Protocol of the Session on April 6, 2006

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Ich glaube, man sollte das zwar heute so akzeptieren, aber gleichwohl daran denken, dass es nicht zur Regel wird, meine Damen und Herren.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Was den Antrag als solchen anbelangt, so glaube ich, dass in der bisherigen Debatte durch die Kollegin der CDU hinreichend klar geworden ist, dass schon Bundesratsinitiativen und eine Initiative der Bundesregierung im Raum stehen, die das Land NRW im Rahmen der Beratungen im Bundesrat aktiv begleiten wird.

Wir alle sind der Ansicht, dass wir Stalking gesetzlich regeln sollten. Aber wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, dass wir kein Antragsdelikt daraus machen, so bitte ich doch, über Folgendes nachzudenken: Sie wollen, dass jeder Stalker zwingend verfolgt wird. Das heißt, das Opfer wird gezwungen, die Tat anzuzeigen. Meine Damen und Herren, das möchte ich dem Opfer nicht zumuten. Ich möchte, dass ein Opfer selber entscheiden kann, ob es die Angelegenheit auf sich beruhen lässt oder eine Anzeige erhebt.

(Beifall von der FDP)

Wir haben in sehr, sehr vielen Bereichen der Kriminalität Antragsdelikte – und das aus gutem Grund. Antragsdelikte gibt es immer dann, wenn es auch um persönliche Beziehungen und persönliche Nähe geht oder bei anderen Delikten der Strafanspruch des Staates nicht unbedingt durchgesetzt werden muss.

In dem Moment, wo Sie Stalking nicht zum Antragsdelikt machen, zwingen Sie letztlich das Opfer, den Täter anzuzeigen, um sich nicht selbst der Beihilfe schuldig zu machen. Ich glaube, damit erweisen Sie vielen, denen Sie helfen wollen, einen Bärendienst, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Schließlich möchte ich auf Bremen zurückkommen: Ich kann mich nicht erinnern, dass aus Bremen jemals irgendetwas gekommen ist, das man hätte brauchen können.

(Dieter Hilser [SPD]: Das ist aber sehr diffe- renziert!)

Insofern vertraue ich darauf, dass die Maßnahmen, die noch unter Rot-Grün landauf, landab in die Wege geleitet worden sind, sehr vernünftig sind und dass sie von der neuen Landesregierung natürlich weiter verfeinert werden.

(Zuruf von der SPD: Scharfe Attacke auf die Bundesregierung!)

Ich glaube jedenfalls nicht, dass das Bundesland Bremen ein Vorbild für uns sein kann, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Stalking wird bereits seit einigen Jahren rechtspolitisch intensiv diskutiert. Es besteht hier wie auch sonst weitgehend Einigkeit darüber, dass der Schutz von Stalkingopfern verbessert werden muss. Zu diesem Zweck soll ein eigener Straftatbestand geschaffen werden.

Dazu gibt es zwei Gesetzentwürfe, die schon erwähnt wurden und die sich im Gesetzgebungsverfahren befinden, nämlich den Bundesratsentwurf und den Entwurf der alten Bundesregierung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht hier Handlungsbedarf für die Landesregierung, weil beide Gesetzesinitiativen – ich zitiere – nicht hinnehmbare Mängel enthielten, die es zu beseitigen gelte. Im Übrigen sei auf Landesebene ein Konzept für den wirksamen Schutz von Stalkingopfern zu erarbeiten und umzusetzen, das sich am Konzept der Stadt Bremen zu orientieren habe.

Meine Damen und Herren, um es gleich vorweg zu sagen: Diese Forderungen gehen fehl oder sind bereits erfüllt. Die Landesregierung tritt bereits seit geraumer Zeit mit Nachdruck dafür ein, den Schutz von Stalkingopfern zu verbessern. Sie hat deshalb im Februar dieses Jahres die Wiedereinbringung des Entwurfs eines Stalkingbekämpfungsgesetzes des Bundesrats unterstützt.

Der Gesetzentwurf sieht die Einführung des neuen Straftatbestandes der schweren Belästigung in § 238 des Strafgesetzbuchs vor. Danach soll bestraft werden, wer eine andere Person in einer Weise, die geeignet ist, einen Menschen in seiner Lebensgestaltung erheblich zu beeinträchtigen, durch körperliche Übergriffe oder durch Bedrohung oder durch andere ebenso schwerwiegende Handlungen nachhaltig belästigt.

Ich meine, damit wurde nach langer Diskussion ein gutes Ergebnis gefunden. Der Entwurf enthält ein umfassendes Konzept zur strafrechtlichen Verfolgung und Ahndung von gefährlichen Formen des Stalkings.

Gemessen an dem Ziel, Opfer von beharrlichen Nachstellungen zu schützen, bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung demgegenüber zurück. Die Landesregierung hat diesen Entwurf deshalb im September 2005 unter Hinweis auf den Bundesratsentwurf abgelehnt.

In der Gesamtbetrachtung ist der schon im März 2005 zum ersten Mal eingebrachte Bundesratsentwurf eines Stalkingbekämpfungsgesetzes vorzugswürdig. Die Landesregierung sieht für eine Änderung ihrer Auffassung keinen Anlass. Die weitere rechtspolitische Diskussion bleibt abzuwarten.

Zum zweiten Punkt: Der Übernahme polizeilicher Handlungskonzepte anderer Bundesländer bedarf es nicht. Handlungskonzepte zum Schutz von Gewaltopfern haben in Nordrhein-Westfalen eine lange Tradition. Sie umfassen auch die Opfer des Stalkings. Bereits seit 1999 werden in allen Kreispolizeibehörden speziell geschulte Beamtinnen und Beamte eingesetzt, die sich der Problematik widmen und für die Opfer des Stalkings zur Verfügung stehen. Diese Beamtinnen und Beamte beteiligen sich an den örtlichen Netzwerken und arbeiten mit staatlichen und freien Trägern des Opferschutzes zusammen.

Noch im März 2005 hat das Innenministerium im Einvernehmen mit den Bezirksregierungen festgelegt, dass ihnen alle Fälle von Stalking zu melden sind. Bei der Beratung und Unterstützung von Stalkingopfern werden regelmäßig Gefährdungsanalysen durchgeführt. Im Bedarfsfall wird ein individuelles Schutzkonzept entwickelt.

Schließlich verfügt Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner gewachsenen Frauenhilfestruktur mit den 55 landesgeförderten Frauenberatungsstellen und den ebenfalls mit Landesmitteln unterstützten 48 sogenannten Frauennotrufen über ein vielfältiges Angebot an qualifizierten Beratungseinrichtungen. Männliche und weibliche Stalkingopfer können sich außerdem an den Weißen Ring wenden.

In jeder kreisfreien Stadt und in jedem Kreis existiert ein Netzwerk, das sich ausschließlich oder ganz überwiegend mit der Bekämpfung häuslicher Gewalt beschäftigt. In diesen Netzwerken, die seit dem Jahr 2003 von der Landesregierung gefördert werden, arbeiten Frauenberatungsstellen, Frauennotrufe, Polizei, Kommunen, Staatsanwaltschaften und Gerichte Hand in Hand.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund erscheint mir die Forderung, NordrheinWestfalen möge sich an anderen Bundesländern orientieren, verfehlt. Insgesamt bedarf es daher

des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1557 an den Ausschuss für Frauenpolitik – federführend – sowie an den Innenausschuss und an den Rechtsausschuss zur Mitberatung. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Sind Sie mit dieser Überweisungsempfehlung einverstanden? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist mit Zustimmung aller vier Fraktionen diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

11 Gesetz zur Änderung der Landesverfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1541

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfes erteile ich für eine der antragstellenden Fraktionen dem Kollegen Kuschke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen einen Gesetzentwurf vor, der sich mit der verfassungsrechtlichen Stärkung des Informationsrechtes und des Unterrichtungssanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung befasst. Ich will zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal verdeutlichen, warum das jetzt und vor welchem Hintergrund das passiert. Ich denke allerdings, für die Zielrichtung der zukünftigen Diskussion in den Ausschüssen und im Parlament ist es gut, sich zu vergegenwärtigen, wie die bisherige Diskussion zu diesem Gegenstand geführt worden ist.

Ich will gleich vorweg sagen, dass das eine weitaus differenziertere Debatte gewesen ist, als wir es möglicherweise noch in Erinnerung haben. Sie ist damals auf einem sehr hohen Niveau geführt worden.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollten eigentlich bei diesem Sachverhalt an die bisherige Diskussion anknüpfen. In einem Brief an die parlamentarischen Geschäftsführungen von CDU und FDP ist angefragt worden, ob es möglich sei, einen gemeinsamen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Das war nicht möglich oder ist noch nicht möglich. Wir werden aber vielleicht heute und auch im weiteren Verfahren noch einiges dazu hören.

„Im Gegensatz zu anderen Landesverfassungen gibt es in der nordrhein-westfälischen Verfassung keine Vorschrift, die die Regierung verpflichtet, das Parlament umfassend und frühzeitig von Vorhaben zu unterrichten. Deshalb ist es nach unserer Einschätzung nötig und dringend geboten, eine solche Verpflichtung mit dem von uns vorgeschlagenen Art. 45 b endlich in unsere Verfassung aufzunehmen.“

Ich sage gleich für den Stenografischen Dienst, dass das Zitat von mir sein könnte, aber es ist eines von Herrn Söffing. Herr Staatssekretär, ich habe Sie gerade zitiert. Er bestätigt gerade die Richtigkeit dieses Zitates. Das ist von ihm am 21. März des Jahres 2003 geäußert worden, als es um den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 13/2393 ging, einem Gesetzentwurf zur Veränderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.

Ich betone an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, dass dieser Gesetzentwurf zu einer sehr differenzierten Diskussion geführt hat, unter anderem zu einer vom Hauptausschuss im Februar des Jahres 2004 veranstalteten Anhörung. In einer Landtagsinformation mit der Überschrift „Recht des Parlamentes auf Aktenvorlage“ wird noch einmal, wie ich finde, in korrekter Art und Weise in einem Zwischenergebnis die Diskussion, die zu dem Gesetzentwurf der FDP bis Anfang Februar 2004 stattgefunden hatte, zusammengefasst – ich darf mit der Genehmigung der Präsidentin zitieren –:

„Die Regelungen der ausgewählten Landesverfassungen zeigen auf, dass der Trend zu einer verfassungsrechtlichen Normierung der Informationspflichten geht. Nach Auswertung sowohl der Kommentierung zur nordrheinwestfälischen Verfassung als auch anderer Landesverfassungen ist festzuhalten, dass das Recht auf Aktenvorlage nach der mehrheitlich vertretenen Auffassung einer ausdrücklichen Regelung in der Landesverfassung bedarf.“

In dieser Information wird also von objektiver Stelle aus zu den damaligen Beratungen des FDP

Gesetzentwurfes gesagt: Ja, die Intention des Gesetzentwurfes der FDP ist richtig.

Im weiteren Ablauf wurde in der Sitzung des Hauptausschusses am 8. Juli 2004 dieser Tagesordnungspunkt aufgerufen und angesprochen, wie mit ihm verfahren werden solle. Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin aus dem Protokoll der Hauptausschusssitzung zitieren:

„Werner Jostmeier (CDU) widerspricht einer Vertagung nicht,“

das ist der Punkt gewesen, der damals erörtert wurde –,

„gibt aber zu bedenken, dass die Beratungen dann immer mehr in die Nähe des Landtagswahltermins rückten,...“

Er fährt später fort: