Protocol of the Session on February 3, 2010

Das mag ja sein.

Meine Damen und Herren, der Antrag der SPD ist sehr zielorientiert wahlkampfbezogen.

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Wiegand. Würden Sie sie gern beantworten?

Aber immer, von meiner Kollegin selbstverständlich.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Sie sprachen gerade die Beratungsstellen in Ihrem Kreis an. Wir unterstellen natürlich keiner von ihnen, dass sie keine gute Arbeit machte, im Gegenteil: Sie machen sehr gute Arbeit. Aber wissen Sie auch, wie lang die Wartezeiten sind, bis die Betroffenen einen Termin bekommen, und wie viele Monate sie warten müssen?

Mir hat gerade der Kollege Palmen gesagt, dass sich dies im völlig normalen Bereich bewegt, dass das völlig hinnehmbar sei und der Kreistag sogar abgelehnt habe, sich für eine neue Verbraucherzentrale dort auszusprechen. Das sagt genug, glaube ich.

Herr Ellerbrock, es gibt noch eine Frage von Herrn Stüttgen. – Sie wollen lieber weitermachen?

Ich würde gern fortfahren, denn ich spreche weitestgehend frei. Deswegen lassen Sie mich die Gedanken einfach einmal entwickeln.

Der Antrag bringt von der Zielrichtung her wirklich nichts Neues. Allerdings merkt man eines: Das ist das Hase-und-Igel-Spiel. Wo die die Regierung tragenden Parteien CDU und FDP schon sind, kommt jetzt der Igel angelaufen und sagt, ich möchte das auch machen.

(Beifall von der FDP)

Ich will das einmal kurz nachführen: Es gibt den Antrag der Koalitionsfraktionen „Sicherheit in der Krise: Ausbau des Verbraucherschutzes im Finanzmarktsektor“ vom 01.09., Drucksache 14/9769. Darin wird zum Beispiel hinsichtlich der Finanzkompetenz auf das „Netzwerk Finanzkompetenz“ und auf die Initiative „Alles im Griff“ hingewiesen. Hierbei ist es Zielrichtung der Landesregierung, schon früh, nämlich im Schulalter – bereits in der Grundschule beginnend –, eine Finanzkompetenz aufzubauen. Bei der Initiative „Alles im Griff“ haben Schülerinnen

und Schüler der neunten und zehnten Klasse Gelegenheit, mit Unterstützung professioneller Schuldnerberater Finanzkompetenz zu erlernen.

Außerdem wird, wie eben deutlich wurde, gefordert, neue Beratungsstellen einzurichten. – Ja, diese Landesregierung hat drei neue Verbraucherzentralen eingerichtet, finanziell getragen von den Beschlüssen von CDU und FDP.

Morgen nun steht der Antrag der Koalitionsfraktionen „Anlegerschutz auf dem Finanzmarkt stärken – Bundesregierung unterstützen“ auf der Tagesordnung, wo wir dies ebenfalls wieder zum Thema gemacht haben. Ausweislich der Eingangsnummern ist der SPD-Antrag später gekommen. Das ist ja nicht so schlimm.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Was wird in dem Antrag gefordert? – Der Antrag will nahe bei den Menschen sein. Deswegen ist das Wichtigste, was in diesem SPD-Antrag gefordert wird, ein NRW-Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung; das müsse nun verbessert werden, man wolle jetzt deutlich machen, welchen Anforderungen Schuldnerberater in Nordrhein-Westfalen entsprechen sollen.

Das hört sich gut an, Kollege Killewald. 1870 wäre der Antrag richtig gewesen. Zwischenzeitlich haben wir aber die EU, und es gibt die EU-Dienstleistungsrichtlinie, die freie Marktzugänge gewährt. Selbst wenn wir in Nordrhein-Westfalen eine besondere Anforderung für die Qualifikation der Schuldnerberater auswiesen, könnten sie in dem Augenblick in Nordrhein-Westfalen tätig werden, in dem sie überhaupt eine Zulassung haben, zum Beispiel aus anderen Bundesländern.

Ganz interessant wird es, wenn Sie sich in Ihrer Forderung Nummer zwei für die Entwicklung eines ressortübergreifenden Konzeptes zur Koordination und Vernetzung der Schuldnerberatung einsetzen. – Ja, meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Legislaturperiode. Wir hätten gern von Ihnen einmal Ihre Vorstellungen erfahren. Wir haben unsere Vorstellungen in unseren Anträgen vorgestellt und sie auch größtenteils umgesetzt.

Das ist doch typisch: Sie fordern Konzepte, während wir mit den Arbeiten zur Lösung in der Endphase sind. Sie stellen vielleicht die richtigen Fragen; wir sind aber dabei, die Antworten auf die Fragen nicht nur zu geben, sondern sie umzusetzen. – Das kann doch wohl nicht richtig sein.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, die Landtagswahl steht vor der Tür. Die Bürgerinnen und Bürger möchten gerne Ihre Vorstellungen kennen. Sie sagen aber sicherlich nicht: Toll, die Vorstellung der Opposition ist, man müsste einmal ein Konzept entwerfen, über das wir dann in der nächsten Legislaturperiode reden könnten. – Selbstverständlich werden wir das

Konzept der Landesregierung insbesondere unter semantischen Gesichtspunkten – inhaltlich kommen Sie ja nicht zum Punkt; da kommt ja nichts Neues – diskutieren.

Meine Damen und Herren, das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint. Dass Sie es gut gemeint haben, will ich Ihnen nicht absprechen. Der Antrag taugt aber nichts. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Herr Remmel ist bereits auf dem Weg. Bitte schön, Sie haben das Wort, Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion zur Schuldner- und Insolvenzberatung bietet uns heute hier die Gelegenheit, über ein Thema zu sprechen, das bundesweit Millionen von Haushalten betrifft, im Parlament jedoch leider eher ein Schattendasein führt. Insofern bin ich dankbar, dass der Antrag Gelegenheit bietet, dies zu besprechen.

In der Tat ist es für viele Menschen, für viele Haushalte nicht nachvollziehbar, dass es zwar eine große politische Diskussion und eine immense finanzielle Anstrengung des Staates zur Rettung von Banken gibt, aber kaum über folgende Fragen gesprochen wird: Was ist denn, wenn ich als Privatmann, als Privatfrau insolvent werde? Wer hilft mir denn in dieser Situation?

(Beifall von den GRÜNEN)

Insofern hat das Stichwort „Rettungsschirm“ auch Bedeutung für Privatinsolvenzen.

Es ist eine schon länger andauernde Entwicklung, dass immer mehr Menschen in die Verbraucherinsolvenz gehen. Immer mehr Menschen verschulden sich und sind selbst nicht mehr in der Lage, aus der Schuldenfalle herauszukommen. Nicht umsonst gibt es die eine oder andere Fernsehsendung, die auf dieses Thema hinweist. Aus unserer Sicht haben wir aber eine strukturelle Lösung des Problems bis heute nicht gefunden.

Es ist gut, dass es das Gesetz zur Privatinsolvenz gibt, dass es diese Möglichkeit seit Jahren gibt. Es muss aber mit Leben gefüllt werden, und das heißt, dass es entsprechende Beratungseinrichtungen gibt. Diese Einrichtungen müssen jedoch unabhängig sein, Herr Ellerbrock. An dieser Stelle haben wir einen tiefen Dissens zu Ihrem Ansatz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Beratungsstellen müssen unabhängig sein. Das ist die Qualifikation einer solchen Beratung zur Verbraucherinsolvenz.

Häufigster Auslöser der Überschuldung ist Arbeitslosigkeit. Am stärksten von Überschuldung betroffen sind alleinerziehende Mütter und Väter sowie kinderreiche Familien. Armut ist eindeutig der Nährboden für Überschuldung. Die aktuellen Informationen zeigen, dass acht von zehn überschuldeten Haushalten einkommensarm sind. Sie verfügen über weniger als 60 % des durchschnittlichen Pro-KopfEinkommens.

Die Wirtschaftskrise hat mit einer steigenden Arbeitslosenquote und einem starken Anstieg bei der Kurzarbeit bereits 2009 dazu geführt, dass die Zahl der Fälle in den Schuldnerberatungsstellen stetig zunimmt. Anfang dieser Woche hat die SCHUFA bekannt gegeben, dass die Zahl der Kreditausfälle bei Verbraucherkrediten 2009 gegenüber dem Vorjahr um 7% gestiegen ist.

Diese deutlichen Warnsignale sollten die politisch Handelnden – also uns hier – endlich wachrütteln, damit wir mal wieder zu unserem Kerngeschäft zurückkehren, nämlich der Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit; und das verlangt entschlossenes Handeln, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir müssen uns eben nicht um die Hoteliers kümmern, die gut versorgt sind, sondern es geht um Armutsbekämpfung in diesem Lande. Das muss auf der politischen Agenda ganz oben stehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Teil dieser Armutsbekämpfung ist insofern – zugegebenermaßen auch eher als Reparatur- bzw. nachbereitende Maßnahme – in der Tat die Schuldner- und Insolvenzberatung.

Das Hamburger Institut für Finanzdienstleistung iff hat im Überschuldungsreport 2009 festgestellt, dass die Wartezeit für ein Beratungsgespräch bei der Schuldnerberatung im Schnitt drei Monate beträgt. Drei Monate! Acht von zehn Betroffenen werden nach der Betreuungsphase in das Verbraucherinsolvenzverfahren überführt.

Drei Monate in einer wirklich prekären Situation auf ein Beratungsgespräch zu warten ist aus unserer Sicht zu lang. Das ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass wir in diesem Bereich zu wenige Kapazitäten haben.

Verbraucherinsolvenzverfahren und Betreuungsphase sind zwei unterschiedliche Verfahren, die gut koordiniert und vernetzt werden müssen. Es ist richtig, dass die SPD diese von den Beratungsstellen kommende Forderung nach einer besseren Koordinierung aufgreift und die Landesregierung auffordert, an dieser Stelle tätig zu werden.

Allerdings sind wir der Meinung, dass die Frage der Privatinsolvenz noch eine weiter gehende Diskussion erfordert, statt sich darauf zu beschränken, sozusagen ausschließlich im nachsorgenden Bereich tätig zu werden.

Herr Ellerbrock hat ein Stichwort genannt. Aber auch da werfen wir der Landesregierung vor, zu wenig zu tun, anstatt bereits präventiv in Bezug auf die Frage „Wie gehe ich mit Geld um, wie gestalte ich meinen Alltag mit Geld?“ intensive Anstrengungen zu unternehmen, und zwar auch im Bereich Schule und Bildung. Wir haben vorgeschlagen, ein eigenes Fach „Verbraucherbildung“ einzurichten, wo diese Themen schon in der Schule und auch danach noch eine entscheidende Rolle spielen.

(Zuruf von der CDU)

Das muss Gegenstand einer Gesamtdebatte sein.

Und Gegenstand dieser Gesamtdebatte muss auch sein, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wie sich die Banken nach wie vor verhalten. Wir haben den Eindruck und den deutlichen Hinweis – nicht nur wir Grünen, sondern es wird landauf, landab diskutiert –, dass die Banken in der großen Zahl eben nichts aus der Finanzkrise gelernt haben und nach wie vor nicht kunden-, sondern produktorientiert beraten.

(Zustimmung von der SPD)

Hier sollen nach bestimmen Margen Produkte verkauft werden. Das ist auch ein Grund, der Menschen in eine Insolvenz treiben kann.

Ich will hinzufügen: Die derzeitige Entwicklung der Zinsen für Dispokredite und Überziehungskredite finde ich skandalös. Das ist skandalös, was hier an Abzocke betrieben wird. Das ist auch oft ein Auslöser, der noch obendrauf kommt, wenn man schon in finanziellen Schwierigkeiten ist.