Protocol of the Session on March 25, 2010

(Beifall von den GRÜNEN)

und keine Abwägung statt, wenn ein großes Unternehmen mit seiner Arroganz im Vertrauen auf seine Rechtsanwälte versucht, so etwas gegen Recht und Gesetz durchzubekommen. Die Quittung ist an der Stelle gekommen.

Was Sie nicht machen sollten – es gibt ein Gerechtigkeitsempfinden im Land, eine Regierung macht Gesetze, an die sich alle zu halten haben –, ist, Gesetze umzubiegen, damit einzelne Großprojekte durchkommen. Das beleidigt das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen zutiefst.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das machen Sie an der Stelle. Und das schafft kein Vertrauen bei Investoren. Bei E.ON zittern die

Rechtsanwälte doch vor den Gesetzesänderungen, die Sie jetzt gemacht haben, weil sie genau wissen, dass auch das keinen Bestand haben wird, weil Sie handwerklich nicht sauber arbeiten. Insofern tun Sie sich in mehrfacher Hinsicht mit diesem Vorgehen keinen Gefallen.

Den Rest, Frau Präsidentin, sage ich im zweiten Redenbeitrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Gut. – Meine Damen und Herren, es spricht der Abgeordnete Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen eine andere Energiepolitik. Es geht hier nicht um Wunschträume, es geht hier um konkrete Politik in Nordrhein-Westfalen. Wir brauchen auch eine andere Energiepolitik, weil wir in einem Zeitalter der endlichen Ressourcen leben. Wir erleben immer wieder, dass um Ressourcen sogar Kriege geführt werden, wie wir das im Moment in Afghanistan und auch im Irak erleben. Ich denke, es ist dringend notwendig, dass gerade Nordrhein-Westfalen als wichtigstes Industrieland in Deutschland mit deutlichen Schritten vorangeht.

Wir haben in unserem Wahlprogramm von der Linken sehr deutlich gemacht, wofür wir stehen, nämlich für eine Energiepolitik, die auf 100 % erneuerbare Energien perspektivisch setzt. Technisch – da sind sich viele einig – kann man das schon in rund zehn Jahren erreichen. Ich weiß, dass wir das mit Sicherheit nicht erreichen werden. Fakt ist aber, dass das, was die Landesregierung in NordrheinWestfalen macht, das genaue Gegenteil von der Politik ist, die eigentlich notwendig wäre. Wenn wir hier ein Drittel der CO2-Emissionen in Gesamtdeutschland mit 170 Millionen Tonnen im Jahr produzieren, dann zeigt das, wie dringend notwendig es ist, hier umzusteuern.

Wir brauchen ein massives Programm für Energieerneuerung statt neuer Kraftwerksbauten, wie wir das jetzt in Datteln erleben. Und wenn ich hier höre, dass Sie sogar neue Braunkohlekraftwerke bauen wollen, dann dreht sich mir nicht nur der Magen um, sondern man muss wirklich das Allerschlimmste befürchten. Denn das sind die größten Dreckschleudern in Europa; das wissen wir alle. Und wenn Sie das hier jetzt zur Programmatik erheben, dann kann ich nur sagen: Prost Mahlzeit! Das geht völlig in die falsche Richtung.

Wir brauchen auch massive Energieeinsparungen; auch das ist ein wichtiges Thema. Wir brauchen hier eine Politik, die die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt. Wir brauchen eine Politik der Dezentralisierung der Energieversorgung und -erzeugung, und wir brauchen hier eine Politik, die auf die Stär

kung der kommunalen Stadtwerke setzt. Wir müssen wegkommen von den Monopolstrukturen, wie wir sie im Augenblick bei den großen Energiekonzernen E.ON und RWE erleben.

Wir erleben es hier ganz konkret. Ich habe Ihnen eine kurze Lagebeschreibung mitgebracht, wie wir das hier in Nordrhein-Westfalen real erleben.

(Der Redner hält ein Wahlplakat der Partei Die Linke hoch.)

Das ist die Politik. Auf allen Parteitagen erleben wir es …

(Zurufe von CDU und FDP)

Herr Sagel! – Ich bitte die Saaldiener, Herrn Sagel das Plakat abzunehmen.

(Die Saaldiener nehmen dem Redner das Plakat ab.)

… ganz konkret, dass E.ON und RWE hier bei den großen Parteien CDU und FDP werben, und wir …

Herr Sagel! Herr Sagel, ich verweise Sie des Saales.

Das ist die reale Situation hier in Nordrhein-Westfalen.

(Erneut Zurufe von CDU und FDP – Ralf Wit- zel [FDP]: Sie sind des Saales verwiesen!)

Herr Sagel, ich verweise Sie des Saales.

(Die Saaldiener begleiten Rüdiger Sagel [fraktionslos] zu seinem Platz. – Ralf Witzel [FDP]: Was passiert denn jetzt? – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Das ist gekaufte Politik! – Anhaltend Zurufe von CDU und FDP – Ralf Witzel [FDP]: Was passiert denn jetzt? – Rü- diger Sagel [fraktionslos]: Ich verlasse unter Protest den Raum!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bringe den § 35 der Geschäftsordnung des Landtags, „Ausschließung von Mitgliedern des Landtags“, zur Anwendung:

Wegen gröblicher Verletzung der Ordnung kann die Präsidentin bzw. der Präsident, auch ohne dass ein Ordnungsruf ergangen ist, Mitglieder des Landtags von der Sitzung ausschließen. Diese haben den Sitzungssaal sofort zu verlassen. Wird die Aufforderung der Präsidentin bzw. des Präsidenten nicht befolgt, so wird die Sitzung unterbrochen oder aufgehoben.

Herr Sagel hat die Sitzung verlassen.

(Beifall von CDU und FDP)

Der § 35 wird für den heutigen Tag angewandt.

Wir führen die Diskussion weiter, und als Nächstes hat Frau Ministerin Thoben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung steht hinter dem Plan, in Datteln einen neuen Block 4 des Steinkohlenkraftwerks zu bauen,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

der die aus den 60er-Jahren stammenden Altblöcke 1 bis 3 ersetzen wird.

Bevor ich auf die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und die vielfältigen Rechts- und Planungsfragen komme, die damit zusammenhängen, möchte ich an dieser Stelle eines klarstellen, weil dies bei der Einordnung der komplexen Bausteine hilft:

Die Landesregierung steht hinter dem Bau weiterer Stein- und Braunkohlenkraftwerke in NordrheinWestfalen. Sie leisten einen erheblichen Beitrag zu einer sicheren Versorgung mit preisgünstigem Strom – teils weil sie Rohstoffe einsetzen, die wir im Land haben, teils weil diese Rohstoffe auf dem Weltmarkt in erheblichen Mengen aus unterschiedlichen Ländern für uns verfügbar sind. Ja, unsere Energiepolitik ist Klimapolitik, und aus dem von mir vorgelegten Entwurf zur Änderung des Landesentwicklungsplans kann man das auch ablesen, wenn man einigermaßen unvoreingenommen an die Sache herangeht.

Unsere Energiepolitik ist allerdings nicht auf Klimapolitik zu reduzieren. Sie schafft nachhaltige Versorgungssicherheit, und sie zielt auf eine auch langfristig preisgünstige Energieversorgung. Dazu brauchen wir einen breiten Energiemix, und dazu brauchen wir nach meiner Überzeugung zumindest für einen mittelfristigen Zeitraum auch die Kohle.

Lassen Sie es mich an diesem Punkt ganz klar sagen: Wir brauchen für die Verstromung der Kohle die beste, effizienteste und sauberste Technologie, die unsere Ingenieure heute bauen können.

(Beifall von der CDU)

Herr Priggen, Ihre Idee, auf unbestimmte Zeit Altkraftwerke mit schlechten Wirkungsgraden laufen zu lassen, um ein Druckmittel in der klima- und umweltpolitischen Debatte als Faustpfand zu behalten, halte ich für politisch unverantwortlich.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie zitieren Herrn Röttgen, der sich bis 2050 eine andere Struktur der Energieversorgung vorstellen kann. Er käme nie auf die Idee, Ihnen dabei zu fol

gen, dass es keine neuen Kohlekraftwerke mehr geben darf. Ganz im Gegenteil!

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich kann doch nicht 40 Jahre zugucken. Denn – und das sagen Sie selber – bis 2020 wird der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung 30 % betragen. Das heißt, 70 % kommen auch nach Ihrer Überzeugung aus anderen Quellen. Dann sollen dies aber bitte auch effiziente Quellen sein!

(Beifall von CDU und FDP)

Wir wollen mit unseren Verordnungen und unserer Planung alles für erneuerbare Energien tun, und wir wollen moderne, effiziente und saubere neue Kohlekraftwerke ermöglichen. Das heißt, wenn unsere Gerichte zu dem Schluss kommen – und diesen haben wir dann auch zu respektieren –, dass dieser politische Wille durch die alten Pläne der 70er- und 90er-Jahre nicht klar abgebildet wird, dann muss das selbstverständlich geändert werden. Wenn es Regierungsmurks gegeben hat, dann haben Sie es versäumt, dies frühzeitig anzupassen, Herr Römer. Das haben wir jetzt getan.

Die Landesplanung ist dazu da, den politischen Willen der Landesregierung und der Mehrheit des Parlaments umzusetzen. Sie ist kein Verhinderungsinstrument, zu dem Sie, Herr Priggen, sie machen wollen.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Meine Damen und Herren, es gibt eine scharfe Trennlinie zwischen denen, die neue Kohlekraftwerke verhindern wollen – das ist ja nicht verboten –, und denen, die sie noch für viele Jahre für notwendig halten. Das Letztere ist die Position der Landesregierung, und deshalb machen wir neue Kraftwerke im Rahmen des europäischen und deutschen Klimakonzepts, im Rahmen unserer Energiepolitik und im Rahmen der Planungs- und Umweltgesetze planerisch möglich, weil sie ein wichtiger Teil einer sicheren Energieversorgung und Standbein unserer Industrie sind.