Protocol of the Session on December 1, 2005

(Beifall von CDU und FDP)

Als dritten Punkt wünsche ich uns etwas mehr Kreativität. ÖPNV-Politik von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen bedeutete in der Vergangenheit mehr Geld und höhere Fahrpreise.

(Lachen von Rainer Schmeltzer [SPD])

Damit haben Sie eine höhere Leistung bewerkstelligt. Ich finde, wir sollten Debatten darüber führen, wie wir Strukturen effizient gestalten können, sodass wir weniger Verwaltung haben und mehr Geld in tatsächliche Fahrleistung investieren können.

(Zuruf von der SPD: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

Wir sollten Debatten darüber führen, wie wir künftig durch Töpfchenwirtschaft der Verschwendung Einhalt gebieten können. Wir sollten Debatten darüber führen, wie wir entbürokratisieren können und nicht jede Schülerfahrtkostenregelung einzeln bescheiden, weil wir so mehr Geld in die Verwaltung stecken als in die tatsächliche Verkehrsleistung zu investieren. Wir sollten auch darüber reden, wie wir den Verkehr in Nordrhein-Westfalen möglichst effizient gestalten. Dazu werden wir demnächst ein wunderschönes Mittel in der Hand haben, das Sie uns noch mit auf den Weg gegeben haben: die integrierte Gesamtverkehrsplanung.

In der Vergangenheit waren Sie nicht dazu bereit, über Kosten-Nutzen-Verhältnisse zu reden. In der Vergangenheit haben Kosten-Nutzen-Koeffizienten in der öffentlichen Personenverkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen überhaupt keine Rolle gespielt. Wir werden dieses Instrument einführen, weil wir wissen, dass wir weniger Geld zur Verfügung haben, und wollen, dass dieses Geld möglichst effizient und für möglichst viel Verkehrsleistung eingesetzt wird. Da ist für Ideologie allerdings kein Platz mehr, Herr Keymis.

(Beifall von CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, etwas mehr Gelassenheit, etwas mehr Ehrlichkeit und etwas mehr Kreativität sind das, was wir wollen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Verkehrspolitik, sondern auch in anderen Politikbereichen. Ich bin sicher, dass wir dann künftig mit weniger Geld mehr Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen auch im öffentlichen Personennahverkehr bewerkstelligen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. – Für die SPD spricht nun Herr Horstmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist denen Recht zu geben, die darauf hingewiesen haben, dass der Koalitionsvertrag eben nicht vorsieht, die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen um einen bestimmten Betrag zu kürzen. Die Debatte – sowohl im Verkehrsausschuss als auch diese – wurde durch Äußerungen des haushaltspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Kampeter, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, ausgelöst, die die Öffentlichkeit aufgeschreckt haben.

Jetzt die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr um eine bestimmte Marge abzusenken, kann auch gar nicht Gegenstand des Koalitionsvertrags sein. Denn wir wissen doch alle nur zu gut, dass seit der Bahnreform Mitte der 90er-Jahre klar ist: Was der Bund für die öffentlichen Verkehrsmittel in den Ländern finanziert, ist Verhandlungssache zwischen Bund und Ländern. Der Bund kann – mit welcher Koalition auch immer – auch nach 2006 nicht einseitig dekretieren, welche Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr noch zur Verfügung gestellt werden.

Deswegen muss man klar sagen: Die Landesregierung, die auf nordrhein-westfälischer Seite die Verhandlungen zu führen hat, steht in einer entscheidenden Verantwortung dafür, welche Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen noch zur Verfügung stehen werden.

(Beifall von der SPD)

Damit fängt es an. Obwohl ich all denen zustimme, die zu Recht auf die Effizienzreserven im öffentlichen Verkehrssystem hinweisen, die es auch zehn Jahre nach der Bahnreform immer noch gibt, ist es schon sehr mutig, Herr Minister Wittke, zu sagen: Für 2006 können wir die Verträge nicht mehr ändern; da ist bereits alles bestellt. Aber ab 2007 ist Nordrhein-Westfalen unter Umständen in der Lage, mit weniger Geld auszukommen; auf jeden Fall wollen wir darüber verhandeln. – Eine solche Aussage zu treffen, finde ich, vorsichtig ausgedrückt, arg verfrüht. Denn dann muss man auch wissen, was man mit weniger Geld machen möchte.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben an dieser Stelle zu früh nordrheinwestfälische Interessen aufgegeben, um es deutlich zu sagen.

(Bernd Schulte [CDU]: Was haben Sie denn hinterlassen?)

Herr Schulte, passen Sie mal auf: Ich habe gesagt, dass es auch beim öffentlichen Verkehr selbstverständlich noch Effizienzreserven gibt. Aber reichen Ihre Vorstellungen, wie man dort sparen und Effizienzreserven weiter erschließen will, nicht weiter, als aus Ihrem Redebeitrag hervorging? Darin war die Rede davon, dass die Organisation der Aufgabenträger geändert werden solle. Dann haben Sie die Städte, die Kreise, die Zweckverbände usw. aufgezählt,

(Zuruf von Bernd Schulte [CDU])

uns aber völlig im Unklaren darüber gelassen, welche der Aufgabenträger Sie zukünftig für verzichtbar halten. Es wäre spannend, wenn Sie das an der Stelle einmal sagen würden.

(Beifall von der SPD)

Das nicht zu wissen, aber zu sagen, NordrheinWestfalen komme mit weniger Geld aus, finde ich arg mutig.

Was Sie, Herr Kollege Schulte, als neuer Verkehrspolitiker, wie ich Sie jetzt erstmalig kennen lerne, über die Durchlässigkeit der Verkehrsträger gesagt haben, hätte ich auch gerne einmal erläutert. Meinen Sie damit, dass man von einem Verkehrsmittel zum anderen umsteigen kann? Oder was meinen Sie? Das gibt es nämlich schon. Ansonsten müssten Sie einmal erklären, was die Durchlässigkeit der Verkehrsträger bedeutet.

Sie gehen fahrlässig mit den Interessen Nordrhein-Westfalens um, wenn Sie schon wissen, 2007 komme NRW weniger Geld aus, aber kein Konzept dafür haben, wie Sie das realisieren wollen. Das ist fahrlässig, das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich empfehle, dass Sie sich auch innerhalb der Koalition – ich habe gehört, was Herr Rasche hier gesagt hat – einmal darüber klar werden, wie denn Ihre ÖPNV-Politik überhaupt aussehen soll. Auch 2007, so Herr Rasche, soll nicht auf Mittel des Bundes in NRW verzichtet werden. Herr Schulte hält 784 Millionen € sogar noch für zu wenig. Und Herr Minister Wittke sagt, 2007 kämen wir mit weniger aus. Wie das zusammenpassen soll, müssen Sie uns erst einmal erläutern. Bei diesen unterschiedlichen Äußerungen werden Sie

sich nicht wundern, dass wir eine solche Frage stellen.

(Beifall von der SPD)

Nordrhein-Westfalen ist wie kein anderes Flächenland auf einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr angewiesen, das gilt nicht nur für die Menschen, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Bus und Bahn fahren, sondern auch für diejenigen, die im Auto sitzen. Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten nicht diesen Anteil des öffentlichen Verkehrs in Nordrhein-Westfalen. Alle sind darauf angewiesen.

Deswegen fand ich es schon mutig, Herr Minister Wittke, dass Sie in Ihrer „kleinen Regierungserklärung“ vor einigen Monaten im Ausschuss gesagt haben, wir bräuchten eine Abkehr von einer einseitigen Vorrangpolitik für den öffentlichen Personennahverkehr. Ich hatte gedacht, Sie kämen allmählich mit Plänen um die Ecke, die klar machten, was das bedeuten soll. Ich sehe von solchen Plänen bisher überhaupt nichts. Welche Strukturen wollen Sie verändern? Welche Effizienzreserven sollen hier erschlossen werden? Was streben Sie an, wie es mit der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel weitergehen soll?

Rot-grün hat es in zehn Jahren gemeinsamer Verantwortung geschafft – darauf will ich noch einmal hinweisen –, die Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr in NRW um 30 % und auch die Fahrgastzahlen um 30 % zu steigern. Eine Erfolgsbilanz, die ihresgleichen sucht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Noch ein Hinweis: Es geht nicht nur um Bundesmittel, sondern auch um die Frage, was Nordrhein-Westfalen selbst für die Fahrgäste im öffentlichen Verkehr unternimmt. Herr Minister Wittke, Sie haben erklärt, bei den Schülerbeförderungskosten bestünden noch Einsparmöglichkeiten. – Ja, das Bundesgesetz lässt Einsparmöglichkeiten zu. Man muss nicht 240 Tage im Jahr finanzieren, es reichen nach dem Personenbeförderungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland 200 Tage.

Das haben wir in der Vergangenheit aber bewusst gemacht, weil wir die Mobilität der jungen Menschen in Nordrhein-Westfalen als so wichtig eingeschätzt haben, dass es uns das wert war. Ich bin gespannt, was Ihre Regierung daraus machen wird. Wenn Sie jetzt schon als Fachminister im Vorfeld der Haushaltsverhandlungen ankündigen, in diesem Bereich könne auf Geld verzichtet werden, dann vertreten Sie die Interessen der Schülerinnen und Schüler, die auf Busse und Bahnen

in Nordrhein-Westfalen angewiesen sind – auch im ländlichen Raum –, sehr schlecht.

(Beifall von der SPD)

Sie legen Hand an die Schülertickets in Nordrhein-Westfalen, an Rhein und Ruhr.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist etwas, was Ihnen die SPD-Fraktion nicht durchgehen lassen wird. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Horstmann. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Herr Abgeordnete Lorth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst ist es erfreulich, dass die Grünen die Koalitionsvereinbarung durchgelesen haben. Nur was sie daraus schlussfolgern, ist geradezu abenteuerlich. Hier zu erklären, der öffentliche Nahverkehr und die Förderung für Nordrhein-Westfalen seien in Gefahr, ist Polemik und dient offensichtlich zur Organisierung eines Widerstandes gegen eine Sache, die überhaupt nicht ansteht.

Da ich das Vergnügen habe, nach dem ehemaligen Verkehrsminister Horstmann zu sprechen, kann ich auch auf seine Tätigkeit in der Vergangenheit einmal eingehen. Das Bundesregionalisierungsgesetz ist sozusagen Folge der Bahnreform, in der die 7 Milliarden € für den Schienenregionalverkehr für die Länder festgeschrieben worden sind. Es ist richtig, dass dieses Gesetz am 31. Dezember 2007 ausläuft und unabhängig von der Koalitionsvereinbarung in Berlin neu beraten werden muss.

Herr Horstmann, wir können uns noch sehr genau daran erinnern, wie bei dem Anschlag – so sage ich einmal – von Herrn Mehdorn, sich vom Interregio-Netz zu trennen, Sie dies sozusagen in hinterher gehendem Gehorsam mit Regionalexpresszügen von Rheinland-Pfalz bis nach Emmerich aufgefangen haben. Wir wissen, dass die DB das Interregio-Netz mit 18 Millionen Zugkilometern eingespart hat und die Länder in die Bresche gesprungen sind. Das war also ein reiner Verschiebebahnhof vom Bund auf die Länder. Das muss einmal deutlich gemacht werden.

Es muss auch klar sein, dass der Bund für den Fernverkehr und für den Interregio-Verkehr zuständig ist. In Nordrhein-Westfalen bewältigen wir mit dem Regionalexpress für den Bund überregi

onale Verkehre. Weil die Lage so ist, wie sie ist, muss in den Verhandlungen in Berlin noch einmal ganz deutlich gemacht werden, wer in der Republik für was in der Finanzierung zuständig ist. Der Bund ist für den Fernverkehr, die Länder sind für den Regional- und Nahverkehr zuständig.

Wie jeder weiß, fehlt in der Bundesrepublik das sogenannte B-Netz zwischen dem Intercity- und dem Regionalverkehrsnetz.

Ich habe eben noch eine weitere interessante Aussage vom Kollegen Wißen gehört. Es war uns völlig neu, dass die Bahn sich von einem guten Produkt, mit dem man viel Geld verdienen kann, nämlich vom Nahverkehr, getrennt habe. Das habe ich noch nie gehört. Vielleicht war das ja ein Versprecher. Sie sagten aber: Nahverkehr.

Der Bahnchef Mehdorn betreibt nämlich Rosinenpickerei, indem er ICEs einsetzt, mit denen man gut Geld verdienen kann, während die anderen Aufgaben auf die Länder verschoben werden. Somit landen die Defizite bei den Ländern.