Protocol of the Session on July 6, 2005

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das tun Sie doch die ganze Zeit! Sie sagen nichts zum The- ma!)

Diese Informationen sind aber eine gute Basis für die Verhandlungen, die wir in Zukunft mit dem Unternehmen führen werden, um ein sozialverträgliches Auslaufen des Bergbaus zu erreichen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Also weniger Ausbildung!)

Als Kollege Dr. Horstmann noch Energieminister war, hat er den Wirtschaftsausschuss wissen lassen, es sei nicht Aufgabe der Landesregierung, sich in die Personalpolitik der RAG als Kernelement der Unternehmensführung einzumischen. Herr Dr. Horstmann, das sehe ich genauso.

Deshalb habe ich bei der RAG angefragt, bevor wir uns streiten, ob es die im Antrag der SPD vorgespiegelte Ausbildungsdramatik überhaupt gibt. Die Antwort lautete: Die Situation sei natürlich nicht einfach, aber man könne mit der Situation umgehen. Man wisse, was man mit den Lehrlingen machen werde. Niemand werde ins Bergfreie fallen.

Wenn also der Konzern in eigener unternehmerischer Verantwortung mit der Situation umgehen kann, haben Sie doch überhaupt keine Veranlassung, Herr Eumann, hier Panik zu erzeugen und junge Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.

(Beifall von der CDU)

Wir alle haben in der Vergangenheit großen Wert darauf gelegt, dass die Politik lediglich Subventionsentscheidungen trifft, die die Grundlage für unternehmerische Entscheidungen der zuständigen Organe bilden. Ich bin absolut sicher, dass Vorstand und Aufsichtsrat auch mit veränderten politischen Rahmenbedingungen so umgehen werden, dass kein Mitarbeiter ins Bergfreie fällt und dass sich der Konzern insgesamt zu einer weißen Perle im Ruhrgebiet entwickelt.

Die Umstrukturierung der RAG wollen wir mit Freude begleiten und würden uns freuen, wenn wirklich ein neuer Global Player im Ruhrgebiet entsteht, der aus eigener Kraft leistungsfähig ist. Die Anzeichen, die wir bisher bekommen haben, deuten darauf hin, dass Ihr gesamtes Gerede "Das geht nicht. Das geht nicht. Das geht nicht.", das Sie uns hier jahrelang vorgetragen haben, nicht stimmt. Am Ende geht es doch. Und wir werden Ihnen beweisen, dass es geht.

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegt uns noch ein Entschließungsantrag der Grünen vor. Inhaltlich ist er hochinteressant.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Dann können Sie doch zustimmen!)

In vielen Punkten teilen wir Ihre Bewertung, aber nun passiert das, was wir mit Ihnen früher immer erlebt haben: In bestimmten Situationen können wir uns auch von noch so gut gemeinten Anträgen der Opposition nicht die Strategie bestimmen lassen. Wir haben uns vorgenommen, in fairen Gesprächen mit der RAG und mit der DSK das zu erreichen, woran Sie in der Vergangenheit wegen Ihres Koalitionspartners gescheitert sind.

Wir sind sicher, dass wir das Ziel, das auch Ihnen vorschwebt, erreichen werden. Aber die Strategie dazu müssen Sie schon uns überlassen. Deswegen können wir dem Entschließungsantrag leider nicht zustimmen. - Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Weisbrich. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Priggen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte kurz auf die Lehrstellenproblematik eingehen. Lieber Kollege Eumann, ich finde es in Ordnung, über die Lehrstellenproblematik und die Auszubildendenproblematik zu reden. Wir müssen jedoch darüber in der Breite sprechen. Der Antrag - deswegen werden wir und auch ich persönlich dem nicht zustimmen - kommt mir vor wie eine weitere zusätzliche Begründung für die Dauerexistenz des Bergbaus, weil er darauf rekurriert, dass die RAG auf Dauer im Bergbau ausbilden soll. Sie haben - darüber haben wir ja in den letzten Jahren strittig diskutiert - dafür den energiepolitischen Sockel, die Bergbauzulieferer und die Problematik am Koksmarkt als Begründung geliefert. Nun kommen Sie mit der Ausbildung als Begründung.

Ich bin mir sicher, dass auch die anderen, die jetzt leider die Regierungsverantwortung tragen, dafür eintreten werden, dass die Leute, die jetzt im Bergbau ausgebildet werden, keine Probleme bekommen. Ich glaube, dass auch die RAG das nicht machen wird. Insofern ist hier eine Verunsicherung nicht notwendig.

Herr Weisbrich, Ihre Bemerkungen waren außerordentlich aufschlussreich. Es kann nicht sein, dass Sie sagen, wir sollten nicht die Strategie kaputt machen, faire Gespräche mit der DSK zu führen. Sie sollen Gespräche führen, mit wem Sie wollen. Das ist Ihr Job. Wir führen unsere Gespräche. Wir, und zwar Sie noch mehr als ich, haben jedoch über viele Jahre die fehlende Transparenz in den Daten und Fakten der Steinkohlefi

nanzierung beklagt. Diese Daten müssen auf den Tisch.

Sie haben einen Koalitionsvertrag gemacht. Ich könnte jetzt sagen: Die FDP ist gegenüber dem, was sie angekündigt hat, ohne Ende abgestürzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich mache es aber nicht, weil ich finde, dass der Prozess in der Sache richtig ist. Die spannende Frage wird jedoch sein, ob und vor allem zu welchen Kosten für die öffentlichen Haushalte Sie es einlösen können. Den von Ihnen eingeschlagenen Kurs, dem Parlament weder Daten noch Fakten zu nennen, sondern zu sagen: „Wir machen das in vertraulichen strategischen Gesprächen“

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

- ich habe ja damit gerechnet; insofern ist das eine klare Antwort -, werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Ihrem Koalitionsvertrag begrüßen Sie, dass die RAG an die Börse geht. Es gibt hier sicherlich niemanden, der dagegen ist. Wenn Werner Müller es schafft, den weißen Teil des Unternehmens so aufzustellen, dass es auf Dauer frei ist von Inhaftungnahmen für Bergschäden und dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, dann sind wir alle dafür. In dem Koalitionsvertrag steht jedoch die Erwartung, dass aus dem Kapitalstock die Altlasten übernommen werden. Sie wissen genau, dass das sehr riskant ist. Gerade zum Kapital Altlasten auf Dauer haben wir jede Menge Zahlen vorliegen. Ich habe in der „WAZ“ gelesen, dass die neue Ministerin diesbezüglich eine weitere Zahl in die Welt gesetzt hat. Ich würde sie gerne fragen, wie sie zu dieser Zahl kommt.

(Zuruf von Christan Weisbrich [CDU])

Werner Müller hat am 1. Juni gesagt, es blieben jährlich 550 Millionen € über. In der schriftlichen Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten Hempelmann und Hustedt aus dem Deutschen Bundestag an Bundesminister Clement vom 29. Januar 2004 steht - ich zitiere -:

Allmählich würden sich die auf unbestimmte Zeit bestehenden Altlasten auf einen Sockelbetrag verringern. Im wesentlichen Punkt Kosten bis zu 50 Millionen € pro Jahr und Aufwendungen für den Stillstandsbereich.

Frau Thoben hat am 5. Juli in der „WAZ“ gesagt - ich zitiere -:

Seit es den Bergbau gibt, ist das Ruhrgebiet zwischen 25 und 40 m abgesackt. Allein deshalb werden wir nach dem Ausstieg jährlich 200 Millionen € benötigen, damit aus dem Ruhrgebiet kein Badesee wird.

Es liegen also drei unterschiedliche Zahlen vor. In der Langfristplanung für 2006 bis 2012 steht eine vierte Zahl, nämlich 440 Millionen € im Jahr. Wenn man weiß, dass etwa zwei Drittel der Altlasten personalgebundene Kosten sind, dann wird deutlich, dass die Entscheidung darüber, wie hoch die Zahl auf Dauer tatsächlich ist, entscheidend dafür ist, ob der Kapitalstock, den uns Werner Müller anbietet, überhaupt ausreicht. Unsere Einschätzung ist, dass das bei weitem nicht ausreicht. Deswegen, Herr Weisbrich, werden wir es Ihnen nicht durchgehen lassen können

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

- Sie haben ja gleich Gelegenheit, zu reagieren -, uns weder zu den Altlasten noch zur Personalanpassung genaue Zahlen zu liefern, also alles im Nebel zu lassen, bis Sie irgendwann im nächsten Jahr eine Konferenz veranstalten. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Wir werden in der nächsten Plenarsitzung einen Antrag einbringen, dazu einen Projektausschuss zu bilden, weil ich glaube, dass das sinnvoll ist. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Debatten darüber geführt, in denen es darum ging, uns im Detail mit der Steinkohlefinanzierung zu beschäftigen. Es geht letztendlich um Milliarden, die, je nachdem, wie man den Prozess angeht, bei der öffentlichen Hand oder bei den finanziell potenten Eigentümern des Konzerns hängen bleiben. Insofern werden Sie an der Stelle mit der Position, die Sie eben skizziert haben, nicht entlassen werden. - Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Priggen. - Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Brockes. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt mal wieder auf den SPD-Antrag zu sprechen kommen.

(Beifall von der SPD)

Wie auf vielen anderen Politikfeldern hat uns die ehemalige rot-grüne Landesregierung auch im Bereich der Berufsausbildung einen gewaltigen Scherbenhaufen hinterlassen.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

- Sie glauben doch wohl nicht, dass Sie uns die derzeitige Situation an die Backe kleben können.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist wohl ein Textbaustein! - Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Herr Eumann, Sie haben es vorhin selber gesagt: 50.850 Bewerbern um einen Ausbildungsplatz standen im Juni nur 21.610 unbesetzte Stellen gegenüber. Damit kamen rechnerisch 2,3 Bewerber auf einen freien Ausbildungsplatz. Verantwortlich für diese weit auseinander gehende Schere zwischen Angebot und Nachfrage ist die rot-grüne Wirtschaftspolitik, die den Interessen der kleinen und mittelständischen Betriebe diametral zuwiderlief. Anstatt für den Mittelstand die Rahmenbedingungen zu verbessern und dadurch Freiräume für zusätzliche Ausbildungskapazitäten zu schaffen, ist Rot und Grün nichts anderes eingefallen, als den Betrieben mit dem Schreckgespenst einer Ausbildungsplatzabgabe zu drohen.

(Beifall von der FDP)

Allein die Monate andauernde Diskussion über diese Sonderabgabe hat die Bereitschaft vieler Unternehmen, zusätzliche Lehrstellen anzubieten, zunichte gemacht, meine Damen und Herren.

Für die neue Regierungskoalition aus FDP und CDU hat die Verbesserung der Lage auf dem NRW-Ausbildungsmarkt absolute Priorität. Dabei werden wir den Betrieben aber nicht mit Folterinstrumenten drohen, sondern sie ermuntern, Ausbildungsplätze anzubieten.

Statt ihnen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, so wie Sie das immer wieder gemacht haben, werden wir Hindernisse aus dem Weg räumen, um neue Ausbildungsplätze zu schaffen.

(Ralf Jäger [SPD]: Welche denn?)

Meine Damen und Herren, hier zeigen sich die Unterschiede im Politikverständnis von alter und neuer Landesregierung. Mit ihrem Antrag „Ausbildung im Steinkohlebergbau: Eine berufliche Perspektive für junge Menschen im Ruhrgebiet“ möchte uns die SPD suggerieren, dass die von ihr mitverschuldete Lehrstellenmisere durch den Ausbilder Steinkohlenbergbau behoben werden könnte.

Hier zeigt sich der wirtschaftspolitische Ansatz, den die SPD 40 Jahre lang praktiziert hat, mit dem sie das Land Nordrhein-Westfalen dorthin geführt hat, wo es steht, nämlich ans Ende der Wachstums- und Beschäftigungsskala in Deutschland.

Nicht die Großindustrie, schon gar nicht die von gestern, schafft die dringend benötigten Ausbildungsplätze.