Protocol of the Session on May 31, 2006

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Becker von den Grünen.

Ich möchte an meine Frage von eben und ihrer Beantwortung anschließen, Frau Thoben. Ich frage vor dem Hintergrund, dass Sie durchaus eingeräumt haben, dass Sie oder die Landesregierung sich eine höhere Senkung der Lohnnebenkosten aus einer Mehrwertsteuererhöhung hätten vorstellen können oder sogar besser gefunden hätten.

Würden Sie sich unbeschadet der Meinung der Bundesebene und unbeschadet der Frage, was Sie mit möglichen Mehreinnahmen im Zweifelsfall machen, wenn sie denn zustande kommen, dafür einsetzen, dass ein höherer Anteil der jetzt vorgesehenen Mehrwertsteuererhöhung in die Senkung der Lohnnebenkosten gesteckt wird?

Das versuchen wir. Auf der anderen Seite haben wir hier im Land abzuwägen, wie wir uns in den konkreten Sitzungen des Bundesrates mit unserem Abstimmungsverhalten bewegen.

Herr Remmel, Ihre zweite und damit letzte Frage.

Ich möchte noch einmal an die vorletzte Frage anknüpfen, weil das etwas unklar geblieben ist.

Der Finanzminister hat in der Tat die Eckpunkte des Haushalts 2007 vorgestellt. Sind in diesen Eckpunkten mögliche Einnahmeerwartungen aus einer Mehrwertsteuererhöhung schon enthalten – ja oder nein?

Nein.

Meine Damen und Herren, zur Frage 64 gibt es keine weiteren Nachfragen mehr. – Damit können wir die Mündliche Anfrage 64 für erledigt erklären. Ich danke Frau Ministerin Thoben.

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 65

der Frau Abgeordneten Barbara Steffens von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf:

Sicherheit im Maßregelvollzug erhalten

In den Medien wird zunehmend über von der Landesregierung geplante Streichungen bei der Finanzierung des Maßregelvollzugs ab dem Jahr 2007 berichtet. Die Stimmung an den Forensikstandorten wird zunehmend angespannter. Nicht nur die Landschaftsverbände als Träger fast aller Maßregelvollzugseinrichtungen, sondern auch zahlreiche Klinikleitungen und weitere FachexpertInnen und die runden Tische vor Ort benennen diese Planung als Sicherheitsrisiko. Der gefundene Konsens an den einzelnen Standorten wird durch die Kostendebatte der Landesregierung gefährdet.

Was plant und unternimmt die Landesregierung, damit die Konsense an den einzelnen Standorten mit den AnwohnerInnen, den Beschäftigten, den fachlich Zuständigen und den politisch Verantwortlichen wieder hergestellt werden können?

Ich bitte Herrn Minister Laumann um Beantwortung.

Sehr geehrte Frau Kollegin Steffens, ich habe in meiner politischen Laufbahn schon viele verquere Fragen gelesen und gehört. Aber ich muss gestehen: Ihre Frage ist in dieser Hinsicht wirklich rekordverdächtig.

Was ist wirklich passiert? – Ich habe die Landesdirektoren im April vertraulich über erste interne Überlegungen zum Haushalt 2007 informiert – so, wie dies aus meiner Sicht einer vertrauensvollen Zusammenarbeit entspricht.

Der LWL hat daraufhin seine Version einer vertrauensvollen Zusammenarbeit praktiziert: Mitarbeiter haben die internen Vorüberlegungen brühwarm in die Kliniken getragen und dabei auch noch bewusst oder unbewusst falsche Zahlen genannt. Die Folge war klar und, wie ich vermuten muss, beabsichtigt: Die Beschäftigten in den Kliniken machen sich Sorgen. Die Presse berichtet. Die Bürgerinnen und Bürger an den westfälischen Standorten machen sich ebenfalls Sorgen.

Am Ende kommen Sie und stellen in Ihrer Frage fest, die Landesregierung gefährde mit ihrer Kostendebatte den Konsens an den Standorten. Sie

fragen allen Ernstes, was die Landesregierung plant, um diesen Konsens wiederherzustellen.

Da fehlt nicht viel, und wir hätten es mit dem Fall eines Brandstifters zu tun, der die Feuerwehr fragt, was sie gegen den frisch gelegten Brand tun will. Deshalb sage ich mit allem Nachdruck: Nicht die Landesregierung gefährdet den Konsens an den Standorten; den Konsens an den Standorten gefährden diejenigen im LWL, die diese Debatte in unverantwortlicher Weise losgetreten haben.

(Beifall von der CDU)

Jeder Euro angeblicher Kürzungen, der nachher nicht im Haushaltsentwurf steht, jede Sorge, die sich Menschen unnötigerweise gemacht haben, gehen auf das Konto dieses einen Herrn beim LWL.

Ich stehe zu dem, was ich hier und anderswo öffentlich zum nordrhein-westfälischen Maßregelvollzug gesagt habe. Das wiederhole ich gerne noch einmal:

Erstens. Wir müssen auch im Maßregelvollzug sparen. Tatsache ist: Viele andere Länder machen das nicht schlechter als wir; aber sie machen es kostengünstiger. Das müssen auch wir schaffen. Aber wer sich zurzeit öffentlich über Kürzungen im Maßregelvollzug äußert, spekuliert. Es gibt noch keine Kabinettsentscheidung über den Haushalt 2007. Deshalb kann ich auch hier und heute keine Zahlen nennen.

Zweitens. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen für einen kostengünstigen Maßregelvollzug zu schaffen. Dazu gehören der Nachteinschluss, kostengünstige Langzeitunterbringungen und die bundesrechtliche Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge bei suchtkranken Straftätern.

Drittens. Es bleibt dabei: An der Sicherheit wird nicht gespart.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Eine Nachfrage von Frau Steffens von den Grünen.

Wenn Sie die Anfrage damit kommentieren, Sie hätten noch nie so etwas gesehen, dann kann ich nur erwidern: Wahrscheinlich haben Sie in den letzten Tagen keine Presseschauen gelesen. Die Artikel sind Ihnen wahrscheinlich nicht vorgelegt worden. Darin steht landauf, landab viel über die Stimmung in diesem Land. Nicht wir sind diejenigen, die Brand

stiften, weil wir Zeitung lesen und nachfragen, sondern die Landesregierung, wenn sie so vorgeht.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe – ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie einen solchen Satz als hanebüchen oder wie auch immer empfinden, so wie Sie gerade deutlich gemacht haben, dass die Kritik jenseits aller Vorstellungen sei – sagt – ich zitiere –:

Eine Reduzierung des Pflegesatzes und der dann erforderliche Personalabbau gefährden nicht nur die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der westfälischen Maßregelvollzugseinrichtungen, sondern letztlich auch die Sicherheit der Bevölkerung.

Das ist eine Stellungnahme von Experten und Expertinnen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie diese nicht ernst nehmen.

Bitte, Herr Minister.

Natürlich spielt qualifiziertes Personal eine entscheidende Rolle für die Sicherheit der Einrichtungen. Umgekehrt gilt auch: Personal alleine macht noch keine Sicherheit. Deshalb frage ich schlicht und ergreifend zurück: Ist es wirklich weniger Sicherheit:

Erstens. Wenn wir Patienten nachts auf ihren Zimmern einschließen und nachts entsprechend weniger Personal einsetzen?

Zweitens. Wenn wir Patienten ohne Entlassperspektive mit geringem therapeutischem und pflegerischem Aufwand unterbringen?

Drittens. Wenn man zwei viel zu kleine Stationen in einem Haus organisatorisch zu einer Einheit führt?

Viertens. Wenn Patienten morgens nicht alle zur gleichen Zeit sternförmig zur Arbeitstherapie geführt werden, sondern der Transportdienst effektiv organisiert wird?

Fünftens. Wenn Hilfstätigkeiten durch Hilfskräfte statt durch hoch qualifizierte Pfleger ausgeübt werden?

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist Frau Asch von den Grünen.

Herr Minister Laumann, Sie haben angeführt, dass Sie die Einsparungen im Maßregelvollzug über den Nachteinschluss er

zielen wollen. Ihnen ist bekannt, dass dieser Nachteinschluss nur möglich ist bei einer Einzelzimmerbelegung, bei der eine Nasszelle vorgehalten werden muss. Ihnen ist auch bekannt, Herr Minister Laumann, dass nur bei einem Bruchteil der Zimmer im Maßregelvollzug diese Gegebenheiten vorhanden sind. Wie hoch beziffern Sie die Investitionsmaßnahmen für die entstehenden Umbaukosten, um dann diesen Nachteinschluss möglich zu machen?

Bitte, Herr Minister.

Erst einmal bin ich der Meinung, dass der Nachteinschluss in sehr vielen Fällen – auch im Hinblick darauf, dass man die therapeutischen Erfolge nicht gefährdet – vertretbar ist. Zum Beispiel haben wir bei der neuen Einrichtung in Dortmund auch Nachteinschluss.

Klar ist: Die Voraussetzungen für Nachteinschluss müssen an vielen Standorten geschaffen werden. Eine Voraussetzung sind die Nasszellen, eine andere Voraussetzung sind zum Beispiel sichere Türen.

Mitarbeiter meines Hauses machen zurzeit mit den Trägern der Kliniken – das ist seit gestern abgeschlossen – eine Begehung aller älteren Standorte. Wir werden ein Programm auflegen, in welchen Schritten wir an welchen Standorten die baulichen Voraussetzungen für den Nachteinschluss schaffen. Bislang gab es darüber, dass wir das machen, zwischen meinem Haus und den Fachleuten in den Landschaftsverbänden keine Meinungsverschiedenheiten.

Ich glaube, dass wir Maßnahmen haben werden, bei denen das sehr wirtschaftlich möglich ist, bei denen auch das eingesetzte Geld zur Baumaßnahme und zu den erwarteten Einsparungen in einem vernünftigen Verhältnis steht. Es wird andere Einrichtungen geben, bei denen das schwieriger wird. In diesen Einrichtungen muss man von solchen Vorstellungen Abstand nehmen. Aber ,wie gesagt: Überall da, wo es wirtschaftlich vertretbar möglich ist, werden die Dinge jetzt Schritt für Schritt umgesetzt.

Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Beer von den Grünen. Bitte schön.