Protocol of the Session on November 4, 2009

(Holger Ellerbrock [FDP]: Doch!)

Denn Ihr Vorgehen im Gesetzentwurf halten wir, positiv ausgedrückt, für verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Denn Sie weichen nicht nur vom Bundesjagdgesetz ab, sondern auch vom abweichungsfest ausgestatteten Artenschutzrecht.

Außerdem sollten Sie sich bitte überlegen, ob Sie die Jägerschaft, die ehrenamtlich wertvolle Arbeit für Naturschutz und Umwelt erbringt, nicht besser auf dem Weg zu einem angemessenen Landesjagdgesetz mitnehmen, statt ihr immer mehr nur die Rolle eines Schädlingsbekämpfers in Wald und Flur zukommen zu lassen. Das haben die Waidmänner nicht verdient.

(Beifall von der SPD)

Noch ein Punkt zum Schluss: Mit Ihrem Hinweis auf die verfassungsrechtlichen Gründe, die zur Beschneidung der Rechte des zuständigen Landtagsausschusses führen – Sie wollen den zuständigen Ausschuss ja nur noch anhören, statt die Lösung im Einvernehmen mit ihm zu klären –, haben Sie es sich zu einfach gemacht. Ein Blick in § 81 der zu Beginn dieses Jahres geänderten Geschäftsordnung des Landtags hätte Ihnen gezeigt, dass Sie längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind.

Sie sehen also: Ohne weitere Diskussion und Anpassung von verschiedenen Paragrafen werden wir diesem Gesetzentwurf so nicht zustimmen.

Wir sind aber guter Dinge, dass wir hier gemeinsam mit der Jägerschaft und den Naturschutzverbänden

zu einer einvernehmlichen Lösung kommen können. Daher stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss selbstverständlich gerne zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiegand. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Deppe das Wort.

Meine Damen und Herren! Dass wir heute Veränderungen des Landesjagdgesetzes beraten, hat auch etwas mit den Folgen des Klimawandels zu tun. Wenn aufgrund verlängerter Vegetationszeiten und seltenerer Spätfröste Eichen und Buchen mehr Blüten treiben – wir haben es gestern beim Waldschadensbericht gehört – und in der Folge mehr Früchte ausbilden, hat das zum einen Einfluss auf die Konstitution der Bäume. Die verstärkte Fruchtausbildung von Eicheln und Bucheckern führt zum anderen aber auch zu einem größeren Futterangebot für die Wildtiere. Wenn dann auch noch häufiger milde Winter auftreten, profitieren insbesondere die ohnehin anpassungsfähigen Wildschweine von den verbesserten Umweltbedingungen.

Auch die Jäger sind betroffen. Weniger Schneetage bedeuten auch weniger Möglichkeiten, die nachtaktiven Wildschweine sicher zu erkennen und erfolgreich zu bejagen. Außerdem bietet der deutlich ausgeweitete Maisanbau – schließlich wollen wir mehr heimische Futtermittel erzeugen und insbesondere auch mehr nachwachsende Rohstoffe für die Energieerzeugung einsetzen – Wildschweinen zusätzliches Nahrungsangebot und zusätzliche Deckung. In der Folge haben sie sich kräftig vermehrt.

Im letzten Jagdjahr sind in Nordrhein-Westfalen mehr als 30.000 Wildschweine von den Jägern erlegt worden.

(Stefanie Wiegand [SPD]: Sogar 43.000!)

Das sind fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2006.

Meine Damen und Herren, es ist wohl angebracht, den Jägern von dieser Stelle aus einmal ganz herzlich für ihren Einsatz für den Erhalt des biologischen Gleichgewichts in unseren Wäldern und in der Landschaft zu danken.

(Beifall von der SPD)

Dass die Reduktion des Wildschweinebestandes dringend nötig ist, zeigt das Auftreten der Wildschweinepest im Süden unseres Landes. Mit der flächendeckenden Impfung der Wildschweine in den Beobachtungsgebieten und der scharfen Bejagung wird es hoffentlich gelingen, die weitere Ausbreitung der Wildschweinepest in Richtung Norden zu verhindern. Wir unterstützen ausdrücklich die Bestre

bungen, eine Pufferzone, einen sogenannte Cordon Sanitaire, am nördlichen Rand der Mittelgebirge unseres Landes zu schaffen. Oberstes Ziel muss sein, ein Überspringen der Wildschweinepest auf die Hausschweinebestände zu verhindern.

(Stefanie Wiegand [SPD]: Das steht aber nicht im Antrag!)

Uns sind noch die furchtbaren Bilder des letzten Schweinepestzuges aus dem Jahr 2006 in Erinnerung, als 120.000 gesunde Schweine in NordrheinWestfalen getötet werden mussten – vom wirtschaftlichen Schaden für die Höfe, die Schlachtunternehmen und die öffentliche Hand einmal ganz abgesehen.

Auch der starken Ausbreitung der Wildgänse infolge des Klimawandels müssen wir etwas entgegensetzen. Niemand hat etwas gegen die überwinternden arktischen Wildgänse am Niederrhein, an der Weser und an anderen Flüssen unseres Landes. Sie sind geschützt und bleiben auch geschützt. Es gibt aber immer mehr Wildgänse, die hier sesshaft sind und das ganze Jahr über hierbleiben. Allein in Duisburg gab es in diesem Sommer laut Medienberichten 2.000 Gänse. Sie richten nicht nur in der Landwirtschaft erhebliche Schäden an, sondern sorgen auch dafür, dass Gewässer über Gebühr verunreinigt werden, sodass sie umkippen und Fische eingehen. Außerdem verdrängen sie andere Vogelarten und beeinträchtigen die Erholungsmöglichkeiten für die Menschen.

Wir begrüßen ausdrücklich die im Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeiten, die Jagdzeiten auszudehnen und die Gelege der Wildgänse auszunehmen. Vorsorglich weise ich aber darauf hin, dass die Regulierung des Gänsebestandes durch Ausnehmen der Nester nur mit Zustimmung des jeweiligen Jagdausübungsberechtigten erfolgen darf und nur die Ultima Ratio sein kann, wenn alle anderen jagdlichen Maßnahmen versagen. Um es noch einmal klar zu sagen: Für uns hat die Bejagung auch in Schutzgebieten grundsätzlich Vorrang vor dem Ausnehmen oder dem Unfruchtbarmachen von Gelegen.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen wird ein modernes, den Veränderungen in Klima und Umwelt gerecht werdendes Jagdgesetz erhalten. – Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zahlreiche Teilnahme verlockt ja dazu, jetzt etwas tiefer einzusteigen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Bitte!)

Mit dem Kollegen Deppe würde ich gerne gleich noch einige klimapolitische Randfragen diskutieren.

Ich gebe Frau Wiegand recht: Dieser Umweltminister wird es schon richten. Wir werden natürlich mit den Jägern reden. Ganz habe ich Ihre Kritik aber nicht verstanden. Vielleicht werden wir im Ausschuss ja noch Gelegenheit haben, darüber zu reden.

Wichtig ist doch, dass wir das vom Kollegen Deppe auch angesprochene Gänseproblem angehen. Diese Auffassung wird jeder teilen, der den Niederrhein kennt, der entsprechende Städte kennt, der die verkoteten Schwimmbäder kennt und der die damit verbundenen Fischereiprobleme sieht.

Ich erinnere nur einmal daran, dass die SPD seinerzeit im Zuge der RAMSAR- Kommission unter Klaus Matthiesen 50 Millionen für Grunderwerb ausgegeben hat. Das war auch berechtigt; denn die sibirischen Gänse haben in Sibirien Fluchtdistanzen von 2 km. Wir haben allerdings nicht damit gerechnet, dass diese Viecher viel schlauer sind, als wir uns das jemals vorstellen konnten. Die gleichen Gänse haben in Sibirien Fluchtdistanzen von 2 km und flattern dann hoch. In Mitteldeutschland sind das 500 m. Heute können wir am Niederrhein, Frau Fasse, sehen, die Gänse äsen in völliger Ruhe direkt neben der Straße. Ich glaube, wenn Klaus Matthiesen das gewusst hätte, als wir 50 Millionen für Landkäufe ausgegeben haben, würde er sich im Grabe umdrehen, Sie als SPD-Fraktion wahrscheinlich auch. Da haben wir uns verkalkuliert. Es ist halt anders gelaufen.

Kollege Deppe, Sie sagen allerdings, die Bejagung habe Vorrang vor dem Entnehmen der Gelege. Darüber müssen wir uns vielleicht noch einmal unterhalten.

Über ein wichtiges Thema sollten wir uns noch unterhalten, Herr Minister. Die Dreistufigkeit der Jagdbehörde ist jetzt mit dem Landesbetrieb Wald und Holz geregelt. Vielleicht könnten wir noch einmal darüber nachdenken, dass wir da zu einer Verschlankung kommen. Aber das machen wir in der nächsten Legislaturperiode. Wichtig ist auch die Jagdabgabe, die jetzt nur noch den Jägern zukommen soll.

Frau Kollegin Wiegand, Sie hatten einen Problemkreis angesprochen, der auf Parlamentsbeteiligung abzielt. Da bin ich immer hellhörig. Herr Kollege Remmel hatte in der Ausschusssitzung in Köln darauf hingewiesen, dass wir hiermit eine geringere Parlamentsbeteiligung haben. Das stimmt. Da haben Sie mich auf dem falschen Fuß erwischt. Da war ich nicht vorbereitet. Das ist der Fall. Das stimmt.

Aber wir haben schon urlange den Streit, wie es mit Verhältnis der Exekutive zur Legislative aussieht. Im

Bereich der Planung, der Landesentwicklungspläne haben wir die Kurve bekommen, indem wir gesagt haben: Das machen wir im Gegenstromprinzip bzw. im Einvernehmen mit dem zuständigen Landtagsausschuss. Nun gibt es jedoch die Überlegungen: Ist es richtig, dass wir als Landtagsausschuss für das ganze Parlament sprechen können? Also müsste es, wenn wir sagen, wir wollen uns als Parlament stärken, dazu kommen, dass wir jede Rechtsverordnung durch das Parlament bringen. Das kann eigentlich auch nicht sein.

Die Verordnung zur Durchführung des Landschaftsgesetzes ist sicherlich etwas Wichtiges, mit der wir uns auch beschäftigen müssen. Aber wenn wir einfach fragen: Ist die Verordnung zur Regelung der Abnahme von Leistungen des geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen, vor dem ich große Hochachtung habe, eine Aufgabe, der wir uns im Landtag widmen müssen, oder ist das nicht eine reine exekutive Aufgabe? Da müssen wir vielleicht neue Spielregeln finden, was wir machen.

Wir haben immer versucht, das grundsätzliche Spannungsfeld von Exekutive und Legislative in Nordrhein-Westfalen dahingehend zu lösen, dass wir sagen: Das machen wir im Benehmen oder Einvernehmen mit dem zuständigen Landtagsausschuss. Das ist aus verfassungsrechtlichen Gründen jetzt sehr strittig. Deswegen haben wir das hier etwas anders gemacht.

Mit Verlaub, Herr Deppe, entschuldigen Sie, wenn ich das so deutlich sage. Ich halte es für verantwortbar, dass wir bei der Änderung, die wir jetzt hier machen, die Parlamentsrechte etwas einschränken.

Sollten wir uns jetzt noch über den Problemkreis Klimaschutz unterhalten?

(Rainer Deppe [CDU] schüttelt den Kopf.)

Nein, das müssen wir nicht tun. Der Kollege will das jetzt nicht. Das ist in Ordnung. Wir machen das später. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Remmel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Durchlesen des wirklich komplizierten Gesetzeswerkes mit den verschieden Paragrafen habe ich mich gefragt: Warum gibt es jetzt eine Novellierung? Auch nach den Ausführungen des Ministers hat sich mir nicht wirklich erschlossen, warum wir jetzt eine solche Novellierung des Landesjagdgesetzes brauchen.

Ich beschränke mich auf drei Punkte, werde auch keine Paragrafen nennen, sondern das, was unterm Strich bleibt.

Erstens bleibt unterm Strich, dass die Ausschüsse des Landestags und das Parlament insgesamt geschwächt werden. Herr Kollege Ellerbrock, ich muss Sie da leider korrigieren. Vielleicht haben Sie in der Fraktionssitzung zu dem Zeitpunkt nicht aufgepasst, aber wir haben sehr wohl in der Geschäftsordnung und auch in der Vereinbarung zwischen den Fraktionen einen Mechanismus gefunden, wie wir das machen, was verfassungsrechtlich infrage steht oder zu dem es zumindest Fragezeichen gab, ob das Parlament als Ganzes oder die Ausschüsse Einvernehmen herstellen müssen. Wir haben einen Weg gefunden, indem wir in der Geschäftsordnung die Delegation an die Ausschüsse und dann eine summarische Befassung des Parlamentes vorgesehen haben.

Das, was Sie an die Wand malen, dass dadurch das Parlament mit jeder Kleinigkeit und Rechtsverordnung befasst wird, war in der Vergangenheit nicht der Fall und wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Es wird jedoch so sein, dass an verschiedenen Stellen des Landesjagdgesetzes Kompetenzen des Parlaments dem Parlament entzogen werden, zum Beispiel über die Frage der Bestimmung von Tierarten, die dem Jagdrecht unterliegen, etwa der Erlass einer Prüfungsverordnung für die Jägerprüfung oder die Regelung von Jagd- und Schonzeiten.

Ich kann mich gut daran erinnern – auch das noch einmal von dieser Stelle –, dass Sie zu Zeiten, wo Sie in der Opposition waren, immer beklagt haben, dass bestimmte Dinge nicht dem Parlamentsvorbehalt unterliegen. Insofern verstehe ich Ihre Kehrtwendung an dieser Stelle nicht, um es deutlich zu sagen.

Ich verstehe sehr wohl, dass die Juristen auf der Seite der Landesregierung immer bestrebt sind, solche Paragrafen aus den Gesetzen herauszunehmen, um die Bestimmungsmöglichkeiten der Landesregierung zu erweitern, aber ich verstehe nicht, warum Sie sich diesem Anliegen der Juristen ohne Widerstand haben ergeben können.