Protocol of the Session on February 4, 2010

Lesen Sie das einmal nach, das war so.

Auf Initiative von Jürgen Rüttgers unterstützen wir die Gemeinden bei einer Korrektur dieser verhängnisvollen Entwicklung. Aus Ihrem politischen Lager habe ich vergleichbare Zusagen noch nicht vernommen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ein Ausdruck großer Hilflosigkeit ist Ihr Beitrag!)

Ich sage es einmal ganz grob: Sie scheinen mir für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Gesamtproblematik zu faul zu sein und verlangen immer nur völlig fantasielos, das Land solle sich zugunsten der Gemeinden noch mehr verschulden. Auch wir sind dem Steuerzahler Rechenschaft schuldig. Sie wollen doch nur eines erreichen: Wir sollen Ihre Rekordschuldenmarke doch noch brechen.

Weder diesen Gefallen werden wir Ihnen tun, noch werden wir versuchen, das erfolgreiche Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu kippen. Worum wir aber streiten werden, ist die möglichst schnelle Einführung eines einfachen, gerechten und wirtschaftlich vernünftigen Steuersystems. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Weisbrich. – Für die FDP spricht nun die Kollegin Freimuth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland erwarten, dass wir die Probleme des Landes wahrnehmen, sie anpacken und lösen,

(Martin Börschel [SPD]: Sehr richtig!)

und das genau im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von der FDP – Ute Schäfer [SPD]: Aber im Interesse aller!)

Wir wissen alle, dass wir uns im Augenblick in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bewegen.

Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats und damit auch der Länder innerhalb kürzester Zeit als Sofortmaßnahme gegen die fortdauernde Wachstumsschwäche Deutschlands – man muss ja sagen, gegen Ende der schwersten Wirtschaftskrise seit 60 Jahren – ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Bekämpfung eben dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation beschlossen.

(Lachen von der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz enthält Wachstumsimpulse in einer Größenordnung von 8,5 Milliarden €. Davon dient der größte Teil mit 4,6 Milliarden € über die Erhöhung des Kindergeldes bzw. des Kinderfreibetrages der Entlastung der Familien

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist das, was die Hartz-IV-Empfänger jetzt abgezogen be- kommen!)

und der Stärkung der Binnenkonjunktur. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist damit die größte Entlastung, die Familien in Deutschland seit Jahrzehnten erfahren haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Deswegen könnte dieses Gesetz zu Recht auch den Namen „Familienförderungsgesetz“ tragen.

(Beifall von CDU und FDP – Oh-Rufe von SPD und GRÜNEN)

Es entlastet nämlich genau diejenigen, die jeden Tag hart arbeiten, die ihre Kinder erziehen, sie zur Schule oder in den Kindergarten bringen, danach zur Arbeit gehen. Es entlastet die gesellschaftliche Mitte, die in der politischen Betrachtung manchmal völlig in Vergessenheit zu geraten scheint, weil es eben weite Teile in dieser Republik gibt, die sich nur noch um das Verteilen, aber nicht mehr um das Erwirtschaften Gedanken machen. Das sind die Leistungsträger dieser Gesellschaft, diejenigen, die den Karren ziehen, die den Mehrwert erwirtschaften, den man hinterher in gesellschaftlicher Solidarität auch verteilen kann.

Meine Damen und Herren, diese vergessene Mitte

(Horst Becker [GRÜNE]: Die „vergessene Mitte“!)

ist seit Jahren mit massiven Belastungen belegt worden: Die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 % war das Letzte, woran auch die Sozialdemokraten beteiligt waren. Wir können uns alle noch gut daran erinnern: „Mit uns keine Mehrwertsteuererhöhung!“ – Ganz plötzlich waren es 3 %. So eine „familienfreundliche Maßnahme“!

Wir sind der Meinung, dass wir diese vernachlässigte Mitte, die Leistungsträger, wieder stärken müssen, diejenigen, die den Karren ziehen, wieder in den Fokus des politischen Handelns rücken müssen. Deshalb haben wir die Bundesregierung bei ihren Plänen zu diesem Gesetz von Anfang an unterstützt. Denn neben der Entlastung für die Familien enthält das Gesetz weitere Wachstumsanreize wie zum Beispiel die dringend notwendigen Korrekturen der wachstumsfeindlichen Unternehmensbesteuerung, etwa bei der Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgütern oder bei der Einschränkung der Verlust- oder Zinsabzugsbeschränkung.

Meine Damen und Herren, das Gesetz ist auch im Lichte der nächsten Schritte zu sehen. Kollege Weisbrich hatte gerade schon darauf hingewiesen: Eine grundlegende Steuerstrukturreform ist nötig. Neben den weiteren Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger bis hin zu einem Gesamtvolumen von ca. 24 Milliarden € steht vor allem eine Vereinfachung des Steuersystems im Vordergrund. Denn es sind doch gerade die Komplexität und Unübersichtlichkeit des Steuersystems, die mehr und mehr dazu führen, dass die Menschen in diesem Land das Zahlen von Steuern unabhängig von der kon

kreten Höhe der zu zahlenden Steuer als irgendwie ungerecht empfinden, weil sie es einfach nicht mehr nachvollziehen können.

(Beifall von der FDP) Wir sprechen heute unter einem anderen Tagesordnungspunkt noch einmal darüber, meine Damen und Herren: Besteuerung muss transparent und nachvollziehbar sein, damit sie akzeptiert werden kann. Das ist zwingend erforderlich. Wenn wir schon bei Kompliziertheit sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt das auch für das Umsatzsteuerrecht. Die Struktur aus dem normalen und dem reduzierten Steuersatz hat sich doch im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer weiter zersplittert. Das System ist in weiten Teilen unübersichtlich, unsystematisch und auch nicht mehr gerecht. Deswegen, meine Damen und Herren, plädieren wir nachdrücklich für eine grundsätzliche Überarbeitung des Umsatzsteuerrechts. Die Menschen erwarten zu Recht, dass sich die Bundesregierung aus FDP und CDU/CSU dieses Problems annimmt. Wenn ich mir trotz und gerade aufgrund der Komplexität eine zügige Novelle des Umsatzsteuergesetzes insgesamt wünsche, ist das kein Grund, einzelne Bestandteile nicht vorzuziehen. Auf europäischer Ebene besteht doch erheblicher Druck, in den Mitgliedstaaten zu einer Senkung der Mehrwertsteuer für Hotel- und Gaststättenleistungen zu kommen. Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesfinanzminister, hat Anfang 2009 im EU-Finanzministerrat dafür gestimmt, dass die Entscheidung über die Mehrwertsteuer endgültig freigegeben wird. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Genauso ist das!)

In 21 von 27 EU-Staaten wurde daraufhin bereits der reduzierte Satz in der Hotellerie angewandt.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will für unsere deutschen Hotelunternehmen, die in einer Vielzahl als kleine und mittelständische Betriebe organisiert sind, in Pensionen und kleinen Hotels, an der Stelle keinen Wettbewerbsnachteil haben.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Kleine Familienbe- triebe! – Gisela Walsken [SPD]: Mövenpick!)

Ich sage an der Stelle ausdrücklich: Ja, ich hätte mir mehr gewünscht, nämlich die Mehrwertsteuerreduzierung für Hotel- und Gaststättenleistungen. Das hätte sicherlich zu einer Vermeidung von jetzt bestehenden komplexen Problemen in der Anwendung und Umsetzung geführt. Aber das, was wir jetzt erleben, schafft Spielräume für Investitionen im Bereich des Übernachtungsgewerbes.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Und für Parteien!)

Meine Damen und Herren, ich finde es deswegen gut und richtig, dass die Finanzministerien von

Bund und Ländern an einer Überarbeitung der Ausführungsbestimmungen arbeiten und diese bis Mitte März vornehmen wollen, um die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen unkompliziert und ohne Mehrbelastungen für die Gäste auszugestalten.

Ich darf an dieser Stelle namens der FDP-Fraktion der Landesregierung ausdrücklich für diese Initiative zur Entbürokratisierung der Regelungen danken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. – Es spricht nun der Abgeordnete Sagel.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN – Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht kehrt hier etwas Ruhe ein.

Die neue Bundesregierung hat, kaum im Amt, eines der folgenreichsten Gesetzespakete verabschiedet, das die Bundesrepublik je gesehen hat. Offiziell heißt es „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Es müsste aber eigentlich „Armutsbeschleunigungsgesetz“ heißen. Für NRW heißt das laut Finanzminister Linssen: 885 Millionen € Belastung. Doch es wird wohl letztendlich wesentlich mehr werden.

Zudem sind die Kommunen in Nordrhein-Westfalen – und nicht nur in Nordrhein-Westfalen – weitgehend pleite. Sie müssen jetzt Sozialabbau betreiben, zum Beispiel Schwimmbäder und Kultureinrichtungen schließen. Der eigentliche Hammer ist aber die damit verbundene Klientelpolitik; man könnte es auch „gekaufte Politik“ nennen. 12 Prozentpunkte Mehrwertsteuersenkung für Hotels und 1 Milliarde € Steuermindereinnahmen wurden gekauft mit einer Spende von 1 Million € an die FDP sowie einer Spende an die CSU von den Mövenpick-Eignern. So weit, so schlecht.

In NRW hatte diese politische Selbstbedienung durchschlagende Wirkung. Die Umfragewerte der FDP sanken dramatisch auf existenzgefährdende Werte. Die NRW-Vielredner Rüttgers und Pinkwart kritisieren nun die Mehrwertsteuersenkung für Hotels und machen Wahlkampf gegen die eigene Koalition, bis ihnen von den eigenen Leuten die Rote Karte gezeigt wurde.

Sie kritisieren die schwarz-gelbe Mehrwertsteuersenkung für Hotels, die sie selbst hätten verhindern können. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers und sein Vize Pinkwart sind ja nicht ohne Einfluss. Denn nicht nur Jürgen Rüttgers, sondern auch Andreas Pinkwart hat genügend Ämter, in denen er eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels hätte verhindern können. Pinkwart ist stellvertretender FDP-Vorsitzender, hat aber bei den Koalitions

verhandlungen für die Steuersenkung gefochten. Pinkwart ist stellvertretender Ministerpräsident der Landesregierung in Düsseldorf, die im Bundesrat aber für die Steuersenkung stimmte. Außerdem hält Pinkwart noch das inoffizielle Amt eines liberalen Vielsprechers, weshalb in früheren Interviews leicht nachzulesen ist, wie toll er die Steuersenkung immer fand.

Jetzt aber fällt nicht nur die Mehrwertsteuer für Hotels, sondern auch die FDP in den Umfragen. Pinkwart kommt das ungelegen, weil er für die Liberalen auch Wahlkämpfer in NRW ist. Er sagt, es sei gute Politik, ein schlechtes Gesetz zu korrigieren. Aber er verschweigt, dass fast alle Experten dieses Gesetz von Anfang an für schlecht hielten und gute Politik darin bestanden hätte, gleich darauf zu verzichten.

Rüttgers und Pinkwart spiegeln freilich auch den Zustand der schwarz-gelben Koalition in Berlin wider, die eine Katastrophe ist. In Nordrhein-Westfalen ist das besonders delikat, weil am 9. Mai die Landtagswahlen anstehen. Wenn man sich die geplanten Steuersenkungen auf Pump einmal genauer anschaut, sieht man nicht Wachstum und Wohlstand für alle, sondern das Gegenteil: Diese Maßnahmen kommen vor allem den Besserverdienenden zugute. Eine Familie mit drei Kindern und hohem Einkommen erzielt 200 € netto mehr. Familien mit mittlerem oder geringem Einkommen profitieren so gut wie gar nicht. Geringverdienende, Rentner, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger, die geringe oder gar keine Steuern zahlen, profitieren von den Steuersenkungen überhaupt nicht. Das ist die Realität.

Unter dem Strich kommen die geplanten Steuersenkungen Besserverdienenden, Vermögenden, Erben sowie den Konzernen zugute – jenen also, die mehr Netto vom Brutto nicht in Kaufkraft umsetzen, sondern lieber spekulieren. Das Binnenwachstum wird dadurch nicht gestärkt, zumal weitere negative Effekte oder Umverteilungen zu Buche schlagen. Nach dem Willen von Schwarz-Gelb wird es keinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Für die Miet- und Mietnebenkosten von Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern soll künftig eine Pauschale gelten. Sind die Kosten höher, müssen die Hartz-IVBeziehenden die Differenz aus ihrem Regelsatz bezahlen. Wie sie das tun sollen, weiß kein Mensch.

Die Steuersenkungen der Bundesregierung müssen zudem auf Pump finanziert werden. Der Abbau dieser Schuldenlasten basiert allein auf dem Prinzip Hoffnung, das Wachstum heißt. Bleibt es aus, womit in der längst nicht überwundenen Krise zu rechnen ist, dann müssen Schulden mit weiteren Schulden und mit Tricksereien – das sehen wir jeden Tag auch bei der Landesregierung, für die Herr Linssen als Finanzminister steht – wie Neben- und Schattenhaushalten finanziert werden.

Die Maßnahmen haben weitere Folgen. Die von der Bundesregierung geplanten Steuersenkungen wer