Protocol of the Session on March 23, 2010

Herr Kollege Remmel, könnten Sie vielleicht angesichts Ihrer eben getätigten Aussage über mafiöse Strukturen die Unternehmen benennen, die Ihrer Ansicht nach solche mafiösen Strukturen anwenden?

Nein. Ich sage ja nicht, dass wir derzeit in Nordrhein-Westfalen solche Unternehmen haben. Aber überall da, wo die Abfallwirtschaft so liberalisiert worden ist, dass jeder entscheiden kann, von wem er seine Mülltonne abholen lässt, führt das zu solchen Strukturen, zum Häuserkampf um die Mülltonnen und dann natürlich auch zu mafiösen Strukturen. Das zeigen die Beispiele in Europa. Das können wir uns gerne gemeinsam ansehen, wo sich das in diese Richtung entwickelt hat. Das wollen wir nicht.

Aber ich sage auch an dieser Stelle: Leider wird bei unserem Streit, den wir hier untereinander führen, immer vernachlässigt, zu bewerten, was die Landesregierung in der Abfall- und Ressourcenwirtschaft in den letzten fünf Jahren tatsächlich geleistet hat. Da sieht die Bilanz nicht nur mager aus, sondern sie geht ins Negative. Das waren fünf verlorene Jahre für eine Neuaufstellung, für eine andere Ausrichtung auf eine Ressourcenwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Da sind andere Länder weiter. Da gibt es andere Überlegungen auch an anderer Stelle. Wir brauchen stärkere Material- und Ressourceneffizienz und eine Ausrichtung auf eine Ressourcenwirtschaft.

Wir müssen zukünftig die Abfallwirtschaft als Ressourcenwirtschaft begreifen und über neue Wege diskutieren. Das ist das Grundanliegen des SPDAntrages. Und ich bedauere, dass wir hier keine neuen Konzepte in dieser Breite haben diskutieren können und dass es keine Bereitschaft der Koalitionsfraktionen gab, über neue Wege nachzudenken.

Nordrhein-Westfalen ist an dieser Stelle Schlusslicht. Nordrhein-Westfalen verliert hier den Anschluss. Wir werden auf der Ebene der Bundesrepublik, gerade was die Gestaltung der Abfallwirtschaft und der Ressourcenwirtschaft angeht, auch

unter dem Aspekt der Erfordernisse des Klimawandels einerseits und andererseits der knapper werdenden Ressourcen – denken Sie an die Reste im Bereich der Metalle, die noch auf der Erde vorhanden sind, denken Sie an andere Ressourcen – zu einer anderen Systematik kommen müssen.

Wir müssen über Konzepte einer Ressourcenregelung – Stichwort: Ressourcenabgabe –, nachdenken, um eine stärkere Kreislaufwirtschaft zu befördern. Es sind Konzepte, über die wir in der Tat intensiver diskutieren müssen, um die Rohstoffe, die in dem Abfall, in den Resten vorhanden sind, in voller Breite wirtschaftlich nutzen zu können. Das betrifft den ganzen Bereich des Elektroschrotts.

Da gibt es eine aktuelle Untersuchung des Umweltbundesamtes, in der klargeworden ist, dass unsere Systematik, wie wir Elektroschrott einsammeln, und zwar sowohl was die Ressourcen als auch was die Verdrängungseffekte in die sogenannten Eine-WeltLänder angeht, nicht optimal ist. Wir müssen zu deutlichen Verbesserungen kommen. Ich bedauere, dass wir die Diskussion nicht genutzt haben, dieses Thema auch in der letzten Plenarsitzung ausreichend und intensiv zu erörtern.

Herr Remmel, möchten Sie eine weitere Zwischenfrage …

Deshalb Zustimmung zum SPD-Antrag, Zustimmung auch zum Entschließungsantrag, weil wir einen fast wortgleichen Antrag in der letzten Sitzung eingebracht haben. Dieser Abfallwirtschaftsplan ist eine Rückkehr, eine Kehrtwende in die Vergangenheit, keine Kehrtwende in die Zukunft. Wir sollten uns diese Türe nicht verschließen. Deshalb darf er nicht in Kraft gesetzt und von der Landesregierung auch nicht in das Gesetzesblatt aufgenommen werden. Insofern: Zustimmung zum SPD-Antrag. Jetzt aber zur Frage von Herrn Kollegen Ellerbrock.

Herr Kollege Ellerbrock, bitte sehr.

Herr Kollege, habe ich Sie aufgrund Ihrer Äußerungen zur Ressourcenpolitik, dass wir mehr Metalle und Wertstoffe aus den Reststoffen herausholen müssen, richtig verstanden, dass Sie dem Antrag der Koalitionsfraktionen „Grau in Gelb“ zustimmen? Das ist ja Sinn der Sache. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass Sie hier gesagt haben, wir müssen mehr Wertstoffe heraussammeln. Sie stimmen also für „Grau in Gelb“. Dafür danke ich Ihnen. Oder sollte ich Sie da missverstanden haben?

Ich habe die Frage zwar nicht so ganz verstanden,

(Zuruf von der SPD: Das ist bei dem normal!)

aber dass Sie auch diese Gelegenheit nutzen, um sozusagen Ihr separates ideologisches Süppchen zu kochen, nämlich die Privatisierung der Abfallwirtschaft – das steckt ja letztlich hinter „Grau in Gelb“ – , ist ja klar. Wenn man überhaupt über etwas diskutieren kann, dann über Gelb in Grau.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Aber da zeigen alle Untersuchungen und Versuche, die in diesem Zusammenhang gemacht worden sind, dass das der falsche Weg ist. Ich würde vielmehr über das nachdenken, was auch auf bundespolitischer Ebene diskutiert wird, nämlich über eine stärkere Wertstoffkonzentrierung. Zu den Überlegungen, wie man die Wertstoffe dort herausbekommt, machen Sie leider keine Vorschläge. Insofern bedauere ich das. Zustimmung zum SPDAntrag. Zweimal an dieser Stelle. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Remmel, ich möchte zunächst einmal feststellen, dass Sie auch mit Ihrer letzten Rede in dieser Wahlperiode zum Thema Abfall Ihrer absoluten Sachlichkeit treu geblieben sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Dann haben Sie ja die Chance, das jetzt zu verbessern!)

Diese Rede lehnt sich an alle übrigen Reden an, die Sie zu diesem und zu anderen Themen gehalten haben: äußerst sachlich, richtig auf den Punkt gebracht. Das war wieder einer der Höhepunkte der Grünen zu diesem Themengebiet.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Wunderbar! Jetzt der Herr Minister!)

Meine Damen und Herren, ein herzliches Wort des Dankes möchte ich dem Abgeordneten Karl Kress sagen. Er hat heute seine letzte Rede im Landtag von Nordrhein-Westfalen gehalten. – Lieber Herr Abgeordneter Kress, ich möchte mich herzlich für das bedanken, was Sie in den vergangenen Jahren im Rahmen der Abfall- und Umweltpolitik in Nordrhein-Westfalen geleistet haben. Ich bedaure sehr, dass Sie nicht mehr für den Landtag kandidieren, und wünsche Ihnen – sicherlich auch im Namen der

Kolleginnen und Kollegen – alles Gute für die kommende Zeit.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wollte es eigentlich kurz machen, meine Damen und Herren, aber die Hinweise und die gestellten Fragen an die Abfallpolitik der Landesregierung machen es notwendig, dass ich es heute noch einmal etwas grundsätzlicher darlege. Ich möchte deutlich machen, dass dieser Antrag – bei aller Sympathie, Herr Abgeordneter Gatter – nun wirklich ins Leere geht.

(Stephan Gatter [SPD]: Das wissen wir in acht Monaten!)

Er ist überholt, das sage ich auch aus Sicht der Landesregierung. Richtigerweise – er enthält ja auch etwas Richtiges – wird im Antrag darauf hingewiesen, dass von Nordrhein-Westfalen immer entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung von Entsorgungstechnologien und -märkten ausgehen. Das gilt gerade auch für die letzten fünf Jahre.

Da die nordrhein-westfälische Wirtschaft dort besondere Stärken hat, sehen wir als Landesregierung im Bereich der Abfall- und Recyclingtechnologien erhebliche Chancen für die nordrheinwestfälische Wirtschaft. Darin sind wir uns mit der Bundesregierung einig. Insoweit hätte es dieses Antrags nicht bedurft.

Zur zweiten Forderung: Der landesweite Abfallwirtschaftsplan für Siedlungsabfälle wird voraussichtlich Ende März veröffentlicht. Wir haben uns heute auch im Kabinett wieder damit beschäftigt. Den Abfallwirtschaftsplan haben wir bereits mehr als ein Mal ausführlich diskutiert.

Auch auf die dritte Forderung möchte ich eingehen: Seit dem 1. Januar dieses Jahres gibt es für die Beschäftigten in der Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst einen Mindestlohn von 8,02 € pro Stunde. Dass der Antrag zu kurz greift, belegen auch die Erfolge der Landesregierung gerade im Rahmen der Abfallpolitik.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung konsequent das Ziel verfolgt hat, die Abfallwirtschaft zu einer wettbewerbsorientierten, umweltverträglichen Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln.

(Zustimmung von Holger Ellerbrock [FDP])

Konkret heißt das: immer mehr Abfälle als Rohstoffe und als Energiequelle nutzen. Ein solches Ziel lässt sich nur im Konsens mit allen Beteiligten erreichen. Ich möchte auf die gemeinsame Erklärung der 16 Betreibergesellschaften zum Thema Hausmüllverbrennungsanlagen und auf die mit ThyssenKrupp Steel AG und den Hüttenwerken Krupp Mannesmann getroffene Vereinbarung verweisen, nach der Hüttensande und Hochofenstückschlacken grundsätzlich als Nebenprodukte der Stahlerzeugung anzusehen sind. Dadurch sind jährlich CO2-Emissionen

in einer Größenordung von 1 Million t eingespart worden.

Ich möchte auch auf viele andere Bereiche verweisen, in denen wir Fortschritte getan haben, etwa die Siedlungsabfallwirtschaft. Derzeit sind es 1,95 Millionen t an eingesparten Treibhausgasen pro Jahr. Wir haben also eine Vielzahl von Fortschritten erreicht.

Meine Damen und Herren, es gibt noch einen Zusatzantrag, den NRW-Abfallwirtschaftsplan auszusetzen. Ich erinnere daran, Herr Abgeordneter Gatter: Abfallwirtschaftspläne sind gemäß § 29 Abs. 10 des Kreislauf- und Abfallgesetzes alle fünf Jahre fortzuschreiben. Die von den Bezirksregierungen aufgestellten Abfallwirtschaftspläne sind zuletzt im Zeitraum zwischen 2004 und 2005 fortgeschrieben worden.

(Stephan Gatter [SPD]: Und 2007!)

Zwischen 2004 und April 2005. – Mit Wirkung vom 1. Januar 2008 ist die Zuständigkeit für die Aufstellung der Abfallwirtschaftspläne für Siedlungsabfälle – das haben wir so gewollt – auf das MUNLV verlagert worden.

Würden wir die Aufstellung des landesweiten Abfallwirtschaftsplans, wie Sie es eben noch einmal von uns gefordert haben, aussetzen, bis die Abfallrahmenrichtlinie in Bundes- und Landesrecht umgesetzt wird, würde dies eine Missachtung der gesetzlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Fortschreibung der Abfallwirtschaftspläne bedeuten. Dass Sie dies in einer der letzten Sitzungen noch vom Umweltminister erwarten, Herr Abgeordneter Gatter, ist etwas ungewöhnlich.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass bis zur Umsetzung der novellierten EG-Abfallrahmenrichtlinie, die nicht unmittelbar rechtlich verbindlich ist, für die Aufstellung von Abfallwirtschaftsplänen das geltende Bundes- und Landesrecht maßgeblich ist. Wann die Umsetzung der EG-Abfallrahmenrichtlinie in Bundesrecht und anschließend in Landesrecht abgeschlossen sein wird, ist derzeit nicht absehbar. Es ist nicht auszuschließen, dass es dabei zu Verzögerungen kommt. Bisher liegt ja ausschließlich ein erster Arbeitsentwurf vor, der noch nicht einmal auf Bundesebene abgestimmt ist.

Also, meine Damen und Herren, auch bei diesem Abfallwirtschaftsplan hat die Landesregierung vorsorglich gehandelt. Wir haben auf einer klaren rechtlichen Grundlage gehandelt, und wir können froh sein, dass wir jetzt noch vor dem Ablauf der Wahlperiode diesen Abfallwirtschaftsplan in einen gesetzlichen Rahmen gegossen haben.

Ich möchte mich bei den Kollegen sehr herzlich bedanken, die das auch politisch unterstützt haben. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Uhlenberg. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Gatter für die Fraktion der SPD, der hiermit auch das Wort erhält. Bitte schön, Herr Kollege.

Ich möchte mich in einem Punkt den Worten des Ministers anschließen. Ich möchte mich bei Karl Kress für die Zusammenarbeit in den letzten Jahren bedanken.

(Beifall von SPD, CDU, FDP und GRÜNEN)

Und ich möchte für den Straßenkampf, der demnächst um die Mülltonnen ausbrechen wird, einen Namen vorschlagen: Kommando Holger Ellerbrock.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, das war noch ein Wortbeitrag des Abgeordneten Gatter für die Fraktion der SPD. – Weitere Wortmeldungen sehe ich beim Blick in die Runde nicht, sodass wir am Schluss der Beratung sind.