Herr Kollege, heute an Ihrem Geburtstag darf ich das fragen, glaube ich: Ist die Information richtig, dass Sie als Vater schon ein Sparkonto für Ihre Kinder angelegt haben, um damit die spätere Austrittsgebühr finanzieren zu können?
Herr Kuschke, diese Information ist nicht richtig. Wenn das Gesetz durchkommt, werde ich das aber selbstverständlich tun, damit das entsprechend geschehen kann.
Meine Damen und Herren, noch einmal zurück zu dem letzten Argument: Meines Erachtens sollte jemand den Austritt doch gegenüber dem Verein erklären können, aus dem er austritt, nämlich in diesem Fall gegenüber der Kirche. Sie bliebe dann natürlich auf den Kosten sitzen, auf den Kosten für den Strich, den sie durch den Namen ziehen muss.
Es ist nun aber so, dass der Kirchenaustritt eben nicht gegenüber der Kirche, sondern gegenüber dem Amtsgericht zu erklären ist. Warum eigentlich dieser Umweg? Gut, er entlastet die kirchliche Verwaltung; das ist richtig. Aber richtiger wäre es doch, die ohnehin überlasteten Amtsgerichte – und Sie werden ja nicht müde, uns immer wieder zu erzählen, wie überlastet die Amtsgerichte sind – von dieser Aufgabe zu entlasten und das Kirchenaustrittsgesetz dahin zu ändern, dass der Austritt künftig gegenüber der Kirche zu erklären ist, die dann die maßgeblichen Stellen – insbesondere das Finanzamt – entsprechend unterrichten müsste. Dann hätten wir den gleichen Effekt wie bei der Erhebung der Gebühr.
Sollten die Kirchen das allerdings nicht wollen – wofür ich Verständnis hätte –, müssten sie dem Staat eben die aus dieser Dienstleistung für die Kirchen erwachsenden Kosten erstatten, wie sie das auch bei der Kirchensteuererhebung tun. Dabei werden die Kosten erstattet, die das Finanzamt hat, um die Kirchensteuern einzuziehen. Logisch wäre es doch, die Kirchen zu belasten, die durch die Kirchensteuern Einnahmen haben.
Sie machen mit Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ein regelrechtes Fass auf. Haben Sie sich das auch gut überlegt? Stehen dabei Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis?
Das sind die Fragen, die wir im Zuge der Ausschussberatung und im Rahmen einer Anhörung erörtern möchten. Mir scheint es widersinnig, einem Kirchenmitglied, das vor seinem Austritt seine Beiträge stets pünktlich bezahlt hat,
und das nicht zu knapp, nun die Kosten für den Austritt aufzuerlegen. Die hat er mit der bis dahin gezahlten Kirchensteuer mit entrichtet. Ich finde, das ist eine spannende Diskussion, die uns da bevorsteht. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Vesper. – Das war die Ausnutzung des Geburtstagsbonus. In diesem Sinne noch einmal herzlichen Glückwunsch! – Als nächster Redner hat Kollege Dr. Orth das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Vesper, auch wenn ich von vielen Ihrer Argumente gar nicht so weit von Ihnen weg bin, so hat Ihr Versprecher am Ende, als Sie zuerst „Auftritt“ und dann „Austritt“ gesagt haben, eher getroffen, wie Sie hier gerade agiert haben. Das entsprach jedenfalls nicht dem Thema. Ich fand es nicht sinnig, das in einer etwas humoristischen Art und Weise aufzubereiten. Es geht hier in erster Linie um eine trockene Verwaltungsangelegenheit;
zum anderen geht es auch um ernste Dinge, nämlich die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Ich fand das jedenfalls vom Stil her nicht in Ordnung.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Wenn wir Liberale bei diesem Kirchenaustrittsgesetz und bei der Gebührenerhebung mitmachen, steht fest, dass wir die Religionsmündigkeit achten, und zwar ab dem 14. Lebensjahr. Das möchte ich wegen eines auch von mir vernommenen Zwischenrufes eindeutig erklären, meine Damen und Herren.
Wir wissen alle, dass man in eine Kirche durch Taufe hineinkommt und dass die Eltern wie sonst auch als Erziehungsberechtigte in Stellvertretung für das Kind handeln. Wenn man später mündig genug ist, kann man das selbst erklären.
Der andere Punkt ist, dass wir zurzeit jedenfalls eine Situation in Deutschland haben – da sollte Nordrhein-Westfalen auch keine Insel bilden –, in der die Kirchenaustritte bei den Amtsgerichten erklärt werden. Dann ist zu fragen, solange dieser Zustand andauert: Soll das Land die Kosten, die dabei entstehen, tragen?
Da kann man sich natürlich auf zum einen den Standpunkt stellen: Ist das eine Dienstleistung für die Kirche? Oder, zum anderen: Ist das eine Gebühr, die der Verursacher, derjenige, der austreten möchte, zu zahlen hat? Auch hier sollte man zunächst den sachgerechten Weg gehen, wonach derjenige, der den Austritt erklären möchte, hierfür eine Gebühr entrichtet und jedenfalls die staatliche Verwaltung danach keinerlei Zuschussbedarf hat.
Ich kann verstehen, dass man in vielen Vereinen sagt, dass der Verein das selber zahlen muss, wenn jemand austritt. Ich kann mich aber auch an Wirtschaftsunternehmen erinnern, die sagen: Wer eine Geschäftsbeziehung eingegangen ist, der muss, wenn sie beendet wird, für die Löschung der Stammdaten bei der Bank etwas bezahlen. Insofern kann man auch diese Position vertreten.
Ich würde mir wünschen, dass wir auf mittlere Sicht allerdings davon wegkommen, dass der Staat eine solche Aufgabe übernimmt. Aus meiner persönlichen Sicht ist es Aufgabe der Kirchen selbst, für die Organisation sowohl des Eintritts wie auch des Austritts Sorge zu tragen.
Was das Anlegen von Sparbüchern anbelangt, bin ich sehr gelassen. 30 € sind ungefähr so viel wie zwei gute Kinokarten mit einer Cola und einer Tüte Popcorn. Ich glaube, niemand, der seinen Austritt aus der Kirche aus Überzeugung erklären möchte, wird davon abgehalten, weil es 30 € kostet.
Herr Vesper, zu Ihren Rechenkünsten: Es ist sehr schön, wenn Sie auf 250.000 € hochrechnen. Sie vergessen dabei, dass Sie selber maßgeblich dazu beigetragen haben, dass wir große Urlaubszeiten haben, wenige Wochenstunden Arbeit zu leisten sind, dass die Geschäftsstelle insgesamt vom Pförtner über den Boten bis hin zur Druckerei zu besetzen ist, dass das Gebäude zu beheizen ist und so weiter, und so fort. Insofern bitte ich, Milchmädchenrechnungen woanders vorzunehmen, aber nicht in diesem Hohen Hause. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/1518 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wenn Sie dieser Überweisungsempfehlung des Ältestenrates zustimmen möchten, bitte ich, die Hand aufzuzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller vier Fraktionen angenommen. Herzlichen Dank.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Kollegin Steffens das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stalking hat viele Formen, viele unterschiedliche Formen: Telefonterror, Belästigung durch E-Mails, SMS, Überhäufung mit ungewollten Geschenken, Auflauern – das sind einige Formen, die die Opfer in Angst und Panik versetzen.
In schweren Fällen kommt es zu tätlichen Übergriffen, sexueller Nötigung bis hin zum Mord. Derzeit wird vermutet, dass wir 500.000 bis 600.000 Fälle von Stalking in Deutschland haben, und etwa 100 davon enden tödlich.
Die Fälle finden überwiegend im sozialen Nahraum statt. Das heißt, bei über der Hälfte der Fälle bestanden Partnerschaften, Freundschaften zwischen Stalker und Opfer. Im überwiegenden Teil der Fälle handelt es sich um Frauen, die gestalkt werden, in selteneren Fällen sind es Männer.
Nach wie vor haben die Opfer es schwer. Ich habe im Zusammenhang mit diesem Antrag auch mit Stalking-Opfern geredet. Es ist immer wieder die Rede davon, dass es nicht ernst genommen wird, weil dann natürlich Antworten kommen wie: „Es ist doch eigentlich überhaupt nichts passiert“ oder „Das sind doch nette Gesten“ oder „Freu Dich doch über die vielen Blumen; das ist doch schön“. – Beim hundertsten Blumenstrauß wird es manchmal doch eher bedrohlich, als dass es eine Freude darüber ist. Bei manchen wird die Bedrohung nicht erst beim hundertsten Blumenstrauß, sondern schon viel früher sehr massiv.
Es gibt zwar polizeiliche Maßnahmen gegen Stalking, auch in Nordrhein-Westfalen, aber es fehlt an einer wirklichen Ausrichtung auf Stalking. Die vorhandenen Maßnahmen reichen nicht, um die Opfer wirklich zu schützen und um ihnen wirklich das Gefühl von Sicherheit zu geben. Die Bedrohung bleibt. Sie wird immer massiver.
Meistens findet Stalking nicht mal eben kurz statt, sondern über einen längeren Zeitraum. Wir haben oft Fälle, in denen Stalking sich über zwei bis drei Jahre immer stärker aufbaut. Der lange Zeitraum ist zermürbend und hat in vielen Fällen massive gesundheitliche Folgen: Angstzustände, Schlaflosigkeit bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen.
Die Opfer entscheiden sich oft zum Umzug und zum Arbeitsplatzwechsel. Das gesamte Leben ist häufig durch Stalking gefährdet. Wenn man sich die Evaluierung des Gewaltschutzgesetzes ansieht, das wir haben, ist klar: Die Zugangshürden für die Opfer von Stalking sind zu hoch.
Es besteht Einigkeit darüber, dass es für den Straftatbestand des Stalkings eine ausreichende Begründung gibt. Wir brauchen diesen Straftatbestand. Aber wir müssen bei der Schaffung eines Stalking-Straftatbestandes darauf achten, dass er hinreichend klar und bestimmt formuliert ist, damit er grundgesetzlich normierten Bestimmtheitsgrundsätzen standhalten kann. Wir müssen einen Stalking-Straftatbestand haben, der alle typischen Stalking-Handlungen umfasst, damit er wirklich wirksam ist.
Wir wollen auch, dass wir uns gegen die Ausgestaltung eines Privatklagedeliktes einsetzen, weil wir sonst die Opfer wieder alleine lassen und weil die Opfer dem Täter wieder alleine ausgesetzt sind, anstatt die Opfer zu unterstützen und ihnen zu helfen.
Wir wollen auch, dass sich das Land auf Bundesebene ganz klar gegen die Einführung einer Deeskalationshaft ausspricht. Wir möchten, dass das Land in diesen Punkten aktiv wird.
Auf Landesebene gibt es eine Menge von Punkten, die direkt angegangen werden können. In Bremen gibt es ein hervorragendes polizeiliches Konzept zum wirksamen Schutz von StalkingOpfern. Wir würden uns wünschen, dass in Anlehnung an dieses Konzept, was in Bremen erarbeitet worden ist und erfolgreich zum Einsatz kommt, ein Konzept für die Polizei in NordrheinWestfalen entwickelt und erarbeitet wird.
diskutieren. Ich weiß: Im Vorfeld gab es zumindest von der einen und der anderen Fraktion den Wunsch, das doch bitte im Rechtsausschuss zu tun. Wir möchten, dass der federführende Ausschuss der Frauenausschuss ist, weil Frauen in überwiegendem Maße die Opfer von Stalking sind. Wir finden es gut, wenn der Rechtsausschuss auch damit befasst ist und sich mit frauenpolitischer Blickrichtung damit befassen muss, weil wir doch sehr häufig sehen, dass gerade bei diesen Gesetzinitiativen die Blickrichtung der Opfer nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt wird. Deshalb möchten wir damit den Frauenausschuss federführend befassen.