Protocol of the Session on October 7, 2009

schon erklärt hat, dass er die Kosten für einen möglicherweise notwendigen Abriss übernehmen würde, noch hilft es denjenigen Bürgern und direkt Betroffenen, die in mühsamen Wegen über Erörterungstermine und Klageverfahren bis zum höchsten Verwaltungsgericht des Landes gehen müssen, um dann recht zu bekommen – mit all den Argumenten, die sie vorher schon vorgebracht haben, die aber immer abgewiesen worden sind und nicht gehört wurden. Das ist eine fatale Strategie. So etwas hilft niemandem.

Deswegen müssen wir heute über die Frage reden, ob dieses Kraftwerk tatsächlich deswegen nicht an dieser Stelle gebaut werden kann, weil es fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Landesregierung gibt. Man kann das nur so zusammenfassen. Es gibt schlampiges, falsches Verwaltungshandeln der Landesregierung. Die Landesregierung trägt einen erheblichen Anteil an Mitschuld.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Oberverwaltungsgericht hat keine Revision zugelassen. Deswegen sind die kühnen Interpretationen, die Herr Ellerbrock hier anstellt, ein Stück weit abwegig.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Das Oberverwaltungsgericht hat sehr klar geurteilt. Es hat der Landesregierung sogar deutlich gesagt, an welchen Punkten sie denn hätte anders handeln müssen. Das OVG hat nämlich ganz klar ausgeführt, dass die Landesregierung der Stadt Datteln die planungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt hat. In der Stellungnahme der Bezirksregierung Münster vom 10. August 2006 – das war in dieser Legislaturperiode; es ist Ihre Verantwortung – hieß es wörtlich:

Bedenken werden aus Sicht der Raumordnung und Landesplanung nicht erhoben.

Das OVG hat dann festgestellt, dass der Bebauungsplan nicht mit den Zielen der Landesplanung übereinstimmt.

Das OVG weist auch explizit darauf hin, dass mit dem Zielabweichungsverfahren ein rechtliches Instrument bestanden hätte, um den erforderlichen Abwägungsprozess durchzuführen; denn es gab einen Standort, an dem man diese Konflikte nicht gehabt hätte. Er lag 3 km entfernt, nämlich dort, wo jetzt das Industriegebiet newPark entstehen soll. Diese Fläche war durch LEP-Planung gesichert.

Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Auf der einen Seite fordert diese Landesregierung bei Windrädern einen Abstand von Gebäuden von 1.500 m. Auf der anderen Seite darf aber ein Kühlturm von 180 m Höhe, der natürlich oben noch den entsprechenden Dampfdom hat, auf 350 m an Wohngebäude heranrücken. Hier müssen Sie mir einmal die Plausibilität erläutern und erklären, wie dann ein Staatliches Umweltamt sagen kann, das könne man

alles hinterher im immissionsschutzrechtlichen Verfahren regeln, nachdem der Kühlturm mit allem Drum und Dran gebaut ist. Was für einen Sinn das hat, muss mir auch einmal jemand erklären.

(Beifall von den GRÜNEN)

Daraus wird auch eine gewisse Melodie. Wir erleben das an anderen Stellen ebenfalls. So habe ich einen Brief von mehreren sozialdemokratischen Kollegen aus Duisburg an den Ministerpräsidenten wegen der Umweltverwaltung in Duisburg gesehen. Wir hatten in Nordrhein-Westfalen eine schlagkräftige, hoch kompetente Umweltverwaltung. Sie ist zerschlagen worden – unter dem Stichwort Bürokratieabbau.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist genau das Ergebnis!)

Das führt dazu, dass die Genehmigungsprobleme absichtlich auf die lokale Ebene verlagert werden, anstatt für bestimmte Großprojekte Fachkompetenz zu bündeln. Man muss ehrlicherweise sagen, dass unabhängig davon, wer in der Kommune die Mehrheit hat, dort für bestimmte Großprojekte unter Umständen wirklich die Kompetenz fehlt. Diese Zerschlagung auf Landesebene führt dazu, dass man Verfahren nicht genehmigungssicher macht.

Ich bleibe noch einmal dabei. Man kann in manchen Dingen verschiedene Meinungen vertreten. Wir waren in der Frage des Gas-und-Dampf-Kraftwerkes Hürth auch mit den Sozialdemokraten strittig. Ich weiß noch ganz genau, wie Axel Horstmann und ich voreinander standen, weil es nicht sein sollte, dass im Braunkohlegebiet ein Gaskraftwerk gebaut wird. Trotzdem hat die für diesen Bereich zuständige Ministerin es geschafft, innerhalb von sechs Monaten ein Genehmigungsverfahren sauber abzuwickeln – an einem Standort, an dem eben nicht geklagt wurde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das ist die Herausforderung. Wir können uns über Zielsetzungen von Politik streiten. Wir können einen politischen Wettbewerb machen. Eine Regierung hat Verwaltungshandeln aber fachlich so qualifiziert abzuwickeln, dass alle, die davon betroffen sind, eine bestimmte Bestandssicherheit haben und nicht vor Gericht ziehen müssen, um ihre Rechte durchzusetzen.

Dies ist aber die Bilanz dieser Regierung. Es hat noch nie eine Landesregierung gegeben, die in einer solchen Fülle Ohrfeigen von höchsten deutschen Gerichten bekommen hat –

(Beifall von Norbert Römer [SPD])

angefangen beim Innenminister. Das erschreckt dann vielleicht keine Investoren. Die FDP-Kollegen Hirsch und Baum haben gegen ihn geklagt. Er hat mit Pauken und Trompeten verloren. Dann hat er

gesagt: Wir haben mit dem Verfahren Maßstäbe gesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dort habe ich gelernt, wie gut die FDP darin ist, Niederlagen in Siege umzuinterpretieren. Es gibt reihenweise derartige Urteile.

Jetzt sind Sie aber in Bereichen, in denen es um große Investitionen geht. Hier ist das Investitionsklima im Lande natürlich nachhaltig geschädigt; das muss man auch ganz klar sagen. Jeder, der weiß, dass sich die Landesregierung um exaktes Verwaltungshandeln drückt, sodass er sich dann auf eine Bauleitplanung der Stadt Datteln verlassen muss, wird in Zukunft bei solchen Investitionen vorsichtig sein. Das ist die Konsequenz aus dem Verfahren. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Ich höre gerade, dass Herr Kollege Wittke seine Wortmeldung zurückgezogen hat. Als nächsten Redner rufe ich dann Herrn Kollegen Stinka von der SPD auf. Danach liegt mir noch eine weitere Wortmeldung vor.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hovenjürgen, ich bin ja sehr froh über Ihre Ausführungen zum Thema Industriepolitik. Nur Sie sollten sich dann auch einmal an den Fakten messen lassen.

Wenn ich vor einigen Wochen zweimal in Marl das Vergnügen hatte, mich dort für das riesige Kraftwerk beim Chemiepark einzusetzen, sich der CDUFraktionsvorsitzende aus Haltern kaum meldet und den Wettbewerb im Strommarkt anzweifelt, dann frage ich mich auch, wo er denn dann steht, wenn es um Industriearbeitsplätze in unserer Region geht.

(Beifall von der SPD)

Zweites Beispiel, Herr Kollege Hovenjürgen: Wenn wir dann darüber reden – der Ministerpräsident hat das zu Anfang seiner Legislaturperiode gemacht –, dass wir Rohstoffe sichern wollen, sich aber gleichzeitig Herr Romberg von der FDP und der CDUKollege aus dem Kreis Coesfeld gegen den Aufschluss von Donar subventionsfrei aussprechen, dann frage ich mich, wo die Erze herkommen sollen für die Industriepolitik, die Sie hier anmahnen, aber vor Ort kneifen Sie vor jeder Diskussion.

(Beifall von der SPD)

Drittes Beispiel, Herr Kollege Hovenjürgen: Das kann ich Ihnen auch nicht ersparen. Wir bauen im Münsterland die B 67 n. Damit sollte längst begonnen werden. Aber weil die Landesregierung ja versprochen hat, eine 1:1-Ausgleichsregelung zu machen – dadurch hat es eine andere Rechtslage gegeben –, verschiebt sich der Bau, der durch die

IHK Münster vorangetrieben werden sollte, um mehrere Monate. So sieht es mit Ihrer industriepolitischen Kompetenz gerade in ländlichen Regionen aus.

(Beifall von der SPD)

Zum Abschluss, Kolleginnen und Kollegen: Wenn das Gericht – Herr Priggen hat das gerade hier erwähnt –, das OVG, der Auffassung gewesen wäre, dass man hier ein ganz neues Rechtsgebiet beschreitet und dass sich hier ganz neue Tatsachen ergeben hätten, wäre die Revision zugelassen worden. Das steht in der VwGO. Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, Kolleginnen und Kollegen, und macht es uns allen einfacher. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Jetzt hat sich für die Landesregierung noch einmal Herr Minister Uhlenberg zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die gesamten Anwürfe der Opposition von der Landesregierung bzw. von den Koalitionsfraktionen entkräftet worden sind,

(Lachen von der SPD)

sollte offensichtlich gerade ein neues Fass aufgemacht werden, was das Thema Umweltverwaltung angeht.

Herr Abgeordneter Priggen, ich kann Sie beruhigen. Es gibt, was die Frage der Zuständigkeit für ein solches Kraftwerk angeht, auch nach der Reform der Umweltverwaltung in Nordrhein-Westfalen keine anderen Zuständigkeiten. Ihnen müsste bekannt sein, dass wir die Selbstständigkeit der staatlichen Umweltämter vor Ort aufgelöst haben, aber dass es eine Integration gerade dieser großen Genehmigungsvorhaben in die Bezirksregierung gegeben hat. Das sind die gleichen Menschen, die das früher auch getan haben. Kleinere Verfahren sind oft in kommunale Bereiche übertragen worden. Aber für ein so großes Genehmigungsverfahren ist jetzt auch die Bezirksregierung zuständig. Wie gesagt, es sind die gleichen Menschen, die das vorher auch getan haben.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Ich sage das nur, weil ich die Gefahr sehe, dass diese falschen Argumente sonst ins Land getragen werden und dass insbesondere die Besucherinnen und Besucher, die mit großem Interesse diese Debatte verfolgen, diese falschen Argumente mit ins Land nehmen. Ich denke, dass die Kolleginnen und Kollegen über den Sinn dieser Reform der Umwelt

verwaltung eigentlich informiert sind, dass gerade das Zaunprinzip dazu beiträgt, dass diese Umweltverwaltung jetzt viel schlagkräftiger ist, als es früher der Fall war. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Uhlenberg. – Für die CDU hat sich noch einmal Herr Kollege Wittke zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Am Ende dieser Debatte der ersten beiden Tagesordnungspunkte will ich dann doch noch eine Feststellung für das Protokoll festhalten. Obwohl es mittlerweile sieben Redebeiträge vonseiten der SPD-Fraktion in diesem Hohen Hause gab, hat kein einziger Redner der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ein Bekenntnis zum Steinkohlekraftwerk in Datteln am dortigen Standort abgelegt.

(Beifall von der CDU – Svenja Schulze [SPD]: Wir sind doch hier nicht in der Kirche!)

Liebe Frau Kraft, das ist die Aufgabe der bisherigen Energiepolitik der SPD. Das ist ein Bärendienst an den Industriestandort Nordrhein-Westfalen. Das ist aber vor allem ein Verrat an den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur in Datteln, sondern insgesamt in diesem Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)