Protocol of the Session on March 24, 2010

Einmal mehr entsteht der Eindruck, seitens der Landesregierung werde hier nicht so vorgegangen, dass dies den vitalen Interessen der Anwohner, nämlich des Herstellens von Transparenz und der Erreichung einer möglichst großen Sicherheit, dient. Vielmehr scheint es darauf anzukommen, möglichst vorbei an der Öffentlichkeit Fakten zu schaffen. So, Kolleginnen und Kollegen, wird keine Akzeptanz erreicht.

Unser Eilantrag stellt sich in vier Punkten dar:

Erstens. Um das Risiko weiterer Atomtransporte zu minimieren, verbleibt es – dafür soll sich die Landesregierung einsetzen – beim vereinbarten Atomausstieg. Dieses geschieht am besten durch eine SPD-geführte Landesregierung, die im Bundesrat Einfluss nehmen kann.

Zweitens. Die Entscheidung über den weiteren Verbleib der Brennelemente aus dem Forschungszentrum Jülich kann nicht durch Intervention des nicht zuständigen Staatssekretärs getroffen werden. Hier muss ein transparentes Verfahren Sicherheitsaspekte ganz deutlich nach vorne stellen.

Drittens. Die Menschen wollen wissen, welche Atomtransporte diese Landesregierung in den nächsten Jahren kreuz und quer durchs Land schicken will. Auch dies ist für die Herstellung von Transparenz zwingend erforderlich.

Viertens. Sämtliche Entscheidungen über die Konditionierung von Atomabfällen in Duisburg oder in anderen Orten in Nordrhein-Westfalen sind in ein Gesamtkonzept zur Beendigung der Nutzung der Atomenergie in Deutschland einzubinden. Weitere Einzelschritte, durch die die Gefährdung durch Anlagenbetrieb und unnötige Transporte vergrößert wird, lehnen wir ab.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Die Vorgänge um die gerade beschriebenen Geheimtransporte von Jülich nach Ahaus und die

Schlampereien um die Castor-Behälter, über die wir heute Morgen diskutiert haben, zeigen eindeutig, dass unsere Position richtig ist: Atomkraft? – Nein danke! Deshalb wird es Zeit, dass am 9. Mai eine andere Landesregierung in Nordrhein-Westfalen regiert. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Stinka. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Wittke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann es relativ kurz machen.

Unter Punkt 1 stellt die SPD einen Zusammenhang zwischen dem Atomausstieg und Atomtransporten in Nordrhein-Westfalen her. Da es in NordrheinWestfalen keine Kernkraftwerke gibt, werden von uns auch Atomkraftwerke nicht veranlasst. Die Laufzeitverlängerung ist deshalb kein primär nordrhein-westfälisches Thema. Sie ist zwar auch ein nordrhein-westfälisches Thema, aber bei Weitem nicht ein primär nordrhein-westfälisches Thema. Von daher gehört es sicherlich nicht in dieses Hohe Haus. Der Atomausstieg muss zunächst einmal auf Bundesebene verhandelt werden. Da werden wir uns einbringen und unsere nordrhein-westfälischen Interessen wahrnehmen. Zuvörderst ist dies aber kein landespolitisches Thema.

Unter Punkt 2 fordern Sie, dass der Verbleib der Brennelemente aus dem Forschungszentrum Jülich allein unter Sicherheitsaspekten zu entscheiden sei. Völlig richtig! Das sieht nämlich der § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Atomgesetzes ganz genauso. Darum ist diese Forderung schlicht überflüssig. Denn davon, dass wir uns auch in Nordrhein-Westfalen gesetzeskonform verhalten werden, können Sie ausgehen.

Zu Punkt 3: Zuständige Behörde für die Genehmigung von Kernbrennstofftransporten ist gemäß § 4 des Atomgesetzes das Bundesamt für Strahlenschutz. Im Atomgesetz ist übrigens eine Befristung der Transportgenehmigung enthalten. Insofern macht es Sinn, eine Beantragung erst nach Erteilung einer Aufbewahrungsgenehmigung vorzunehmen. Dafür ist wiederum das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig und nicht irgendeine nordrheinwestfälische Behörde. Mithin stellen Sie hier eine Forderung auf, die sich vielleicht an das Bundesamt richtet, aber ganz sicher nicht an die nordrheinwestfälische Landesregierung.

Nun zum Punkt 4: Da sagen Sie schlicht – übersetzt –: Wir fordern Sicherheit in allen Lagen bei Atomtransporten. – Das ist ganz selbstverständliche Gesetzeslage. Und wer will etwas gegen Sicherheit sagen? Das ist wirklich eine Floskel.

Zusammenfassend kann man also sagen: Sie verlangen in Ihrem Antrag Selbstverständlichkeiten. Sie fordern die Anwendung von Gesetzen, was in einem Rechtsstaat selbstverständlich ist. Darüber hinaus fordern Sie Regelungen, die in der Kompetenz von Behörden außerhalb Nordrhein-Westfalens liegen. Damit ist dieser Antrag überflüssig. Er mag vielleicht Ihrer Wahlkampfstrategie, wenn es überhaupt eine gibt, geschuldet sein.

Eines möchte ich zum Abschluss noch sagen: Wäre nicht die rot-grüne Bundesregierung vor zehn Jahren aus der Prüfung und Beantwortung der Endlagerungsfrage ausgestiegen, hätten wir viele Probleme in Nordrhein-Westfalen heute nicht, sondern wären schon einen großen Schritt weiter.

(Beifall von der CDU)

Das, was Sie uns hier vor die Füße kippen, hat Ihre rot-grüne Bundesregierung zu verantworten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Wittke. – Nun ist Herr Brockes von der FDP-Fraktion dran.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abbau des Forschungsreaktors in Jülich, wo am Ende eine grüne Wiese übrig bleiben wird, ist ein Projekt, das alle Fraktionen positiv begleiten sollten. Dabei wird umfassende wissenschaftliche Begleitung und Forschung geleistet, die wir in Zukunft brauchen werden. Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, gerade die Fraktionen hier im Hause, die den schnellen Ausstieg aus der Kernkraft wollen, sollten daran ein besonderes Interesse haben.

Es gibt dazu vonseiten der Landesregierung volle Transparenz. Wenn klar ist, wann welche Transporte wohin gehen, dann wird dies auch veröffentlicht werden. Die SPD kann sich sicher sein, dass auch diese Landesregierung versucht, die Transportzahlen so gering wie möglich zu halten. Das versteht sich von selbst.

Was jedoch die Brennelemente aus dem Forschungszentrum Jülich mit der Laufzeitverlängerung zu tun haben, erschließt sich mir nicht.

Ich möchte auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen, der immer wieder vergessen wird. Es gibt in Deutschland noch immer kein Endlager für radioaktive Stoffe. Das hängt mit dem aufwendigen Verfahren zusammen, das dafür notwendig und auch geboten ist. Dennoch sind es genau die Gegner der Kernenergie, die die Lösung der Entsorgungsfrage blockieren.

Was Grüne und SPD bei der Frage der Endlagerung betreiben, ist organisierte Verantwortungslo

sigkeit. Aus dieser Verantwortung kommen Sie aber nicht heraus – ob Sie aussteigen wollen oder nicht. Die Endlagerfrage, meine Damen und Herren, muss geklärt werden. Es waren Jürgen Trittin und der Popbeauftragte der SPD, Sigmar Gabriel, die zehn Jahre lang nichts getan haben, um der Lösung der Endlagerfrage näherzukommen. Meine Damen und Herren, es waren zehn verlorene Jahre bei der Frage, wie wir diese Problematik lösen. Parallel streichen Sie den Universitäten die Forschungsmittel für genau diesen Bereich.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Das ist die unglaublichste Scheinheiligkeit, die man sich vorstellen kann. Jetzt muss man sich fragen, warum die Grünen und Roten so etwas tun. Ich sage ganz klar: Weil sie ein Interesse daran haben, dass die Endlagerfrage nicht gelöst wird.

Erstens konnten sie so ihre Klientel befriedigen, also klassische Klientelpolitik betreiben.

(Ralf Jäger [SPD]: Wir wissen ja, wer das sagt!)

Zweitens ginge ihnen dann ihr Hauptargument gegen die Kernenergie verloren, wenn die Endlagerfrage gelöst wäre. Denn die Menschen stehen der Kernkraft durchaus positiv gegenüber,

(Stefanie Wiegand [SPD]: Glauben Sie über- haupt, was Sie erzählen?)

wenn die Endlagerfrage geklärt wäre. Deshalb war die heutige Opposition in den letzten elf Jahren bei der Endlagerfrage aus parteipolitischem Kalkül absichtlich untätig. Das ist ein Skandal, den es zu beenden gilt. Deshalb, meine Damen und Herren, muss Gorleben ergebnisoffen auf seine Eignung als Endlager hin zu Ende erforscht werden.

Dass die SPD hier heute einen solchen Eilantrag stellt und Transporte von radioaktivem Material verteufelt, obwohl sie selbst daran schuld ist, dass elf Jahre keine Bewegung in diese Lösung dieser Frage gekommen ist, belegt die Unglaubwürdigkeit der SPD. Weinen Sie hier keine Krokodilstränen. Lassen Sie uns gemeinsam die Endlagersuche fortsetzen und damit das Problem von Zwischenlagern und zusätzlichen Transporten lösen!

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stinka zulassen?

Bitte schön.

Bitte schön, Herr Stinka.

Herr Brockes, könnten Sie mir bitte erläutern, welchen Beitrag die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern zur Beantwortung der Endlagerfrage geleistet haben? Schließlich haben Sie ja besonders den Parteivorsitzenden der SPD angesprochen.

Herr Kollege Stinka, ich weiß nicht, was Bayern und Baden-Württemberg mit der von Ihnen zu verantwortenden Bundesregierung zu tun haben sollen. Es gibt ein Endlager, das erforscht wird; dieses befindet sich in Niedersachsen. Sie haben aber verhindert, dass wir dort zu einem Ergebnis gekommen bzw. vorangekommen sind; von einem Ergebnis will ich noch gar nicht reden. Aber Sie sind schuld daran, dass wir hier elf Jahre verloren haben.

Meine Damen und Herren, die Zielrichtung des Eilantrags erschließt sich mir nicht. Ich habe den Eindruck, dass es darum geht, das Thema hier noch einmal hochzujazzen. Ich sage Ihnen nur: Mit dem Thema werden Sie die Landtagswahl mit Sicherheit nicht gewinnen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Brockes. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem Eilantrag der SPD-Fraktion möchte ich fünf Anmerkungen machen.

Erstens. Die verschiedenen Ströme radioaktiver Abfälle in Nordrhein-Westfalen sind völlig intransparent. Zwar sind die Mengenströme zwischen Jülich und Ahaus bekannt. Unbekannt sind jedoch die Herkünfte bei der GNS-Anlage in Duisburg sowie die Transporte, die in Nordrhein-Westfalen von woandersher stattfinden. Insofern ist dies eine Politik der Desinformation und muss beendet werden.

Zweitens. Nordrhein-Westfalen steht in der Gefahr, zum Atommülllager von ganz Deutschland zu werden. Angekündigt sind Transporte aus Frankreich ab 2015. Teilweise soll Abfall von Jülich nach Ahaus transportiert werden. Obwohl in unserem Land seit vielen Jahren kein AKW mehr läuft und am Netz ist, werden in Nordrhein-Westfalen offensichtlich Atommüllendlager konzipiert.

Drittens. Für die Einlagerung von 152 Castoren aus Jülich muss eine ergebnisoffene Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Wir haben den Eindruck, dass zumindest versucht wird, diese ergebnisoffene Prüfung unter Beteiligung der Umweltverbände und der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden. Wir fordern endlich eine offe

ne und ergebnisoffene Prüfung unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit.

(Ministerin Christa Thoben: Das hat der Bun- desumweltminister längst angeordnet!)

Viertens. Das Auftreten des Staatssekretärs Stückrath in der Doppelfunktion als Staatssekretär und stellvertretender Vorsitzender des Kernforschungszentrums Jülich ist skandalös. Herr Stückrath vermengt die Interessen des Kernforschungszentrums und des Landes in unstatthafter Weise. Durch sein Anschreiben an den Bürgermeister der Stadt Ahaus, in dem er den Terminplan für die Transporte von Jülich nach Ahaus als nach wie vor gültig erklärt, täuscht er vollendete Tatsachen vor. Die Antiatominitiativen aus dem Münsterland fordern deshalb zu Recht seinen Rücktritt. Der gesamte Schriftverkehr zum Thema der Transporte nach Ahaus muss endlich veröffentlicht werden.