Protocol of the Session on June 24, 2009

(Beifall von Michael Groschek [SPD])

Deutschland mit seinem technologischen Potenzial kann und muss als Wegbereiter tätig werden. Das, meine Damen und Herren, ist unsere historische

Aufgabe und wirtschaftlich auch eine gewaltige Chance.

Deswegen, Kollege Priggen, kann ich das etwas kleinkarierte Quengeln, wie es dieser Antrag der Grünen atmet, eigentlich nicht verstehen. Beim Klimaschutz sind Sie sonst bereit, an allen Ecken und Enden die Menschen bis zum Gehtnichtmehr zu gängeln, aber hier, an dieser Ecke, kriegen Sie plötzlich kalte Füße und wollen sich aus der Verantwortung stehlen. Ich glaube, das ist nicht richtig. Wenn es um die zentrale Weichenstellung für eine Versöhnung von Energiewirtschaft und Klimaschutz geht, dann dürfen Sie nicht klammheimlich Freude über jede Verzögerung empfinden. Das ist dann für meine Begriffe pure Heuchelei.

(Beifall von CDU und FDP)

Der vorübergehende Stopp für das CCS-Gesetz in Berlin ist aus meiner und unserer Sicht mehr als ärgerlich. Das hätte so nicht passieren dürfen. Aber ehe jetzt die Kollegen von der SPD an einer Legende stricken – Herr Groschek hat ja schon vorausschauend geklatscht –, die CDU sei schuld an dem vorübergehenden Scheitern des Gesetzes, lassen Sie sich gesagt sein: Heute früh hat sich auch die SPD vom Acker gemacht und ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf der Regierung durch Herrn Struck zurückgezogen. Wenn das so ist, sollten wir aufhören, uns wechselseitig Schuld zuzuweisen, sondern überlegen, wie wir die Situation retten können. Das ist, glaube ich, der zentrale Punkt.

Übrigens, Herr Kollege Römer, der Streit, den Herr Struck in die Debatte hineingetragen hat, hat sich an der Zuständigkeit von Abfall- oder Bergrecht für die Einlagerung entzündet. Herr Gabriel möchte natürlich Abfallrecht zur Anwendung bringen, weil das Genehmigungsverfahren dann im Bundesumweltministerium angesiedelt wäre, mit dem endlosen Rattenschwanz von Beteiligungsrechten und Zustimmungspflichten, die unter anderem dazu geführt haben, dass der Landtag in SchleswigHolstein – wohlgemerkt: einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen – das Gesetz abgelehnt hat, während an der gleichen Stelle die Einlagerung von Gas in Gasspeichern, die ungleich gefährlicher ist als die CO2-Einlagerung, nach Bergrecht abgewickelt wird, sodass diese Zustimmungsnotwendigkeiten entfallen. Das Bergrecht ist dann aber wiederum beim Bundeswirtschaftsminister angesiedelt.

Ich glaube, aus diesem Streit sollten wir uns heraushalten und erkennen, dass es im Wesentlichen um persönliche, örtliche, regionale Betroffenheiten geht. Das kann uns eigentlich nicht interessieren. Wir brauchen diese Technologie. Wir brauchen die Sicherheit der Energieversorgung. Wir brauchen preiswerte Energie. Schleswig-Holstein profitiert genauso von Energie aus Nordrhein-Westfalen wie wir selber. Es kommt darauf an, dass die Energie in Deutschland sicher, preiswert und umweltfreundlich ist.

Deswegen sollten wir alles Geplänkel zwischen den Fraktionen einstellen und mit vereinten Kräften versuchen, dieses Gesetz zu einem guten Ende zu bringen. Wenn das jetzt auf die Schnelle nicht möglich ist, dann eben ein bisschen später. Aber die Zuständigkeit von Abfall- oder Bergrecht muss vernünftig geklärt werden. Für mich macht es keinen Sinn, explosives Gas nach Bergrecht einzulagern, aber nicht explosives CO2, das eigentlich auch vom Gewicht her unten bleibt, wenn es einmal unten ist, nach Abfallrecht zu behandeln und uns einen riesigen Zirkus von Zustimmungs- und Beteiligungsnotwendigkeiten einzuhandeln.

Unsere Aufgabe in Nordrhein-Westfalen ist es, gemeinsam die Basis dafür zu schaffen, dass unsere Kohlekraftwerke weiterlaufen können, und zwar sehr viel umweltfreundlicher als bisher, und dass wir einen qualifizierten Beitrag zum Klimaschutz leisten und damit dafür Sorge tragen, dass Energie in Deutschland wirklich sicher, sauber und bezahlbar bleibt. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Weisbrich. – Für die SPD spricht nun der Kollege Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren das Thema CCS hier im Landtag bereits seit Langem. Uns von der SPD-Fraktion unterscheiden dabei zwei Dinge von den anderen Fraktionen. Ich will es noch einmal hervorheben: Wir haben einen klaren klimapolitischen Kompass. Wir stehen zur Kohle und wissen, dass die Abscheidung von Kohlendioxid eine zentrale Zukunftsaufgabe ist. Wir wollen uns dieser Zukunftsaufgabe stellen.

Ganz anders, Herr Kollege Weisbrich, die CDU, die sich offensichtlich wieder einmal wegducken will.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Präsidium der CDU ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es in dieser Legislaturperiode zu keiner Festlegung für das sogenannte CCS-Gesetz kommen wird. Kolleginnen und Kollegen, da stellt sich doch sofort die Frage: Wo war der Ministerpräsident? Wo war der stellvertretende CDUBundesvorsitzende in dieser Sitzung? Wo waren die anderen NRW-Vertreter – fünf von 17 – in dieser Sitzung?

(Christian Weisbrich [CDU]: Herr Römer, las- sen Sie das doch!)

Herr Weisbrich, hat Ministerpräsident Rüttgers im CDU-Präsidium nichts gesagt oder hat er dort nichts zu sagen?

(Christian Weisbrich [CDU]: Sie können nicht umschalten!)

Durchgesetzt hat er sich jedenfalls nicht. Im CDUPräsidium haben sich die Kräfte durchgesetzt, die die Interessen der Bauernverbände – das muss man so offen aussprechen – über die Interessen unserer Industrie stellen.

(Lachen von Theo Kruse [CDU] – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Herr Weisbrich, hören Sie zu! – Im Vorfeld hatten sich Herr Ramsauer, der Vorsitzende der CSULandesgruppe, und Herr Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bereits gegen die Verabschiedung dieses Gesetzes ausgesprochen.

Sie haben in der vergangenen Woche im Wirtschaftsausschuss noch großspurig erklärt, das sei doch alles nur Wortgeklingele in der CDU/CSUBundestagsfraktion; Frau Thoben, Herr Wittke und Sie selbst hätten mit vielen gesprochen; wir könnten sicher sein, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 3. Juli 2009 diesem Gesetz zustimmen werde. So haben Sie sich in der vorigen Woche geäußert.

(Christian Weisbrich [CDU]: Sie haben eine blühende Fantasie!)

Herr Weisbrich, der Befund ist für die Menschen in diesem Land fatal.

Erstens. Die CDU ist industriepolitisch nicht verlässlich. Mit einem solchen Schlingerkurs wird die CDU keinen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Akzeptanz unserer Industrie in Nordrhein-Westfalen leisten. Sie bringen nur immer wieder wohlfeile Erklärungen in die Öffentlichkeit. Das, was Sie industriepolitische Erklärung nennen, ist aber heute schon Makulatur.

Zweitens. Das einst so stolze Energieland Nordrhein-Westfalen spielt bundespolitisch überhaupt keine Rolle mehr. Der Ministerpräsident hat dieses Land energiepolitisch auf einen Abstiegsplatz geführt. Er schweigt. Er lässt zu – Sie haben das gerade gesagt –, dass Bayern und Schleswig-Holstein über die Weichenstellung für Nordrhein-Westfalen entscheiden.

Damit, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, schadet Ministerpräsident Rüttgers den Interessen unseres Landes auf sehr elementare Weise. Er schadet vor allen Dingen den Interessen der Arbeitsplätze in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich noch einmal die gesamte Entstehungsgeschichte darstellen. Das Bundeskabinett unter der Leitung von Kanzlerin Merkel bringt einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Die Bundesländer regen über den Bundestag – darüber hat Frau Thoben auch berichtet – Änderungen an, die vom Bundeskabinett, von der Bundesregierung, weitgehend übernommen werden. Der Bundestag berät den Gesetzentwurf.

Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD beraten und verhandeln ebenfalls über Veränderungen, Herr Weisbrich. Für die CDU/CSU leitet die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katherina Reiche die Verhandlungen, für die SPD der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber. Beide Gruppen verständigen sich am Ende der Verhandlungen darauf, dass sie ihren Fraktionen jeweils empfehlen werden, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den vom Bundesrat vorgelegten Änderungen, die die Bundesregierung akzeptiert hat, zuzustimmen.

So weit, so gut. Dann wird es aber abenteuerlich. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird heftig diskutiert und eben nicht entschieden. Der Fraktionsvorsitzende Kauder empfiehlt seiner Fraktion, dem eigenen Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Jetzt ist die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende bereit, den von ihr selbst mit eingebrachten Gesetzentwurf in den Papierkorb zu werfen.

Herr Kollege Weisbrich, damit Sie nicht erfolgreich Nebelkerzen werfen und Legenden bilden können, sage ich Ihnen: Kurz vor Beginn dieser Aktuellen Stunde hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Kauder Herrn Struck darüber informiert, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in dieser Legislaturperiode dem CCS-Gesetz nicht mehr zustimmen wird.

Das bedeutet: Hier stiehlt sich die CDU/CSUBundestagsfraktion aus der Verantwortung – vor allen Dingen die CDU mit denjenigen, die in Nordrhein-Westfalen Verantwortung tragen. Das ist unverantwortlich. Es schadet unserem Land und den Interessen dieses Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Notwendige Entscheidungen sollen ganz offensichtlich vertagt werden. Mir ist schleierhaft – dazu habe ich bisher auch nichts gehört –, welchen Erkenntnisgewinn die Bundeskanzlerin denn aus dieser Vertagung ziehen will. Nein! Das ist Flucht vor der Regierungsverantwortung. Auf fatale Weise erinnert das an die Kohl-Regierung. Auch damals hat Kohl zusammen mit Rüttgers und Merkel, die in seinem Kabinett waren, dieses Land in die Schockstarre geführt. Wir müssen verhindern, dass das noch einmal passiert und uns industriepolitisch schaden wird.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Klimaschutz – Herr Weisbrich, Sie wissen das – duldet keinen Aufschub. Wir in Nordrhein-Westfalen haben ein riesengroßes Interesse daran, dass die damit verbundenen Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden in diesem Land auch tatsächlich vorgenommen werden können. Sie wissen genauso gut wie ich: Wenn es jetzt keinen gültigen Rechtsrahmen für CCS gibt, droht auch die gesamte damit

verbundene finanzielle Förderung aus Brüssel verloren zu gehen.

Meine Damen und Herren von der CDU in NordrheinWestfalen, werden Sie endlich Ihrer Verantwortung gerecht. Wirken Sie über die nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten auf die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein. Sorgen Sie dafür, dass sie noch einmal die Kurve kriegen und diesem Gesetz – das vernünftig ist, das gut ist, das wir brauchen – jetzt endlich auch zustimmen!

Ich wünsche mir, dass der Ministerpräsident auch einmal öffentlich seinem Eindruck über dieses liederliche Verhalten der CDU/CSU in Berlin Ausdruck gibt. Damit würde er Nordrhein-Westfalen einen guten Dienst erweisen. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Römer. – Für die FDP spricht nun der Kollege Brockes.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde ist wieder ein schöner Beleg für die Blockadepolitik der Grünen, die leider viele Jahre lang dieses Land geprägt hat. Gepaart mit dem grundsätzlichen Ja zur CCS-Technologie stellen die Grünen immer neue Hürden auf, die die Übergangstechnik CCS zum Scheitern bringen sollen. Heute soll das Land Nordrhein-Westfalen aufgefordert werden, entgegen seiner Interessen das CCS-Gesetz abzulehnen.

Damit würden wir voraussichtlich Investitionen von mehr als 2 Milliarden € in Nordrhein-Westfalen blockieren oder vielleicht sogar komplett verhindern; denn es stellt sich die Frage, ob das Kraftwerk in Hürth bei Köln überhaupt noch möglich ist, wenn das Gesetz nicht in dieser Legislaturperiode beschlossen wird. Sollte es scheitern, ständen die Mittel aus dem EU-Konjunkturpaket für das Pilotprojekt in Köln nämlich auf der Kippe. Genau das ist anscheinend ja Ihr Ziel, Herr Priggen.

Unser Ziel war aber immer und ist nach wie vor, für Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen einzustehen. Die Stromanbieter haben wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer auch ein Recht auf Planungssicherheit. Nur so ist eine Investition in dieser Größenordnung möglich.

Deshalb wollen wir, dass eine Umsetzung der EURichtlinie möglichst noch in dieser Legislaturperiode erfolgt.

(Christian Lindner [FDP]: So ist das!)

Dazu ist die Große Koalition in Berlin gefordert, aber scheinbar – wie leider so oft – nicht in der Lage.

Auch wir haben zum konkreten Gesetz einige Fragen, die geklärt werden müssen.

(Zuruf von der SPD: Koalitionspartner!)