Meine Damen und Herren, das ist die eigentliche Erkenntnis. Wenn Projekte wie Datteln am Regierungsmurks der Regierung Rüttgers scheitern, dann kommen Strom- und Prozesswärme länger als nötig aus alten, aus klimaschädlichen Kraftwerken oder – wie Sie das wollen – aus veralteten Atommeilern.
Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass der Atomausstieg bleibt, die, wie im Gesetz festgelegt, Laufzeit der Atommeiler durch Reststrommengen begrenzt bleibt, die planmäßig abgeschaltet werden, und wir wollen, dass alte Kraftwerke abgeschaltet werden können. Das geht nur, wenn wir neue, hocheffiziente Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen haben, zwar weniger, Herr Kollege Stahl – wir wissen das, wir wollen das auch –, aber neue Kraftwerke brauchen wir.
Bei jedem einzelnen Projekt müssen Umweltstandards eingehalten werden, muss eine Belastung der Bevölkerung weitgehend begrenzt bleiben. Hier sieht das deutsche Umweltrecht aus gutem Grund strenge Anforderungen vor. Gerade das geplante E.ON-Kraftwerk in Datteln zeigt, wie schädlich der Regierungsmurks der Regierung Rüttgers ist.
Frau Ministerin Thoben, auch Sie will ich noch einmal persönlich ansprechen. Sie haben es nicht für nötig gehalten, nach Datteln zu kommen. Sie haben mit Ihren Parteifreunden überhaupt nicht gesprochen. Wahrscheinlich haben Sie denen wieder Pressemitteilungen oder Ihre Reden geschickt. Das reicht nicht, Frau Thoben, um Menschen zu überzeugen. Auch Menschen, die in der CDU Verant
wortung haben, müssen in einer solchen Situation von Angesicht zu Angesicht mit Ihnen reden können. Sie versagen auf ganzer Linie. Sie bringen den Industriestandort Nordrhein-Westfalen in eine katastrophale Situation.
Das Oberverwaltungsgericht hat ja vernichtend über diese vermeintliche Industriekompetenz dieser Landesregierung geurteilt. Das Bundesverwaltungsgericht hat Ihnen noch gesagt, Ihre Urteilsschelte gegen das Oberverwaltungsgericht sei nicht nur falsch und gefährlich, sie sei auch dämlich gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat Ihnen bescheinigt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts war in Ordnung.
Meine Damen und Herren, am Ende dieser Wahlperiode steht fest: Alles, was diese Landesregierung industriepolitisch in die Hand genommen hat, ist vor die Wand gefahren worden. Sie hinterlassen für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen eine Situation, wofür Jahre gebraucht werden, um diese zu reparieren. Das ist Ihre Bilanz nach viereinhalb Jahren Regierungszeit.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin Thoben! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist heute das letzte Mal, dass wir in dieser Legislaturperiode über Klimaschutz- und Kraftwerkspolitik diskutieren.
Für mich wird in Erinnerung bleiben, dass wir in diesen fünf Jahren die Klimaschutzfrage, ausgehend vom Stern-Report, vom IPCC-Bericht, so intensiv diskutiert haben wie nie zuvor. Ich will mich ungeachtet der sachlichen Differenzen, die wir haben, bei allen Kolleginnen und Kollegen – auch bei dir, Dietmar, auch bei Ihnen, Herr Ellerbrock – bedanken, weil es viele spannende Debatten waren. In der Sache stimmen wir überhaupt nicht überein – das will ich klar sagen –, aber es hat viele spannende Diskussionen gegeben.
Herr Brockes, Herr Wittke, ich will mit zwei Zitaten beginnen: Demnächst wollen die Grünen wieder bei Kerzenschein zu Abend essen. – Oder: Wir haben in fünf Jahren 100 % erneuerbare Energien in NRW umgesetzt.
Die Bundesregierung, über alle drei Koalitionen der letzten Jahre hinweg, ob es eine rot-grüne Koalition, eine Große Koalition oder jetzt eine CDU/FDPKoalition war – ich hatte ja das Vergnügen, gestern Abend mit dem Bundesumweltminister Röttgen darüber zu diskutieren –, sagt uns basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen: Wir müssen bis 2050 eine Emissionsreduktion um 80 bis 95 % hinbekommen. Das ist eine riesige Herausforderung für ein modernes Industrieland. Das ist die Dekarbonisierung einer modernen Industriegesellschaft innerhalb einer Generation. Das ist die Herausforderung.
Immer wenn wir über Kraftwerke reden, dann reden wir über diese Zeiträume, weil neue Kohlekraftwerke, die jetzt gebaut werden, durchaus 40, 50 Jahre laufen. Das heißt, wir müssen die konkrete Politik – die Zielsetzung kommt von Ihrer Bundesregierung, von Ihrer Parteivorsitzenden – in diesen Zeitachsen benennen.
Wenn die Bundesrepublik Deutschland 1995 1.000 Millionen Tonnen Emissionen hatte und 2050 um 90 % herunterkommen muss, dann bleiben uns noch 100 Millionen Tonnen Emissionen, die wir dann haben dürfen. Wir wissen, dass es prozessbedingte Emissionen gibt, die wir nicht auf null bringen können. Wir wissen, dass wir die Stahlindustrie optimieren müssen, besser machen müssen. Wir bekommen sie nicht emissionsfrei. Die Zementherstellung wird man nicht emissionsfrei bekommen, die Chemieindustrie nicht emissionsfrei. Ich kann mir ein modernes Industrieland wie die Bundesrepublik und insbesondere NordrheinWestfalen ohne Stahl, Zement, Chemie nicht vorstellen.
Das heißt, wir brauchen das bisschen, das wir an Spielraum haben, diese 100 Millionen Tonnen, für die mindestens 80 Millionen Tonnen umfassenden prozessbedingten Emissionen. Das heißt in ganz nüchterner Konsequenz: Nicht in fünf Jahren – nicht diese albernen Mätzchen –, sondern in 40 Jahren müssen wir wesentliche Bereiche, in denen wir heute Energie verbrauchen, emissionsfrei machen.
Das ist als Erstes der Gebäudebereich. Ab 2020, in zehn Jahren, dürfen wir Häuser nur noch als Passivhäuser bauen. Das schreibt die EU vor, das ist ein richtiger Schritt. Und wir müssen in 40 Jahren den Altbestand emissionsfrei bekommen. Wir
müssen die Stromerzeugung emissionsfrei hinbekommen und den Verkehr, wenn wir die Restemissionen für die anderen Industriebereiche brauchen. Das ist die Herausforderung, die über all dem liegt.
Vor dem Hintergrund sollten wir uns einmal ansehen, was in Nordrhein-Westfalen konkret passiert: Wir haben zurzeit 170 Millionen Tonnen Emissionen aus Kraftwerken pro Jahr. Und es werden mehr werden durch diese Strategie des Zubaus.
Ich brauche für die nächsten Jahre nur das zu nehmen, was jetzt schon im Bau ist, nicht weniger. Wie gesagt, die Kohlekraftwerke laufen 40, 50 Jahre. Sie müssten eine Strategie haben und sie offen auf den Tisch legen analog zur Bundesregierung – 40 % Reduktion bis 2020, entsprechend 55 bis 60 % für 2030 und 70 bis 75 % für 2040, damit das in eine gewisse Achse passt, weil diejenigen, die in Energietechnik investieren wollen, das heute auf langen Zeitachsen machen und wissen müssen, dass wir 2020, 2030, 2040 die Freiräume für Emissionen nicht mehr haben.
Weil das alles so nicht geht, sind Sie mit Ihrer Energiepolitik, gerade was Klimaschutz angeht, in dieser Legislatur völlig gescheitert.
Ich weise darauf hin, was der Bundesumweltminister sagt: Die Zukunft der Energiepolitik wird erneuerbar sein, sie wird dezentral sein, und sie wird nicht in diesen Riesenkohlekraftwerksblöcken liegen. Jetzt sagt selbst die Bundesregierung mit Westerwelle und Merkel: 30 % erneuerbarer Strom in zehn Jahren. Wir Grüne sind vor 15 Jahren ausgelacht worden mit unseren „Windrädchen“, mit unseren Solarzellen. Kollege Papke macht das jetzt noch mit Leidenschaft. – In zehn Jahren ist das der Primärenergieträger Nummer 1 in der Stromerzeugung im Hochindustrieland Bundesrepublik Deutschland.
Herr Dr. Papke, ich erkläre es Ihnen gerne. Halten Sie die Luft an, ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal.
Das Ziel der Bundesregierung, Guido Westerwelle, Angela Merkel, ist: in zehn Jahren mindestens 30 % Strom aus erneuerbaren Energien. Dann sind im Bereich der Stromerzeugung die erneuerbaren Energien der Primärenergieträger Nummer 1 – nicht Steinkohle, nicht Braunkohle, nicht Atom, nicht Gas, sondern die erneuerbaren. Das ist das Ziel Ihrer Bundesregierung. Als Grüner sage ich: Das ist ein gebremster Ausbau, wir könnten deutlich mehr
weil Sie dieses Land von den Zukunftstechnologien ausschließen. Genau das ist das. Die Frage ist – da stehen wir im politischen Wettbewerb, das ist völlig in Ordnung –, ob Sie mit den Albernheiten über den Kerzenschein durchdringen oder ob wir deutlich machen können, dass die Zukunft eines modernen Industrielandes in der Dezentralität, in erneuerbaren Energien, in modernsten Kommunikationstechnologien liegt. Das ist der Wettbewerb.
Jetzt möchte ich die restliche Minute noch nutzen, um auf das konkrete Projekt Datteln einzugehen. In Datteln – das muss man immer sagen – ist eine Kraftwerksplanung der E.ON durchgepeitscht worden. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Bebauungsplan in Bausch und Bogen in den Boden gestampft, aus vielen Gründen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat, da vom OVG keine Revision zugelassen war, die Zulassung der Revision verworfen. Das ist endgültig. Jetzt wird ein neuer Bebauungsplan aufgestellt. Dieses Gefälligkeitsgenehmigen, was davor war, darf seine Fortsetzung so nicht finden, um das ganz klar zu sagen.
Doch, das betrifft das, was im Vorfeld des ersten B-Planverfahrens geschehen ist. Wenn man den Ratsmitgliedern in Datteln eine Woche vor Weihnachten 1.100 Seiten Gutachten auf den Tisch legt und in der ersten Januarwoche eine Entscheidung fallen muss, damit E.ON die Bäume roden kann, dann wird da Druck ausgeübt. Es findet keine sorgfältige Planung