Protocol of the Session on April 6, 2006

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU die Kollegin Klöpper das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie werden sich wundern, denn Sie werden manche Begriffe, die wir gerade gehört haben, zum zweiten Mal hören. Aber ich bin der Meinung, man kann das nicht oft genug hören, weil das Thema einfach von solcher Brisanz ist, dass man wirklich immer wieder die gleichen Begriffe hören muss.

Der Begriff Stalking beschreibt eine fortgesetzte Verfolgung, Belästigung und Bedrohung, durch die Opfer von Tätern in ihrer Lebensführung schwerwiegend beeinträchtigt werden. Stalker – in der Mehrzahl Männer im Alter von 30 bis 50 Jahren; das haben wir schon einmal gehört – stellen ihren überwiegend weiblichen Opfern nach. Trotzdem ist das kein reines Frauenthema; denn Männer können genauso in die Opferrolle geraten.

Stalking umfasst den Begriff der Belästigungen bis hin zum Extremfall: der Tötung des Opfers. Die Bandbreite der Handlungen zeigt ganz eindeutig: Stalking ist kein Kavaliersdelikt. Wer einmal in diese Situation geraten ist, hat oft bleibende Gesundheitsschäden.

Nach der bestehenden Gesetzeslage erfüllen einige dieser Stalking-Handlungen bereits jetzt den Tatbestand des Strafgesetzbuches, wie zum Beispiel Nötigung, Hausfriedensbruch oder Beleidigung. Allerdings reichen die vorhandenen Straftatbestände nicht aus, um bei besonderer Form der Bedrohung einen umfassenden Schutz der Opfer zu gewährleisten. Daher sollte die Möglichkeit der Deeskalationshaft für gefährliche Täter mit Wiederholungsgefahr geschaffen werden.

Denn nur so kann der Häufung der massiv auftretenden Fälle wirkungsvoll entgegengetreten werden.

Die Politik hat die Notwendigkeit des Handelns bereits erkannt und auch schon entsprechend reagiert. Denn Anfang dieses Jahres wurden auf Bundesebene ein Gesetzentwurf des Bundesrates und ein Gesetzentwurf der Bundesregierung eingebracht. Beide Gesetzentwürfe befinden sich zurzeit – ganz aktuell noch am 3. April – in den Beratungen.

Unabhängig von diesen Detailfragen zu den jeweiligen Gesetzentwürfen ist mir persönlich vor allen Dingen eines wichtig: Opfer müssen vor dem Terror der Belästigungen wirksamer geschützt werden als bisher, und die Täter müssen konsequenter zur Verantwortung gezogen werden.

(Beifall von Ilka Keller [CDU])

Hierfür erscheint mir der Gesetzentwurf des Bundesrates insgesamt besser geeignet.

(Beifall von der CDU)

Die CDU-Landtagsfraktion hat sich bereits in der vergangen Legislaturperiode eingesetzt mit dem Antrag – Sie wissen es bestimmt alle noch –: „Systematisch-zielgerichtete Belästigungen und Verfolgungen (Stalking) bestrafen – Hessische Bundesratsinitiative unterstützen„. Schade ist nur, dass in der Sitzung des Rechtsausschusses vom 16. Februar 2005 dieser Antrag mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt wurde.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Das wundert mich, spricht doch Ihr heutiger Antrag eine ganz andere Sprache.

Zu Ihrer Forderung der Umsetzung eines polizeilichen Handlungskonzeptes für den wirksamen Schutz von Stalking-Opfern in NRW in Anlehnung an das Konzept der Stadt Bremen, ist anzumerken, dass es in Nordrhein-Westfalen bereits Handlungskonzepte gibt.

Wir verfügen über ein qualitativ – das sollte Ihnen auch bekannt sein – sehr gut ausgebautes Netzwerk, in denen die Opfer fachliche Unterstützung erhalten. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass sowohl die 55 Frauenberatungsstellen als auch die 48 Notrufe im Haushaltsentwurf 2006 keine Kürzung erfahren.

Die ehemalige Landesregierung, der Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, in der Vergangenheit auch angehört haben, hat hier im Übrigen auch keinen Handlungsbedarf festgestellt. So hat sie in ihrer Antwort auf die Große Anfrage

29 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 13/6615 festgestellt – ich zitiere mit Erlaubnis der verehrten Landtagspräsidentin wörtlich –:

„Aus Sicht der Landesregierung werden StalkingOpfer durch die Beratungen der Kreispolizeibehörden über die Möglichkeiten nach dem Gewaltschutzgesetz hinreichend aufgeklärt. StalkingOpfer, die sich nicht an die Polizei wenden möchten, erhalten diese Informationen auch bei den allgemeinen Frauenberatungsstellen, den sogenannten Frauen-Notrufen oder beim Weißen Ring. Ein struktureller Verbesserungsbedarf besteht daher nicht.“

Diesen Feststellungen möchte ich mich anschließen, und daher werde ich im Ausschuss für eine Ablehnung Ihres Antrags plädieren.

Dass Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, gerade während der laufenden Haushaltsberatungen diesen Antrag stellen, betrachte ich als reines Kalkül.

(Beifall von der CDU)

Mit Verlaub: Diese Strategie ist zu offensichtlich. Ihr Antrag kommt zur falschen Zeit, ist überflüssig, da dessen Forderungen schon erfüllt sind. Er ist daher abzulehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Klöpper. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Gottschlich das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit langem wissen wir, dass es sich bei dem Phänomen Stalking nicht um eine vorübergehende Erscheinung handelt. Es ist keine Modeerscheinung, die genauso schnell wieder verschwunden, wie sie plötzlich auf der Bildfläche erschienen ist – leider, muss ich ergänzen.

Wir wissen auch, dass es sich nicht nur um wenige Einzelfälle handelt, und wir wissen, dass wir neben einer vielleicht offiziellen Größenordnung auch noch mit einer erheblichen Dunkelziffer rechnen müssen. Damit will ich sagen: Ja, es gibt Handlungsbedarf bei diesem Problem. Das sehen offenbar Bündnis 90/Die Grünen so. Das sehen wir auch so.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das sehen ausweislich der Koalitionsvereinbarungen in Berlin auch die Koalitionsfraktionen auf

Bundesebene so, eigentlich eine gute Ausgangslage für ein gemeinschaftliches Vorgehen und ein erfolgreiches, konsensorientiertes Gesetzgebungsverfahren.

Zwar findet nach dem Gewaltschutzgesetz aus dem Jahre 2001 schon jetzt eine Reihe von Straftatbeständen wie auch zivilrechtlicher Schutz auf den Tatbestand Stalking Anwendung, zum Beispiel Hausfriedensbruch, Bedrohung, Nötigung oder das gerichtliche Verbot, sich dem Opfer zu nähern. Das reicht aber nach allen Erkenntnissen immer noch nicht aus, das Phänomen Stalking erfolgreich einzudämmen.

Sowohl Bundesregierung als auch Bundesrat haben daher im Jahr 2005 entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht. Die auf Bundesebene vorliegenden Gesetzentwürfe gehen nunmehr einen Schritt weiter und sehen einen eigenen Straftatbestand Stalking vor. Allerdings gibt es in beiden Entwürfen einige Unterschiede, mit denen sich der heute zu beratende Antrag auseinander setzt.

Es würde den Rahmen der heutigen Beratungen sprengen, wenn ich darauf im Detail einginge. Deshalb will ich mir hier und heute auf die Kernbereiche des vorliegenden Antrags konzentrieren. Insofern ist das auch noch keine vollständige Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert, Stalking als Offizialdelikt einzustufen. Eine solche Regelung hilft natürlich den Opfern, die aus sich heraus ihre Peiniger nicht verklagen würden. Sie nimmt auch den Tätern die Möglichkeit, Druck auf die Opfer auszuüben, Druck, eine Klage nicht einzureichen oder eine eingereichte Klage wieder zurückzunehmen. Gleichwohl gibt es auch leichtere Fälle von Stalking, bei denen eine zwangsläufige Ahndung durch die Strafverfolgungsbehörden nicht erforderlich ist oder von den Betroffenen nicht oder nicht mehr erwünscht ist. Hier sehen wir noch Diskussionsbedarf.

Die Deeskalationshaft, wie im Bundesratsentwurf vorgesehen, wird auch von uns äußerst kritisch beurteilt. Es handelt sich hier um einen verfassungsrechtlich sensiblen Bereich, an den auch das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen gestellt hat. An dieser Stelle unterstützten wir den Antrag.

Meine Damen und Herren, auch wir sehen in dem Bremer Anti-Stalking-Konzept einen sinnvollen Ansatz. Wir sollten uns daher das Konzept in einer der nächsten Sitzungen des Ausschusses vorstellen lassen und werden das im Rahmen der nächsten Ausschusssitzung beantragen. Ich denke, die

ses Interesse dürfte fraktionsübergreifend bestehen.

(Helga Gießelmann [SPD]: Die hören gar nicht zu!)

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Stalking-Opfer überwiegend Frauen sind. Wir freuen uns daher, dass der Antrag federführend an den Frauenausschuss überwiesen wird,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

hoffen jedoch auf eine engagierte Mitberatung der Ausschüsse für Recht und Inneres, ohne deren fachkundige Zuarbeit dieser Antrag sicherlich nicht abschließend beraten werden kann.

Vielleicht gelingt es uns am Ende der Beratung, zu einer von allen Fraktionen getragenen Fassung zu kommen. An uns wird das sicherlich nicht scheitern. Damit ist klar: Wir stimmen dem Überweisungsvorschlag zu und freuen uns auf eine rege Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Gottschlich. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Stalking ist ein Thema, das uns im Rechtsausschuss des Öfteren schon in der letzten Legislaturperiode beschäftigt hat. Ich möchte vorweg sagen, dass ich natürlich den Wunsch der antragstellenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen respektiere, den Antrag in den Frauenausschuss zu verweisen. Gleichwohl erlaube ich mir den Hinweis, dass doch der Rechtsausschuss für Änderungen des Strafrechts eigentlich originär zuständig wäre.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Ich stelle mir vor, wir würden ein anderes Politikfeld behandeln: Soll demnächst der Umweltausschuss die Strafbarkeit im Umweltbereich behandeln?

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das wäre eine gute Idee!)

Oder nehmen wir zum Beispiel das Thema Jugendkriminalität: Wird eine Änderung der Rechtslage für die Jugendkriminalität demnächst federführend im Ausschuss für Jugend und Familie behandelt?

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])