Protocol of the Session on January 20, 2010

Ihrer Begründung ist zumindest eine Frage zu entnehmen. Diese Frage lautet: Die betroffenen Eltern zuerst, aber auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger fragen, was da passiert. Wieso wird das Gerichtsurteil angezweifelt und hierdurch das Anmeldeverfahren – Klammer auf: angeblich; Klammer zu – blockiert?

Ich möchte ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern und vor allem den Eltern in Morsbach, eine Antwort auf diese Frage geben – eine Antwort, die Ihnen von der Opposition sicherlich nicht passen wird, eine Antwort, die Wahrheiten enthält, die den Morsbacher Eltern seitens der Verwaltung und der örtlichen „Bunten Liste“, bestehend aus SPD, UWG, Grünen, BfM und FDP, leider vorenthalten wurde.

Was passiert da? Erster Teil: Es wird ein Rechtsstreit ausgefochten – etwas, was in unserem Staat, den Müttern und Vätern des Grundgesetzes sei Dank, zur Normalität gehören darf und besonderen Schutz genießt.

Sowohl die Wortwahl der oberbergischen Sozialdemokraten als auch die Wortwahl in der Überschrift Ihres Antrages lassen mich jedoch zweifeln, ob Sie noch mit beiden Beinen auf dem Boden dieses Rechtsstaates stehen.

(Lachen von der SPD)

Für die oberbergische SPD und die Verwaltungsspitze in Morsbach gibt es nämlich zwei Arten von Rechtsmitteln: die guten Rechtsmittel, die der eigenen Sache dienen, und die schlechten Rechtsmittel, die den Erfolg des vermeintlichen Leuchtturmprojektes Gesamtschule eventuell gefährden könnten.

Ein gutes Rechtsmittel im Sinne der Gesamtschulbefürworter war beispielsweise die Klage der Gemeinde beim Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung durch die Bezirksregierung.

Ein gutes Rechtsmittel im Sinne der Gesamtschulbefürworter war im August 2009 auch noch eine mögliche Berufung beim OVG in Münster. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde den Eltern in der Einladung zu einer Informationsveranstaltung im August 2009 erklärt hat – ich zitiere –: Das Urteil kann gegebenenfalls mit Rechtsmitteln beim Oberverwaltungsgericht angefochten werden. – Damals wurde hier noch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sich das Verwaltungsgericht Köln der Argumentation der Bezirksregierung anschließen könnte.

Das absolut gleiche Rechtsmittel, nun durch die Bezirksregierung vor Kurzem beim OVG eingelegt, mutiert hingegen im Wortschatz von SPD und Grünen im Landtag zu einer Willkürhandlung oder, um die gestrige Resolution der oberbergischen SPD zu zitieren, zu einer politisch motivierten Verhinderungsstrategie.

(Christian Weisbrich [CDU]: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren der Opposition, Ihre Wortwahl und Ihre sich daraus ableitende Einstellung zu rechtsstaatlichen Prinzipien hinterlässt einen schalen und üblen Eindruck –

(Beifall von CDU und FDP)

ganz zu schweigen von der Wirkung, die diese Äußerungen bei den betroffenen Eltern hervorrufen könnten.

Nicht Willkür und Verhinderungsstrategie greifen hier Platz, sondern legitime Mittel des Rechtsstaates werden von beiden Seiten, von Befürwortern und Kritikern, eingesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der „FOCUS“ richtet in seiner aktuellen Ausgabe die Mahnung an die Politik – ich zitiere –, für ein Bildungsbewusstsein zu kämpfen, für das die Frage, was unterrichtet und gelehrt wird, wichtiger ist als die Frage, in welcher Organisationsform dies geschieht.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren der Opposition, nehmen Sie doch einmal Abstand von Ihren ideologischen Betonformeln,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Lachen von der SPD)

die Gesamtschule oder die Einheitsschule sei für alle immer und an jedem Ort die beste Lösung. Nicht das Türschild an der Schule ist von Bedeutung, sondern die inneren Werte von guter Lernatmosphäre über die beste Ausstattung bis hin zu einer verbesserten Lehrer-Schüler-Relation.

(Beifall von CDU und FDP)

Das sind die Ziele, die wir verwirklichen wollen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das sind die al- ten Parolen, die nicht mehr greifen!)

Die besten Chancen, gerade auch für die Kinder in Morsbach, und die Sicherheit der Eltern bei der Entscheidung für eine dauerhaft zukunftsfähige Schule sind die entscheidenden Kriterien – Kriterien, denen sich die CDU-Fraktion in diesem Hause ebenso verpflichtet fühlt wie die CDU in Morsbach.

Die noch ausstehende Antwort auf die zweite Frage – wieso wird das Gerichtsurteil angezweifelt? – werde ich Ihnen gerne in meinem zweiten Redebeitrag geben.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Löttgen. – Für die FDP spricht Frau Pieper-von Heiden.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und täglich grüßt das Murmeltier. Zum gefühlt hundertsten Mal prä

sentieren SPD und Grüne heute die Aufführung: Die Landesregierung diskriminiert die Gesamtschulen.

Diese Litanei ist ebenso bekannt wie falsch. Eines ist jedoch neu: Dieses Mal erheben Sie sich sogar zu Schiedsrichtern über rechtsstaatliche Verfahren.

Willkür gegenüber Eltern sofort beenden – du meine Herren! Diese Formulierung zeigt schon ein seltsames Rechtsstaatsverständnis von SPD und Grünen. Wie können Sie von Willkür reden, wenn in einem Gerichtsverfahren ein Organ der Exekutive von seinem Recht Gebrauch macht, einen Antrag auf Zulassung einer Berufung gegen einen Gerichtsbeschluss zu stellen? Was hat das denn mit Willkür zu tun?

Im Gegensatz zu SPD und Grünen maße ich mir nicht an, in laufenden Rechtsverfahren ex cathedra zu entscheiden. Ich kann hier nur die unterschiedlichen Argumente zur Kenntnis nehmen.

Die Bezirksregierung Köln hat in ihrer Erklärung zur Berufung deutlich gemacht, dass sie mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts grundsätzliche Fragen der Schulentwicklungsplanung in der Region aufgeworfen sieht.

In § 80 des Schulgesetzes ist festgelegt, dass Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände im Rahmen der Schulentwicklungsplanung verpflichtet sind – wörtlich –, „zur Sicherung eines gleichmäßigen und alle Schulformen und Schularten umfassenden Bildungs- und Abschlussangebots in allen Landesteilen für ihren Bereich eine mit den Planungen benachbarter Schulträger abgestimmte Schulentwicklungsplanung zu betreiben.“

Wenn also die Bezirksregierung Köln als zuständige Behörde derartige Bedenken hat, muss sie diese auch vertreten. Das ist keine Willkür, sondern ihre Verpflichtung. Auch wenn der Vorsitzende am Verwaltungsgericht zu einer anderen Einschätzung gelangt ist – die Bezirksregierung hat verdeutlicht, dass es aus ihrer Sicht keine ausreichende Schülerzahl für die längerfristige Sicherung der Schule gibt.

Meine Damen und Herren, ganz allgemein muss gesagt werden – das gilt auch für Morsbach –: Die Schulform Gesamtschule umfasst die Sekundarstufen I und II. Zur Errichtung einer neuen Gesamtschule gehört nach gegenwärtiger Rechtslage zwingend auch die planerische Berücksichtigung der Oberstufe. Um eine Oberstufe funktionsfähig zu gestalten, braucht man a) zwingend von vornherein eine genügend große Anzahl von Schülern, um in einer ausreichend großen Sekundarstufe II ein qualifiziertes Fachangebot vorhalten zu können, und b) eine entsprechende Leistungsheterogenität, die sicherstellt, dass die Gesamtschule ihre Oberstufe auch aus der eigenen Sekundarstufe I bedienen kann.

Offenbar beruft man sich in Morsbach auf zahlenmäßige Schätzungen, die von der Verwaltung so nicht geteilt werden. Übrigens: Jeder, der eine zusätzliche Oberstufe haben will, muss auch sagen, welche andere Oberstufe dafür zur Disposition gestellt werden soll –

(Beifall von der FDP)

in der eigenen Kommune oder in einer Nachbarkommune.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)

Liebe Leute, wir haben zukünftig – bis auf wenige Ausnahmen im Land – nicht mehr Schüler, sondern deutlich weniger.

In Morsbach haben unterschiedliche Fraktionen den Antrag auf Errichtung einer Gesamtschule unterstützt. Auffällig ist aber, wie sich einige vor Ort Beteiligte zitieren lassen. Ein Herr Schramm von der SPD spricht davon, man wolle mit aller Gewalt die Neugründung von Gesamtschulen verhindern und ziele auf einen Erstickungstod der Schule. Da scheint doch wohl ein wahrer Ideologe am Werk zu sein.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesem Herrn sollte mal verdeutlicht werden, dass es überhaupt keine Verhinderungstaktik bei Gesamtschulgründungen gibt. In der letzten Legislatur unter Rot-Grün – ja, Frau Beer, Sie wissen es – wurde eine einzige Gesamtschule gegründet. Bei uns sind es schon ein paar mehr geworden. Wir sind nämlich keine Ideologen.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Deshalb war die FDP ja dafür!)

Die Landesregierung verhindert nicht, sondern sie prüft gewissenhaft und fair. Das ist auch nötig und richtig. Die Landesregierung hat viel dafür getan und zusätzliche Mittel freigemacht, um die Oberstufenqualität der Gesamtschulen zu verbessern, nachdem uns das erste Zentralabitur die Mängel deutlich aufgezeigt hat.

Meine Damen und Herren, ein Beispiel für eine kürzliche Neugründung ist die Gesamtschule in Hemer. Dort wurde ebenfalls ordentlich geprüft und der Gründung dann stattgegeben, weil alle notwendigen Kriterien erfüllt waren. Aus dem Kreis des Fördervereins hören wir, dass er die Arbeit der Landesregierung in Bezug auf die Gesamtschulen ausdrücklich anerkennt und würdigt. – Da staunen Sie, Frau Beer, das hören Sie nicht so gerne.

Grüne und SPD behaupten immer wieder aus dem hohlen Bauch, dass wir Gesamtschulen beim Ganztag benachteiligten. Leider wird das nun auch in Hemer behauptet.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: So ist es!)

Dazu möchte ich Folgendes sagen: Dass die Gesamtschule in Hemer als Halbtagsschule genehmigt wurde, wusste jeder bei der Gründung. Wir haben aufgrund der Ganztagsversorgungsquote von 95 % die Bevorzugung der Gesamtschulen beenden müssen, um auch andere Schulen daran teilhaben zu lassen.

(Beifall von FDP und CDU)

SPD und Grüne hatten ihre Lieblingskinder; der Rest konnte sehen, wo er bleibt. Wir schaffen für die Kinder an anderen Schulformen endlich Gerechtigkeit und Chancen; denn wir haben kein selektives Gerechtigkeitsverständnis wie Sie.