Protocol of the Session on June 1, 2006

Das ist der falsche Weg. Wir brauchen flächendeckende und über die Hoheitsbereiche der jeweiligen Städte und Regionen hinaus geltende Maßnahmen zur Verringerung des Verkehrsaufkommens in Ballungsräumen. Damit entlasten wir nämlich nicht nur die Straßen und die Nerven der Anwohner vom Straßenverkehr, sondern leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Feinstäube.

(Beifall von der SPD)

Dazu müssen vor Ort sämtliche Detailmaßnahmen ergriffen werden, ob grüne Welle oder weitere einfache Maßnahmen wie regelmäßige Straßenreinigung oder -benässung. Jeder Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität ist zu nutzen. Derzeit sehe ich leider, dass die Landesregierung in die falsche Richtung fährt. Von CDU und FDP soll die Vorrangstellung der öffentlichen Verkehrsträger aus ideologischen Gründen gestrichen werden.

(Beifall von der SPD)

Das haben zum einen die heute geführte Debatte zum Tagesordnungspunkt 3 und zum anderen die Kürzung der Schülerbeförderungsmittel im Jahr des Kindes gezeigt. Die notwendigen Rahmenbedingungen zur Umrüstung der nordrheinwestfälischen Busflotten auf Gasantriebe oder ein

wirkliches Engagement zum Einsatz von Partikelfiltern bei Bussen kann ich bei der derzeitigen Landesregierung leider nicht erkennen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Generell müssen wir darüber hinaus zukünftig Umweltzonen für Regionen und nicht mehr nur für einzelne Städte aufstellen. Hier war man bereits auf dem Weg, und es gab regionale Luftreinhaltepläne, zum Beispiel für die Rheinschiene Süd. Heute kann man Luftreinhaltepläne und Aktionspläne leider nur noch für einzelne Städte finden.

Ein Gesamtkonzept für den Ballungsraum Ruhrgebiet soll zwar angedacht sein; wie weit das Andenken eines solchen Gesamtkonzepts inzwischen ist und ob sich daraus Aktivitäten ableiten, kann man zurzeit nirgends finden.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Ich hätte als Erster reden sollen, dann hätte sich alles er- ledigt!)

Ich möchte das aber auch irgendwo schriftlich sehen, um es nachlesen zu können, Herr Minister Uhlenberg.

Bei alledem ist es immens wichtig, dass man die Kommunen nicht im Regen stehen lassen darf und regelmäßige Informationen nachvollziehbar sicherstellen muss. An dieser Stelle zeigt sich übrigens ein fundamentaler Unterschied zwischen unserem Politikverständnis und der neoliberalen Umweltpolitik von Schwarz-Gelb: Wir sind der festen Überzeugung, dass die Kleinen und Schwachen einen starken und handlungsfähigen Staat brauchen.

(Beifall von der SPD)

Sie wollen sich offensichtlich dadurch aus der Verantwortung stehlen, dass Sie den Umweltschutz weitestgehend privatisieren und/oder kommunalisieren. Aber genau dort scheint sich nun ein großes Problem aufzutun: Wie wird eine langfristige und abgestimmte Luftreinhaltung nach der Kommunalisierung der Umweltbehörden aussehen? – Wir von der SPD stehen für eine Umweltpolitik des Landes, die die Kommunen mit einem handlungsfähigen Konzept unterstützt, ohne zusätzlich bürokratische und spezifische Regelungen aufzustellen.

Bei uns dürfen nicht die Kleinen wie zum Beispiel die Schüler und Pendler die Verlierer sein. Sie sind auf einen handlungsfähigen Staat zwingend angewiesen.

Sie, Herr Kollege Remmel von Bündnis 90/Die Grünen, fordern eine Bevormundung des Staates

auf Kosten der einzelnen Bürger. Der Wahlspruch der FDP „Privat vor Staat“ ist altbekannt. Aber leider lassen Sie dabei die Schwachen wieder im Regen stehen. Ginge es nach Ihnen, würden Umwelt und Natur zu Gütern, die sich nicht mehr jeder leisten könnte. Die CDU wiegt Umwelt und Arbeitsplätze gegeneinander auf. Dabei vergessen Sie, dass Bundeskanzlerin Merkel noch vorgestern in Bonn verkündet hat, der Mensch könne sehr viel von der Natur lernen, wenn er sie nicht kaputt macht. Naturschutz ist kein Luxus. – Frau Merkel scheint uns hier näher zu sein als ihre eigene Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland.

(Beifall von der SPD)

Denn wir von der SPD erwarten von einer verantwortlich handelnden Landesregierung einen roten Faden auch in der Umweltpolitik, in der moderne Umweltpolitik und erfolgreiche Wirtschaftspolitik keine Gegensätze sind, in der es klare und umsetzbare Zuständigkeiten und Regelungen gibt, in der die Schwächeren geschützt werden und in der die Belange zukünftiger Generationen nicht dem kurzfristigen Profitstreben einzelner geopfert werden. Diese Position werden wir wieder und wieder einfordern. Das gilt bei der Luftreinhaltung genauso wie in anderen Bereichen des Umweltschutzes.

Wir stehen für eine nachhaltige Entwicklung Nordrhein-Westfalens im Dialog mit den Menschen. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wiegand. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Dr. Romberg.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Wiegand, der Staat ist pleite. Warum der Staat pleite ist, wollen wir jetzt nicht diskutieren. Aber ohne privates Engagement werden wir die Umwelt so nicht erhalten können. Darüber sollten Sie sich einmal Gedanken machen.

Remmel sagt: Luft macht krank! – Romberg sagt: Luft hält gesund und hält uns am Leben! – Das ist der deutliche Unterschied zwischen der politischen Denkweise von Liberalen und Grünen, Herr Remmel.

Ich fand es schlimm, mit welchen Todeszahlen Sie hier wieder aufgetreten sind:75.000 Tote in Deutschland durch Luftverschmutzung! – Sie haben in Ihrem Antrag derart fragwürdige Studien

erwähnt, dass Sie mit diesem Antrag besser vorab zu Ihrem Hausarzt gegangen wären, damit der einmal ein Auge darauf wirft, was dort für ein Mist drinsteht.

Herr Dr. Romberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Remmel?

Bitte schön.

Bezweifeln Sie diese offiziellen Zahlen der EU-Kommission?

Ja, Herr Remmel, ich bezweifele diese offiziellen Zahlen der EUKommission. Wissenschaftliche Zahlen werden aus den unterschiedlichsten Lagern immer wieder aufbereitet.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Sie glauben doch auch nicht, dass jede wissenschaftliche Untersuchung qualitativ wertvoll ist. Und die Untersuchungen, die Sie hier zitieren, sind qualitativ sicher nicht wertvoll.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Ich gehe noch einmal direkt auf die Zahlen ein. Hier steht zum Beispiel: Reduzierung der Kindersterblichkeit von 600 auf 300 Fälle, Reduzierung der Krankenhauseinweisungen wegen HerzKreislauf-Erkrankungen von 32.000 auf 20.000 Fälle. Jeder Mensch, der in Grundzügen Medizin studiert hat, weiß, dass bei Herz-KreislaufErkrankungen so viele Faktoren eine Rolle spielen, dass alleine die Luft nicht zu einer Reduktion um fast 50 % bei den Erkrankungen führen kann. Das ist großer Blödsinn. Deshalb finde ich es schlimm, dass Sie das hier zitieren.

Auch die Studie, die in NRW aufgestellt wurde, bei der 4.800 Frauen im Ruhrgebiet und im Münsterland untersucht wurden! Man kann doch nicht einfach die Lebensdauer von Frauen kombiniert mit der Luftproblematik im Ruhrgebiet und im Münsterland betrachten. Herr Remmel, das ist wirklich zu wenig. Damit Menschen und auch Frauen gesund bleiben, spielen ganz viele Faktoren eine Rolle.

(Heiterkeit von der SPD – Zuruf von der SPD: Menschen und Frauen!)

Ja, deshalb ist die Studie so interessant. Gut, dass Sie lachen. Es geht darum, dass dort eine

repräsentative Studie an 4.800 Frauen gemacht wurde und nicht an Männern.

Herr Dr. Romberg, darf ich Sie noch einmal unterbrechen. Jetzt möchte Frau Abgeordnete Gödecke eine Zwischenfrage stellen.

Ja, Frau Gödecke.

Das erlauben Sie. Dann werde ich Frau Gödecke das Wort geben. Bitte schön.

Danke schön, Herr Dr. Romberg. Sie haben eben eine wissenschaftlich sehr interessante Aussage getätigt. Sie haben nämlich gesagt: Menschen und auch Frauen. Wollen Sie uns damit mitteilen, dass Frauen keine Menschen sind oder nur in Ausnahmefällen?

Nein, liebe Frau Gödecke, Frauen sind durchweg Menschen.

(Heiterkeit von der SPD)

Wenn man aber wissenschaftliche Studien vernünftig durchführen will, nimmt man dafür nicht nur Frauen und nicht nur Männer. Gerade aus Ihren Reihen habe ich in den letzten Jahren, als es um Frauengesundheit ging, häufiger gehört, dass alle Studien nur auf Männer gemünzt seien. Also: Für vernünftige wissenschaftliche Studien braucht man Frauen und Männer. Und es ist nicht nur allein der Feinstaub, der eine Rolle spielt.

Wenn man sich die Gesundheitssituation von Menschen im Ruhrgebiet und im Münsterland anguckt, spielen ganz viele andere Faktoren eine Rolle: Bildungsniveau, psychosoziale Situation, besonders die Familiensituation, Anzahl der Kinder, weitere Gesundheitsfaktoren, Alkohol- und Nikotinkonsum. Es gibt riesige Unterschiede, und es wäre wirklich zu einfach, das alleine an dem Faktor Feinstaub festzumachen.

Die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist relativ stabil, Herr Remmel. Was jedoch weiter zunimmt, sind die psychischen Erkrankungen und besonders die Angsterkrankungen. Da tragen Grüne Mitverantwortung, denn sie sind in den letzten Jahren in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Angsttreiber Nummer eins gewesen. Überall machen sie den Menschen Angst mit ihren Problemen, die sie …

(Svenja Schulze [SPD]: Jetzt ist es aber ge- nug! So wichtig sind die auch nicht!)

Ja, die sind schon wichtig. Sie sind der Angsttreiber Nummer eins in dieser Gesellschaft. Aber das hat zum Glück jetzt ein Ende. Zumindest in der Regierungsverantwortung werden sie nicht mehr wahrgenommen und damit wird sich die Angst in Grenzen halten, die sie weiter verbreiten können.

(Bodo Wißen [SPD]: Das ist ganz großer Quatsch! – Minister Eckhard Uhlenberg: A- ber leider die Wahrheit!)