Protocol of the Session on June 1, 2006

Er kann sich nämlich nicht durchsetzen. Vor meinen Augen taucht spontan das Bild eines Comicfilms auf: ein Muskelmann, der sich immer aufbläst und von Luftreinhaltung redet; dann aber kommt ein Mauseschwänzchen daher, und schon ist die Luft heraus. So, meine Damen und Herren, stellt sich der Umweltminister in NordrheinWestfalen in der Frage der Luftreinhaltung dar.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Minis- ter Eckhard Uhlenberg)

Dabei könnten wir so viele gemeinsame Zukunftsinitiativen starten, zumal die Luftreinhaltung nicht nur in Bezug auf den Schutz der Umwelt und der Gesundheit ein wesentliches Feld der Umweltpolitik bildet. Vielmehr könnte man gerade in Nordrhein-Westfalen mit seiner bedeutenden Automobilzulieferindustrie Umweltökologie und -ökonomie in idealer Weise miteinander verbinden und dementsprechend die Ökologie zum Motor der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung in unserem Lande machen. Die Perspektiven richten sich nämlich auf 2010, denn dann greifen die entsprechenden Rahmensetzungen und Grenzwerte für

Stickoxide. Dafür braucht es eine Weiterentwicklung der Technologie.

Diese Weiterentwicklung kann man nicht vorantreiben, wenn man, wie Sie das tun, politisch in diesem Zusammenhang an vielen Stellen kneift und nicht als Anwalt der Umwelt das Wort für mehr Initiativen im Rahmen der Luftreinhaltung in Nordrhein-Westfalen ergreift.

Ich hoffe, dass die Debatte heute und im Ausschuss dazu beiträgt, dass der Minister in Zukunft kämpft, denn wer nicht kämpft, der hat schon verloren. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Eck- hard Uhlenberg: Der schwätzt auch! Mus- kelmann Remmel!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Für die CDU-Fraktion erhält das Wort der Abgeordnete Kress.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Johannes Remmel, Ihre Zitate im ersten Teil Ihrer Rede stimmen in der Tat mit den Aussagen der Landesregierung überein; das ist okay. Mit dem zweiten Teil Ihrer Rede unterstreichen Sie jedoch sehr nachhaltig, dass der von Ihnen eingebrachte Antrag so unsinnig wie ein Kropf ist.

Vorab: Die CDU-Landtagsfraktion begleitet und unterstützt die Initiativen der Landesregierung zur Feinstaubreduzierung sehr aktiv, und zwar auf allen Ebenen, zum Beispiel im Landesbeirat für Immissionsschutz, der in seiner 81. Sitzung vor zwei Tagen zum wiederholten Mal und explizit dieses Thema und ganz konkret die Umsetzung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen behandelt hat. So stand es auch auf der Tagesordnung, die mit der Einladung bereits am 3. April 2006 allen Fraktionen zugestellt wurde.

Leider hat trotz rechtzeitig erfolgter Einladung kein Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen an dieser Fachdiskussion teilgenommen. Na ja, der Beirat tagt ja nicht öffentlich.

Wenn Sie teilgenommen hätten, Herr Kollege Remmel, dann würden Sie sicherlich die vielfältigen Aktivitäten der Landesregierung positiv bewerten und nicht fragen, was die Landesregierung gemacht hat, nicht nach der Stimme des Umweltministers fragen. Sie müssen erst einmal zuhören, wenn der Umweltminister zu Ihnen spricht.

Vor allem aber könnten Sie jetzt und hier die Sachebene viel besser besetzen und müssten

nicht die Forderungen von vorgestern wiederholen.

Sie hätten von unserem Staatssekretär Dr. Schink und dem Feinstaubexperten Falkenberg vom Landesumweltamt gehört, dass es vorher keine Überschreitung des Landesmittelwertes in Nordrhein-Westfalen gegeben hat und dass der kritische PMC-Wert für die Staubfraktion mit Partikeln kleiner 10 µ im Vorjahr deutlich reduziert wurde. In der Tat sind die Staubimmissionen innerhalb von vier Jahren um 55,8 % reduziert worden.

Sie hätten aber auch gehört, dass die Filtertechnik mit Katalysatoren zur Oxidation führt und damit einhergehend auch NO²-Belastungen zunehmen und sogar die Toleranzmarge punktuell überschritten wird.

Aber Sie wollten und wollen gar nicht zuhören, welche konkreten Maßnahmen die Landesregierung entwickelt und eingeleitet hat. Sie lassen lieber ein paar Luftballons in den Himmel steigen und wiederholen Argumente und Forderungen, die in vielen Arbeitspapieren und Anträgen aller Fraktionen enthalten waren und die von der Landesregierung sehr zügig abgearbeitet wurden. Ich erwähne Ihre gleichlautenden Anträge 14/36, 14/309 und Ihre Anfrage 14/911. Sie haben zu allen Anträgen und Anfragen umfangreiche Antworten erhalten.

Der Kollege Dr. Vesper hat gestern im Plenum gesagt, dass die Neuigkeit einer Wegbeschreibung nichts bringt, wenn man bereits am Ziel angekommen ist. Ich danke dem Kollegen Dr. Vesper ganz ausdrücklich für die treffende Beschreibung des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen.

Sie ignorieren die Aktivitäten der Landesregierung und stellen in der Tat Forderungen, die bereits erfüllt werden. Sie ignorieren die Ergebnisse der 82seitigen Kohortenstudie zu Partikelimmissionen von Mai 2005, die gemeinsam mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog des Landesumweltamtes bereits am 19. Oktober 2005 von Herrn Minister Uhlenberg vorgestellt wurde.

Sie ignorieren die analytischen Bewertungen, dass zum Beispiel das Lungenkrebsrisiko beim Einflussfaktor Partikelbildung durch Rauchen zehn- bis 15-mal größer ist als beim Feinstaub und dass eben nicht allein die Masse der PM10Teilchen unsere Gesundheit gefährdet. Die Wissenschaftler sagen uns heute, dass die Chemie und Physik der Teilchen wichtiger sind als nur das Gewicht, etwa ihre Gestalt oder ihre Fähigkeit zu agglomerieren – ob es sich um harmlosen Wüstenstaub oder Ätzendes wie Aerosole, um Schuppen, Pollen, Viren oder Bakterien handelt.

Auch die Europäische Union hat dieses Problem erkannt und die Arbeitsgruppe CAFE eingesetzt, um die Revision der bestehenden Richtlinien zu prüfen. Auch darüber wurde im Landesbeirat für Immissionsschutz am Dienstag berichtet. In einem CAFE-Projektbericht heißt es, dass Teilchen kleiner als 2,5 µm der Hauptgrund für Gesundheitseffekte seien – je kleiner die Partikel, umso größer die Gefahr für die Gesundheit. Deshalb sollten wie in den USA künftig die feineren Partikel zum wichtigsten Maßstab werden, so die EU-Experten.

Die Uni Wuppertal und die TU Darmstadt führen zurzeit entsprechende Partikelanalysen durch und erstellen Wirkungskatasterstudien. Diese Analysen und Wirkungskatasterstudien müssen wir uns natürlich genau ansehen – und damit einhergehend auch die von anderen Ländern wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz geforderte Modifizierung der EU-Luftqualitätsrahmenrichtlinie.

Meine Damen und Herren, für die CDULandtagsfraktion ist das Thema Feinstaubreduzierung viel zu wichtig, als dass wir hier und heute Schauanträge unterstützen würden. Blinder Aktionismus und Schnellschüsse bringen uns in der Tat nicht weiter.

Im Rahmen der Diskussionen zum vergangenen Feinstaubantrag der Grünen vom 26. September 2005 – inhaltlich absolut gleich – hat der Kollege Bodo Wißen von der SPD-Fraktion gesagt – ich darf ihn zitieren –:

„Frei nach dem Titel des Kinofilms ,Und täglich grüßt das Murmeltier‘ befasst sich der nordrhein-westfälische Landtag wieder einmal auf Initiative der grünen Fraktion mit der Feinstaubproblematik. Wieder einmal greift der Antrag viel zu kurz.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, daher hat die SPD-Fraktion damals gemeinsam mit uns und der FDP den Antrag abgelehnt. Er war einfach zu kurz gesprungen – wie auch heute.

Das macht die Landesregierung nicht. Minister Uhlenberg und sein Haus haben dieses Thema optimal besetzt und Fortschritte erzielt. Dafür danke ich Namen der CDU-Fraktion der Landesregierung ganz herzlich. Auf dem weiteren Weg werden wir die Landesregierung konstruktiv unterstützen und bitten sie, alle Anstrengungen zur Reduzierung der Feinstaub- und NO2-Belastungen in NordrheinWestfalen fortzusetzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kress. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt Frau Abgeordnete Wiegand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Antragsteller von Bündnis 90/Die Grünen, mit diesem Antrag haben Sie wieder einmal gezeigt, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben. Sie haben einen Aufsatz vorgelegt, der die wesentliche Problematik der aktuellen Luftreinhaltesituation gut und ausschweifend wiedergibt. In den meisten Bereichen ist er dabei auch noch richtig. Diesen Plenarantrag können Sie so als wissenschaftlichen Aufsatz einreichen oder an den Schulen verteilen, um den Wissensstand der Schüler zu verbessern. Für uns im Landtag grenzt es jedoch schon fast an eine Zumutung, dass man mehr Zeit zum Lesen des Antrags braucht, als man Redezeit hat.

(Beifall von der SPD – Minister Eckhard Uh- lenberg: Die Mitarbeiter!)

Sieben Seiten Text bei 14 Minuten Redezeit! Die kleine FDP hat sogar nur acht Minuten Zeit, sich zu diesem Antrag zu positionieren.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Jetzt weine ich aber, Frau Wiegand!)

Ich denke, in der Kürze liegt die Kraft. Darum brauche ich auch nicht alles das zu wiederholen, was hier ohnehin schon nachzulesen ist. Fakt ist: Dieser Antrag wird gar nicht gebraucht, da in Bezug auf Luftreinhaltung in NRW bereits alles auf dem Weg ist. Luftreinhaltepolitik haben wir bereits unter Klaus Matthiesen angestoßen und unter Umweltministerin Bärbel Höhn vorangetrieben.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Aktuell läuft in der Umsetzung der Maßnahmen noch nicht alles rund. Wir haben dabei aber Umsetzungs- und nicht Regelungsdefizite zu bemängeln. Wir wollen nicht, dass jede Kleinfeuerungsanlage in privaten Haushalten einen eigenen Rußpartikelfilter bekommt; denn wir wollen keine zusätzlichen Regelungen, die die Kleinsten und Schwächsten unter uns zusätzlich belasten. Die Schornsteinfeger würden sich zwar freuen und Hunderte neuer Mitarbeiter einstellen können. Aber wollen Sie den kleinen Haushalten das wirklich zumuten?

Wollen Sie auf der anderen Seite die Debatte um die Verordnung zur Kennzeichnung emissionsarmer Fahrzeuge wirklich wieder aufmachen? Sie wissen doch, seit wie vielen Jahren man versucht hat, eine Lösung herbeizuführen. Nun ist man dem tragfähigen Ergebnis endlich nahe. Die wirk

liche Problematik um vier oder fünf Schadstoffklassen wird sich wohl erst im Jahr 2010 im Zusammenhang mit den Euronormen ergeben. Wollen Sie dafür wirklich wieder das gesamte Verfahren verzögern? Sie wissen genau, dass es allein acht Monate braucht, bis ein abgestimmtes Verfahren umgesetzt werden kann. Wie soll es aber dem Luftreinhalteplan nutzen, wenn wir nach den ersten gemeinsamen Schritten aufgrund überbordender Regelungen nicht weiterkommen?

Schon jetzt ist klar, dass die Plaketten frühestens ab Februar 2007 gelten können, obwohl wir sie eigentlich schon im kommenden Herbst dringend bräuchten, da der Herbst der Zeitraum ist, in dem wir aufgrund der Wetterlage die meisten Grenzwertüberschreitungen haben. Im Hinblick auf die derzeitigen Grenzwertüberschreitungen in einigen Städten drängt die Zeit auch. Von daher sind wir der Ansicht: Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

(Beifall von der SPD)

In der Praxis geht es jetzt darum, zu Lösungen zu kommen, die dem Gesundheitsschutz bestmöglich dienen und gleichzeitig von den Menschen verstanden und akzeptiert werden. Dies erreichen wir nicht mit einer erneuten Debatte und vielleicht noch weiteren Plakettenfarben. Jetzt muss gehandelt werden. Die geplante Plakettenlösung muss schnell kommen.

Genau diese Einstellung bestätigt auch ein aktuelles Grundsatzurteil aus Bayern. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat nämlich am 18. Mai 2006, also vor wenigen Tagen, bestätigt, dass ein Aktionsplan zur Vermeidung von Feinstaub aufgestellt werden muss, auch wenn die Einhaltung aller Grenzwerte dadurch nur teilweise erreicht werden kann.

NRW braucht kein Problemfindungskomitee für eventuell vorhandene Detailprobleme, sondern ein abgestimmtes Vorgehen über die Grenzen von Kommunen, Regionen und Ländern hinweg. Zum Beispiel kommen bei Westwind große Mengen des diffusen Feinstaubs aus den Niederlanden.

(Bodo Wißen [SPD]: Aha!)

Auch hat die Überlastung von Straßenschluchten ihren Grund üblicherweise nicht ausschließlich in der betroffenen Stadt. Auch wenn der Verkehr nur zu ca. 30 % zum Feinstaubproblem beiträgt, so brauchen wir dennoch dringend Konzepte zur Verringerung des Straßenverkehrs. Ein gut ausgebauter ÖPNV ist unserer Meinung nach ein Schlüssel zur Feinstaubverminderung.

Frau Abgeordnete Wiegand, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Remmel.

Nein, ich halte es wie Frau Sommer, ich möchte heute keine Frage zulassen.

Busse und Bahnen können den PKW-Verkehr verringern. Sechs Jahre lang bin ich täglich mit meinem Auto von der A 2 über die B 224 nach Essen geschlichen. Das waren sechs Jahre, in denen ich Morgen für Morgen und jeden Abend davon geträumt habe, mein Auto auf einem sogenannten Park-and-ride-Parkplatz in der Nähe der Autobahn abstellen zu können, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz kommen zu können.

Ich sehe mit großer Sorge, dass Verkehrsminister Wittke hier zwar mit lautem Getöse nach Berlin ruft, um mehr Bundesmittel für NordrheinWestfalen zu erhalten, gleichzeitig aber die Landespolitik vom Schienen- zum Straßenverkehr umsteuert.

(Beifall von der SPD – Bodo Wißen [SPD]: Jawohl!)

Das ist der falsche Weg. Wir brauchen flächendeckende und über die Hoheitsbereiche der jeweiligen Städte und Regionen hinaus geltende Maßnahmen zur Verringerung des Verkehrsaufkommens in Ballungsräumen. Damit entlasten wir nämlich nicht nur die Straßen und die Nerven der Anwohner vom Straßenverkehr, sondern leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Feinstäube.