Protocol of the Session on February 4, 2010

Eine solch breite Ablehnung der Pläne der Landesregierung habe ich in dieser Legislaturperiode noch nicht erlebt.

Deshalb haben wir den Antrag gestellt und hoffen, dass Sie auf die Meinung der Expertinnen und Experten hören, endlich zur Einsicht kommen und diesen Abfallwirtschaftsplan, der einzig die Überschrift „Privat vor Staat“ trägt, endlich dorthin zu tun, wohin er gehört, nämlich in die Abfalltonne.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock?

Bitte schön.

Bitte schön, Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Kollege Remmel, Sie hatten gerade aus der Anhörung diejenigen zitiert, die über Anlagen verfügen. Stimmen Sie mir zu, dass die grüne Definition von Daseinsvorsorge wie folgt lautet: Daseinsvorsorge nach grüner Art ist Vor- und Fürsorge für diejenigen, die da sind?

(Stephan Gatter [SPD]: Das ist intellektuell sehr hochtrabend! – Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich bin etwas minderbemittelt bei der hoch philosophischen Grundhaltung, die Sie gerade dem Parlament deutlich gemacht haben. Ich kann darauf nicht antworten.

(Beifall von der SPD – Holger Ellerbrock [FDP]: Stimmen Sie doch zu!)

Ich will aber gern Argumente in der Sache vortragen, denen Sie bisher in keiner Weise widersprochen haben und zu denen Sie bisher auch keine Gegenargumente vorgelegt haben.

(Zuruf von der FDP: Warten wir ab!)

Ihr Credo ist einzig und allein die Frage von mehr Markt und mehr Wettbewerb. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Oh!)

Aber dem stehen ein höherer Mülltourismus in Nordrhein-Westfalen, die offensichtliche Verletzung des Prinzips der Nähe, Gebührensprünge – das haben alle erklärt – für die Bürgerinnen und Bürger und große Risiken für die Kommunalhaushalte gegenüber. Außerdem können Anlagenbesitzer und -betreiber – das sind in der Regel die Kommunen – in die Schwierigkeit kommen, irgendwann ihre Anlage nicht mehr wirtschaftlich betreiben zu können.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Warum das denn?)

Das haben die Expertinnen und Experten erklärt, Herr Uhlenberg. Sie müssen sich diesen Argumenten bitte stellen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Vereinzelt, ja!)

Herr Ellerbrock bestätigt das.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Vereinzelt! – Ste- phan Gatter [SPD]: Sogar Herr Beckmann hat das bestätigt!)

Genau diese Strategie will die FDP: Kommunale Müllverbrennungsanlagen sollen privatisiert werden. Das haben Sie in dankenswerter Offenheit so gesagt.

Das führt dazu – das haben alle gesagt –, dass die Umweltstandards nicht mehr eingehalten werden können. Wir haben heute eine Situation …

(Minister Eckhard Uhlenberg: Das hat doch damit nichts zu tun!)

Herr Uhlenberg, damit müssen Sie sich beschäftigen. Kommunale Müllverbrennungsanlagen sollen in der Regel, jedenfalls die modernen – auch die, bei denen Bürgerinitiativen und die Grünen gekämpft haben – teilweise in den Parametern bis zu 80 % unter der 17. BImSchV, also unter den Grenzwerten bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Beabsichtigt ist, die Grenzwerte voll auszuschöpfen, nämlich mit solchen Anlagen, wie sie in Paderborn entstehen sollen. Man will eine Billigverbrennung und damit die Absenkung von Umweltstandards letztlich auf der Privatisierungsschiene. Das ist in dankenswerter Offenheit von der FDP hier und in der Anhörung zelebriert worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit ist ein Lohndumping für die Beschäftigten verbunden, weil es sich dann nicht mehr um kommunale, sondern um privatwirtschaftlich Beschäftigte handelt.

(Horst Becker [GRÜNE]: Das ist „Privat vor Staat“!)

Letztlich wird langfristig die Entsorgungssicherheit infrage gestellt.

Das Ganze geschieht vor folgendem Hintergrund – wir lassen die inhaltliche Seite mal weg –: Es gibt noch ein formales Argument, auf das Sie offensichtlich auch nicht hören wollen, nämlich dass wir zurzeit in einer Phase sind, in der es darum geht, europäisches Abfallrecht, die Rahmenrichtlinie, umzusetzen.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Das kann noch lange dauern!)

Auch da haben die Expertinnen und Experten geraten, Herr Uhlenberg: Wartet doch noch ein halbes Jahr. Wenn das entsprechend umgesetzt ist, könnt ihr erneut überlegen, ob ihr vielleicht den Abfallwirtschaftsplan … – Er ist also auch aus formalen Gründen eine völlige Fehlleistung. Am Ende der Legislaturperiode soll er noch schnell über den Tisch in Richtung Privatwirtschaft und Privatisierung geschoben werden.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Nicht schnell!)

Dann heißt es: Hier habt ihr auch noch die Müllverbrennungsanlagen dazu. – Wir werden das nach

dem 9. Mai wieder ändern; das verspreche ich hier und heute. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Minister Eckhard Uhlenberg: Ich dachte, wunders was jetzt kommt!)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Kress.

Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstmalig ist in Nordrhein-Westfalen ein landesweiter Abfallwirtschaftsplan für Siedlungsabfälle aufgestellt worden. Meine Damen und Herren, das ist gut so.

Weniger gut, Johannes Remmel, ist der eingebrachte Antrag der Grünen mit den vorgetragenen widersprüchlichen Begründungen. So sprechen Sie, Herr Remmel, von der Abkehr von einer ökologischen Abfallpolitik in Nordrhein-Westfalen. Sie wiederholen damit Ihre fehlerhaften Darstellungen aus den Fachausschussdiskussionen wie auch aus dem Anhörungsverfahren.

Trotz Ihres heutigen eindeutigen Bekenntnisses zu Abfallverbrennungsanlagen haben Sie aus dem Anhörungsverfahren nur das behalten, was Ihnen offensichtlich passt. Bereits im Rahmen des Beteiligungsverfahrens sind eine Vielzahl von konstruktiven Anregungen eingebracht sowie in der Folge Änderungen und Ergänzungen in den Gesetzestext aufgenommen worden.

So steht heute ganz klar im Gesetzentwurf, dass die Abfallhierarchie unser Leitmotiv für eine nachhaltige Abfallbehandlung bleibt. Hiernach ist die Vermeidung von Abfall die oberste Prämisse; die Beseitigung von Abfall ist hingegen die am wenigsten wünschenswerte Option. Vermeiden, Verwerten, Entsorgen: Das ist eindeutig im nordrheinwestfälischen Wirtschaftplan formuliert.

Widersprüchlich ist auch Ihre Aussage, dass bei der Aufgabe der Zuweisungen, die wir nur noch in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf haben, ein größerer Wettbewerb zu einem ruinösen Preiskampf mit massiven Abfallgebührensprüngen führen wird. Sie prognostizieren praktisch in einem Satz einen ruinösen Wettbewerb mit einhergehend teureren Abfallgebühren: Wie soll das funktionieren? Das Gegenteil wird der Fall sein: Mehr Wettbewerb wird zu einer Gebührenreduzierung führen.

Und ehrlich: Glauben Sie nicht, dass viele Bürger froh wären, wenn die Müllgebühren gesenkt werden könnten? Ich habe nie verstanden, dass in meiner Heimatstadt Dormagen der anfallende Hausmüll zu einer 45 km entfernt liegenden MVA bzw. zur 58 km entfernt liegenden MVA Asdonkshof verbracht werden muss, nicht aber zur nur 13,5 km entfernt liegenden Müllverbrennungsanla

ge Köln, nur weil Dormagen nicht zum Regierungsbezirk Köln gehört. Das Prinzip der Nähe wird durch den neuen Abfallwirtschaftsplan sogar optimiert.

Wie fehlerhaft Ihr Antrag ist, Herr Remmel, zeigt auch Ihr eben wieder vorgebrachter Hinweis auf „Privat vor Staat“. Das ist doch absolut falsch – wir haben das im Ausschuss auch dargelegt –: Die meisten unserer 16 Müllverbrennungsanlagen befinden sich doch gar nicht in Privathand,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Sie wollen sie verscherbeln!)

sondern die Kommunen, die Gebietskörperschaften sind maßgeblich an ihnen beteiligt. Glauben Sie mir, ich habe mir alle Geschäftsberichte der letzten Jahre angesehen.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

In den letzten Jahren hat noch keine Müllverbrennungsanlage rote Zahlen schreiben müssen.

Meine Damen und Herren, die interkommunale Zusammenarbeit wird auch in unserem Abfallwirtschaftsplan ausdrücklich hervorgehoben, so wie sie auch heute schon in den meisten Regionen gelebt wird und vertraglich für die nächsten Jahre auch gesichert ist. So haben zum Beispiel die Gebietskörperschaften Rhein-Kreis Neuss, Mönchengladbach, Viersen und Krefeld ein Abfallrahmenkonzept für die Region Mittlerer Niederrhein erstellt, ein Rahmenkonzept, das heute schon den Kriterien unseres Abfallwirtschaftsplans entspricht, einen zukunftsweisenden Abfallwirtschaftsplan, der unseren Bürgern und Kommunen höchste Entsorgungssicherheit bietet und mit den EU-Vorgaben absolut übereinstimmt. Auch das ist im Rahmen der Anhörung behandelt worden: Wir haben hier eine absolute Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben.