Protocol of the Session on January 20, 2010

Ich finde, dass diese Vorgänge bei der Arbeiterwohlfahrt mein Ministerium veranlassen müssen zu prüfen, ob ein solcher Wohlfahrtsverband noch all die Vorteile genießen darf, die in diesem Land Wohlfahrtsverbände genießen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortbeiträge liegen mir nicht vor.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war aber jetzt dünn, Herr Minister! – Gegenruf von Minister Karl-Josef Laumann: Das ist eine Sauerei, was Sie da machen! – Weiterer Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD] – Erneut Gegenruf von Minister Karl-Josef Laumann)

Ich würde herzlich bitten, das in einer angemessenen Art und Weise auszutragen.

Da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, sind wir am Schluss der Beratung und können damit auch zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung kommen, die uns der Ältestenrat wie folgt vorschlägt, nämlich den Antrag Drucksache 14/10524 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Darf ich hierzu die Zustimmung aller Fraktionen feststellen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe nun auf:

5 Bedrohung Nordrhein-Westfalens durch die Mafia

Große Anfrage 38 der Fraktion der SPD Drucksache 14/9740

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/10178

Ich eröffne die Beratung. – Für die Fraktion der SPD hat zunächst der Abgeordnete Dr. Rudolph das Wort

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in Nordrhein-Westfalen 270 Polizeibedienstete in Bewegung gesetzt werden und dazu noch fünf Staats- und Oberstaatsanwälte kommen, wenn innerhalb von sehr kurzer Zeit 22 TKÜ-Maßnahmen und 15 Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt werden, dann ist diese Landesregierung nicht auf der Jagd nach der Mafia oder bekämpft kriminelle Rockerbanden, sondern dann führt sie eine politisch motivierte Kampagne gegen einen früheren Abteilungsleiter im Umweltministerium, um dessen bürgerliche Existenz zu zerstören.

Insoweit ist es bitter zu sehen, dass sich diese Landesregierung ganz offensichtlich stärker solchen

Kampagnen widmet und sich vor allen Dingen um Kleinkriminelle kümmert

(Zuruf von der CDU: Quatsch!)

statt um Schwerverbrecher.

Die Kollegin Düker fragt mich ab und zu: Wie kann es sein, dass sich die SPD so intensiv gegen die organisierte Kriminalität und für den Schutz der Bürger einsetzt? – Da kann ich nur sagen: Dieses Thema, das organisierte Verbrechen, ist ein Thema auch für die politische Linke, weil das organisierte Verbrechen ein Feind der offenen Gesellschaft und der sozialen Marktwirtschaft ist.

Das ist in Italien so – wenn Sie einmal sehen, wer bei der Bekämpfung der Mafia auf welcher Seite steht –, und das ist ganz offensichtlich auch in Nordrhein-Westfalen so, in einem Land, in dem eine Partei den Innenminister stellt, die sich in ihren historischen Anfängen um die Durchsetzung der Gewerbe- und Handelsfreiheit sehr verdient gemacht hat und die Gewerbetreibende und Handeltreibende geschützt hat, damit es keine anderen Bösen gibt, die sie um den Genuss dieser Freiheiten bringen. Genau das passiert nicht nur in Italien, sondern auch in unserem Land, da einige dabei sind, die Gewerbe- und Handelsfreiheit in NordrheinWestfalen zu zerstören und – noch Schlimmeres.

Man muss sich die Mafia-Kriminalität als einen Verbund aus internationalen Mischkonzernen in Familienhand vorstellen. Das römische Institut Eurispes schätzt das jährliche Geschäftsvolumen der drei größten italienischen Mafiaorganisationen auf rund 140 Milliarden € und hat errechnet, dass sie einen Jahresgewinn von 60 bis 70 Milliarden € erwirtschaften soll.

Dieser Gewinn, den nur die drei größten Mafiazweige weltweit machen, liegt damit deutlich über unserem Landeshaushalt. Er entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Dänemark. Bundesfinanzminister Schäuble wäre froh, wenn er das Geld hätte; denn dann bräuchte er so gut wie keine neuen Schulden in seinen Haushalt aufzunehmen.

Es ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Dimension, die wirtschaftliche Kraft, die wirtschaftliche Vernichtungskraft, die hinter dieser Form des organisierten Verbrechens steht. Dabei reden wir noch nicht einmal über andere Formen von organisierter Kriminalität, weil wir wissen, dass es nicht nur die italienische Mafia, sondern auch Mafiaorganisationen anderer Art gibt.

Die italienischen Behörden haben aber von der gefährlichsten Mafiaorganisation, nämlich der ’Ndrangheta, in den letzten 16 Monaten Besitz im Wert von 6,6 Milliarden € beschlagnahmt. Weil die ’Ndrangheta das allmählich stört, hat sie am 3. Januar dieses Jahres auch eine Bombe vor der Staatsanwaltschaft von Reggio di Calabria explodieren lassen.

Unsere nordrhein-westfälischen Behörden haben in den letzten fünf Jahren in Ermittlungskomplexen gegen Tatverdächtige der italienischen organisierten Kriminalität immerhin 2,54 Millionen € an Vermögenswerten gesichert.

Spätestens seit dem Sechsfachmord von Duisburg wissen wir: Auch Nordrhein-Westfalen ist von der Mafia nicht unberührt. Auch in unserem Land werden Drogen-, Waffen- und Immobiliengeschäfte gemacht. Auch hier wird Tag für Tag Geld gewaschen. Auch bei uns tauchen Killer der Mafia unter. Auch hier kann, wie in Duisburg geschehen, die Gewalt der Mafia eskalieren.

Die wesentliche Linie der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage besteht allerdings darin, dass Schwarz-Gelb, was die Bedrohung durch die Mafia angeht, abwiegelt und auch über weite Strecken verharmlost. So will die Landesregierung keine Anhaltspunkte dafür haben – ich zitiere aus der Antwort –, „dass der Standort Deutschland eine besondere Attraktivität für eine künftige nationale Ausbreitung der italienischen OK aufweist.“

Nun wird man sagen müssen, dass diese Attraktivität offenbar seit Langem gegeben ist. Sie hat sich ausgebreitet. Die Frage lautet: Können wir diese Entwicklung stoppen? Können wir eine weitere Ausbreitung verhindern? Können wir die italienische organisierte Kriminalität wieder zurückdrängen?

Interessant ist auch, dass im Grunde fast alle Recherchen von Experten, aber auch die einschlägigen Berichte des Bundeskriminalamtes sowie die Ermittlungsergebnisse der italienischen Behörden und die Erkenntnisse von Europol diesen Aussagen und der von der Landesregierung hier vorgenommenen Gefährdungseinschätzung widersprechen.

Übrigens hat die italienische Abgeordnete Laura Garavini, die dem Antimafia-Ausschuss ihres Parlaments in Rom angehört, erklärt: Angesichts der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD dürften bei der Mafia die Champagnerkorken knallen.

In einigen Antworten erkennt man auch, wie eigentümlich weit die Landesregierung offenbar von der Realität der organisierten Kriminalität entfernt ist. Beispielsweise behauptet sie in einer Antwort, dass sie eine Ausnutzung moderner Kommunikationstechniken durch die Mafia nicht festgestellt habe. Der Kundige fragt sich natürlich, warum die Frauen von San Luca, die sich im Zickzackkurs von Italien nach Amsterdam zu ihren untergetauchten Männer, den mutmaßlichen Tätern des Sechsfachmordes, bewegt haben, in ihren großen Taschen nicht nur kalabresische Spezialitäten wie leckeren Käse und gute Wurst für ihre Männer

hatten, sondern auch einen Laptop mit einer abhörsicheren Skype-Verbindung.

Uns stellt sich die Frage, wie es eigentlich kommt, dass ein Innenminister, der sonst immer von der Kultur des Hinsehens spricht, hier offenbar eine Kultur des Wegsehens pflegt. Die Antwort liegt in den Erlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt in den Akten. Danach ist feststellbar, dass diese Landesregierung direkt nach ihrem Regierungsantritt die Kriminalitätsbekämpfung in NordrheinWestfalen so ausgerichtet hat, dass eine öffentlichkeitswirksame Senkung von Fallzahlen und eine Erhöhung der Aufklärungsquote erreicht werden, indem man einen Bogen um schwere und schwerste Formen von Kriminalität macht.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

In einem Erlass vom 11. August 2008 – also kein Jahr nach dem Sechsfachmord, aber natürlich rechtzeitig vor unserer Landtagswahl – werden unsere Polizeibehörden noch einmal unmissverständlich zu einer Senkung der Fallzahlen angehalten. So weit, so gut, so unterstützenswert. Dass dies aber allein durch eine schwerpunktmäßige Ausrichtung auf die Massen- und Straßenkriminalität geschehen soll, beweist: Die Landesregierung besitzt offenbar überhaupt kein gesteigertes Interesse an einer sogenannten spezialisierten Kriminalitätsbekämpfung, weil die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Wirtschafts- und Computerkriminalität oder auch von Kapitaldelikten Zeit kostet, Ressourcen bindet und wahrscheinlich erst einmal einen Anstieg der Zahlen in der Statistik zur Folge hat, weil damit ein Dunkelfeld stärker beleuchtet wird, in dem es zurzeit zappenduster aussieht.

Daher kommt man nicht umhin, den Eindruck zu gewinnen, dass es dieser Landesregierung in der praktischen Politik für innere Sicherheit vor allen Dingen darum geht, die Kleinen zu fangen und die Großen laufen zu lassen.

Deswegen, meine Damen und Herren, fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur gegen die Massen- und Straßenkriminalität vorzugehen – so richtig das ist –, sondern endlich auch damit zu beginnen, das Dunkelfeld der Mafiakriminalität aufzuhellen.

Erstens. Sie müssen endlich eine Qualitätsoffensive gegen die organisierte Kriminalität starten und sie zu einem zweiten strategischen Schwerpunkt machen, damit klar ist: Unsere Polizei wird genauso gegen organisierte Kriminalität eingesetzt wie gegen kleinere Verbrechen.

(Beifall von Hans-Theodor Peschkes [SPD])

Zweitens. Wir fordern Sie auf, die von den FDP in den Landtag eingebrachte Novelle zum Polizeigesetz aufzugeben und sich zum Gesetzentwurf der SPD zu bekennen; denn nur er beinhaltet die adä

quaten Antworten auf die Bedrohung durch die Mafia und die organisierte Kriminalität. Als Liberale können Sie auch ganz beruhigt sein; denn darin finden sich die rechtsstaatlichen Standards, die vom Bundesverfassungsgericht und einer Politik, die der liberalen Demokratie verpflichtet ist, vorgegeben sind.

Drittens. Mit Blick auf das Hotelgewerbe würden wir Sie bitten, nicht nur Steuererleichterungen für Hotelbesitzer zu gewähren und eine eigentümliche Form von Klientelpolitik zu betreiben, sondern auch zu einer Entlastung und einem wirksamen Schutz von Gastronomie und Hotelbetrieben zu kommen, indem Sie sich beispielsweise der Anti-MafiaInitiative, die auch Gastronomen in NordrheinWestfalen, zuletzt in Köln, vorgestellt haben, anschließen.

Wir verstehen nicht, warum es in Berlin mit einem rot-roten Senat möglich ist, dass das Landeskriminalamt Berlin eine Gastronomieinitiative unterstützt, die Nein zur Mafia sagt, die Menschen ermuntert, kein Schutzgeld zu bezahlen, die etwas aufdeckt, damit Schutzgeldzahlungen nicht so leicht möglich sind, während das in NordrheinWestfalen offenbar nicht geschafft wird.

Schließlich: Geben Sie vor allen Dingen auf, das Problem zu verharmlosen, sondern bekämpfen Sie endlich die gesamte organisierte Kriminalität mit allen dem Rechtsstaat zu Gebote stehenden Mitteln! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Dr. Rudolph. – Für die CDU spricht der Kollege Kruse.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPDFraktion zur Bedrohung Nordrhein-Westfalens durch die Mafia verdeutlicht aus Sicht der CDUFraktion eindrucksvoll den Umfang der Herausforderungen, vor denen wir in Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern in Deutschland insgesamt und in Europa stehen.

Herr Kollege Rudolph, Sie und die gesamte SPDFraktion betreiben nicht mehr und nicht weniger als blanken Populismus, wenn Sie der Landesregierung und den Fraktionen von CDU und FDP vorwerfen, überhaupt kein Interesse an der spezialisierten Kriminalitätsbekämpfung zu haben, sondern diese im Sinne von Öffentlichkeitswirksamkeit zu betreiben. Ein gehöriger Teil Ihrer Ausführungen – der Einstieg, Stichwort: Fall Friedrich, das Ende: Hotelgewerbe – hatte nichts mit diesem Thema zu tun. Es war nicht mehr und nicht weniger als Wahlkampfgetöse.

(Zuruf von der CDU: Genau richtig!)

Aus meiner Sicht stellt die Antwort auf die Anfrage ebenfalls sehr deutlich heraus, dass die Aufgabenstellung in keiner Weise unterschätzt wird, sondern dass die organisatorischen und institutionellen Voraussetzungen für eine effektive Bekämpfung der Mafia und der organisierten Kriminalität – erst recht seit dem 11. September 2001 – kontinuierlich verbessert und ausgebaut werden. Hiermit haben ganz ohne Frage Vorgängerregierungen begonnen. Diesen Prozess werden wir in Abstimmung mit dem Bund und den Ländern fortsetzen und verstärken. Eine enge Vernetzung ist und bleibt erforderlich.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Aktivitäten der Straftäter im Bereich der Mafia und der organisierten Kriminalität spielen sich überwiegend im Verborgenen ab. Konspiratives Verhalten ist eines der charakteristischen Merkmale der Akteure, die sich darüber hinaus durch ein hohes Maß an Professionalität auszeichnen. Außerdem werden natürlich Methoden der Einschüchterung angewandt, soweit dies zum Zwecke der Abschottung der Geschäfte und persönlichen Beziehungen nach innen und außen als notwendig erachtet wird.

Eine Art natürliche Barriere gegenüber den Ermittlungsanstrengungen der Strafverfolgungsbehörden stellt auch die gelegentliche Bildung ethnisch abgeschlossener Straftätergruppen dar. Hier ist es für die Ermittler besonders schwer, in die Strukturen einzudringen. Beispiele dafür sind die italienische Mafia, die Russenmafia, aber auch die chinesischen Triaden.

Die Aktivitäten der Mafia und der organisierten Kriminalität bleiben in wesentlichen Bereichen unsichtbar. Sie sind partiell unzugänglich und können in Einzelfällen nur unter Schwierigkeiten von legalen Lebenssachverhalten abgegrenzt werden. Das Dunkelfeld – Herr Kollege Rudolph, Sie haben davon gesprochen – dürfte hier besonders stark ausgeprägt sein, ohne dass auch nur annähernd Aussagen zu seinem Umfang möglich erscheinen.