Protocol of the Session on April 6, 2006

Ich sage an dieser Stelle ganz klar auch mit Blick auf die Industrie: Wenn hier nicht zusätzliche Initiativen entstehen, werden wir als Politiker in den nächsten Jahren darüber reden müssen, inwieweit wir hier Verpflichtendes tun können. Das Stichwort Stiftungen, die sich mit Medienkompetenzprojekten beschäftigen – diese Diskussion hatten wir im letzten Jahr –, möchten wir nicht gerne aufnehmen; aber wir erwarten, dass Initiati

ven kommen, damit wir diese Position beibehalten können.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte den Schluss meines Vortrags nutzen, meine Damen und Herren, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass das Thema des Schutzes unserer Kinder und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Inhalten eine wichtige Sache ist, die sich nicht für den Parteienstreit eignet.

(Beifall von CDU und FDP – Manfred Kuhmi- chel [CDU]: So ist das!)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich das Angebot an Sie, meine Damen und Herren der Opposition, richten, sich auch im weiteren Beratungsverfahren einzubringen. Jede gute Idee bei diesem Thema, die uns weiterhilft, unsere Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren zu schützen, ist uns willkommen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn wir zu einer gemeinsamen Initiative kommen würden. Dazu möchte ich Sie einladen. Ich freue mich auf Ihre Beiträge zu diesem Thema. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Nächster Redner ist für die ebenfalls antragstellende FDPFraktion der Abgeordnete Lindner.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Unser Antrag geht von der Prämisse aus, dass es einen absoluten Kinder- und Jugendmedienschutz nicht geben wird und nicht geben kann, wir aber dennoch alle Anstrengungen unternehmen müssen, die wirksamen Schutzmechanismen, die es gibt, weiterzuentwickeln.

Zuletzt hat die aktuelle Debatte um Gewaltvideos auf Handys gezeigt, dass der rasante technische Fortschritt immer wieder Lücken in den Jugendschutz reißen wird. Wir können auf bekannt gewordene Probleme reagieren; aber von vornherein alle Risiken auszuschließen, wird schlechterdings unmöglich sein. Selbst bei einer formalen Verbesserung und Verschärfung von Schutzfunktionen sind Umsetzungsdefizite zu befürchten.

Das legt etwa die Studie „JIM – Jugend, Information, (Multi-)Media“ offen. Nahezu alle jugendlichen PC-Spieler wissen demnach, dass es Altersbeschränkungen gibt. Aber 61 % haben schon einmal Spiele gespielt, die für ihre Altersgruppe nicht freigegeben sind. Auch die Beschaffung über Freunde, Läden und das Internet scheint unproblematisch zu sein. Erstaunlicherweise werden

in 18 % der Fälle Eltern als Bezugsquelle für nicht altersgemäße PC-Spiele angegeben.

Das zeigt: Der beste Jugendschutz ist, dass Kinder und Jugendliche einen verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien erlernen, dass sie über Gefahren Bescheid wissen und damit umgehen können. Zum anderen offenbart das, dass Eltern vermutlich selbst noch einen Nachholbedarf in Sachen Medienkompetenz und Mediennutzung haben.

Selbstverständlich muss der Staat seinen Schutzauftrag ernst nehmen. Aber es darf nicht zu einer staatlichen Bevormundung der Eltern kommen. Eine Altersfreigabe kann in diesem Zusammenhang also eine hilfreiche Orientierung sein, mehr aber nicht. Schließlich heißt „ohne Altersfreigabe“ ja auch nicht, dass ein Medium für alle Kinder jeden Alters geeignet wäre.

Damit Eltern kompetent entscheiden können, was für ihr Kind richtig und was nicht alters- beziehungsweise entwicklungsgerecht ist, müssen sie erstens wissen, mit welchen Medien ihre Kinder überhaupt in Kontakt kommen, welche Medien sie nutzen.

Sie müssen zweitens das Know-how haben und wissen, welche Medien es gibt.

Drittens müssen sie für die Risiken sensibilisiert sein, sie verstehen und durchschauen, damit den Gefahren, die einzelne Medien bergen, begegnet werden kann.

Es reicht nicht aus, über technische Gefahren wie Computerviren informiert zu sein. Es müssen zum Beispiel auch die Gefahren bekannt sein, die sich für Kinder in Internet-Chatrooms ergeben. Dort kommen sie in Kontakt mit jugendgefährdenden Medien, aber auch mit unangenehmen Menschen, wie die schon erwähnte Studie belegt hat. Es ist deshalb wichtig, auf diese Gefahren hinzuweisen, denn aus den Chatrooms können sich im Anschluss zunehmend häufig auch reale Bedrohungen ergeben. Die Studie sagt aus, dass sich angeblich bei einem Drittel der jugendlichen Surfer Übersetzungen in reale Begegnungen ergeben haben.

Viertens müssen Eltern wissen, wie sie ihre Kinder schützen können. Dazu brauchen sie Informationen zu den verfügbaren Schutzmechanismen, aber auch den Willen, sie einzusetzen.

Darin liegt ein Hauptproblem: Die Filterprogramme, die zum Teil sicherstellen, dass Jugendliche keinen Zugang zu Internetseiten haben, die für sie nicht geeignet sind, existieren bereits. Aber nur bei einem Viertel der jugendlichen Internetnutzer

ist zu Hause eine solche Software überhaupt installiert. 69 % können ohne jede Einschränkung surfen. Da wundert es nicht, dass etwa ein Drittel der Zwölf- bis Neunzehnjährigen Surfer schon einmal mit pornographischen, rechtsextremen oder stark gewalthaltigen Inhalten konfrontiert worden ist.

Eltern brauchen bei der Bewältigung dieser Aufgabe Unterstützung von vielen Teilen der Gesellschaft. Ein positives Beispiel war der „Tag der Medienkompetenz“ im Landtag.

(Beifall von der SPD)

Ja, das ist auch aller Ehren wert, dass Sie das begrüßen. Wir haben auch sehr von diesem Tag profitieren können. Aktive und passive Medienkompetenz ist nicht nur eine Sache von Kindern und Jugendlichen, nicht nur von Eltern, sondern auch wir Politiker können uns gelegentlich auf diesem Gebiet weiterentwickeln. Ich erinnere mich immer noch sehr gerne daran, wie ich vor fünf Jahren Herrn Moron einmal von diesem Pult aus eingeladen habe zu einer privaten Internetschulung in meinem Büro. Er hat leider die Einladung bis heute nicht angenommen, obwohl sie nach wie vor steht.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Er kann es jetzt!)

Er kann es jetzt? Sehr schön. – Herr Vesper, Sie nehmen es an? – Sehr gern. Sie sind eingeladen. Kaffee gibt es auch dazu.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Sie sollten Ihre Homepage aktualisieren!)

Wieso sollte ich meine Homepage aktualisieren? – Beim Vergleich der Landespolitiker-Internetseiten habe ich von bundesweit 1.914 Abgeordneten Platz 33 erreicht. Ich weiß nicht, wo da Anlass zur Verbesserung besteht. Herr Eumann, wo sind Sie dabei gelandet?

Aber zurück zum Thema: Wir erwarten, dass bei dieser Aufgabe, Eltern zu qualifizieren, Industrie und Handel verstärkt aufklären und sich engagiert in die Förderung der Medienkompetenz von Eltern und Kindern einbringen. Eines muss klar sein: Eltern sind die Hauptverantwortlichen. Alle anderen Akteure können lediglich unterstützend tätig werden. Neue Medien sind keine Babysitter – das muss man Eltern vermitteln –, vor denen Kinder und Jugendliche „geparkt“ werden können.

Wer aber seine Kinder an neue Medien heranführt, der muss zusätzliche Zeit und Aufmerksamkeit investieren. Das ist richtig investierte Aufmerksamkeit, denn auch die Arbeitgeber und die für Personal Verantwortlichen erwarten heute von

Schulabgängern, dass sie mit Standardsoftware arbeiten, im Internet recherchieren und über EMail kommunizieren können. Das ist fast so wichtig wie Deutsch und mathematische Fähigkeiten. Es ist eine Kulturtechnik geworden.

Pisa hat – das will ich noch anmerken – in diesem Bereich Mängel aufgezeigt, insbesondere eine Bildungskluft aufgezeigt, die sich beispielsweise zwischen Gymnasiasten und Hauptschülern auftut. Auch das sind Fliehkräfte in der Gesellschaft, die von dieser Seite des Hauses gelegentlich befürchtet werden und auf die wir eingehen müssen.

Abschließend möchte ich zwei Aspekte besonders hervorheben: Unsere Kinder- und Jugendschutzinitiative will insbesondere die Medienkompetenz von Eltern und Kindern stärken. Dabei sollen die landesseitigen Einzelmaßnahmen gebündelt und besser aufeinander abgestimmt werden. Zum anderen wollen wir die Verantwortung von Industrie und Handel einfordern. Wir wollen an Industrie und Handel appellieren, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Neben einer Weiterentwicklung der Schutzmechanismen und einer Aufklärungsoffensive setzen die Freien Demokraten insbesondere auf den Ausbau der freiwilligen Selbstkontrolle. Eine Verschärfung der Gesetze und Verbote ist nicht zielführend. In diesem Zusammenhang ist die Forderung im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD nach einem Verbot sogenannter Killerspiele abzulehnen. Die Internationalität der neuen Medien führt ein nationales Verbot schlicht ad absurdum. Zu Verboten auf internationalem Niveau wird man allerdings kaum kommen. Allein aufgrund der kulturellen Unterschiede wird kein Konsens darüber zu erzielen sein, was jugendgefährdend ist und was nicht.

In diesem Zusammenhang überrascht uns der diesbezügliche Beschluss der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen positiv. Wir erwarten deshalb, dass die grüne Landtagsfraktion sich dieser Initiative anschließen wird.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf substantielle Ausschussberatungen.

(Beifall von FDP und CDU)

Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Marc Jan Eumann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der „Tag der Medienkompetenz“ im Landtag,

der Dienstag und Mittwoch stattgefunden hat, hat deutlich gemacht, wie vielfältig das Medienkompetenzland Nordrhein-Westfalen ist. Viele Mitglieder des Landtags haben in Arbeits- und Mediengruppen, bei den lokalen Aktionen oder vorgestern beim Symposium einen, wie ich meine, sehr guten Einblick gewinnen oder vertiefen können, mit welch spannenden Projekten Institutionen und Initiativen in Nordrhein-Westfalen aufwarten können. Ich bin Ihnen, Herr Lindner, sehr dankbar, dass Sie Ihren Beitrag als FDP leisten wollen, dass der „Tag der Medienkompetenz“ auch im nächsten Jahr hier stattfindet.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Aber in anderer Weise finan- ziert!)

Ich habe erst einmal nur festgestellt, dass er stattfinden soll.

Ein breites Spektrum hat sich präsentiert. Es ist gut zu wissen, dass auch dies nur ein Ausschnitt ist. Ich danke für meine Fraktion allen Beteiligten, den Ausstellern, den Jugendlichen, den Senioren, der Landesregierung, dem Landtag, der LfM und dem „ecmc“ für diese gelungene Veranstaltung, bei der alle gelernt haben, nämlich diejenigen, die teilgenommen haben, und auch wir – ab und zu ist das, glaube ich, wichtig.

(Beifall von SPD und CDU)

Die Koalitionsfraktionen legen ihre Initiative Kinder- und Jugendmedienschutz 2006 mit diesem Antrag vor. Mir ist das Thema zu wichtig, um es hier als Objekt für eine parteipolitische Auseinandersetzung zu nutzen.

Initiativen, die Kinder und Jugendliche stark machen, die sie mit den notwendigen Instrumenten ausstatten, um sich in dieser Gesellschaft und in der Welt zwischen null und eins auszukennen und sicher zu bewegen, finden die Zustimmung der SPD-Fraktion.

In diesem Kontext halte ich das – das ist der aktuelle Anlass –, was T-Mobile mit der Hotline für Eltern zum Schutz ihrer Kinder vor unerwünschten Bildern und Videos auf dem Handy initiiert hat, für richtig. Wir stehen allerdings in der gesellschaftspolitischen Verantwortung, jetzt nicht in Aktionismus zu verfallen, sondern sehr genau zu überlegen, was wir an welcher Stelle tun können und welchen gesellschaftlichen Diskurs wir insgesamt brauchen.

Das Symposium zum „Tag der Medienkompetenz“ war dafür eine gute Gelegenheit. Ich meine, dass sich auch die Medienversammlung NordrheinWestfalen dieses Themas annehmen sollte.

Deswegen gleich vorneweg: Wir wollen und wir werden uns mit Ihren Vorschlägen auseinander setzen. Und zur Frage nach dem „Warum?“ findet sich in dem von Norbert Schneider und dem viel zu früh verstorbenen Wolfgang Hahn-Cremer formulierten Vorwort zum Medienkompetenzbericht 2005:

„Wozu braucht der Mensch Medienkompetenz? Er braucht sie, um in der Informationsgesellschaft, die eine Überflussgesellschaft ist, schlicht und einfach überleben zu können. Als eine Kompetenz, die ihm hilft, wenn Überflutung droht. Also eine Kompetenz, die ihm hilft, zu finden, was er sucht, und zu wissen, wo er suchen muss, wenn er finden will, was er braucht, und wer ihm dabei helfen kann, zu klären, was er braucht, er ganz speziell, und was es ihn kostet.“

Das Land Nordrhein-Westfalen hat früher als alle anderen Länder erkannt, welche Bedeutung dieses Thema hat. Ich bin der Überzeugung: Landesmedienpolitik wird in Zukunft Landesmedienkompetenzpolitik sein.