Protocol of the Session on July 13, 2005

Dieses Gesprächsangebot ist von der Landesregierung hier entsprechend deutlich gemacht worden. Insofern bitte ich Sie, der guten parlamentarischen Tradition zu folgen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, es ist ja nun klar: Die antragstellende Fraktion hat Überweisung beantragt. Es ist dagegen gesprochen worden. Wenn Sie einverstanden sind, entscheiden wir darüber.

Es muss natürlich erst darüber entschieden werden, ob dieser Antrag in die Fachausschüsse - in

diesem Fall wären das der Ausschuss für Bauen und Verkehr und der Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - überwiesen werden soll. Wenn das keine Mehrheit findet, wird in der Sache direkt abgestimmt.

Ich bitte diejenigen, die dafür sind, dass dieser Antrag in die Fachausschüsse überwiesen wird, um das Handzeichen. - Das sind die SPD und die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Arroganz da drü- ben!)

Wer ist dagegen? - Das sind die CDU- und die FDP-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Dann ist dieser Verfahrensantrag mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit Mehrheit abgelehnt.

Wir stimmen dann direkt in der Sache ab. Wer für den Antrag Drucksache 14/36 ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? - Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und Teile der SPD-Fraktion. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen nun zu:

6 Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/30

Ich weise darauf hin, dass es hierzu einen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der FDP-Fraktion Drucksache 14/65 gibt.

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellende Fraktion erhält Frau Walsken das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Aktuellen Stunde in der letzten Woche haben wir, so zeigen die Resonanzen in den Medien, goldrichtig gelegen. Unsere Fraktion hat schon vor einer Woche richtig vermutet, warum Sie, meine Damen und Herren der CDU und der

FDP, bei dem Thema Erhöhung der Mehrwertsteuer so lamentiert haben.

Jetzt ist es deutlich geworden; die Katze ist aus dem Sack. Lieber Herr Rüttgers, mich interessiert, wie Sie heute dazu stehen, dass Sie noch vor wenigen Tagen gesagt haben, jede Mehrwertsteuererhöhung sei Gift für unsere Konjunktur.

Die Reaktionen auf die angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer sind außerordentlich intensiv und teilweise verheerend. Der Einzelhandel redet von einer giftigen Kröte, die die Verbraucher zu schlucken haben, und die Liberalen gehen auf die Barrikaden. Die Generäle Lindner und Niebel sagen, allein die Debatte darüber sei schädlich, sie führe zu einer Zurückhaltung beim Konsum. Sie lehnen es mittlerweile sogar völlig ab, dem Bürger noch mehr Geld abzupressen. So lauten wörtliche Zitate aus der FDP.

Das bestärkt uns in unserer klaren Position gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ich sage es ausdrücklich: Wir begrüßen jede klare Position - auch die der Freien Demokraten. Wir erhoffen uns eine ebenso deutliche und klare Position von unserer neuen NRW-Landesregierung.

Ich bin gespannt, wie der offene Streit um die Verteilung der zu erwartenden Milliarden - es wird ja von 16 Milliarden € geredet - zwischen dem Bund und den Ländern beziehungsweise insbesondere den Länderfinanzministern ausgeht.

Wenn ich mir das anschaue, dann erkenne ich, dass sich Frau Merkel nicht richtig gegen die CDU-Ministerpräsidenten - sie haben sich ja laut und deutlich dazu geäußert - durchsetzen konnte. Im Wahlprogramm der CDU heißt es unter der Überschrift „Senkung von Lohnzusatzkosten für mehr Arbeitsplätze“: „Im Gegenzug erhöhen wir die Mehrwertsteuer von 16 % auf 18 %.“

Frau Merkel hat dabei offensichtlich nicht berücksichtigt - das ist interessant für unser Land -, dass die Verteilung der Umsatzsteuer gemäß Art. 105 des Grundgesetzes nach dem so genannten Deckungsquotenprinzip erfolgt. Das heißt, sie ist grundsätzlich nahezu fifty-fifty - halbe-halbe - zwischen dem Bund und den Ländern aufzuteilen.

Die Länderchefs haben das natürlich zu Recht bemerkt, und in den unionsgeführten Bundesländern sorgen diese Pläne für Protest, den wir in den letzten Tagen ja in den Medien nachvollziehen konnten.

Kein Land - ich hoffe, auch Nordrhein-Westfalen nicht - würde auf diesen Geldsegen freiwillig verzichten. Folgerichtig wächst natürlich der Wider

stand in der Union gegen Frau Merkel. Die Einnahmen nur zur Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden, wird an dieser Stelle immer fragwürdiger.

Was macht Nordrhein-Westfalen? - Ich bin gespannt, welche Positionen Herr Linssen gleich vortragen wird. Er hat vorsichtig die Finger gehoben und weist darauf hin - damit hat er Recht -, dass die Mehreinnahmen auch den Ländern und damit auch diesem Land zustehen.

Dieses Geld soll man nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwenden, sagen Sie, Herr Linssen. Sie wollen das Geld lieber für Bildung und Arbeit ausgeben.

Das ist aus meiner Sicht der erste Fehler. Entweder Sie finanzieren damit Maßnahmen, die Sie sowieso zu finanzieren in der Lage und bereit wären - dann haben Sie das nicht benötigte Geld zur Konsolidierung -, oder Sie finanzieren damit Ihre Wahlversprechen. In einer Presseerklärung haben Sie ja schon deutlich gemacht, wo es hingeht: Sie können sich vorstellen, dieses Geld investiv zu verwenden. Wie wollen Sie das machen? Herr Linssen, ich bin gespannt, wie Sie die Mittel für Bildung und Arbeit ausgeben wollen - und das gleichzeitig investiv.

Werden Sie den Begriff der Investition neu definieren? Das wird uns haushaltsrechtlich zu einer spannenden Debatte, vielleicht auch zu einem Nachtragshaushalt führen. Oder legen Sie die Aussagen „Investitionen in unsere Kinder sind Investitionen in die Zukunft“ künftig rein haushaltsrechtlich aus?

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Antworten auf die von uns aufgeworfenen Fragen, bin allerdings gleichzeitig der Meinung, dass uns die Diskussionen, die Reaktionen im ganzen Land zum Thema Mehrwertsteuer mehr denn je in unserer Position bestätigen, die da lautet: keine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ich lade Sie herzlich ein, unserem Antrag zuzustimmen und diese Position gemeinsam für NordrheinWestfalen festzulegen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Walsken. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Schittges.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird in Deutschland und in keinem Rest der Welt politische Programme geben, die auf breiten Jubel oder allgemeine Zu

stimmung stoßen. Wenn man dann wie Sie, Frau Walsken, Stimmungslagen folgt, dann kann man politisch nichts durchsetzen und gestalten.

Ich bin dankbar, dass das Programm von CDU/CSU unter dem Titel „Deutschlands Chancen nutzen“ von den Medien mit dem Hinweis begleitet und mitgestaltet wird, der da lautet: Hier wird mit Ehrlichkeit und Klarheit vorgegangen. - Das ist schon ein Stück Politik, wie ich meine.

Unabhängig von den emotionalen Begleitungen und dem emotionalen Hin und Her gibt es wissenschaftliche Beiträge

(Zuruf von der SPD)

- vielleicht sollten Sie da zuhören, Herr Kollege; dann lernen Sie etwas dazu -, die wie folgt aussehen:

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

- Aus Köln kommend und Neuling sein: Da sollte man vorsichtig mit seinen Betrachtungen sein.

Die schlechteste aller Lösungen, meine Damen und Herren - das wissen Sie alle -, ist die isolierte Anhebung der Mehrwertsteuer auf 20 % zur Sanierung der öffentlichen Haushalte. Wir wissen alle: Das würde zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Die Darstellungen sind beachtlich. Davon wollen wir nichts wissen. Das ist eindeutig erklärt worden.

Vielleicht wissen Sie nicht, dass das RheinischWestfälische Institut für Wirtschaftsforschung im Jahre 2002 ein Gutachten für das Bundesfinanzministerium veröffentlicht hat und zu dem Ergebnis gelangt ist - insbesondere wird die Begründung der SPD ad absurdum geführt, es würden hauptsächlich Familien und Bezieher niedriger Einkommen belastet -, dass die Zahl der Kinder aufgrund der relativen Belastung durch die Mehrwertsteuer nicht wachsen würde. Kurz und knapp!

Und weiter: Die unterstellte Umverteilungswirkung der Mehrwertsteuer von unten nach oben, die sogenannte Regressivität, wird vielmehr überschätzt. Die Mehrwertsteuer gleiche nur etwa ein Drittel der Progressivität der Einkommensteuer aus. Dies sei eine Folge der Ermäßigung für Nahrungsmittel und der Freistellung von Wohnungsmieten.

Meine Damen und Herren, es folgt das Argument, so auch vorgetragen in Ihrem Antrag: Die Mehrwertsteuer könne nicht wachstumsfördernd sein. Dies geschieht allerdings unter dem Gesichtspunkt, dass die 16 Milliarden € die in Aussicht gestellte Wertermittlungsgröße aus der Mehr

wertsteuer zumindest teilweise den Ländern zur Stabilisierung ihrer hoch verschuldeten Etats überlassen wird. Auch das haben Sie in Aussicht gestellt. Sie wissen, dass wir das nicht wollen.

Die Zielsetzung, meine Damen und Herren, lautet: Nein, die Mehrwertsteuer soll nicht die Haushalte, sondern die Sozialkassen füllen. Damit soll der Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte gesenkt werden. Damit wird das Langzeitanliegen - Sie wissen es alle - der Union wahrgemacht, dass die Arbeit billiger wird, damit Beschäftigung geschaffen werden soll, was insbesondere zur Stabilisierung der Sozialversicherung beiträgt. Die vermeintliche wachstumsfeindliche Wirkung einer Mehrwertsteueranhebung wird dadurch mehr als ausgeglichen.

Meine Damen und Herren, die Mehrwertsteuer kann nicht isoliert betrachtet werden. Ich bin davon überzeugt - das wissen Sie alle, die die wirtschaftliche Lage in Deutschland einschätzen können -, dass bei der jetzigen Konjunkturlage die Unternehmen die höhere Mehrwertsteuer nicht voll auf die Konsumenten abwälzen können.

Herr Abgeordneter Schittges, ich habe hier eine Zwischenfrage von Frau Walsken. Würden Sie sie zulassen?