Protocol of the Session on April 5, 2006

Dass wir keine Küstenlinie haben, ist mir seit längerem bekannt. Wir hatten ja einen guten Erdkundeunterricht schon lange in unseren Grund- schulen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Ich kann ja eine launige Debatte gut aushalten, aber ich verstehe nicht, dass wir uns nicht zusammen engagieren und klarmachen können, dass es eine Frage der Daseinsvorsorge ist, ob andere an der Stelle in den Markt kommen können.

In der letzten Woche hatte ich ein Gespräch mit Vertretern der Firma Stattkraft gehabt. Sie haben gesagt, dass sie ihr Gas von Norwegen bis Emden für 10 Cent/Megawattstunde bringen, auf

grund der Monopolstrukturen von Emden bis Köln für 1 €/Megawattstunde – zehnmal so viel. Wenn wir das nicht ändern, wenn wir weiterhin darauf vertrauen, dass der Markt durch Eon und RWE hergestellt wird, dann haben wir auch keine Chance, gerade im mittelständischen Bereich Gas preiswerter an die Unternehmen zu bringen. Deswegen muss es in unserem Interesse sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Nordrhein-Westfalen das nicht finanzieren kann, und das auch nicht soll, dass es aber ein Stück Daseinsvorsorgepolitik der Bundesregierung sein muss, dass wir unsere Interessen da einbringen, ist aus meiner Sicht selbstverständlich. Deswegen haben unseren Antrag gestellt, um eine gemeinsame Positionierung herbeizuführen. Ich bedauere, dass es nicht gelungen ist. Ich bin mir sicher, dass das Thema uns wieder einholt, spätestens bei den Debatten darüber, wie wir Wettbewerb im Gasmarkt herstellen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Kollege Fehring das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Priggen! Inhaltlich sind wir gar nicht ganz weit auseinander. Sie haben es zum Schluss selbst gesagt: Nordrhein-Westfalen hat keine Küsten. Damit wollen wir aber nicht alles abbügeln. Unser generelles Thema ist: Wir müssen uns nicht in die Wirtschaft einmischen. Das wollen wir den an der Wirtschaft aktiv beteiligten Unternehmen überlassen.

(Frank Sichau [SPD]: Das ist sehr einfach!)

Der vorgelegte Antrag gibt uns wieder die Gelegenheit, auf die Probleme der Energieversorgung bzw. die dadurch ausgelösten Probleme hinzuweisen.

Sie weisen zu Recht auf die Gasversorgungsunsicherheit durch Pipelines aus Russland – siehe Gazprom – oder aus Krisengebieten hin. Sie geben uns auch die Gelegenheit, das Thema Energie auf der Tagesordnung zu halten. Denn wir können und dürfen die Energieart nicht isoliert betrachten, sondern benötigen einen bezahlbaren Mix.

Schon im Wirtschaftsausschuss hat mein Kollege, Herr Weisbrich, darauf hingewiesen. Im Übrigen verweise ich auf die Arbeit der Enquetekommissi

on, der Sie, Herr Priggen, vorsitzen, die sich mit der Situation auf dem Öl- und Gasmarkt beschäftigt. Wir sollten den Ergebnissen nicht vorgreifen.

Ihre Forderung, die Landesregierung möge den Bau von zusätzlichen Anlandeterminals unterstützen, ist allerdings nicht notwendig. Weltweit gibt es bisher 49, davon in der Europäischen Union acht; zehn sind in der Europäischen Union in Planung, darunter der Eon-Ruhrgas-Anlandeterminal in Wilhelmhaven, der mit 500 Millionen € Baukosten der erste deutsche Terminal sein wird und zum Ende dieses Jahrzehnts bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Gas annehmen wird.

Abgesehen davon – Sie sagten es bereits –, dass NRW keine Küstenanbindung besitzt, gehört es nicht zum Wesen unserer sozialen Marktwirtschaft, sich dort einzumischen.

Gleichwohl möchte ich nicht verkennen, dass künftiges Handeln neben dem Aspekt der Preiswürdigkeit und der ökologischen Erfordernisse auch die Versorgungssicherheit stärker berücksichtigen muss. Wenn den Antragstellern die geringe echte Konkurrenz auf dem bisherigen Energiemarkt zu denken gibt, bitte ich Sie um Unterstützung für unsere Forderung nach einem bezahlbaren wettbewerbsfähigen Energiemix, dem auch die Kernenergie und sicherlich noch etliche Jahre die Braun- beziehungsweise Steinkohle angehören wird.

Der zusätzliche Neubau von Anlandeterminals und der dadurch steigende beziehungsweise beabsichtigte Mehrverbrauch in der Europäischen Union darf nicht vergessen lassen, dass die Verfügbarkeit des Erdgases natürlich nicht für 150 Jahre reicht, wenn nun in großem Maße unsere Kraftwerke und Autofahrer – bisher laufen in Deutschland ca. 27.000 Erdgasfahrzeuge – als zusätzliche Marktteilnehmer auftreten. Der Kollege Uwe Leuchtenberg hat im Wirtschaftsauschuss zu Recht darauf hingewiesen, dass er hier auch ein Risiko für die Verbraucher sieht. Hausbesitzer und Mieter haben inzwischen die Erdgaspreise kennen gelernt.

In unsere Überlegungen müssen wir natürlich auch den steigenden Verbrauch der bisherigen Marktteilnehmer und insbesondere den Energiehunger der Chinesen und Inder einbeziehen. Sie haben darauf hingewiesen, wie viele Marktteilnehmer weltweit Flüssiggas aufnehmen.

Wir müssen ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass sich ein großer Teil der Erdgasvorkommen, für die sich der Transport in flüssiger Form anbietet, in politisch brisanten und unsicheren Regionen befindet. Angesichts dieser Erkenntnisse sollten wir

unsere finanziellen und geistigen Ressourcen verstärkt darauf verwenden, bestehende Energieerzeugungsanlagen zu optimieren, und die Entwicklung der regenerativen Energien aus Biomasse gezielt unterstützen.

Wir sollten zum Beispiel die Einspeisung von gereinigtem Biogas in örtliche Verteilernetze zu Heizzwecken, den Betrieb von BAKWs oder die Verwendung des Gases zur Betankung von Kraftfahrzeugen fördern. Hier sind nicht, wie Sie auch immer wieder sagen, die großen, weltweiten Gas- und Ölmonopolisten am Werk. Hier arbeiten mittelständische, innovative Betriebe an nachhaltigen Lösungen. Diese Entwicklung bedarf noch staatlicher Unterstützung, damit die von den Antragstellern geforderten Marktchancen für die notwendigen zusätzlichen Marktteilnehmer sorgen.

Verehrter Herr Priggen, die Marktdurchdringung des Erdgases, eines fossilen Energieträgers, in heutiger Zeit zu fördern, wundert mich schon. Vielleicht sollten Sie über die Aufrechterhaltung Ihres Antrages noch einmal nachdenken. Wir können dem so nicht zustimmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Fehring. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Leuchtenberg das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was ich bisher gehört habe, ist in fast allen Punkten richtig gewesen – das trifft aber auf alle meine Vorredner zu. Deshalb verstehe ich nicht, dass wir uns nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen können. Denn es wird nicht gefordert, dass die Landesregierung Anlandeterminals baut, sondern es wird auf einen breiten Energiemix gesetzt. Das sollten wir tun.

Bevor wir morgen unsere Gedanken zum Energiegipfel und den Möglichkeiten für NRW an dieser Stelle austauschen, haben wir heute schon die Chance, die ersten Weichen zu stellen. Wir als SPD-Fraktion sind dazu zumindest bereit und werden, wie bereits im Ausschuss, dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen.

Flüssigerdgas ist eine Alternative, ein weiteres Standbein in der Versorgungssicherheit. Flüssigerdgas darf nicht, wie in vielen Diskussionen, mit LPG – Propan und Butan – verwechselt werden, dem flüssigen Gas, das viele von holländischen und mittlerweile auch von einigen deutschen Tankstellen kennen.

Flüssigerdgas soll und kann LPG einfach nicht ersetzen. Flüssiges Erdgas, LNG genannt, ist Methan und dient auch nicht als Ersatz für das immer stärkere Verbreitung findende CNG, komprimiertes Erdgas, das in Deutschland an immer mehr Tankstellen zu finden ist.

Es ist auch nicht sinnvoll, hier über konkurrierende Infrastrukturen nachzudenken, weil man damit das noch junge Pflänzchen Erdgas im Kraftfahrzeugbereich gefährdet. Flüssigerdgas kann aber zur Verbreiterung der Energiebezugsquellen und zur Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten beitragen. Aus diesem Grund werden der Bau und der Ausbau von LNG-Terminals geprüft. Mithilfe dieser Terminals kann LNG aus Übersee in Krisenzeiten und zur Preisregulierung importiert werden.

Flüssiggas ist weltweit auf dem Vormarsch. Das Gas wird tiefgekühlt auf Tankschiffen, also unabhängig von Pipelines, transportiert. So wird die Verfügbarkeit, solange wir Erdgas einsetzen, gesteigert.

Nach der Einschätzung von Fachleuten könnte der Anteil von Flüssiggas in Europa von jetzt 14 % bis zum Jahr 2020 auf 25 % der Gasversorgung steigen. Weltweit liegt der Anteil von LNG beim grenzüberschreitenden Gashandel mit rund 190 Milliarden m3 schon heute bei knapp 25 %. Dieses zunehmende Angebot kann zu einem Rückgang der überhitzten Ölpreise beitragen. Trotz der zunehmenden internationalen Bedeutung von verflüssigtem Erdgas ist es für uns ganz klar, dass es in Deutschland nach wie vor nur begrenzte Chancen haben wird. Deutschland bleibt ein Pipeline-Land.

Trotzdem halten wir den Antrag für sinnvoll. Wir sollten mit Flüssigerdgas momentan jedoch nur einen Zweck verbinden: die Chance, mehr Versorgungssicherheit bei stabilen Preisen zu erlangen. Deshalb sollte NRW nicht zögern, alles Notwendige zu unternehmen und sich für den Bau von Anlandeterminals an deutschen Küsten einsetzen. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Leuchtenberg. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Brockes das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heimische wie importierte konventionelle Energieträger bilden nach wie vor das Rückgrat unserer Energie

versorgung. Im Interesse einer auch zukünftig sicheren und ausgewogenen Energieversorgung kann auf sie auch in absehbarer Zeit nicht verzichtet werden. Sie werden allerdings in zunehmendem, aber vorerst begrenztem Maße durch erneuerbare Energieträger ergänzt.

Dem, meine Damen und Herren, muss die Energiepolitik durch die richtigen Weichenstellungen und Flankierungen Rechnung tragen. Ein Engagement der Politik bei der Sicherung der Energieversorgung ist nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung für eine gesunde, wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Volkswirtschaft eine legitime staatliche Aufgabe.

Hierbei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, dass sich die marktorientierte Aufgabenteilung zwischen Wirtschaft und Politik bei der Sicherung der Energieversorgung in Deutschland bewährt hat. Sie darf nicht in Richtung zunehmender politischer Intervention und intensiver Regulierung verändert werden. Tendenzen hierzu, wie sie zuletzt in der Diskussion um den Beimischungszwang bei Biokraftstoffen auf Bundesebene wieder deutlich wurden, ist frühzeitig entgegenzutreten.

Dieser Grundsatz, meine Damen und Herren, muss auch für den Bau von Anlageterminals für LNG gelten. So bedarf es weder umfassender Fördermaßnahmen noch eines ausufernden Systems von Investitionsverpflichtungen auf europäischer oder nationaler Ebene. Der bedarfsgerechte Ausbau der Energieinfrastruktur ist eine originäre Aufgabe der Unternehmen und muss es auch bleiben.

Meine Damen und Herren, die höchste Hürde bei der Aufnahme des LNG-Handels sind die enormen Investitionen, mit denen die Unternehmen der Gaswirtschaft zur Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur in Vorleistung treten müssen.

Herr Kollege Brockes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Priggen?

Bitte, Herr Kollege.

Schönen Dank, Herr Kollege Brockes. Ich habe eine Frage an Sie, weil die FDP ja als Partei der Marktwirtschaft gilt. Wenn im Gasmarkt 60 % des Marktes ein Unternehmen bestreitet, und Sie vertrauen auf die Kräfte des Marktes, wo ist dann eigentlich Ihre Grenze? Ist die Grenze bei 100 %? Wir haben keinen Markt beim Gas. Wir haben keinen richtigen

Wettbewerb. Gerade die mittelständischen Unternehmen bezahlen überhöhte Preise. Ab wann muss denn Politik eingreifen, damit ein Markt hergestellt wird? Der Gasmarkt ist doch das exorbitanteste Beispiel dafür. Deswegen verstehe ich die Argumentation nicht.

Herr Kollege Priggen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie ja hier auch nicht mit riesigen Subventionen hineingehen. Das wäre aber meines Erachtens notwendig, um, so wie Sie gerade argumentiert haben, mehr Wettbewerber in den Markt hineinzubringen. Das halten wir aber gerade angesichts der wirtschaftlichen Situation und angesichts der Haushaltssituation nicht für angebracht und auch nicht für finanzierbar.

Meine Damen und Herren, die Pläne von Eon Ruhrgas zum Bau des ersten deutschen LNGTerminals in Wilhelmshaven und einer weiteren Anlage in Kroatien lassen darauf schließen, dass den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ein solches Engagement nicht länger entgegensteht. Der Wunsch von Eon Ruhrgas, sich gleichzeitig verstärkt in den Förderländern der LNG-Projekte zu engagieren, zeigt eindeutig, dass die deutsche Gaswirtschaft der starken Abhängigkeit vom russischen Gas entgegentreten möchte. Hiermit würden die Bezugsmöglichkeiten auf eine wesentlich breitere Basis gestellt.

Gleichzeitig darf aber nicht außer Acht gelassen werden, Herr Kollege Priggen, dass die Politik die deutschen Gasimporteure jahrelang ermuntert hat, die Transportkapazitäten von Russland nach Westeuropa konsequent auszubauen. Das angelandete verflüssigte Gas, das von Wilhelmshaven zukünftig ins öffentliche Gasnetz eingespeist wird, dürfte allerdings zu einer spürbar geringeren Auslastung eben dieser Pipelines auf der Ost-WestTrasse führen. Sie können sicher sein, dass wir da nicht die Interessen des Altkanzlers vertreten werden.

(Beifall von der FDP)

Mehr möchte ich zu diesem Gesichtspunkt hier auch gar nicht sagen, denn, wie wir ja in der Partei leidlich erfahren haben, ansonsten drohen schon wieder Klagen.