Meine Damen und Herren, seither dürfen Städte und Gemeinden nur noch dann wirtschaftlich tätig werden, wenn ein dringender öffentlicher Zweck vorliegt und die jeweilige Leistung nicht ebenso gut von einem privaten Anbieter erbracht werden kann. Von dieser ordnungspolitisch richtigen Entscheidung sind wir nach wie vor überzeugt. Davon rücken wir auch nicht ab; denn Kommunen sollen sich vorrangig durch Steuern und Abgaben finanzieren.
Kommunalwirtschaftliches Engagement darf nur dort zum Tragen kommen, wo es keine adäquate privatwirtschaftliche Alternative gibt. Hier gilt ganz klar die alte Devise – Herr Kollege, Sie haben es schon richtig gesagt –: „Privat vor Staat“.
Meine Damen und Herren, die kommunalen Energieversorger, über die wir heute reden, sind von den verschärften Regelungen des Gemeindewirtschaftsrechts weitgehend ausgenommen. Vor dem Hintergrund ihrer Daseinsvorsorgefunktion dürfen sie weiterhin als Akteure auf dem Energiemarkt tätig sein.
Die Subsidiaritätskontrolle gilt für sie nicht. Insofern ist es völlig richtig, was eben gesagt wurde: dass dies keine Neuerung durch die Veränderung des § 107 ist.
Stadtwerke und ähnliche Einrichtungen haben zur Versorgung der Einwohner sowohl die Möglichkeit, Energie auf dem liberalisierten Markt frei zu beschaffen, als auch die Möglichkeit, zum Beispiel mit lokalen KWK-Anlagen oder Fotovoltaikmodulen Eigenstromerzeugung zu betreiben. Wie die Stadtwerke Münster besitzen sie etliche Blockheizkraftwerke oder sogar ein großes GuD-Kraftwerk. Etliche Stadtwerke von Lemgo über Unna bis nach Duisburg verfügen über eigene ausgeprägte Stromerzeugungsmöglichkeiten.
Meine Damen und Herren, eingeschränkt werden die energiewirtschaftlichen Tätigkeiten kommunaler Versorger lediglich durch die Auflage, dass diese aufgrund eines dringenden öffentlichen Zwecks erfolgen müssen. Das dabei einzuhaltende Örtlichkeitsprinzip bedeutet aber nicht, dass eine Betätigung außerhalb der Gemeindegrenzen unmöglich wäre. Beispielsweise beteiligen sich die nordrheinwestfälischen Stadtwerke an überregional tätigen Unternehmen wie der Aachener Trianel, der Mannheimer MVV oder der Münchener Thüga. Über Trianel halten kommunale Versorger unter anderem Anteile an einem zentralen Großkraftwerk in HammUentrop. Weitere Großprojekte befinden sich in der Umsetzung bzw. in der Planung.
Selbst Tätigkeiten im Ausland, Herr Kollege Eiskirch, werden unter den geltenden Rahmenbedingungen bei entsprechender Begründung geduldet.
Trotz der verschärften Gemeindeordnung bleibt den Kommunen also ein erheblicher Spielraum für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten, sodass keinesfalls von einer existenziellen Bedrohung gesprochen werden kann.
Dies wird sogar vonseiten der Opposition so gesehen. So zitiere ich gerne den Kollegen Moron, der bei der Änderung der Gemeindeordnung zur „Financial Times Deutschland“ gesagt hat:
Wenn Sie ehrlich sind, dann glauben Sie das selbst auch nicht, Frau Kollegin. Hören Sie einmal auf Ihren Kollegen Herrn Moron.
Meine Damen und Herren, Stadtwerke und ähnliche Einrichtungen haben in Nordrhein-Westfalen auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen mehr als nur die Möglichkeit, ihre Einwohner mit Energie zu versorgen. Auf der anderen Seite stellen sie für unsere Städte und Gemeinden aber ein hohes finanzielles Risiko dar. Dies gilt umso mehr, je weiter sie sich von ihren Kernaufgaben abwenden. Genau dieser Trend lässt sich aber derzeit beobachten.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Grünen verleitet genau in diese Richtung. Wenn man sich zum Beispiel vergegenwärtigt, dass der Wasser- und Gasversorger Gelsenwasser, der ja bekanntlich den Stadtwerken in Dortmund und Bochum gehört, zusammen mit Bayerngas ernsthaft beabsichtigt, vor der Küste Norwegens Gasfelder zu explorieren,
dann muss man sich doch wirklich einmal fragen, inwiefern das noch Daseinsvorsorge sein soll, Herr Kollege Bollermann.
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Lieber die Multis? – Thomas Eiskirch [SPD]: Sicher ist das Da- seinsvorsorge! Das ist doch gaga!)
denn schließlich geht es hier nicht nur um empfindliche Eingriffe staatlicher Unternehmen in den Markt, sondern auch um hohe Risiken für das Geld unserer Bürgerinnen und Bürger. Der vorliegende Gesetzentwurf will diese Prüf- und Genehmigungspflichten erheblich einschränken. Meine Damen und Herren, damit würde ein Kasino für kommunalwirtschaftliche Zockerei eröffnet.
denn wir wissen im Gegensatz zu Ihnen, wo das endet. Wir wissen, in welchem Desaster das endet. Da können Sie das Beispiel der WestLB nehmen, da können Sie Cross-Border-Leasing nehmen, oder nehmen wir das schönste Beispiel aus den kommunalwirtschaftlichen Aktivitäten Ihrer Zeit, das kommunalwirtschaftliche Abenteuer Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet, das völlig zulasten der Bürgerinnen und Bürger geht. So etwas wollen wir nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockes. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin MüllerPiepenkötter in Vertretung für Herrn Minister Dr. Wolf das Wort.
Ich habe Frau Ministerin zwar schon das Wort gegeben, aber vielleicht erlauben Sie an dieser Stelle, dass wir es unkompliziert regeln.
Ich empfinde es jedenfalls für meine Fraktion nach Geschäftsordnung als erklärungsbedürftig, warum an dieser Stelle Frau Müller-Piepenkötter für die Landesregierung spricht. Das Parlament hat ein Recht darauf, zu erfahren, warum die Landesregierung eine solche Rede durch die Ministerin vorgesehen hat, obwohl die Ministerin, die das Ganze ins Rollen gebracht hat, ebenfalls anwesend ist. Deshalb stellt sich hier im Parlament die Frage, warum nicht die betreffende Ministerin dem Parlament Rede und Antwort steht, nämlich Frau Thoben. Sie ist Auslöserin der gesamten Debatte.
Daher wäre es angebracht, dass die Landesregierung erklärt, warum nicht Frau Thoben redet, sondern Frau Ministerin Müller-Piepenkötter, die mit der Sache gar nichts zu tun hat.
Herr Kollege Remmel, soweit ich informiert bin, entscheidet die Landesregierung in eigener Verantwortung, wer für sie hier die Position vertritt.
(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist ei- ne Missachtung des Parlaments! – Ralf Wit- zel [FDP]: Dann schicken Sie den Antrag doch federführend in den Wirtschaftsaus- schuss!)
Diese Frage ist einfach zu beantworten, Herr Kollege Jäger, weil das eben den Ministerinnen und Ministern vorbehalten ist. – Bitte schön, Frau Ministerin Müller-Piepenkötter, Sie haben das Wort, um für die Landesregierung zu sprechen.