Protocol of the Session on December 1, 2005

Der Bahnchef Mehdorn betreibt nämlich Rosinenpickerei, indem er ICEs einsetzt, mit denen man gut Geld verdienen kann, während die anderen Aufgaben auf die Länder verschoben werden. Somit landen die Defizite bei den Ländern.

Jetzt noch ein Wort zu dem in NordrheinWestfalen gefahrenen Verkehr ITF 2 mit den 100 Millionen Zugkilometern. Wir wissen alle – jedes Jahr – um die Ärgernisse der Kunden auf den Bahnstrecken wegen der Verspätungen. Die gibt es nicht nur beim Herbstlaub. Das hängt schlichtweg damit zusammen, dass die Bahn ein ehrgeiziges Netz betreibt, nämlich ITF 2 mit 100 Millionen Zugkilometern, die bei der vorhandenen Infrastruktur objektiv nicht gefahren werden können. Deshalb muss es zu Verspätungen kommen.

Jeder weiß, dass die Bahnknoten Dortmund und Köln dringend ausgebaut werden müssen. Dieses ist bisher nicht erfolgt. Insofern sind Verspätungen vorprogrammiert.

Das von Herrn Steinbrück in seiner Regierungserklärung angekündigte ITF-Netz 3 können Sie sich wirklich schon abschminken. Selbst das ITFNetz 2 mit 100 Millionen Zugkilometern ist überhaupt nicht fahrbar. Es ist dringend erforderlich, dass in Berlin noch einmal auf die Grundannahmen zurückgegriffen und neu verhandelt wird, weil die Regionalisierungsmittel für NordrheinWestfalen nicht nur in dieser Höhe sein müssen, sondern weil wir auch mit Blick auf andere Länder hier wesentlich mehr brauchen. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass das im Koalitionsvertrag steht.

Wir freuen uns darüber, dass im Koalitionsvertrag allerdings einige positive Aussagen mit Blick auf Wirtschaft und Arbeit verankert sind, nämlich: Das Verkehrsnetz in der Bundesrepublik Deutschland

soll adäquat ausgebaut werden, und dafür sollen mehr Mittel eingesetzt werden, auch für das transeuropäische Netz, wenn wir nur einmal an die Betuwelijn denken. Das lässt einen durchaus zuversichtlich stimmen. Insofern wird in die Infrastruktur mehr investiert, damit die Züge überhaupt pünktlich fahren können, was schon einen Wert für die Benutzer des öffentlichen Verkehrs hat.

Das enthebt uns nicht davon, Effizienzgewinne im Land zu realisieren und auch darauf hinzuwirken, dass die Verbünde auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten und dass die völlig überflüssige Nahverkehrsagentur, die Sie, Herr Minister a. D. Horstmann, ins Leben gerufen haben, schlichtweg aufgelöst werden kann und hier nicht zusätzlich gebraucht wird.

So werden wir natürlich bei dieser Reform darüber nachzudenken haben, wie wir die verschiedenen Fördertöpfe vom Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz über das Bundesschienenwegeausbauprogramm bis hin zum Regionalisierungsgesetz einmal so vereinheitlichen, dass bis zu den Kommunen herunter klar ist, aus welchen Mitteln Geld zur Verfügung gestellt werden kann.

Kurz zum Schluss: Die Kosten für die Mobilität müssen für die Kunden erträglich sein. Das ist die Politik in Berlin, aber auch hier in Düsseldorf. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lorth. – Als Nächster hat Herr Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist immer wieder faszinierend zu hören, wenn sich Leute aufregen und gleichzeitig von Ruhe und Gelassenheit reden. Das hat Herr Wittke im Verkehrsausschuss gemacht, und das hat er auch heute zum wiederholten Male gemacht.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Herr Wittke, wenn Sie sich darüber aufregen, dass andere den Finger in die riesengroß klaffende Wunde legen, dann muss ich Ihnen für die grüne Fraktion vorwerfen, dass Sie Ihrem Fachressort damit nicht gerecht werden. Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie an erster Stelle für den Erhalt der Regionalisierungsmittel kämpfen, die für dieses Land und den ÖPNV in diesem Flächenland dringend erforderlich sind, und sie nicht leichtfertig auf dem Tablett schon anbieten, indem

Sie Ihre Bereitschaft erklären, sie ab 2007 reduzieren zu lassen. Das ist völlig unangemessen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Ruhe und Gelassenheit könnte man als Opposition dann an den Tag legen, wenn es einem nicht um die Sache ginge. Denn mit Ruhe und Gelassenheit werden wir in den nächsten Jahren Ihre vollmundigen Ankündigungen an der Realität messen können.

Was bedeutet das, was aus dem Bund kommt? – Hier auch in Richtung SPD: Natürlich ist das konkret. Im Koalitionsvertrag kann man das auf Seite 67 nachlesen. Übrigens ist im finanzpolitischen Teil von der Kürzung der Regionalisierungsmittel die Rede und nicht im verkehrspolitischen Teil. Das ist kein Zufall, denn es gibt natürlich einen Streit zwischen Finanz- und Verkehrspolitikern.

Aber was bedeutet es, wenn ansatzweise das realisiert würde, was in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war und auch durch den haushaltspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Herrn Steffen Kampeter, bestätigt wurde und dann herunterzurechnen ist? – Das würde zum Beispiel bedeuten, dass im VRS ab dem Jahre 2007 die Mittel für Leistungen um 25 % reduziert würden. Es würde nicht bedeuten, dass man sich an der einen oder anderen Stelle nur um den einen oder anderen Zug streiten würde, Kolleginnen und Kollegen, sondern das würde bedeuten, dass zum Beispiel der Verkehr auf der Rheinstrecke von drei auf zwei Züge in der Stunde reduziert werden müsste, und zwar bei Zügen, die jetzt überfüllt sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Was sagt der Herr Wittke denn dazu?)

Das können Sie nicht einfach durch eine längere Traktion ausgleichen. Obendrein müsste man im ländlichen Raum von zwei Zügen pro Stunde herunter auf eine absolute Grundversorgung von einem Zug pro Stunde. Darüber hinaus hätten Sie im ländlichen Raum auch riesige Probleme bei den Busverkehren.

(Beifall von den GRÜNEN – Johannes Rem- mel [GRÜNE]: Das interessiert den Minister doch überhaupt nicht!)

Denn selbstverständlich leben die Busverkehre doch davon, meine Damen und Herren, dass sie auch die Zubringerverkehre zu den Bahnhöfen haben.

Die nächsten Folgen produzieren Sie damit auch direkt: Sie produzieren zusätzliche Autoverkehrsströme in die Städte hinein, Sie produzieren unter

anderem ein weiteres Feinstaubproblem. Sie haben das Ganze nicht zu Ende gedacht. Für all dies, zur Verhinderung eines solchen Szenarios, müssten Sie die Lobby sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Der Minister hört doch nicht mal zu!)

Minister Wittke ist es nicht, meine Damen und Herren. Stattdessen redet er von Ruhe und Gelassenheit. Herr Wittke, Ihre Ruhe und Gelassenheit ist der Sache nicht dienlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Rolle des Landes Nordrhein-Westfalen in Berlin kann ich überhaupt nicht verstehen. Meine Damen und Herren, wenn man sieht, wie Sie ministeriell vertreten sind, wenn man sieht, dass Sie sich mit Staatssekretären abspeisen lassen müssen, und wenn man dann die Hoffnung hatte, in der Sache und bei den Finanzen werde Nordrhein-Westfalen doch jetzt bestimmt einen Ausgleich bekommen, also besser bedient werden, dann ist es schon faszinierend, dass Sie von FDP und CDU hier behaupten – in Teilen tun Sie immer noch so, als wären Sie in der Opposition, Herr Rasche –, Rot-Grün sei schuld, dass NRW bei den Pro-Kopf-Zuweisungen unter dem Schnitt von anderen bedient würde.

Wenn es so ist, Herr Schulte, dass Sie das seit Jahren kritisieren, dann kann doch nicht die Antwort sein, dass Sie genau das tun, was Sie bemängeln: anderthalb Milliarden Kürzung für die nächsten zwei Jahre und dann noch einmal anderthalb für die Folgejahre.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn das Ihre Antwort ist und Sie immer noch so tun, als seien Sie Opposition gegen Rot-Grün, Ihre eigenen Hausaufgaben aber nicht nur nicht machen, sondern ein Desaster im ÖPNV anrichten, dann kann ich sagen: Als Opposition habe ich Ruhe und Gelassenheit, dass das in den nächsten Jahren der Bevölkerung klar wird. In der Sache ist allerdings Aufregung angebracht, und zwar noch viel mehr, als sie heute Morgen hier im Hause vorhanden war. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Hannelore Kraft [SPD])

Danke schön, Herr Becker. – Als Nächster spricht Herr Rasche von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wirklich eine nachhaltige Finanzpolitik will, sowohl im Bund als auch im Land, wer nicht zulasten der künftigen Generationen leben will, so wie das in den letzten zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen gelaufen ist, der wird an Einsparungen, sowohl beim Bund als auch beim Land, nicht vorbeikommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Mit der Revision der Bundes-ÖPNV-Mittel im Jahre 2008 wird es auch in diesem Bereich – da bin ich mir sicher – zu Kürzungen kommen. Nur, meine Damen und Herren, diese Kürzungen müssen sinnvoll, bedarfsgerecht und zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. 2006 – ich glaube, da war man sich einig – sind diese Kürzungen praktisch unmöglich. Und 2007 hält die FDP sie, weil dann gerade die Grundsatzdiskussion erfolgt, für nicht sinnvoll; denn man kann nicht erst die Mittel erheblich kürzen und die eigentliche Grundlage für die Kürzung, nämlich die Grundsatzdiskussion, hintanstellen. Deswegen wird es vermutlich auf 2008 hinauslaufen.

Herr Horstmann hat festgestellt, dass CDU und FDP mit Blick auf das Jahr 2007 hier nicht so ganz genau übereinstimmen. Das ist richtig, das verschweigen auch wir gar nicht, darüber reden wir. Aber das sagt der ehemalige Minister einer ehemaligen Koalition, die in der Verkehrspolitik so gut wie überhaupt keine Gemeinsamkeiten hatte. Die ständigen widersprüchlichen Äußerungen und gegensätzlichen Meinungen von Rot-Grün haben in der Verkehrspolitik zum absoluten Stillstand geführt.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: 30 % mehr Fahrgäste!)

Und Sie haben als Minister Ihre Hand ganz ruhig darüber gelegt.

Herr Horstmann, bemerkenswert ist auch Ihr Eiertanz, den Sie auf dem Parkett zwischen Bundes- und Landespolitik vorführen. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht klar und deutlich, dass bei einzelnen Fördertatbeständen, unter anderem den Regionalisierungsmitteln, Einsparungen vorgenommen werden sollen. Diesen Vertrag haben CDU, CSU und SPD unterschrieben. Das ist Fakt; das können Sie doch nicht bestreiten.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Wir sind für NRW zuständig!)

Aber Sie stellen sich jetzt hier ans Rednerpult, Herr Dr. Horstmann, und sagen: Verantwortlich für Kürzungen, die auf Grundlage des Koalitionsver

trages in Berlin eventuell kommen, ist die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Sie können das ja verhindern!)

Meine Damen und Herren der SPD, wer stellt denn in Berlin den Verkehrsminister und den Finanzminister? Das ist doch die SPD, Herr Dr. Horstmann, das ist doch nicht die schwarzgelbe Regierung in Düsseldorf. Sie müssen Ihrer Verantwortung gerecht werden und können nicht herumtanzen, als trügen Sie nirgendwo Verantwortung. Vielleicht tun Sie etwas für das Land Nordrhein-Westfalen und lassen einmal Ihren Einfluss spielen! Aber letztendlich sind Sie für den Koalitionsvertrag verantwortlich, der in Berlin auf dem Tisch liegt.

Meine Damen und Herren, CDU und FDP werden sich klar positionieren. Wir werden versuchen, Einsparungen im Land Nordrhein-Westfalen zu verhindern. Wir werden es versuchen, weil wir eine bedarfsgerechte Aufteilung auf Bundesebene wollen. Wir können unser Ziel besser erreichen, wenn uns die SPD mit Verkehrsminister und Finanzminister auf Bundesebene dabei unterstützt.

Zum Antrag der Grünen will ich nicht viel sagen. Ich möchte Herrn Wißen zitieren, der es eigentlich auf den Punkt brachte: Das war mehr Einfalt als Vielfalt. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Nun hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Hilser das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht sollten wir uns noch einmal vor Augen führen, was der Ausgangspunkt dieser Debatte war, nämlich ein Koalitionsvertrag in Berlin, der im öffentlichen Personennahverkehr keine Kürzungen vorsieht, und anschließende Zeitungsmeldungen über die Äußerung eines CDUVerkehrspolitikers, der nicht bestätigte Zahlen in die Diskussion gebracht hat.