Protocol of the Session on March 11, 2010

Hervorragend. Vielen Dank, Herr Becker. – Sie haben eben wieder Zahlen vorgetragen. Daraus kann man schließen, dass Sie vermutlich die Zusammenhänge überhaupt nicht kennen. Ist Ihnen bekannt Folgendes bekannt? Sie haben eben behauptet – und Edgar Moron hat das mit einem Zwischenruf bestätigt –, dass sich der Rhein-Erft-Kreis von seinem Vermögen in RWEAktien getrennt hat. – In Teilen. Gerade in diesen Tagen hat der Rhein-Erft-Kreis Aktien auf den Markt gebracht – RWE-Aktien zum Verkauf –, die die Stadt Mülheim an der Ruhr gekauft hat, und zwar Aktien, über die der Rat nicht beschließen kann, dass die Stadt sie verkaufen muss. Warum? Weil man sich in Mülheim Posten und Pöstchen bei der RWE erhalten wollte. Ist Ihnen das bekannt? Wir haben noch RWE-Aktien ohne Ende.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP] und Zuruf: Aha!)

Ich kenne den Vorgang Mülheim, weil er nicht nur im Zusammenhang mit dem Rhein-Erft-Kreis interessant ist. Er hat auch Zusammenhänge zu Kreissparkassen. Er hat auch Zusammenhänge zu anderen Kommunen. Ich gebe Ihnen an einem Punkt ausdrücklich recht: Ich würde mir in Mülheim die Frage stellen, ob ich – in Anführungsstrichen, ich sage das etwas flapsig – den „Fehler“ machen würde, dem Rhein-Erft-Kreis an dieser Stelle aus der Patsche zu helfen und diese Aktien zu diesem Preis zu kaufen. Sie kaufen sie aus meiner Sicht letztlich zu überhöhten Preisen,

da es sich nicht um die normalen Aktien handelt, die auf dem Markt sind – das wissen Sie genau –, sondern diese Aktien sind nach dem Schachtelprinzip kommunal gebunden und auf dem freien Markt sehr schwer zu veräußern. Insofern gebe ich Ihnen recht: Das ist in Mülheim offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass man eine bestimmte Anzahl von Aktien zusammenhaben will, um bestimmte Positionen einzunehmen.

Nur: Das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie eben auf den Rhein-Erft-Kreis hingewiesen haben. Ich habe Ihnen gesagt: Das hat damit zu tun, dass der Rhein-Erft-Kreis im Gegensatz zum RheinSieg-Kreis seine Kommunen ausnimmt.

(Beifall von GRÜNEN und Sören Link [SPD])

Das ist schwarz-gelbe Politik im Unterschied zu der Politik, die im Rhein-Sieg-Kreis gemacht wird.

Lassen Sie mich noch den Gedanken bezüglich Ihrer Schuld und Verantwortung in NordrheinWestfalen zu Ende führen. Weil ich nur wenig Zeit habe, will ich nur die Highlights nennen: Sie haben die Grunderwerbssteuer gekürzt; das sind 180 Millionen € Mindereinnahmen im Jahr. Sie haben die Krankenhausfinanzierung verändert; das sind 110 Millionen € Mehrkosten für die Kommunen im Jahr. Sie haben die Schülerbeförderungsmittel verändert; das macht bis jetzt 120 Millionen € Minus für die Kommen aus. Sie haben bei der Weiterbildung verändert, die Kommunen beim KiBiz belastet und reichen die Mittel zum Kinderfördergesetz des Bundes nicht durch. Alles zusammen – wir haben Ihnen das mehrfach vorgerechnet – bedeutet das, je nachdem wie man rechnet, eine strukturelle Mehrbelastung der Kommunen zwischen 2,5 und 4 Milliarden €.

Den Kommunen ginge es heute besser oder weniger schlecht, um korrekt zu sein, wenn Sie wenigstens im Land Ihre Hausaufgaben gemacht hätten, den Kommunen nicht immer mehr Aufgaben zugeschustert und immer mehr Mittel entzogen hätten. Gleichzeitig haben Sie auf der Bundesebene fünf Jahre lang nichts getan. Sich jetzt dieses Mauseloch zu schaffen – es ehrt Sie zwar, dass Sie immerhin zugeben, dass es Probleme gibt –, ist nun wirklich keine zeugnisreife Leistung. Sie haben fünf Jahre gebraucht, um Probleme zu erkennen, von denen wir Ihnen die ganze Zeit gesagt haben, dass es sie gibt, und zu denen wir Ihnen auch Lösungsvorschläge gemacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weil das nicht versetzungsfähig ist, werden Sie in wenigen Wochen auch abgelöst.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Herr Minister möchte noch einmal

sprechen. Herr Minister Dr. Wolf hat das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, im Anschluss an die Rede von Herrn Vizepräsidenten Moron ihm herzlichen Dank für die gute kommunalpolitische Zusammenarbeit in den letzten Jahren zu sagen. Auch die Ausschussführung war immer sehr angenehm und sachgerecht. – Herzlichen Dank von meiner Seite, aber sicherlich auch von unserer Seite insgesamt.

(Allgemeiner Beifall)

Nichtsdestotrotz wollen wir uns die inhaltliche Auseinandersetzung nicht ersparen. Weil der Abgeordnete der Grünen wieder mit Falschmeldungen aufgewartet hat, möchte ich noch einmal festhalten, dass wir jederzeit anerkannt haben, wenn es irgendwo Schwierigkeiten gab. Der Finanzbericht des Landes hat immer zum Ausdruck gebracht hat, wenn die Finanzlage der Kommunen angespannt und schwierig war. Ich möchte sie nur daran erinnern, da das eine oder andere von den Oppositionellen auch nicht gesagt wird, dass Duisburg bereits im Jahr 2005, als Sie noch zum Abschluss regierten, 2,6 Milliarden € Schulden hatte, Oberhausen 1,2 Milliarden € und Wuppertal auch 1,2 Milliarden €.

Ich frage mich schon, was Sie getan haben, als die Grundlagen der Misere gelegt worden sind, um hier Verbesserungen herbeizuführen, nicht zuletzt weil in den elf Jahren zwischen 1998 und 2009 sozialdemokratische Finanzminister, unter anderem der ehemalige Ministerpräsident dieses Landes, agiert haben. Ich kann nur feststellen: Außer heißer Luft ist nichts passiert. Deswegen sind die Vorwürfe alle substanzlos.

(Britta Altenkamp [SPD]: Wenn Sie das sa- gen!)

Wir haben immer gesagt, dass die Gewerbesteuer keine ausreichende Sicherung der planbaren Ausgaben für Kommunen ist. Wir brauchen eine Einnahmequelle, die letztendlich trägt. Hier muss eine Veränderung erfolgen. Es ist völlig falsch, dass die Wirtschaft dabei aus der Verantwortung entlassen werden soll, Herr Moron. Alle Modelle, die diskutiert werden, sind immer unter Einschluss der Wirtschaft. Daher ist dieser Vorwurf ungerechtfertigt.

Sicherlich ist aber auch eins richtig: Die Kommunen müssen ihre eigenen Anstrengungen erbringen. Konsolidierung muss her; Herr Engel hat es ausgeführt. Das ist nicht nur Klein-Klein, meine Damen und Herren. Wenn die Gemeindeprüfungsanstalt, die in Ihrer Regierungszeit gegründet worden ist, beispielsweise für eine Stadt wie Oberhausen im Wege des interkommunalen Vergleichs – also ein Vergleich mit gleichartigen Städten – ein Potenzial

von 90 Millionen € ermittelt, dann halte ich es schon für den Schweiß der Edlen wert, hier etwas zu tun.

Es beginnt bei der Anpassung der Infrastruktur, die bei stark rückläufigen Einwohnerzahlen natürlich noch angepackt werden muss, aber selbstverständlich – Herr Körfges kennt das auch aus Mönchengladbach – nicht angepackt wird, weil es unangenehm ist,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Jetzt sind wir drin!)

weil man damit Entscheidungen treffen muss. Vor der Kommunalwahl machen wir so etwas schon mal gar nicht. Deswegen haben wir es erlebt, dass all die Jahre nichts passiert ist, gerade in den Städten, die besonderen Anlass dazu gehabt hätten.

Die interkommunale Zusammenarbeit ist kein Peanut. Sie birgt erhebliche Synergieeffekte und Möglichkeiten der Kostensenkung und auch des verstärkten bürgerschaftlichen Engagements. Niemand von dieser Seite des Plenums hat behauptet, dass damit die rasant gefallenen Einnahmen auszugleichen sind und insbesondere das Problem der Soziallastensteigerung 1:1 erledigt werden könnte.

Genau aus diesem Grund gehen wir mit dem Bund daran, das Thema Verteilungsgerechtigkeit im Rahmen der Soziallastentragung zu diskutieren. Eine Kommission soll sich damit auseinandersetzen und am Ende – das ist jetzt auch von einigen auf Bundesebene begrüßt worden – zu dem Bekenntnis durchringen, dass wir die Kommunen an dieser Stelle bundesseitig allein gelassen haben. Hier kann nicht die Landesverantwortung zitiert werden, sondern es geht ausschließlich darum, dass bundesseitig veranlasste Gesetze Ausgaben nach sich ziehen, die von den Kommunen allein nicht getragen werden können. Daher werben wir in Berlin für eine bessere Unterstützung unserer Kommunen in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Wir sind am Ende der Debatte zu diesem Antrag und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag des fraktionslosen Abgeordneten Sagel Drucksache 14/10815 ab. Wer stimmt dem Antrag zu? – Herr Sagel. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen dieses Hauses abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/10747 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Herr Sagel, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Mit den

Stimmen der Koalitionsfraktionen und des fraktionslosen Kollegen Sagel ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt:

4 Entschuldigungsfonds und Stärkungspakt Stadtfinanzen jetzt – Kommunen in der Krise stärken!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10746

Es spricht zunächst für die SPD-Fraktion der Kollege Körfges. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Antrag bewusst in den Zusammenhang mit dem vorangegangenen Antrag gestellt, weil natürlich auch wir wissen, dass eine Soforthilfe für die Kommunen, ein Stärkungspakt Stadtfinanzen, nur dann Sinn macht, wenn wir gemeinsam an die Ursachen für die strukturelle Überschuldung der Kommunen herangehen.

Meine Damen und Herren, der Antrag macht natürlich gerade in diesem Zusammenhang Sinn. Warum es Sinn macht, den jetzt separat und kurzfristig zu beschließen, will ich Ihnen gerne erklären:

Zunächst eine kurze Bemerkung zu dem, was Sie im Augenblick auf Ihren Pilgerfahrten nach Berlin ganz offensichtlich wollen und was Sie erreichen: Sie haben uns doch an Ihrer Seite – zwischen Praktikern in den Kommunen und Landespolitikern gibt es keinen Millimeter Unterschied –, wenn es darum geht, den Bund an den Soziallasten zu beteiligen. Ich schlage vor, die zahlreichen Anträge, die wir gestellt haben, Diskussionen, die wir zum Beispiel auch mit den Landschaftsverbänden geführt haben, Revue passieren zu lassen. Dabei haben Sie uns an Ihrer Seite.

Wir sind aber ein bisschen skeptisch, wenn sich diejenigen, die in Berlin auf Kosten der Kommunen Steuern an Hotelbesitzer herausdrücken, und diejenigen, die den Kommunen in Nordrhein-Westfalen mehr als 3 Milliarden € vorenthalten haben, in Berlin zusammensetzen und Gedanken über die Zukunft der Kommunen machen. Ich glaube, unsere Skepsis ist an der Stelle mehr als gerechtfertigt. Ihnen geht es doch offensichtlich nur um eins: Sie wollen sich mit dieser Initiative über den 9. Mai hinwegmogeln, meine Damen und Herren, nicht mehr und nicht weniger. Denn ansonsten hätten Sie zumindest an der Stelle dem vorangegangenen Antrag zustimmen müssen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Im Zusammenhang mit den Kommunen haben wir uns häufig über deren Bedeutung unterhalten. Bei

Großbanken genauso wie bei der Westdeutschen Landesbank ist es ganz geläufig, dass wir von „Systemrelevanz“ sprechen. Im Hinblick auf den vorliegenden Antrag sollten wir gemeinsam überlegen, ob nicht für die Menschen in unserem Lande, aber auch für den Mittelstand sowie viele kleine und mittlere Unternehmen, für das Handwerk Kommunen nicht mindestens so systemrelevant sind wie große Banken und unsere Landesbank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

An der Stelle weise ich nur darauf hin, dass in der Vergangenheit 60 % aller öffentlichen Unternehmen in unserem Land durch Kommunen erteilt worden sind, meine Damen und Herren. Das ist also Systemrelevanz im engsten Sinne.

Wie sieht es mit der kommunalen Finanzsituation auch vor dem Hintergrund der Tatsache aus, dass wir mehrere Jahre mit einer guten konjunkturellen Entwicklung hinter uns hatten? Nichtsdestotrotz sind die Kassenkredite in unserem Land auf einem historischen Höchststand angekommen. Die Kassenkredite belaufen sich im Augenblick auf 18 Milliarden € und werden bis zum Ende des Jahres auf 20 Milliarden € steigen, und das in einer Situation, meine Damen und Herren, in der sich die Zinsen für solche Kassenkredite auf dem historisch bemerkenswerten niedrigsten Niveau befinden.

Stellen Sie sich die Situation vor: Die Kassenkredite, die ca. ein Drittel der Defizite in allen betroffenen Städten ausmachen, die keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hinbekommen, werden im Zuge einer sich verbessernden Konjunktur deutlich teurer. Dann sind unsere Städte und Kommunen quasi über Nacht ohne jeden eigenen Verursachungsanteil wirklich im Ruin.

Meine Damen und Herren, angesichts dessen müssen und werden wir helfen. Ich kann Sie nur dazu einladen, an der Stelle mitzumachen.

Wir haben darüber hinaus immer wieder diese – ich sage es ganz bewusst – blödsinnige Diskussion, wer Schuld ist, dass die Kommunen dort stehen, wo sie stehen. Dann werden Standesbeamte – ein kleineres Pepita gibt es wirklich nicht, lieber Kollege Engel – und unterschiedliche kommunale Strukturen herangeführt.

Ein Blick auf die kommunale Landschaft zeigt: Unabhängig von den jeweils herrschenden Mehrheiten und den jeweiligen politischen Mehrheitsverhältnissen gibt es über Jahrzehnte hinweg ganz offensichtlich strukturelle Ursachen, die bei einem Großteil unserer Kommunen – insbesondere die altindustriellen Standorte – dafür verantwortlich sind, dass es in den Haushalten zur strukturellen Unterfinanzierung gekommen ist. Hier müssen wir durch ein Maßnahmenpaket abhelfen. Eine der

Maßnahmen, die wir sofort ergreifen müssen, ist eine wirksame Schuldenhilfe.