Herr Abgeordneter Schittges, ich habe hier eine Zwischenfrage von Frau Walsken. Würden Sie sie zulassen?
Angesichts der Kürze der Veranstaltung nein. Wir können das morgen und in den nächsten Tagen noch diskutieren.
(Zuruf von der SPD: Das wird Ihnen doch nicht angerechnet! - Meine Damen und Herren, auch wenn mir das nicht angerechnet würde: Ich könnte Ihnen zehn oder 20 Minuten zu diesem Thema vortragen. Ich habe aber nur noch fünf Minuten, um zu diesem Thema vorzutragen. (Zuruf von der SPD)
Ich habe ein wenig den wissenschaftlichen Teil begleitet. Wenn ich jetzt das Politische auch noch aufgreifen darf.
- Frau Kraft, Sie brauchen noch zehn bis 15 Jahre, sich in die Opposition einzufinden; dann haben Sie es gelernt und sind auch so weit, das zu verstehen.
Meine Damen und Herren, klar ist - das nehme ich in Kauf, ich habe es eindeutig erklärt, auch in unserer Fraktion -,
dass ein Teil der Rentner belastet wird. Das wissen Sie. Ich möchte ein Fallbeispiel herausgreifen: Die Rentner, die momentan 1.951 € Einkünfte haben, müssten ein Minus von 14 € hinnehmen. Alle wissen aber, meine Damen und Herren, dass es dieser Rentnergeneration besser geht als den Zukünftigen. Das sollte man dann als Last akzeptieren.
Da die Zeit knapp ist, gestatten Sie mir, Ihnen zusammenfassend vorzutragen, dass der Merkelsche Ansatz der zweiprozentigen Steuererhöhung bei gleichzeitigem Bezug der Arbeitslosenversicherung allem Anschein nach genau der richtige Weg ist, Frau Walsken. Das lässt sich einem Papier entnehmen, das sich „Bündnis für Erneuerung - Aufbruch für NRW“ nannte und geschaffen wurde, als man in Nordrhein-Westfalen noch ernsthaft glaubte, die Mehrheit über 2005 hinaus retten zu können.
„Die Landesregierung wird sich dafür stark machen, dass die Finanzierung der Sozialsysteme schrittweise vom alleinigen Bezug auf Erwerbseinkommen gelöst wird. An die Stelle der überwiegenden Beitragsfinanzierung muss eine zunehmende Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen treten. Ein solcher Umbau darf die Steuer- und Abgabenlast insgesamt nicht erhöhen. Schon gar nicht dürfen die zusätzlichen Steuereinnahmen dazu dienen, Haushaltslöcher zu stopfen.“
Nichts anderes haben wir vor. Die zusätzlichen Steuereinnahmen, meine Damen und Herren, müssen im gleichen Umfang zu einer Absenkung der Sozialversicherungsabgaben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen. Nichts anderes hat Frau Merkel vor, meine Damen und Herren. Das muss sie diesem Papier entnommen haben, sodass keine Aufregung,
Frau Walsken, angesichts dieser Botschaft angebracht ist. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Ihren Antrag ablehnen beziehungsweise die Diskussion um die Mehrwertsteueranhebung einstimmig in diesem Hohen Hause mittragen werden, insbesondere weil das in früheren Jahren Ihre eigene Zielsetzung war. - In dem Sinne danke ich Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schittges. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Sagel das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Rüttgers, dass das mit der Arroganz der Macht so schnell geht, wie wir es jetzt in den letzten Minuten erlebt haben, hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht.
- Ja, das ist leider die bittere Realität, aber wir ziehen daraus die nötigen Schlüsse. Wir haben uns in der Vergangenheit jedenfalls anders unterhalten und verhalten.
Drei CDU-Politiker, drei Meinungen - das ist das, was wir hier in der letzten Woche erlebt haben; es war ein unglaubliches Herumgeeiere. Mittlerweile hat Ihre Kanzlerkandidatin Angela Merkel ein Machtwort gesprochen. Jetzt kuscht alles bei der CDU, und die Mehrwertsteuer soll um zwei Prozentpunkte erhöht werden.
Man will aber die Bundestagswahl gewinnen, und von daher geht das Herumgeeiere bei CDU und FDP weiter. Es stellt sich die Frage: Was will man mit diesem spekulativen Geld, das man erwartet, machen? - Nach einer Faustformel bringt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt ungefähr 8 Milliarden €. Das wären also rund 16 Milliarden €, die man erwarten könnte. 42,5 % kommen normalerweise den Ländern zugute. Von daher ist es kein Wunder, dass CDU und FDP auf genau diese Einnahmeposition ein Auge geworfen haben.
Im Gegensatz zur Bundes-CDU wird die CDU hier im Landtag etwas konkreter hinsichtlich dessen, was sie mit dem Geld machen möchte. Hier wird in dem gemeinsamen Antrag der beiden Fraktionen auf die äußerst angespannte Haushaltslage hingewiesen.
Herr Rüttgers, man muss sich die Frage stellen, was eigentlich gilt: Gilt jetzt das, was Ihre Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin Frau Merkel gesagt hat, oder gilt das, was Sie hier sagen? - Das ist jetzt die große Frage, die sich stellt.
Eine Antwort habe ich bisher nicht gehört. Herr Schittges hat diesbezüglich auch herumgeeiert: Man will die Lohnnebenkosten senken. - Wie gesagt: Aus dem, was Sie hier vorgelegt haben, kann man etwas anderes schließen.
Vor dem Hintergrund des Wahlprogramms der CDU auf Bundesebene erzeugen all Ihre Versprechungen ein Haushaltsloch in Höhe von mindestens 40 Milliarden €. Allein die versprochenen Steuersenkungen unter anderem beim Kinderfreibetrag haben eine Deckungslücke von 9,8 Milliarden € pro Jahr aufgerissen, und bei der Kopfpauschale ergibt sich eine Deckungslücke in Höhe von 23 Milliarden €.
Jetzt sagen Sie von der CDU, mit den Mitteln aus der Mehrwertsteuererhöhung wollen Sie die Lohnnebenkosten senken. Da muss man allerdings etwas genauer hinsehen. Sie wollen damit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 % kürzen. Das schaffen Sie allerdings nur mit radikalen Kürzungen bei den Angeboten der Bundesagentur für Arbeit, weil die Händler die höhere Mehrwertsteuer natürlich sofort voll auf die Preise abwälzen.
Im Rahmen einer Senkung der Lohnnebenkosten durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre es sinnvoller, diese Mittel für die steuerfinanzierte Streichung versicherungsfremder Leistungen zu verwenden; Herr Schittges hat darauf auch hingewiesen. Damit könnten nach Berechnungen des DIW in der Tat rund 500.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber wie gesagt: Bei näherer Betrachtung dessen, was die CDU vorhat, befürchte ich, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Man hat offensichtlich ganz anderes vor.
Aus meiner Sicht kann ich nur sagen, was ich schon letzte Woche angemerkt habe: Hauptverlierer der Mehrwertsteuererhöhung sind Rentner, Studenten und Arbeitslose. Sie trifft die Verteuerung der Konsumausgaben, ohne dass sie von der Entlastung durch sinkende Lohnnebenkosten profitieren werden. Und weitere Verlierer sind auch die Geringverdiener mit mehreren Kindern, da die sinkenden Lohnnebenkosten die Erhöhung der Konsumausgaben bei Weitem nicht ausgleichen. Das wird wahrscheinlich die Realität sein. Das ist das, was wir hier vorfinden.
Von daher sagen wir ganz klar: Wir wollen keine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das ist der völlig falsche Weg. Das, was Sie hier vorhaben, werden wir in der Form nicht mitmachen. Ich hoffe auch, dass die CDU diese Wahl nicht gewinnt und dies niemals Realität wird. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Freimuth das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade dem Kollegen Sagel zugehört und mir den Begriff, den er verwandt hat - Arroganz der Macht -, auf der Zunge zergehen lassen. Herr Kollege Sagel, ich finde es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Sie dies hier vortragen. Schließlich haben Sie uns im Haushalts- und Finanzausschuss ziemlich häufig einfach so frohen Herzens, gut gelaunt und gehässig: „Finden Sie sich damit ab. Sie haben hier nicht die Mehrheit“, entgegengeschmettert. Dann sollte man mit Begriffen wie „Arroganz der Macht“ etwas zurückhaltender sein. Denn Sie wissen ja, wie das ist: Wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt, zeigen immer drei Finger auf einen selbst zurück.
Ich will an einem weiteren Punkt ansetzen; wir haben das bereits vor einer Woche in der Aktuellen Stunde diskutiert. Wir haben Prognosen darüber angestellt, Vermutungen darüber geäußert, wer denn die Verlierer einer solchen Mehrwertsteuererhöhung sein könnten.
Ich habe schon vor einer Woche gesagt, dass es durchaus Anhaltspunkte dafür gibt, dass Ihre Prognosen nicht richtig sind, sondern dass die zahlenmäßig großen Verlierer einer Mehrwertsteuererhöhung, also diejenigen, die unterm Strich mehr zahlen würden, gerade nicht die Bezieher niedrigerer Einkommen sind. Denn dort ist der größere Anteil der Konsumausgaben mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz oder Umsatzsteuersatz belegt, und auf andere Ausgaben, die einen zunehmend größeren Anteil der Ausgaben darstellen - darüber können wir uns sicherlich einmal an anderer Stelle Gedanken machen; ich nenne als Beispiel die Miete -, wird keine Umsatzsteuer erhoben.
Frau Kollegin Kraft, ich habe Ihre Wortmeldung gehört. Ich möchte in den fünf Minuten aber erst einmal bei meinen Gedanken bleiben. Insofern bitte ich um Verständnis.
Meine Damen und Herren, wir haben an der Stelle vieles zu berücksichtigen. Wir brauchen eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, die dringend erforderlich ist. Wir müssen die Lohnnebenkosten deutlich senken. Wir brauchen eine Reform unseres Steuersystems. Ich habe bereits letzte Woche gesagt, dass wir gerne ein einfaches, niedriges und transparentes Steuersystem mit den Stufen 15, 25 und 35 % sowie eine Reform der Unternehmensbesteuerung möchten, weil wir wieder mehr Investitionen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen haben möchten.
Ich habe auch gesagt, dass wir aus Sicht der FDP keine Anhebung der Mehrwertsteuer oder anderer indirekter Steuern für erforderlich halten; dies gilt erst recht für eine isolierte Anhebung.
Was mir bei Ihnen hier nach wie vor fehlt, was ich mir doch sehr wünschen würde, ist, dass Sie nicht nur diese Einzelaussage greifen, sondern dass Sie endlich einmal Ihre Konzeption auf den Tisch legen, wie Sie die sozialen Sicherungssysteme auf einen neuen Weg bringen wollen,
wie Sie das Steuersystem hier in Deutschland verändern wollen, wie Sie die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung schaffen wollen. Es gibt diverse Konzepte, aber keines davon zielt darauf ab, dass wir hier in Deutschland mehr Beschäftigung bekommen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Aus diesem Grunde kann ich Ihrem Antrag wie vor einer Woche auch der Aktuellen Stunde leider nur ein bisschen die Vermutung anheften, dass Sie hier reinen Populismus betreiben. In der Sache stimme ich zu: Ich sehe die Notwendigkeit für eine Anhebung der Mehrwertsteuer nicht.
Das ist aber etwas, was auf Bundesebene entschieden wird. Die Kolleginnen und Kollegen der Union haben mit ihrem Bundestagswahlprogramm ihre Vorstellungen artikuliert, sogar in einer bemerkenswerten Offenheit. Ich sage dazu ausdrücklich: Ich habe eine andere Vorstellung. Aber die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes werden die Forderungen, die unterschiedlichen Konzeptionen oder fehlenden Konzeptionen zur Reform der sozialen Sicherungssysteme und unseres Steuersystems bewerten.