Protocol of the Session on April 6, 2006

Das Land Nordrhein-Westfalen hat früher als alle anderen Länder erkannt, welche Bedeutung dieses Thema hat. Ich bin der Überzeugung: Landesmedienpolitik wird in Zukunft Landesmedienkompetenzpolitik sein.

(Beifall von Wolfram Kuschke [SPD])

Es war richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Landtag von Nordrhein-Westfalen die Landesanstalt für Medien mit einem gesetzlichen Auftrag ausgestattet hat, Medienkompetenz in Nordrhein-Westfalen zu fördern. Das ist Gesetz in Nordrhein-Westfalen. Das ist keine freiwillige Aufgabe, es ist eine gesetzlich verankerte Aufgabe, eine Initiative, die von diesem Landtag ausging.

Hier, Herr Kollege Jarzombek, unterscheiden wir uns tatsächlich in der grundsätzlichen Herangehensweise. Während Sie in Ihrem Antrag ableiten, dass Medienkompetenz deswegen wichtig sei, weil Kinder- und Jugendmedienschutz Grenzen habe, Sie also die Notwendigkeit für Medienkompetenz aus dem Defizit von Kinder- und Jugendmedienschutz heraus ableiten, bin ich der Auffassung, ist die SPD der Auffassung, dass dem umfassenden Ansatz von Medienkompetenz so, wie wir ihn verfolgen, dieser Herangehensweise nicht gerecht wird.

(Beifall von der SPD)

Anders wird ein Schuh daraus, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Je kompetenter Menschen im Umgang mit Medien sind, je stärker Menschen sind, desto erfolgreicher ist die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit kinder- und jugendgefährdenden Inhalten. Deswegen halte ich Ihre Schlussfolgerung für nicht zielführend.

Herr Kollege Eumann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jarzombek zu?

Herr Kollege Eumann, Ihre Äußerungen bringen mich natürlich zu der Frage: Wenn Sie dieses Thema in der Vergangenheit so priorisiert haben, wie Sie es darstellen, warum hat dann der Landtag zum letzten Mal im Jahre 2001 das Thema Medienkompetenz aufgerufen?

Herr Kollege Jarzombek, ich will Ihnen nicht zu nahe treten. 2001 gab es einen gemeinsamen Antrag aller Mitglieder des Medienausschusses.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Daraufhin haben wir 2002 das Landesmediengesetz geändert und den Medienkompetenzauftrag in das Gesetz geschrieben. Wir haben 2004 den ersten Medienkompetenzbericht bekommen. Das ist das, was wir gemacht haben!

(Christian Lindner [FDP]: Ruhig!)

Herr Lindner, aber lassen Sie doch. Es ist doch gut, dass der Kollege Jarzombek die Frage stellt und ich die Gelegenheit habe, ihm zu erklären, dass er nicht richtig recherchiert hat, obwohl er ja medienkompetent genug ist.

(Beifall von der SPD)

Es reicht, wenn Sie es in allen Beratungen gemacht hätten. Deswegen finde ich Ihre Bestandsaufnahme unter II bemerkenswert, Herr Kollege Jarzombek. Sie gibt einen Einblick in die vielfältigen Aktivitäten. Richtigerweise stellen Sie fest, dass Nordrhein-Westfalen eine gut entwickelte Infrastruktur zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen aufgebaut hat. Interessant finde ich übrigens in diesem Zusammenhang auch Ihren Hinweis auf die besondere Rolle der Bürgermedien.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Ja!)

Da – so ist ja zu hören – haben Sie anderes vor, aber Sie bleiben nebulös.

Interessant und ein wichtiges Thema ist die Frage – darauf sind Sie zu wenig eingegangen –, wie mit Beschwerden über Internetseiten umgegangen wird. Das geht vor allem an die Adresse der KJM, in diesem Fall an die federführende Landesmedienanstalt in Bayern. Da ist der CSU-Kollege

Ring ja aktiv und – wie Sie unterstellen – nicht ausreichend aktiv.

Eine weitere Antwort auf Ihre Frage, Herr Kollege Jarzombek: Sie liegen falsch, wenn Sie meinen, dass die Initiativen im Landtag von NordrheinWestfalen dazu geführt hätten, eine ganzheitliche Betrachtung nur schwer zu ermöglichen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Berücksichtigung der Medienkompetenzförderung mit dem im Gesetz verankerten Medienkompetenzbericht – dazu sage ich gleich noch etwas –, die Tatsache, dass es eine Datenbank der Medienkompetenzprojekte in Nordrhein-Westfalen gibt, ist eine Initiative von Mitgliedern aller Fraktionen dieses Landtags. Das schafft Übersicht und Vernetzung: das Medienkompetenzportal, die Referentendatenbank.

Wenn Sie, Herr Kollege Jarzombek, damit lediglich SPD und Grüne träfen, sozusagen in einer Form eines politischen Rituals, dann würde ich sagen: Geschenkt! Aber Sie treffen auch das Engagement und die Arbeit Ihrer Kollegen Uhlenberg, Jostmeier und Brinkmeier.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich sage mit allem Nachdruck: Ich vermisse Herrn Hegemann und Herrn Dr. Grüll; die haben hier wichtige Beiträge geleistet, Beiträge, die Ihnen heute fehlen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Wolfram Kuschke [SPD]: Wir wollen die beiden Kolle- gen wiederhaben!)

Ich bin auch der Staatssekretärin Frau GierdenJülich sehr dankbar, die am Dienstag eindrucksvoll deutlich gemacht hat, wie wichtig ihr das Thema Vielfalt und Vernetzung ist. Von Effizienzverlusten, Herr Kollege Jarzombek, hat Ihre Staatssekretärin nicht gesprochen, denn Sie weiß: Vielfalt ist der Schlüssel, wenn es darum geht, Medienkompetenz zu vermitteln.

Es ist schon bedrückend, mit welcher Überheblichkeit Sie über die Arbeit, das Engagement und die Initiativen, dokumentiert im Medienkompetenzbericht 2005 und auf dem Tag der Medienkompetenz, urteilen. Fragmentarisch nennen Sie diese Projekte. Ich habe keine fragmentarischen Projekte kennen gelernt. Herr Kollege Lindner, wenn Sie den Bericht gelesen hätten, hätten Sie auch hier eine Vielzahl von Initiativen erkennen können, die sich gerade an Familie und an Eltern richtet. Ich nenne Flimmo, die Programmberatung für Eltern, ich nenne Klicksafe. Vieles andere mehr ist hier dokumentiert. Dass es dieses Dokument gibt, hat der Landtag von Nordrhein

Westfalen politisch ausgelöst. Es ist unsere gemeinsame Arbeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Aber reicht das denn auch aus?)

Ich sage nicht, dass es ausreicht, aber es ist eine gute Grundlage.

Eine Antwort – ich finde, da begehen Sie einen großen politischen Fehler – bleiben Sie schuldig beim Thema digitale Spaltung. Herr Lindner, Sie sind in Ihrer Rede darauf eingegangen. Im Antrag findet sich zu diesem Aspekt kein Wort. Das kam, Herr Kollege Jarzombek, als Frage einer Schülerin auf dem Symposium.

Mit keinem Wort erwähnen Sie, wie Sie Kinder, Jugendliche, Eltern aus sogenannten bildungsfernen Schichten erreichen wollen. Dass die Landesanstalt für Medien auch hier einen besonderen Akzent setzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, blenden Sie aus. Nichts zum Thema Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern, nichts über die Qualifizierung von Pädagoginnen und Pädagogen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Nun weiß ich ja, dass nicht alle Aspekte in einem Antrag untergebracht werden können, aber Ihr Antrag ist dann doch so breit geraten, Herr Kollege Jarzombek, dass es einen schon wundert, was fehlt.

Meine Damen und Herren, ich nehme das auf, was Herr Kollege Jarzombek angeboten hat. Wir haben Gelegenheit, diesen Antrag im weiteren parlamentarischen Verfahren zu diskutieren. Meine Kollegin Frau Krauskopf wird noch aus der Sicht des Generationenausschusses etwas dazu sagen. Sie haben die Mehrheit, diesen Antrag zu beschließen. Ich wünsche mir, dass Sie auch die Souveränität besitzen, ihn im weiteren Verlauf zu verbessern. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten; wir fangen konstruktiv mit der Zustimmung zur Überweisung an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Frau Asch, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – wie man an der Jacke sieht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verpflichte mich hiermit nicht, demnächst nur noch grüne Jacken zu tragen.

Nachdem Herr Eumann den Fokus auf die Kritik und auf das Viele, was vielleicht noch in diesem

Antrag fehlt, gelegt hat, sage ich, dass ich froh bin, dass das Thema Jugendmedienschutz in vergleichsweise differenzierter und der Komplexität des Themas angemessener Weise angegangen wird. Also: Lob, Herr Jarzombek! Das steht nämlich sehr wohltuend in Widerspruch zu dem, was man sonst im Moment an schrillen und populistischen Tönen vor allen Dingen aus dem Unionslager und auch aus der Bundesregierung vernimmt. Herr Jarzombek, das haben Sie eben selber kritisch angemerkt. Dazu später mehr.

Der Antrag stößt natürlich auch deswegen auf unser Wohlwollen, weil er in weiten Teilen die Verdienste der rot-grünen Bundesregierung und Landesregierung beschreibt, Herr Eumann. Wir können in der Tat stolz auf das sein, was Rot-Grün geleistet hat. Fachleute bestätigen uns: Wir stehen mit unserem Jugendmedienschutz in Deutschland sehr weit vorne. Wir haben im Vergleich mit dem europäischen Ausland die weitestgehenden gesetzlichen Regelungen und über deren Umsetzung das höchste Jugendschutzniveau erreicht. Dabei hat – wie Sie selber schreiben – NordrheinWestfalen im Rahmen der Kinder- und Jugendförderung eine gut entwickelte Infrastruktur aufgebaut.

Das wird in diesem Antrag hier gewürdigt. Wir sehen das auch als Lob in Richtung der alten Landesregierung und an uns als grüne Fraktion. Ich weiß, dass Herr Keymis mit seiner Medienpolitik schon in der Vergangenheit immer sehr intensiv am Schutz von Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat.

Es ist bereits viel geschehen und es wird auch weiterhin viel geschehen. Das muss auch so sein und ist vielleicht etwas, über das Sie den Überblick ein bisschen verloren haben, wie Sie es auf Seite 4 Ihres Antrags formulieren. Es geht nicht gleich um Effizienzverluste, wenn wir ein komplexes Angebot haben; vielleicht ist das eher ein Verlust an Durchblick. Aber dieser Sache kann man ja auf den Grund gehen. Vielleicht hätte dazu auch ein Bericht im Ausschuss gereicht. Ich verstehe natürlich Ihr Anliegen, dass Sie am Tag der Medienkompetenz einen Antrag vorlegen wollen.

Ich möchte diesen Vorschlag gleich damit verbinden, dass wir uns in einer Anhörung all das darstellen lassen sollten, was bereits entwickelt wurde. Eine solche Gesamtschau fehlt vielleicht etwas. Wir hätten dann eine Bestandsaufnahme dessen, was es in Nordrhein-Westfalen bereits an Schutzmaßnahmen gibt. Daraus können wir weitere Konsequenzen und Maßnahmen entwickeln. Denn das ist geboten in einem Bereich, der sich quasi täglich technisch weiter entwickelt.

Meine Damen und Herren, eines ist aber auch klar: Wir dürfen und können dieses Problem hier nicht isoliert für Nordrhein-Westfalen betrachten. Denn natürlich macht der Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie schädlichen Medieneinflüssen nicht an den Ländergrenzen halt.

Er ist im Übrigen auch nicht auf die Medien beschränkt, die im Antrag genannt werden, sondern wir haben vor allen Dingen gerade Probleme mit denen von UMTS gestützten Handyfilmen. Dabei geht es um diese kleinen Filmchen, die sich die Jugendlichen von einem auf das andere Handy zuschicken. Es handelt sich dabei um einen Bereich, der bei der Verbreitung von Kinderpornographie und Gewaltverherrlichung eine immer größere Rolle spielt. Wir wissen, dass das bei Kindern immer mehr zum Problem wird und damit auch ganz konkrete exzessive Gewalt verbunden ist.

Aber eins steht für uns als Grünen-Fraktion auch fest: Deshalb einfach die Handys an den Schulen zu verbieten, wie Herr Stoiber das vorschlägt, ist reine Law-and-Order-Politik. Das ist purer Aktionismus und zudem eine Form von Vogel-StraußPolitik, denn die Gewaltprobleme werden dadurch nur aus dem Unterricht in den Freizeitbereich verlagert. Meine Damen und Herren, damit lässt man letztendlich die Kinder und Jugendlichen allein mit ihren Problemen. Das ist genau das Gegenteil von Medienerziehung, nämlich ein Den-Kopf-inden-Sand-Stecken, statt diese Probleme wahrhaben zu wollen.

Für diese UMTS-gestützten Handygeschichten gibt es eine vergleichsweise einfache technische Lösung: Man könnte nämlich schlicht bestimmte Funktionen eines Handys mit einem PIN-Code schützen, nämlich genau diese Schnittstellen, die eine Übertragung von Handy zu Handy ermöglichen. Dazu müssten Verhandlungen mit den Herstellern aufgenommen werden. Dazu müssten Industrie und Hersteller ihre Verantwortung für diesen Bereich übernehmen.

Meine Damen und Herren, beim Umgang mit Medien reden wir letztlich immer auch über Menschen, über Kinder, Eltern und Jugendliche. Für den Umgang von Kindern mit Medien gibt es zunächst einen klaren Ansprechpartner und eine klare Verantwortung. Ich meine die Eltern. Darauf ist hier schon mehrfach hingewiesen worden. Es ist ganz wichtig, die Eltern an ihre Verantwortung zu erinnern. Sie müssen teilhaben an dem, was ihre Kinder machen, sich dafür interessieren, womit sich ihre Kinder oft stundenlang am Tag beschäftigen. Sie müssen entsprechende Grenzziehungen vornehmen. Dazu gehört natürlich die

Förderung der Medienkompetenz der Eltern, zunächst aber ganz grundlegend die Bereitschaft, sich Zeit für Kinder zu nehmen und sich mit ihnen und ihrem Freizeitverhalten auseinander zu setzen.

Dann gibt es natürlich noch die Bereiche, die sich der einfachen elterlichen wie auch der staatlichen Kontrolle vielfach entziehen. Wir sprechen über die sogenannten Killerspiele, die heute für vieles verantwortlich gemacht werden, vor allen Dingen aber für zunehmende Gewalt und Brutalität unter Jugendlichen.

Hier beginnt auch die politische Dimension Ihres Antrags, denn Sie erteilen – wie Herr Minister Laschet es auch macht – den CDU- und CSU-Ministern eine klare Absage, jedenfalls keine Zusage. Sie haben das eben mündlich noch einmal wiederholt. Auch die SPD will, wie man hört, prüfen, ob sie das umsetzen will, was im Berliner Koalitionsvertrag steht.

Um was geht es? – Es geht um ein Verbot der Herstellung und des Vertriebs von Computerspielen mit der Simulation realitätsnaher Tötungshandlungen. Es geht um Spiele, deren Ziel es ist, einen Gegner möglichst brutal zu töten. Ein solches Verbot wird von Minister Laschet genauso abgelehnt wie von uns Grünen, weil wir an die Verantwortung der Hersteller in dieser Frage appellieren.