Protocol of the Session on February 4, 2010

Sie kommen um die Antwort nicht herum. Und Sie sollten sie vor der Landtagswahl geben, damit Sie ehrlich bleiben. Das ist doch der entscheidende Punkt. Sie wollen sich auch in dieser Frage wieder nur über den 9. Mai retten, damit Sie noch die eine oder andere Wählerinnen- und Wählerstimme kassieren können. Danach kommen die Grausamkeiten.

Wir wissen ja jetzt schon, dass uns diese Grausamkeiten allein durch dieses sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das überhaupt nicht das Wachstum beschleunigt, im Landeshaushalt mit 885 Millionen € erwischen werden. Schon das, was jetzt beschlossen ist, wird noch mal 1,7 Milliarden € kosten, und das belastet dann auch unsere nordrhein-westfälischen Kommunen jährlich noch mal mit 500 Millionen €.

1,7 Milliarden € jährlich vom Land durch die neuen Steuerentwicklungen, die Sie zusammen im Bund mit der FDP in Ihrem Koalitionsvertrag beschlossen haben: Das soll Wachstumsbeschleunigung sein? Ich kann Ihnen sagen: Da wird nichts an Wachstum herauskommen; das ist Belastung für die unteren Einkommensgruppen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das funktioniert nämlich folgendermaßen: Diese „Privat-vor-Staat-Taliban“, hier auf der Seite der FDP – „Privat vor Staat!“ –

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

will die Gewerbesteuer abschaffen. Dann müssen Sie, meine Damen und Herren, 40 Milliarden € durch eine erhöhte Umsatzsteuer ersetzen. Das ist die Diskussion. Sie wollen nicht etwa die Entscheidung in Sachen Hotels zurückholen, sondern Sie wollen eine große Reform machen. Dann werden alle reduzierten Umsatzsteuersätze auf das andere Niveau, auf mindestens 19 %, angehoben. Sagen Sie es den Bürgerinnen und Bürgern doch! Sie müssen die 40 Milliarden € bundesweit irgendwo herholen. Sie müssen sagen, wo Sie das Geld herholen wollen.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Und das ist die Umverteilung auf die schwachen Schultern, nämlich auf die unteren Einkommensgruppen, wenn Sie die Umsatzsteuer erhöhen.

Minister Pinkwart, auch Herr Linssen und wer sich sonst noch berufen fühlt: Wir Grüne wollen von Ihnen im Detail wissen, wie Sie es machen wollen. Sonst glauben wir Ihnen das nicht. Und wir werden das auch landesweit mit den Bürgerinnen und Bürgern besprechen, dass Sie Antworten in dieser Frage schuldig bleiben. Die Bürgerinnen und Bürger werden Sie noch vor dem 9. Mai fragen. Sie werden es nicht versäumen, zu fragen: Was passiert mit unserer Infrastruktur? Was passiert mit den kommunalen Finanzen? Was passiert mit den Leistungen, die das Land heute noch erbringt? Was passiert mit unseren Kitas? Wo wollen Sie die 5 Milliarden € streichen?

Wenn Sie gerade über die Bildung reden, Frau Freimuth, in die Sie angeblich so viel investiert haben: Wann haben Sie zuletzt mit Eltern geredet, die Kinder in der Schule haben? Reden Sie mal mit den Menschen, was sich da in den letzten fünf Jahren getan hat. – Nichts hat sich verändert, außer dass es in diese Richtung gegangen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Sie müssen die Giftliste ausspucken, Herr Möbius. Auch Sie haben die Frage nicht beantwortet. Raus mit der Giftliste! Sie müssen den Menschen sagen, was auf sie zukommt. Es bleibt nicht mehr Netto vom Brutto, sondern es bleibt, wenn es nach Ihnen geht, vom Netto immer weniger für die Menschen übrig. Und das ist das Problem. Sie wollen eine ungeheuerliche Verschiebung zulasten der unteren und mittleren Einkommen und eine weitere Demontage eines jetzt schon gerupften Staates, noch mehr handlungsunfähige Städte. Die Menschen wissen, was das bedeutet. Ich denke, sie werden es auch auf ihrem Stimmzettel deutlich machen. Sie bleiben die Antworten schuldig. Sie bekommen Ihre Antwort am 9. Mai. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Die größten Schuldenmacher im Land sitzen hier immer noch auf der Regierungsbank. Das wollen wir mal festhalten, auch wenn hier das Gegenteil behauptet wird. Sie sind mit 106,8 Milliarden € Gesamtverschuldung angetreten. Mittlerweile sind Sie bei 130 Milliarden €. Sie haben also weit über 20 Milliarden € neue Schulden in fünf Jahren gemacht. Das ist die konkrete Politik, die Sie hier gemacht haben. Das

sage ich Ihnen hier als Linker. Das sage ich Ihnen deswegen, weil wir als Linke sehr konkrete Vorstellungen haben, wie eine andere Steuerpolitik in diesem Land gemacht werden kann.

Sehr deutlich ist auch geworden, was die Heuschreckenpartei FDP vorhat; Heuschreckenpartei deswegen, weil Sie hier immer noch „Privat vor Staat!“ verkünden. Sie wollen weiter privatisieren, Sie wollen weiter Stellen kürzen. Das ist die Politik, die Sie hier machen wollen, das ist die Politik gegen die Menschen in Nordrhein-Westfalen.

Und die katastrophalen Auswirkungen sehen wir. Es gibt Steuerflüchtlinge in der Schweiz. Das ist genau ein Teil des Problems, das Sie verursachen, indem Sie massiv Stellen gerade in einem Bereich kürzen, wobei es doch notwendig wäre, den Steuersündern genau auf die Finger zu gucken.

Sie gucken bei Ihrem Klientel immer weg. Bei den Reichen gucken Sie weg, und die Ärmeren, die nicht so gute Jobs haben, werden belastet. Sie sind gegen Mindestlohn, Sie verwehren sich gegen alles, nur in die eigene Tasche, da geht das Geld immer munter rein.

Wir haben in den letzten Tagen die Geburt eines neuen Begriffs im politischen Vokabular erlebt: „asymmetrische Demobilisierung“ oder, anders formuliert: Wie streut man den Wählerinnen und Wählern am besten Sand in die Augen, was nach der Wahl zu erwarten ist?

(Peter Brakelmann [CDU]: Das können Sie doch am besten!)

Wir erinnern uns noch sehr gut an den Aufschrei von CDU und FDP in Dortmund, als sie die Kommunalwahl verloren haben. Das ist noch nicht allzu lange her. Einen Tag danach wurde dieses Haushaltsloch bekannt. Sie sprachen von Wahlbetrug.

Es ist davon auszugehen, dass der SPD und auch dem abgetretenen Oberbürgermeister in Dortmund die Zahlen bekannt waren. Deshalb sind die Neuwahlen auch richtig. Dafür hat sich die Linke auch ausgesprochen.

Jetzt aber wollen Sie genau dasselbe hier in Nordrhein-Westfalen machen. Sie bereiten jetzt genau das vor, und zwar noch in viel größerem Maße, was in Dortmund passiert ist. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Schon Ihr Bundestagswahlkampf war ein Wahlbetrug. Auch da sind Sie durch den ganzen Wahlkampf geeiert und haben den Leuten verschwiegen, was Sie eigentlich vorhaben.

Jetzt kommt die Kopfpauschale von der FDP, der Heuschreckenpartei, mal wieder. Das haben wir heute auch schon gehört. Sie haben sogar noch bei privaten Krankenversicherern Sonderkonditionen, wo Sie weniger bezahlen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer mögen genau zuhören. Diese FDP, diese Abgeordneten hier, die privat versichert sind, kriegen Sonderkonditionen bei privaten Kranken

versicherungen. Das ist die Realität, wie sich hier Abgeordnete bedienen. Jetzt wollen Sie da weitermachen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Durch die Steuersenkungen sind Einnahmeeinbrüche vorprogrammiert. Sie sagen den Bürgerinnen und Bürgern hier nicht, was Sie nach der Wahl vorhaben. Darauf aber haben die ein Recht. Das ist eine Form von Wahlbetrug, wie man sie noch nicht erlebt hat.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Sie schreien ja auch immer, die Kommunen müssen sparen, natürlich vor allem im sozialen Bereich. Die Konsequenz Ihrer Politik ist natürlich auch, dass die Kommunen sparen müssen, weil Sie den Kommunen in Nordrhein-Westfalen nicht das geben, was ihnen eigentlich zusteht. Das ist auch die Realität. Auch das ist ein Punkt. Wie verhalten Sie sich dazu konkret? Schwimmbäder werden geschlossen. Da kommt gerade der Abgeordnete aus Münster, der ist auch an der Spitze der Bewegung der Schwimmbadschließer in Münster! Jawohl, Herr Dr. Dr. Sternberg, Sie gehören auch dazu.

(Zuruf von Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU])

Sie sind auch einer von denen, die hier Wahlbetrug und Sozialabbau betreiben. Das ist die Politik, die Sie hier in Nordrhein-Westfalen machen.

(Widerspruch von der CDU)

Und, wie gesagt: Immer in die eigene Tasche! Nicht vergessen!

(Zahlreiche Zurufe)

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat nun Minister Dr. Linssen das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verkündige Ihnen eine frohe Botschaft: Sie müssen diese Art von Wahlkampftiraden nur noch vier Plenartage ertragen.

(Beifall von CDU und FDP – Ewald Groth [GRÜNE]: Gehen Sie in Rente, Herr Kolle- ge?)

Wir haben einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Dieser Nachhaltigkeitsbericht ist in einer Arbeitsgruppe des Parlaments besprochen worden. Die Forderungen an diesen Bericht sind gemeinsam aufgestellt worden. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, dass eine rot-grüne Koalition diesen Bericht nie

vor der Wahl vorgelegt hätte. Wir können ihn vorlegen,

(Beifall von der CDU)

weil wir Ihnen sehr genau das strukturelle Defizit des Haushaltes klargelegt haben.

Das beträgt, so wie Frau Brunn das hier gesagt hat, 5,5 Milliarden €. Das heißt, es ist geringer als das, was an Nettoneuverschuldung für das Jahr 2010 geplant ist. Das hängt einfach damit zusammen, dass in einer Depression die Steuereinnahmen immer weiter nach unten gehen, als es in einer Normallage der Fall wäre. Wenn die Zeiten besonders gut sind, ist das Bild durch die Steuereinnahmen auch überzeichnet. Strukturelles Defizit: 5,5 Milliarden.

Nun hat Frau Brunn, die die Forderungen an den Bericht gemeinsam mit allen anderen aufgestellt hat, heute erklärt – wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Brunn; das hat mich schon sehr gewundert –, dass Sie den Bericht gerne auf die Kommunen ausgedehnt haben möchten.

(Zustimmung von Anke Brunn [SPD])

Das war offensichtlich 2008 noch nicht Ihre Meinung. Sie können das sicherlich gleich klarstellen. Ich finde, das ist schon eine sehr große Merkwürdigkeit, dass Sie eine solche Forderung hier aufstellen. Es hängt offensichtlich damit zusammen, dass Sie beabsichtigen, im Wahlkampf wohl nur zwei Themen zu bearbeiten, weil Sie keine anderen Themen haben. Das ist einmal das Bildungsthema – das hören wir ja auch in jeder Plenarwoche dreimal – und offensichtlich das Thema „Verarmung der Kommunen“.

Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber die Abgeordnete Brunn möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Gerne.

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass wir bei der Vorbereitung des Nachhaltigkeitsberichts zunächst die Frage der Kommunen zurückgestellt haben, um erst einmal einen Bericht wie diesen zu bekommen, und ich – wie es auch andere tun – jetzt gefordert habe, zukünftig die Kommunen einzubeziehen, wenn das Ganze ein logisches Bild geben soll? Das heißt, das, was Sie hier behauptet haben, entspricht nicht dem, was zuvor beraten worden ist.