Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass für den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen waren die Promotionsbetrugsvorfälle und Promotionsplagiate, die vor allem im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt haben.
Als Schlussfolgerung daraus wollten die Grünen seinerzeit, wie es auch im Gesetzentwurf steht, sogenannte klare Regeln für Promotionsverfahren festlegen. Dies findet sich im ursprünglichen Antrag wieder und ist in dem Sinne auch nicht durch den Änderungsantrag modifiziert worden.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Antrag so durchkäme, dann würde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Denn wenn wir das in zwei Felder unterteilen, dann reden wir zum einen von den Betrugsvorfällen und den Plagiaten. Die werden allerdings bereits im Rahmen des bestehenden Hochschulrechtes geahndet, und auch die bestehenden Promotionsordnungen an den Universitäten dienen dazu, solchen Vorfällen nachzugehen und sie entsprechend zu ahnden.
Was die Anzahl – das sollte man auch nicht unter den Teppich kehren – angeht, so sind es wenige Fälle im Vergleich zu den Promotionen, die insgesamt jedes Jahr in Deutschland auf guter wissenschaftlicher Basis erfolgreich verfasst werden.
Deswegen muss man sehr vorsichtig sein, wenn man versucht, wenige Betrugsvorfälle jetzt zum Anlass zu nehmen, das gesamte Promotionsrecht, die gesamte Promotionsarbeit mit einzubeziehen.
Zum anderen führte das Gesetz zu einer Einschränkung der gerade in diesem Bereich sehr wichtigen Wissenschaftsfreiheit. Wir haben eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt, und ich möchte aus der Stellungnahme von Herrn Prof. Hillgruber vortragen – er hat aus einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin zitiert –:
Daher sind die Hochschulen „grundsätzlich berechtigt, eigenständig und ohne staatliche Einwirkung die Promotionsvoraussetzungen allgemein festzulegen und hierbei die Inhalte ihrer Promotionsordnungen eigenverantwortlich zu gestalten sowie bei der Durchführung des Promotionsverfahrens über die individuelle Promotionsleistung zu entscheiden“.
Das ist schon wichtig. Denn ein bisschen scheint mir bei der Debatte unterzugehen, dass es bei einer Doktorarbeit um eine wissenschaftliche Arbeit geht. Wir haben immer noch das Gebot der Wissenschaftsfreiheit, und es geht hier nicht darum, dass wir versuchen sollten, dieses einschränken, wie gut gemeint das auch immer ist.
Daraus kann man umgekehrt die Verpflichtung herleiten, dass die Universitäten und natürlich auch die Doktorväter oder Doktormütter peinlich genau darauf achten sollten, dass die wissenschaftliche Qualität einer solchen Doktorarbeit dann auch gewährleistet ist. Das ist klar. Das können wir natürlich auch als Gesetzgeber erwarten. Das müssen aber auch die Universitäten und Professorinnen und Professoren von sich selbst erwarten, und das tun sie auch. Denn wenn wir in den Stellungnahmen der Landesrektorenkonferenz und des Hochschullehrerverbandes nachlesen – es sind seinerzeit auch Anlagen beigefügt worden –, dann stellen wir fest, dass man sich diesbezüglich aktiv bemüht, und das zeitigt auch Erfolge.
Die beiden genannten Verbände haben aus diesen Gründen den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Das tun wir auch, weil wir glauben, dass die Wissenschaftsfreiheit an der Stelle mit dem Qualitätsgewinn, der vielleicht vorausgesetzt wird oder daraus folgen soll, nicht gut zu vergleichen ist. Wir wollen die Wissenschaftsfreiheit priorisieren, und deswegen lehnen wir den Antrag ab und folgen der Beschlussempfehlung des Ausschusses. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Herrn Dr. Brinkmeier hier höre, dann stelle ich fest, dass man dessen Sicherheitskonzept schon fast auf den folgenden Punkt bringen könnte – das würde dann auch für die Polizei und die Innenpolitik im Allgemeinen gelten –: Am besten ist, jeder passt auf sich selbst auf. Das ist bürgernah und kosteneffizient.
Meine Damen und Herren, wir müssen leider feststellen, dass sich auch in der Frage des betrügerischen Handels mit Doktortiteln die FDP/CDULandesregierung hinter ihrem NRW-Hochschulrecht versteckt. Die Äußerungen des Kollegen Brinkmeier haben das gerade bestätigt. Die zentrale Frage ist, Herr Dr. Brinkmeier, wie wir Betrug und Korruption effektiv bekämpfen, denn auch andere Kriminalitätsraten bezogen auf die Gesamtbevölkerung sind gering. Das ist hier Gott sei Dank auch der Fall.
Die Anhörung zum Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen hat uns gerade durch die Stellungnahme der Vertreterin des Wissenschaftsrates darin bestärkt, dass eine bessere gesetzliche Regelung Sinn macht und mehr Transparenz, mehr Rechtssicherheit und Verantwortung gewährleisten würde. Sie haben Herrn Professor Hillgruber zitiert, der in der Anhörung in der Tat eine andere Position vertreten hat. Allerdings war das, was er dort vorgetragen hat, widersprüchlich zu dem, was seitens des Hochschulverbandes vorher schriftlich auf den Weg gebracht worden ist. Da müsste man innerverbandlich mit Herrn Hillgruber sicherlich noch einmal diskutieren.
Meine Damen und Herren, auch in diesem Fall springen Landesregierung und die sie vermeintlich tragenden Fraktionen – heute Morgen war das recht unübersichtlich – in ihrer Ablehnung, gesetzgeberisch zu handeln, zu kurz. Der Handel mit Doktortiteln ist auch Ausdruck der zunehmenden Ökonomisierung unserer Hochschulen, die Sie, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, mit Ihren ordnungspolitischen Vorstellungen immer weiter forcieren.
Sie werden sehen, dass uns dieses Thema in den nächsten Jahren nachhaltig begleiten wird, nicht nur bei diesem Thema, das wir heute hier beraten.
Von daher ist es richtig: Die Fraktion der SPD vertritt ebenfalls wie die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen die Position, dass wir gesetzgeberisch tätig werden müssen. Die Eigenständigkeit der Forschungsleistung der Doktorandinnen und Doktoranden ist Ziel der Promotion. Es darf nicht sein, dass ein so skandalöser Missbrauch mit dem Handel von Doktortiteln, wie er momentan nicht nur – das ist
richtig –, aber auch an nordrhein-westfälischen Hochschulen herrscht, das Image der deutschen Promotionen im internationalen Wettbewerb gefährdet.
Die Promotionsverfahren müssen transparenter werden, um eventuelle Machenschaften abzuwehren. Hinreichende Qualitätsstandards, die sich stets weiterentwickeln und mehr Verfahrenssicherheit beim Promotionsverfahren bringen sollen, sind eine wirkungsvolle Maßnahme, dies zu erreichen. Die Hochschulen und eben nicht nur die Doktorväter und Doktormütter sind hier aus unserer Sicht in der Pflicht, also die Institutionen selbst auch. Darum geht es im Wesentlichen in diesem Gesetzentwurf.
Die Fraktion der SPD ist ebenso wie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Auffassung, dass durch die Aufnahme von mehr Regelungen diesbezüglich ins Hochschulgesetz einem Missbrauch vorgebeugt werden kann. Korruption beim Promotionsverfahren zu bekämpfen, ist auch unser Ziel. Unsere Vorstellung war es jedoch, hinsichtlich dieser Problematik eine gemeinsame Lösung bzw. Initiative aller Fraktionen zu erreichen. Wir hatten signalisiert, dass wir hierzu bereit sind. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat leider ohne unsere vorherige Kenntnis ihren Entschließungsantrag als Tischvorlage in die Ausschussberatungen eingebracht. Die Möglichkeit einer ausreichenden Abstimmung der Fraktionen war so nicht mehr möglich. Das bedauern wir sehr.
Wir werden uns heute deshalb bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf und den Entschließungsantrag der Stimme enthalten, stehen allerdings für eine gemeinsame Gesetzesinitiative hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Wir halten eine Änderung des Hochschulgesetzes in diesem Punkt für unbedingt erforderlich und werben dafür, dass wir hier gemeinsam antreten und eine Mehrheit im Landtag dafür zustande bringen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag zeigt uns mal wieder beispielhaft, wofür grüne Politik in Nordrhein-Westfalen steht, nämlich für mehr Regelungswut und mehr Bürokratie.
Das Thema des Antrags sorgte im Sommer 2009 in Nordrhein-Westfalen für hohe Wellen. Über Titelmissbrauch ist in der Tat viel gesprochen worden. Damals kam ans Licht, dass ein Institut für Wissenschaftsberatung – das war der Stein des Anstoßes der Debatte – in Bergisch Gladbach promotionswilligen und ungeeigneten Akademikern in Zusammenarbeit mit Hochschullehrern gegen Entgelt
rechtswidrig zu Doktortiteln verholfen hat. Wir verurteilen das aufs Schärfste. Die Presseschlagzeilen überboten sich folgerichtig. „Fokus online“ schrieb: „Gekaufte Doktor-Titel. Nur die Spitze des Eisbergs.“ – Das Online-Portal „Der Westen“ titelte: „Korrupte Professoren. Handel mit Doktortiteln lief wie geschmiert.“ – Auf diesen Zug sprang dann natürlich auch die Fraktion der Grünen auf.
Wer den Antrag liest, kann den Eindruck bekommen, dass Betrugsfälle, Plagiate, Ghostwriting oder auch der Einsatz von dubiosen Beratern bei Promotionsverfahren nach Ihrer Vorstellung fast an der Tagesordnung sind. In Ihrem Antrag wird ausgeführt, dass eine Bedrohung für das Vertrauen des Wissenschaftssystems insgesamt bestehe und dem Ruf der Hochschullandschaft in NordrheinWestfalen in Gänze nachhaltiger Schaden drohe. Das sehen wir in dieser Form und Tragweite ganz ausdrücklich nicht so. Nachweislich kann weder von einem flächendeckenden Handel mit Doktortiteln noch von flächendeckendem Erschleichen gesprochen werden, und das ist auch gut so.
Aktuell geht man davon aus, dass bundesweit etwa 100 ermittelte Fälle im Zusammenhang mit dem Stichwort „Titelhandel“ stehen. Jeder einzelne – das will ich ganz klar sagen – ist nach unserem Rechtsverständnis einer zu viel. Wir müssen diese 100 Fälle allerdings einmal in einen realistischen Bezug zu den rund 25.000 jährlich stattfindenden Promotionen setzen. Bei nüchterner Betrachtung stellt man fest, dass sich ihr Anteil im Promillebereich bewegt.
Ich betone noch einmal, dass jeder einzelne Täter einer zu viel ist. Ohne jede Frage muss so etwas vom Rechtsstaat auch mit aller Klarheit verfolgt werden. Hier von der Spitze des Eisbergs zu sprechen und daher ein neues Gesetz auf den Weg bringen zu wollen ist aber wieder einmal typisches Oppositionsgeschrei.
Eine gesetzliche Regelung ist weder notwendig noch geboten. Es gibt nämlich keinen zusätzlichen Regelungsbedarf; denn natürlich existieren auch heute Vorschriften darüber, wie Prüfungen korrekt abzulaufen haben. § 63 Abs. 5 des Hochschulgesetzes sanktioniert ja gerade Verstöße gegen die Prüfungsordnungen. § 69 Abs. 7 befasst sich mit der unzulässigen, unbefugten Ausstellung akademischer Grade. Sie tun fast so, als sei das bislang ein regelungsfreier Bereich. Das ist es ganz ausdrücklich nicht. Deshalb brauchen wir keine über den bestehenden Rechtsrahmen hinausgehende weitere Normierung.
Meine Damen und Herren, wir sind auch nicht bereit, zu akzeptieren, dass nur deshalb, weil es leider einige schwarze Schafe gibt, zukünftig erst einmal jeder junge Mensch, der Interesse an einer Promotion hat, unter einen Generalverdacht illegalen Han
delns gestellt wird. Das ist zwar immer das Menschenbild der Grünen, das sie mit diesem Entschließungsantrag wieder einmal unterstreichen. Unser Menschenbild ist das aber ganz ausdrücklich nicht. Wir sind der Auffassung, dass vor der Verabschiedung von Gesetzen Fragen der Verhältnismäßigkeit zu beachten sind.
Außerdem sagen wir – so argumentieren wir bei anderen Lebenssachverhalten auch sehr glaubwürdig –, dass es in unserem Land nicht ständig ein staatliches Mehr an anlass- und verdachtslosen Kontrollen sowie staatlichen Eingriffen in Lebensbereiche geben darf. Wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen, wird gehandelt. Dafür stehen existierende Rechtsnormen zur Verfügung. Hier alles noch weiter gesetzlich zu regeln und von jedem für das Abbiegen nach links und nach rechts in diesem Land noch entsprechende eidesstattliche Versicherungen zu verlangen, geht uns in der Regelungsdichte viel zu weit – insbesondere weil unsere Philosophie die des Hochschulfreiheitsgesetzes ist.
Wir legen fest, wie jede einzelne Hochschule für sich ihre Verfahren im ganz konkreten Detail am besten regelt. Das regelt sie selber vor Ort mit Promotionsordnungen. Der Wettbewerb der Hochschulen in Bezug auf die Anerkennung und die Wertigkeit von Abschlüssen sorgt doch dafür, dass jede Hochschule von sich aus naturgemäß ein Eigeninteresse hat, dass bekannt wird, dass der akademische Grad der Hochschule A etwas wert ist, während sich der einer anderen Hochschule eher im Zwielicht befindet. Das ist die Vorstellung einer Wettbewerbslandschaft von Hochschulen, in der Hochschulen auch als Anbieter von Bildungsdienstleistungen in den Wettbewerb treten. Das Ganze wird im Rahmenrecht des Hochschulgesetzes geregelt. Natürlich gibt es dort Leitplanken, die der Staat setzt – aber schon mit den Freiheitsgraden einer möglichst sachgerechten Umsetzung vor Ort, um auch hier die Kräfte des Marktes entsprechend zu unterstützen.
Das ist unsere Philosophie, die wir bis zum 9. Mai und darüber hinaus weiter umsetzen werden. Hochschulfreiheit, Vertrauen gegenüber den Einrichtungen und Menschen – das ist der einzig richtige Weg. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, das war eine ziemlich peinliche Einlassung Ihrerseits.
(Beifall von GRÜNEN und SPD – Svenja Schulze [SPD]: Sehr genau! – Marc Jan Eu- mann [SPD]: Sie nennen Ihre Hochschule besser nicht, Herr Witzel!)
Sie hat nur gezeigt, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es in unserer Anhörung ging. Ich glaube, dass Sie auch gar nicht daran teilgenommen haben. Dann hätten Sie heute nämlich nicht so geredet. Wir haben sehr lange und ausführlich über eine Qualitätsoffensive im Rahmen der Promotionsverfahren gesprochen. Dabei ging es darum, dass man als Prävention dringend ein strukturiertes Promotionsverfahren braucht, das wir an den Hochschulen teilweise nicht haben. Das wissen auch alle im Wissenschaftsbetrieb Tätigen.
Deswegen handelt es sich bei Ihren Darlegungen wirklich um eine ziemlich peinliche Einlassung. Vielleicht liegt das ja wirklich daran, dass Sie überhaupt nicht an dieser Diskussion teilgenommen haben.