Protocol of the Session on February 4, 2010

Meine Damen und Herren, die interkommunale Zusammenarbeit wird auch in unserem Abfallwirtschaftsplan ausdrücklich hervorgehoben, so wie sie auch heute schon in den meisten Regionen gelebt wird und vertraglich für die nächsten Jahre auch gesichert ist. So haben zum Beispiel die Gebietskörperschaften Rhein-Kreis Neuss, Mönchengladbach, Viersen und Krefeld ein Abfallrahmenkonzept für die Region Mittlerer Niederrhein erstellt, ein Rahmenkonzept, das heute schon den Kriterien unseres Abfallwirtschaftsplans entspricht, einen zukunftsweisenden Abfallwirtschaftsplan, der unseren Bürgern und Kommunen höchste Entsorgungssicherheit bietet und mit den EU-Vorgaben absolut übereinstimmt. Auch das ist im Rahmen der Anhörung behandelt worden: Wir haben hier eine absolute Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben.

Im Gegensatz dazu steht ihr Antrag voller Widersprüche. Ich stimme mit Ihnen überein: Den sollten Sie wirklich ganz schnell in die nächste Mülltonne kloppen und einer MVA zuführen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Recycling!)

Um Ihnen diesen Weg schnell zu ermöglichen, lehnen wir heute Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kress. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Gatter.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen diesen berühmten Witz von dem Geisterfahrer, der auf der Autobahn bei der Radiodurchsage „Vorsichtig fahren – ein Geisterfahrer befindet sich auf der Auto

bahn Richtung Lünen!“ laut vor sich her schimpft: „Ein Geisterfahrer? Dutzende Geisterfahrer!“

Da sitzt nun der abfallpolitische Geisterfahrer, Prof. Dr. Martin Beckmann, in seinem neuen privaten Müllfahrzeug eines westfälischen Entsorgungsunternehmens aus Lünen und lauscht der schmeichelnden Stimme des Kollegen Ellerbrock, die aus dem Navi kommt. Zur Sicherheit liegt auf der Beifahrerseite als abfallpolitische Wegbeschreibung für die Zukunft der Entwurf des Wahlprogramms der NRW-FDP unter der globalen Überschrift „ Freiheit, Innovation, Lebensqualität – Aufsteigerland Nordrhein-Westfalen“. Auf Seite 70 dieses Entwurfs steht: Die Liberalisierung der Abfallwirtschaft konnte bereits mit dem neuen Abfallwirtschaftsplan angegangen werden.

Herr Kollege Remmel, jetzt wissen Sie, warum es jetzt noch beschlossen werden muss. Denn die Jungs müssen in ihrem Wahlprogramm auch noch zeigen können, dass sie Vollzug gemacht haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Auf Seite 71 steht: In der Privatisierung unter staatlicher Kontrolle sehen wir Chancen. – Auf der gleichen Seite steht dann auch noch in Zeile 6: Deswegen wollen wir ein großflächigen Modellversuch Grau in Gelb – ich betone: Grau in Gelb –, bei dem trockene Reststoffe (graue Tonne mit Leichtverpackung und gelbe Tonne) zusammengeführt werden. – Grau in Gelb heißt übrigens: Wir werfen nicht den DSD-Müll in die Satzungsmülltonne der Kommunen, sondern wir werfen den Satzungsmüll in die private gelbe Tonne.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

Wunderbar, dass du dazu „richtig“ sagst. Das ist in Ordnung. Hinten an diesem abfallpolitischen Geisterfahrzeug steht als Ehrenmüllwerker der Kollege Kress, der zwar grob die Richtung kennt, aber nichts mitbekommt von dem genauen Ziel und der Geschwindigkeit des Geisterfahrers auf diesem Müllfahrzeug. Und was macht das Müllfahrzeug überhaupt auf der Autobahn? Das wird die Zukunft zeigen. Deswegen ist das auch alles ganz richtig, was ich da versuche zu beschreiben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der Fahrer Beckmann – für die Kollegen, die bei der Anhörung nicht dabei waren – ist der einzige und Hauptzeuge des Umweltministeriums und der CDU- und FDP-Fraktion, der sagte, das sei alles der richtige Weg, der da beschritten wird. Der Fahrer Beckmann hält wie anfangs in dem genannten Witz alle anderen für die Geisterfahrer, nämlich fast alle anderen Experten in dieser Anhörung bis auf den BDE, der als kleiner Beiwagen am Geisterfahrzeug dran hing. Alle anderen – das hat der Kollege Remmel gesagt –, Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag, Prognos AG, INFA, VKU, ver.di, das sind alles die Geisterfahrer.

Die gleichen Geisterfahrer sitzen im Rhein-SiegKreis, Kreisvorsitzender ist Herr Papke. Sie sitzen da, auch von der CDU. Die CDU stimmt in einer Resolution sogar noch gegen diesen Landesabfallwirtschaftsplan, und die FDP enthält sich. Na gut, so kann man auch Liberalität betreiben. Jeder macht, was er will, Hauptsache, alle machen mit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wie war das noch? Die Behauptung der FDP, es komme zu mehr Wettbewerb und Gebührengerechtigkeit durch den Landesabfallwirtschafsplan, wird wie eine Monstranz vor sich her getragen. Die FDP bringt es auf den Punkt: Liberalisierung der Abfallwirtschaft ist das Ziel. Ich kann mich gut daran erinnern: Die Liberalisierung des Energiemarktes hat nicht zu einer Gebührengerechtigkeit oder zu günstigeren Gebühren geführt. Schon gar nicht hat sie dazu geführt,

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

dass die Bürger alles das machen konnten, was sie gerne machen möchten.

Noch eine Bemerkung zum Kollegen Kress. Er weiß ja, warum er Köln angeführt hat. Das Schöne daran ist: Köln könnte den Müll aus Dormagen gar nicht nehmen, weil in Köln auf Forderung der CDU im Stadtparlament gesagt worden ist: Wir bauen die Müllverbrennungsanlage nur für den Kölner Hausmüll, und es darf kein fremder Hausmüll aus anderen Gebietskörperschaften angenommen werden. Dann bedanke dich bitte bei deinem Kollegen – damals war es Bietmann – dafür, dass es so ist, dass der Dormagener Müll in Köln nicht verbrannt werden darf. Also ist nach dieser Aussage die nächste Müllverbrennungsanlage für euch Asdonkshof, ganz einfach. So würde ich das auch sehen.

Wenn ich mir alles so angucke: Das Schlimmste an dieser Anhörung war: Dieser Experte Beckmann meinte, es wäre doch ungerecht, wenn Bürger für Fehlentscheidungen anderer Kreise in Verantwortung genommen werden.

Mit den Fehlern meint er, dass es Kommunen und Kreise gab, die Müllverbrennungsanlagen gebaut haben, wie der Staat, wie das Land, wie die Gesetze sie gefordert haben, und andere haben sich einen schlanken abfallpolitischen Fuß gemacht. Die haben es nicht gemacht. Jetzt sagt er, es war ein Fehler, dies getan zu haben.

Wenn wir gewusst hätten, was FDP und CDU wollen, dann könnte man zu der Auffassung gelangen, dass es vielleicht ein Fehler war. Aber diesen Kommunen daraus einen Vorwurf zu machen, ist völlig ungerecht, denn die Bürger werden zweimal bestraft:

Diejenigen, die die Anlagen gebaut haben, die ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind, haben dafür als Gebührenzahler viel Geld investieren

müssen. Sie werden jetzt um die Möglichkeit gebracht, dieses Ding in irgendeiner Form finanzieren zu können, weil sich nämlich die anderen einen schlanken Fuß gemacht haben und keinen Müll mehr dahin zu bringen brauchen. Das nennt man dann Gebührengerechtigkeit.

Jetzt werden Sie noch einmal bestraft, denn die haben die Anlagen. Die könnten sich nach der Theorie von FDP und CDU gar nicht irgendwo eine billigere Lösung suchen. Die müssen ihre eigene Lösung nehmen, die sie gebaut haben. Deswegen werden die doppelt bestraft.

Und diejenigen, die sich einen schlanken Fuß gemacht haben, verdienen zweimal Geld.

Jetzt habe ich endlich verstanden, was Liberalismus ist. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Gatter. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Kollege Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses flammende Inferno, was der Kollege Gatter hier als Pyromane aufbaute – hervorragend!

(Zustimmung von der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben den Betriebsrat der MVA Köln gesehen, der den Wettbewerb fürchtet, weil er ihm eventuell seinen Job kostet und Kosteneffizienz angesagt ist.

(Stephan Gatter [SPD]: Das ist eine Unver- schämtheit, Herr Kollege! Das weißt du auch!)

Das muss man hier deutlich sagen. Wenn jemand hier einem Professor Vorwürfe macht, der neben vielen Beratungen auf kommunaler Ebene auch ein Wirtschaftsunternehmen berät, muss ich eine etwas deutliche Replik anbringen, Herr Kollege.

Wir reden über Abfall. Das ist die letzte Stufe des Produktions- und Konsumtionsprozesses. Das geht uns alle an.

Wenn man dann diesen Antrag der Grünen liest, ist man schon erstaunt: „Schlecht für die Umwelt“.

Herr Minister, lassen Sie es mich so deutlich sagen: Ich bin entsetzt, dass aus Ihrem Hause an die Grünen durchgestochen wird, dass hier Umweltstandards geändert werden sollen, dass die 17. BImSchV in den Anforderungen gesenkt werden soll. Wir als Koalitionspartner wissen davon überhaupt nichts. Wir würden das nie mitmachen. Und dass das wieder an die Grünen durchgestochen wird -denn sonst könnten hier solche Behauptungen nicht drinstehen –,

finde ich ungeheuerlich, Herr Minister. Bitte nehmen Sie dazu gleich Stellung. Das finde ich unmöglich.

Meine Damen und Herren, es wird hier deutlich gemacht: „Privat vor Staat!“. Ja, das finden wir eben gut, das finde ich richtig. Kollege Remmel, ich finde das schon aus einem Grunde gut: weil eine Trennung zwischen Aufgabenkontrolle und Aufgabenerfüllung stattfindet. Das heißt, eine Vermischung solcher Aufgaben kommt nicht vor. Deswegen ist das sehr gut.

Das Zweite ist: Wenn ich diese Philippika hier höre, muss ich mich fragen, wo wir eigentlich leben. Von den 16 Müllverbrennungsanlagen in NordrheinWestfalen befinden sich elf in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf, die aufgrund einer gewissen Vorgeschichte Einzugsbereiche haben. Die anderen fünf, die keine festgelegten Claims haben, sind billiger. Die sind billiger!

Und dann schreiben die Leute: Jetzt kommen Kostensprünge, das wird teurer. – Das ist eine selektive Wahrnehmung der Realität mit Tunnelblick. Das kann alles nicht richtig sein.

(Stephan Gatter [SPD]: Das ist die Unwahr- heit, die du da vorträgst! Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Meine Damen und Herren: Mülltourismus? – Das Prinzip der Nähe soll ja erhalten bleiben; das ist auch drin. Nur, es gilt nicht absolut. Es ist ein Prinzip und nach wie vor ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Kommunen, wenn es darum geht, wohin sie ihren Müll bringen.

Meine Damen und Herren, diese Gebührensprünge sind eine Behauptung ohne Beweisführung. Die Realität belegt: Es ist genau andersherum.

(Stephan Gatter [SPD]: Das hat sogar der Beckmann zugegeben, dass es sie geben wird!)

Zu dem drohenden Abbau der Umweltstandards habe ich eben etwas gesagt. Für mich geht es darum: Was ist an notwendigen Maßnahmen da? Umweltstandards werden definiert durch Gesetze, Verordnungen usw. Das ist notwendig. Wir leben nicht mehr in der Zeit von „Wünsch dir was“.

Wenn wir meinen, wir sollten das BImSchG, das Bundesimmissionsschutzgesetz, in seinen Anforderungen ändern – jawoll, dann müssen wir das machen. Herr Minister, ich verlange, dass Sie bitte gleich erklären, warum die Meldung, dass da etwas geändert werden soll, aus Ihrem Hause kommt. Mich interessiert schon, wo Sie hier von Umweltstandards abweichen wollen. Am Ende einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode muss ich sagen: Das entsetzt mich, Herr Minister. Unmöglich!

(Edgar Moron [SPD]: Herr Ellerbrock, Sie sind ein Volksschauspieler!)