demographischen Wandel wissen alle,

dass uns in Zukunft gewaltige Probleme ins Haus stehen und dass wir den Genderansatz weiter verfolgen müssen. Wir werden die Dinge auf den Weg bringen. Wir werden neue Akzente in der Frauenpolitik und bei der Geschlechtergerechtigkeit setzen.

Wir von der CDU stimmen der Überweisung des Antrages in den Frauenausschuss zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Kieninger, SPDFraktion, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Westerhorstmann, vielleicht einmal zwei kleine Hinweise: Das ist kein Oppositionsantrag, das ist ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Und bei den letzten Haushaltsberatungen - vielleicht sollten Sie dort einmal etwas genauer hinschauen - hat es keine Kürzungen im Frauenbereich gegeben. Dieser Bereich war von jeglichen Kürzungen vollkommen ausgenommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Gleichwohl sind die Themen Gender-Mainstreaming und Gender-Budgeting in der letzten Legislaturperiode wichtige Arbeitsschwerpunkte im Frauenausschuss gewesen. Bevor ich auf den Antrag im Einzelnen eingehe, möchte ich insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen, die zu Beginn der Legislaturperiode zu uns gestoßen sind, die Gelegenheit nutzen, in aller gebotenen Kürze noch einmal den Sachstand darzustellen.

Es ist uns im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen gelungen, die Verpflichtung der Landesregierung, eine Entscheidungsgrundlage für die modellhafte Erprobung von Gender-Budgeting zu erarbeiten, in das geltende Haushaltsgesetz aufzunehmen. Der Bericht hierzu wurde uns im Herbst 2004 vorgelegt und er ermutigt trotz einzelner Bedenken zu Modellvorhaben in geeigneten Teilbereichen des Haushaltes.

Zum Ende der Legislaturperiode hat sich der Ausschuss im Rahmen einer Delegationsreise in die Schweiz mit den dortigen Erfahrungen mit dem Thema Gender-Budgeting beschäftigt. Dabei ist noch einmal klar geworden, dass die Verteilung des Mittelabflusses auf die Geschlechter sowohl bei der Haushaltsaufstellung als auch bei der Haushaltsrechnung mit dem vorhandenen Instrumentarium vielfach nur unzulänglich abgebildet

werden kann. In manchen Fällen sind die Auswirkungen klar und eindeutig erkennbar, in anderen wiederum wird man auch die Folgewirkungen von Folgewirkungen zu betrachten haben, um die Gesamtauswirkung überhaupt bemessen zu können.

Dies möchte ich an einem Beispiel aus dem Bereich der Frauenpolitik - wir können es aber auch der Innenpolitik zuordnen - deutlich machen: Die Kosten, die bei Polizeieinsätzen gegen häusliche Gewalt zugrunde gelegt werden, können wir nach verschiedenen Kriterien aufteilen: nach dem Nutzen, nach der Verursachung oder nach der Mittelzuweisung.

Nach dem Nutzen bedeutet, dass ich die Mittel dem Opfer zuordne. Das wäre in der Mehrzahl die Frau. Nach der Verursachung bedeutet, dass ich die Mittel den Männern zuordnen müsste, weil sie in der Regel die Täter sind. Nach der Mittelzuweisung wäre die Polizei als Institution gewissermaßen geschlechtsneutral die Instanz.

Selbst die Kernfrage einer geschlechterbezogenen Budgetanalyse - „Wer sind die Nutzer oder die Nutzerinnen der vom Staat angebotenen oder subventionierten Leistungen?“ - wird mit diesem Beispiel infrage gestellt. Wie also wollen wir dieses Ergebnis bewerten?