Protocol of the Session on March 15, 2006

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte jetzt zum Schluss.

Ich komme sofort zum Schluss.

… die eine Änderung des Einbürgerungsverfahrens kategorisch ausschließen, fördern diesen Weg ausdrücklich nicht. Auch in NordrheinWestfalen besteht aus unserer Sicht Handlungsbedarf. Deswegen freuen wir uns auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Stüttgen, SPD-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die hier zu beratende Einbürgerungsthematik nicht Gegenstand der gegenwärtig geführten Föderalismusdebatte ist, berührt sie doch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht unwesentlich. Die rechtliche Regelung und Ausgestaltung von Einbürgerungsverfahren gehören unzweifelhaft in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Gleichwohl obliegt die Durchführung derartiger Einbürgerungsverfahren den entsprechenden Behörden der Länder. Nach Meinung auch unserer Fraktion ist es unabdingbar, dass die Grundsätze der Einbürgerung in allen Ländern der Bundesrepublik im Wesentlichen gleich gehandhabt werden.

Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft in Nordrhein-Westfalen darf aber prinzipiell nicht einfacher oder schwieriger sein als in Sachsen oder Bayern. Aber, meine Damen und Herren, Einheitlichkeit heißt auch, dass die jeweiligen Verfahren für alle Migrantengruppen gleich sein müssen. Für Muslime müssen dabei die gleichen Regeln gelten wie etwa wie für osteuropäische Einwanderer oder andere Gruppen aus anderen Gebieten.

(Beifall von der SPD)

Dass mit der rot-grünen Mehrheit im Deutschen Bundestag seinerzeit beschlossene Zuwanderungsgesetz sieht eine Reihe von entsprechenden Kontrollmaßnahmen vor. Nach Auffassung unserer Fraktion reichen diese Kontrollmechanismen aus, um die Integrationsbereitschaft und -willigkeit von Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern effektiv zu überprüfen.

(Beifall von der SPD)

Eine darüber hinausgehende umfangreiche Sonderprüfung der Rechts- und Verfassungstreue einbürgerungswilliger Muslime mittels spezieller Gesinnungstests, wie etwa dem baden-württembergischen Gesprächsleitfaden für die Einbürgerungsbehörden, wird von uns aus verschiedenen Gründen abgelehnt:

Erstens. Die Durchführung von Gesinnungstests ausschließlich für eine bestimmte Gruppe von einbürgerungswilligen Migrantinnen und Migranten verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 des Grundgesetzes.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zweitens verstößt die Durchführung derartiger Gesinnungstests für einzelne Gruppen gegen das Diskriminierungsverbot, welches seinen Ursprung ebenfalls in Art. 3 des Grundgesetzes hat.

Ich möchte betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass mittels solcher fragwürdigen Verfahren bei der Einbürgerung die Angehörigen einer ganzen Glaubensrichtung massiv stigmatisiert werden. Daher sind derartige Gesinnungstests verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Die Eignung solcher Verfahren zur Überprüfung der Verfassungstreue von Einbürgerungswilligen hält die SPD-Fraktion für mehr als grenzwertig.

(Beifall von der SPD)

So könnte jeder Einbürgerungsbewerber die – so nenne ich sie einmal – „erwarteten“ Antworten auf die seitens des Bundeslandes Baden-Württemberg gestellten Suggestivfragen gewissermaßen auswendig lernen und so nach außen hin Verfas

sungstreue vortäuschen. Der Nutzen derartiger Tests tendiert daher gegen null.

Darüber hinaus verletzen derartige Einbürgerungstestverfahren in erheblicher und unzulässiger Weise die Privatsphäre Betroffener.

Nicht zuletzt geht von derartigen Gesinnungstests eine nicht zu unterschätzende erhebliche politische Gefahr aus. Anstelle Gesinnungstests durchzuführen muss vielmehr ernsthaft über eine wirksame Verstärkung der Integrationsanstrengungen gesprochen werden.

Wir stimmen dem vorliegenden Antrag der Grünen im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken ausdrücklich zu. Auch die SPD-Fraktion sieht in dem Vorgehen einiger Länder Ansätze von Gesinnungsschnüffelei unseligen Angedenkens, die mit dem Rechtsstaat kaum vereinbar sind.

(Theo Kruse [CDU]: Wer will das denn?)

In diesem Zusammenhang möchten auch die jüngsten Äußerungen des Bundesinnenministers Schäuble und anderer im Hinblick auf eine restriktivere Durchführung von Einbürgerungsverfahren kritisch betrachtet werden. Damit stehen wir nicht allein. Auch der wissenschaftliche Sachverstand, wie das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin, nannte den Gesprächsleitfaden BadenWürttembergs höchst bedenklich.

(Theo Kruse [CDU]: Ist Ihnen bekannt, was die Bundesregierung dazu sagt?)

Auch andere wie auch immer geartete Einbürgerungstests oder -kurse sind aus unserer Sicht nicht zielführend und daher abzulehnen.

Die SPD-Fraktion kann dem Antrag der Grünen im Kern also zustimmen, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um ein Kopftuchverbot.

Ich will allerdings nicht verhehlen, dass wir mit der Verquickung der Frage des Einbürgerungsverfahrens im engeren Sinne und dem Problemkomplex der doppelten Staatsbürgerschaft, wie dies im Antrag der Grünen geschieht, doch Probleme haben. Beide Themenbereiche sind inhaltlich zwar eng benachbart, stellen aber doch unterschiedliche Fragen dar, die einer unterschiedlichen Beantwortung bedürfen. So teilt die SPD-Fraktion die unbedingte Befürwortung der doppelten Staatsbürgerschaft nicht. Um in dem uns heute beschäftigenden Punkt zu einem Konsens zu kommen, schlagen wir daher vor, die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft auszuklammern.

Meine Damen und Herren, wir von der SPDFraktion erachten es als erfreulich, dass offenbar das gesamte Haus im Wesentlichen Sondermaßnahmen einzelner Länder in der Einbürgerungsfrage ablehnt. Daher sind die Chancen recht gut, in dieser Sache parteiübergreifend zu einer Einigung zu kommen.

Durch ein Bekenntnis des nordrhein-westfälischen Landtags zu einem modernen Einbürgerungsrecht können wir gemeinsam demonstrieren, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen intensiv um die Integration der bei uns lebenden Ausländer bemüht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Engel. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Integration von Ausländern ist eine der wichtigsten Fragen, mit denen sich eine freiheitliche Gesellschaft auseinander setzen muss. Sie ist zu wichtig, als nur in Wahlkämpfen zerredet und an bierseligen Stammtischen oder von multikulti-verträumten Alt-68erRunden erörtert zu werden.

(Günter Garbrecht [SPD]: Wie hier im Land- tag!)

Schwieriger Satz!

Die Integration und Einbürgerung von Ausländern muss auf einer sachbezogenen Ebene diskutiert werden. § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 1. Januar 2000 verlangt ausdrücklich ein Bekennen und eine Erklärung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ich kann daran nichts Schlechtes finden. Im Gegenteil!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schutz vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen und das Ernstnehmen der Sicherheitsbelange der Bevölkerung sind Aufgabe jeder Regierung. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass nicht überzogen agiert werden darf.

Dementsprechend ist auch die Vorlage des Fragenkatalogs des Innenministers von BadenWürttemberg kritikwürdig. Das habe ich bereits mehrfach wie andere auch öffentlich gesagt. Wenn ich gerade das Bekenntnis zur Verfassungsordnung der Bundesrepublik einfordere, dann muss ich mich bei meinem eigenen Tun auch an diese halten. Da weckt der Fragenkatalog erhebliche Zweifel. Ich kann nicht erkennen, inwiefern bestimmte Fragen des Katalogs einen

Aufschluss über die Haltung zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung geben können. Einige Fragen sind sogar so formuliert, dass sie auch für gut gebildete Deutsche schwer durchschaubar sind.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zum Gelingen von Integration ist ein aktives Engagement jedes einzelnen Zugewanderten bei der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft unabdingbar. Dazu gehört, die deutsche Sprache zu erlernen sowie die Grundwerte unserer Verfassungs- und Rechtsordnung vorbehaltlos zu akzeptieren und selbst zu leben.

Die Gleichberechtigung von Frau und Mann etwa und die Freiheit zur Gestaltung eigener Lebensentwürfe sind unabdingbarer Teil dieser Werteordnung.

Kultur und Religion sind auf keinen Fall eine Rechtfertigung für menschenrechtswidrige Praktiken, zu denen beispielsweise auch die Zwangsheirat gehört.

Es ist wenig plausibel, derartige Werte politisch laut einzufordern und zugleich vor der Einbürgerung die Betreffenden nicht danach fragen zu wollen. Aus diesem Grunde werden wir den Antrag der Grünen auch ablehnen müssen. Wir wollen eine freiheitliche, eine offene Gesellschaft. Wir halten es für richtig, dieses auch offen anzusprechen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja gut! Dann kön- nen Sie auch zustimmen!)

Aber wir werden weder kollektive Verdächtigungen akzeptieren noch ein Aushorchen der Intimsphäre unbescholtener Menschen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Dann müssen Sie zustimmen, Herr Engel!)

Eine Politik, verehrte Frau Düker,

(Monika Düker [GRÜNE]: Was denn?)

die einseitig zulasten von Minderheiten ist, lehnen wir ab.

Freiheit und Sicherheit stehen stets in einem Spannungsverhältnis. Freiheit und Sicherheit sind die beiden Seiten derselben Medaille. Aber Freiheit und Sicherheit bedingen einander auch. Die Rechtsstaatspartei FDP wird sich stets so für Freiheit und Sicherheit einsetzen, wie – das habe ich wiederholt in diesem hohen Hause gesagt – es der Staatsmann Wilhelm von Humboldt in seinem Aufsatz „Über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates“ vor über 200 Jahren formuliert hat.

Nachzulesen ist das in diesen kleinen ReclamHeftchen, die heute noch im Buchhandel erhältlich sind.

Deshalb stimmen wir dem Überweisungsantrag zu und freuen uns auf die Debatte im Fachausschuss. – Vielen Dank.