Protocol of the Session on January 20, 2010

SPD und Grüne hatten ihre Lieblingskinder; der Rest konnte sehen, wo er bleibt. Wir schaffen für die Kinder an anderen Schulformen endlich Gerechtigkeit und Chancen; denn wir haben kein selektives Gerechtigkeitsverständnis wie Sie.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, es steht mir nicht zu, den Gang von Verfahren vor Gericht zu bewerten; aber etwas kann ich bewerten: Immer dann, wenn für eine Gesamtschuloberstufe nicht ausreichend Schüler zu erwarten sind, macht es doch viel mehr Sinn, Schulverbünde der Sekundarstufe I zu gründen, wie im Schulgesetz vorgesehen. Wir Liberale gehen einen Schritt weiter und wollen künftig den Eltern und Schulträgern bei rückläufigen Schülerzahlen mit unserer regionalen Mittelschule ein attraktives differenziertes Angebot machen, das alle Anschlussmöglichkeiten zur Oberstufe und zum Abitur öffnet. Das ist doch die Lösung für die Fläche.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist Ein- heitsschule light, wie Herr Wüst formuliert!)

Wenn Frau Beer sagt, dass es in diesem Land gar nicht mehr ideologischer sein kann, dann möchte ich versuchen, Ihnen die Lust an Ideologie zu nehmen. Ich habe kürzlich etwas Nettes gelesen; hören Sie mal zu, ob das auf Sie zutrifft: Ideologen haben oft etwas Wahnähnliches, sie sehen die Welt nur aus einer Perspektive.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie sprechen über sich selbst!)

Die Unfähigkeit aber, die Perspektive zu wechseln, wird psychiatrisch als Wahn bezeichnet. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Sommer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Aktuelle Stunde ist nach meinem Verständnis immer dann geboten, wenn es um einen aktuellen Anlass geht. Das ist in Morsbach sicherlich gegeben. Wenn ich aber, sehr verehrte Frau Hendricks, sehr verehrte Frau Beer, Ihre Redeanteile gewichte, die für Morsbach reserviert waren,

(Beifall von der CDU)

dann waren wiederum die Thematiken Gesamtschule und Schulstruktur sehr überlastig im Vordergrund. Das ist nicht ganz aktuell. Ich erinnere mich daran, dass ich an dieser Stelle schon mindestens neunmal über Gesamtschulen gesprochen habe. Ich erinnere mich auch genau daran, dass ich immer wieder betont habe: Die Gesamtschulen sind ein wichtiger Bestandteil unseres Schulsystems. Da das bei Ihnen offensichtlich auf taube Ohren stößt, sage ich es nochmals – wenigstens für das Protokoll.

Nun aber, meine Damen und Herren, zur Gemeinde Morsbach und ihrem Vorhaben, eine Gesamtschule zu errichten: Morsbach – Herr Löttgen hat es eben schon erwähnt – ist eine Gemeinde, die über eine bestimmte Einwohnerzahl verfügt. Ich habe noch 11.000 Einwohner im Kopf, Sie haben 12.000 gesagt, dazwischen wird es sich bewegen. Das ist in diesem Zusammenhang wichtig, weil sich daraus Entwicklungen ergeben. Ende 2008 stellte Morsbach bei der Bezirksregierung Köln einen Antrag auf Neueinrichtung einer vierzügigen Gesamtschule.

Jetzt kommt es: Eine solche Errichtung ist nur dann möglich, wenn man mindestens 112 Schülerinnen und Schüler aufweisen kann. Diese Schülerzahl kann – das ist auch nicht strittig gewesen – die Gemeinde Morsbach nicht alleine aufbringen. Sie muss also, weil sie so groß ist, wie sie ist, oder wenn man so will: weil sie so klein ist, wie sie ist, auf Schülerinnen und Schüler anderer Gemeinden Bezug nehmen.

Selbst wenn wir annehmen würden, dass alle Morsbacher Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse die Gesamtschule besuchen würden: Von der Entwicklung her – schauen wir mal ein bisschen in die Zukunft, nicht nur auf das nächste Jahr! – ist beispielsweise 2013/2014 schon ein merklicher Rückgang der Schülerzahlen zu verzeichnen. Dann gibt es wirklich nur 97 Viertklässlerinnen und Viertklässler. Das ist schon ein Abstand, wenn man an diese grundsätzlich notwendigen 112 Schülerinnen und Schüler denkt. Also: Die Gemeinde ist dauerhaft auf Schülerinnen und Schüler aus anderen Gemeinden bei der Errichtung und bei der Fortführung einer Gesamtschule angewiesen.

Den Kuchen kann man nur einmal verteilen; das weiß jeder. Diese Schülerinnen und Schüler fehlen dann in den anderen Gemeinden. Eben haben wir schon gehört: Insbesondere die Gemeinde Waldbröl hat sich sehr stark gemacht und befürchtet, dass etliche Schülerinnen und Schüler aus der Gemeinde Waldbröl abgeworben werden könnten. Das erregt die Gemeinde natürlich und macht sie auch besorgt, was verständlich ist.

Ein Bürgermeister, auch der Morsbacher Bürgermeister, ist gewählt, die Interessen seiner Gemeinde zu vertreten. Das ist ihm überhaupt nicht vorzuhalten; das ist richtig und wichtig. Aber wir müssen bei der Einrichtung einer Gesamtschule auch darauf achten: Was sagen die umliegenden Gemeinden? Was sagt Waldbröl? Was sagen die anderen?

Für diese Konfliktsituation, die sich da auftut, hat der Gesetzgeber vorgesorgt und eine glasklare Regelung getroffen. Im Schulgesetz heißt es in § 80 Abs. 4 – ich darf ihn kurz zitieren –:

Können die Voraussetzungen für die Errichtung und Fortführung von Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen nur durch Schülerinnen und Schüler mehrerer Gemeinden gesichert werden, so sind diese Gemeinden insoweit zu einer gemeinsamen Schulentwicklungsplanung verpflichtet.

Diese Regelung brauchen wir, damit Gemeinden nicht eine Schulentwicklungsplanung nach dem Motto „Wer zuerst da ist, mahlt zuerst“ oder nach dem Windhundverfahren, wie man es auch nennen will, betreiben.

Meine Damen und Herren, wir müssen in diesem Zusammenhang – das ist mir wichtig, weil es bisher so wenig gesagt worden ist – auch auf die Bedürfnisse der anderen Eltern, der anderen Kinder, der anderen eingehen. Ich glaube, dass es wichtig ist, im Kontext dieser Diskussion auch auf die Damen und Herren, Bürgerinnen und Bürger der anderen Gemeinden Bezug zu nehmen. Neueinrichtungen – das sage ich noch einmal nachdrücklich – müssen, wenn die Gemeinden zu klein sind, zwingend mit anderen Gemeinden abgestimmt werden.

Gerade unter dem Damoklesschwert der zurückgehenden Schülerzahlen trifft diese Formulierung, die ich Ihnen vorgelesen habe, im Übrigen nicht nur auf Gesamtschulen zu, sondern auch auf alle anderen Schulformen.

Die verpflichtende Abstimmung über den Konsens, der gebildet werden sollte, ist in diesem Fall leider nicht geschehen. Herr Bürgermeister, Sie haben mal gesagt: Es muss doch möglich sein. Das ist doch ein Zeichen von Demokratie, wenn wir das jetzt hier wollen. – Demokratie, wie ich sie verstehe, ist Allgemeingut. Sie ist wichtig für uns alle. Es gibt keine ausschließlich Morsbacher Demokratie, der wir hier folgen dürfen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das sagt doch kei- ner!)

Nach dem Verständnis der Opposition, meine Damen und Herren, steht der Elternwille der Gemeinde Morsbach repräsentativ für den gesamten Oberbergischen Kreis bzw. den Rhein-Sieg-Kreis. An dieser Stelle müssen wir sehr vorsichtig sein, denn das ist reine Spekulation, das ist überhaupt nicht bewiesen.

Nun hat die Gemeinde Morsbach einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Wir sprechen also über einen laufenden Rechtsstreit. Wir tun alle gut daran, nicht spekulativ in dieses Verfahren einzugreifen. Wir tun gut daran, abzuwarten, wie dieses Verfahren ausgehen wird. Dann sehen wir weiter.

(Martin Börschel [SPD]: Politisch handeln!)

Dann sehen wir so schnell weiter, dass den Eltern – das ist mir wichtig – Sicherheit gegeben werden kann, wo sie ihr Kind, ihren Jungen, ihr Mädchen, anmelden können. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Sommer. – Für die SPD spricht Frau Schäfer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Sehr geehrter Herr Löttgen! Nach Ihrem Redebeitrag heute – Sie kommen ja aus der Gegend von Morsbach – habe ich mir nur gewünscht, dass viele Menschen aus Morsbach heute im Internet dieser Plenardebatte zuschauen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn Sie scheinen eines überhaupt nicht begriffen zu haben, nämlich dass es hier um eine einzige Sache geht: Es geht um die Achtung des Elternwillens und des Willens der Kommune Morsbach.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich habe fast den Eindruck, dass Sie die Zuschriften, die der Landtag bekommt, gar nicht lesen. Ansonsten wüssten Sie, dass der Bürgermeister, der heute hier anwesend ist, für den Rat der Stadt Morsbach geschrieben hat und auch spricht. Ich zitiere aus diesem Hilferuf – so nennt er das – vom 13. Januar 2010:

Kommunale Selbstverwaltung, Demokratie, Bürgerwille – sind das nur noch theoretische Begriffe, die in der Praxis keine Bedeutung mehr haben?

Ich muss sagen, seitdem Schwarz-Gelb die Landesregierung stellt, ist das in Nordrhein-Westfalen der Fall.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es geht um nichts anderes als um Missachtung des Elternwillens, was Sie in den Verfahren gegenüber den Kommunen und den Eltern praktizieren, die sich um eine Weiterentwicklung ihrer Bildungslandschaft vor Ort bemühen und kümmern. Um nichts anderes geht es.

Kommen Sie mir nicht mit dieser Paragrafenreiterei. Ich habe den Eindruck, diese Landesregierung klagt inzwischen gegen die Eltern Nordrhein-Westfalens. So verhalten Sie sich in der Fläche des Landes.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich will das einmal am Beispiel von Morsbach deutlich machen. Was wollen Sie jetzt eigentlich? Einerseits reden Sie davon, dass es eine abgestimmte Planung mit den Nachbarkommunen geben muss. Wenn es dann Nachbarkommunen wie Horstmar und Schöppingen gibt, die das in der Vergangenheit getan haben, dann war das auch nicht richtig.

(Ursula Meurer [SPD]: So ist das!)

Wenn Sie schon über Morsbach reden, dann müssen Sie auch die zweite Hälfte der Wahrheit sagen, dass nämlich 50 % der Kinder in Morsbach auspendeln und die Realschule schon von 50 % eingependelten Kindern besucht wird. Insofern ist das eine etwas verzerrte, wenn nicht falsche Darstellung, die Frau Ministerin Sommer soeben hier im Plenum gegeben hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn Sie dann über Waldbröl und die umliegenden Gesamtschulen sprechen, dann müssen Sie wissen, dass von jeder dieser Gesamtschulen jährlich 115 Kinder abgelehnt werden. Dann müssen Sie doch für die Region eine Möglichkeit schaffen, diesem Elternwillen auch gerecht zu werden. Das ist möglich. Warum hat eigentlich das Verwaltungsgericht so positiv entschieden? Sitzen da alles nur Idioten, oder haben die sich vorher auch mit der Sache beschäftigt?

Aber das nehmen Sie nicht zur Kenntnis, sondern die Bezirksregierung in Köln sagt: Nein, da wollen wir mal Berufung einlegen. Also: eine Bezirksregierung gegen das Verwaltungsgericht und gegen den Elternwillen.

Warum machen die das? Das kann man sich ja fragen. – Ich sage, das hat einen Grund: Das ist schlicht und einfach eine Verzögerungstaktik, damit Sie über diesen Einschulungstermin hinwegkommen. Sie haben das in der Vergangenheit in Bad Salzuflen genauso praktiziert. Immer wieder eine neue Hürde, und wenn die von der Kommune beseitigt wurde, wieder eine neue Hürde.

(Martin Börschel [SPD]: So ist das!)

Aber es hat Ihnen letztendlich nichts genutzt. Die Eltern in Nordrhein-Westfalen und die Kommunen setzen ihre Interessen durch, wenn auch nicht komplett, denn die nächste Baustelle wird ja der Ganztag werden. Warten wir mal ab, wie das dann da mit dem Klageweg weitergehen wird, den einige Kommunen auch beschreiten.

Insofern ist Morsbach hier ein weiteres Beispiel. Deswegen, Frau Ministerin, diskutieren wir auch so oft hier im Landtag darüber, was Sie in der Fläche des Landes nicht zur Kenntnis nehmen wollen, nämlich – ich sage es noch einmal – den Elternwillen und den Gestaltungswillen der Kommunalpoliti