Ohne die Frage nach dem Haftungsübergang zu klären, wird kein Unternehmen eine Finanzierungsplanung aufstellen können. Es ist nachvollziehbar, dass Schleswig-Holstein ein Problem damit hat, die Haftung für die Lagerstätten zu übernehmen, wenn sämtliche eingelagerten Gase aus anderen Bundesländern stammen. Darüber muss man reden. Dies wurde aber von der Großen Koalition in Berlin versäumt.
Wenn Peter Harry Carstensen sagt, dass man sich nicht über 100 % der Bevölkerung hinwegsetzen kann, hat er damit recht. Aber auch er hat in seiner Großen Koalition versäumt, für die Akzeptanz dieser Technologie zu werben. Bereits im Januar 2009 hat seine Große Koalition einen Antrag der schleswigholsteinischen FDP-Landtagsfraktion abgelehnt, die gefordert hat, dass im Bau befindliche Kraftwerk in Brunsbüttel als EU-Versuchsprojekt zu etablieren. Dabei hätte man wichtige Erfahrungen mit der Einlagerungstechnik machen können, und der weite Transport wäre nicht nötig gewesen. Durch die Einlagerung des vor Ort angefallenen CO2 wäre die Akzeptanz auch in Schleswig-Holstein vermutlich ungleich höher gewesen als jetzt. Das wäre ein cleverer Weg gewesen, aber das wollte die Koalition in Schleswig-Holstein nicht.
Das, Herr Kollege Priggen, wollten im Übrigen auch Ihre grünen Kollegen in Schleswig-Holstein nicht. Im Ausschuss hier, Herr Priggen, haben Sie aber genau dies letzte Woche gefordert. Das ist 1:1 der Antrag der schleswig-holsteinischen FDP.
Nun gerät die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Druck, und es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich gegen das CCS-Gesetz auszusprechen.
Dass die NRW-Grünen dies nun nutzen wollen, um sich im Windschatten von Ministerpräsident Carstensen gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens zu wenden, ist schon besonders bemerkenswert. Im Übrigen hat Herr Carstensen im gleichen Interview die CCS-Technologie als unverzichtbar bezeichnet.
Auch die Fragen des Eigentumsrechts müssen zügig geklärt werden. Eigentumsrechte der Grundbesitzer müssen gewahrt werden. Es muss aber auch sichergestellt werden, dass dies nicht zu einer Komplettblockade der CCS-Technologie führt.
Dass die CSU – ausgerechnet! – ebenfalls wieder querschießt, ist in der Berliner Koalition des Stillstandes auch keine Neuigkeit mehr. Das läuft frei nach dem Motto: Wir wollen alle Vorteile von CCS, aber bloß keine Nachteile.
Natürlich versucht jedes Land, das Beste für sich herauszuholen. Aber die Anwendung des SanktFlorians-Prinzips bei sämtlichen wichtigen Infrastruktur- und Zukunftsprojekten darf nicht zur Regel werden. Wir brauchen eine sachliche Debatte zum
Thema CCS. Wir müssen die Vor- und Nachteile konsequent abwägen. Dazu brauchen wir mehr Erkenntnisse. Wir müssen durch Pilotprojekte – wie das in Hürth – herausfinden, ob CCS in der Lage ist, einen erheblichen und wirtschaftlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das ist die Herausforderung der nächsten fünf bis zehn Jahre.
Es ist doch ganz klar, dass wir im neuen NordrheinWestfalen auf diesem Gebiet, das eine wichtige Brückentechnologie in eine zukunftsfähige, klimafreundliche Energieerzeugung sein könnte, Vorreiter sein wollen. Das ist unser Ziel. Und das unterscheidet uns im Übrigen von der rot-grünen Vorgängerregierung.
Herr Kollege Priggen, es ist richtig, es gibt einige ungelöste Fragen bei der Anwendung von CCS. Das sind unter anderem die Sicherheit der Speicherstätten, das Volumen der vorhandenen Kapazitäten, der Transport zu den Speicherstätten, der verringerte Wirkungsgrad und die Frage nach der Wirtschaftlichkeit dieser Technologie. Auch die FDP-Landtagsfraktion möchte im Zuge der Erforschung noch die eine oder andere Frage geklärt wissen. Es handelt sich aber um eine hochmoderne neue Technologie, der wir auch Chancen geben müssen, wenn sich herausstellen sollte, dass sie wirtschaftlich machbar ist. Deshalb müssen wir es probieren; deshalb müssen wir es endlich auf den Weg bringen.
Dabei steht die Sicherheit bei Transport und Speicherung an erster Stelle. Pipelines sind das sicherste und sauberste Transportmittel der Welt.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Wirtschaftlichkeit. Die Energieversorger versprechen sich viel von der CCS-Technologie. Durch die gesetzten Rahmenbedingungen beim europäischen Emissionshandel kann die CCS-Technologie zu einer tatsächlichen Alternative werden. Es muss den Energieversorgern aber auch klar sein, dass es eine Subvention – zumindest vonseiten des Landes NordrheinWestfalen – für die Entwicklung und die nötige Infrastruktur nicht geben kann.
Ich komme zum Schluss. Wenn der ehrgeizige Plan, CCS im Jahre 2020 serienreif und wirtschaftlich betreiben zu können, aufgehen soll, müssen wir jetzt dafür die Weichen stellen. Es muss Planungssicherheit herrschen. Dafür wird NordheinWestfalen in den Verhandlungen im Bundesrat, sofern das Gesetz den Weg bis dahin schafft, auf jeden Fall eintreten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann nicht ernsthaft bestreiten – das hat auch Herr Priggen nicht getan –, dass Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen uns in Deutschland noch für einige Jahrzehnte begleiten wird. Davor wegzulaufen, hilft keinem.
Herr Priggen, so begeistert wie Sie gerne von Erdgas sprechen, müssen Sie bedenken: Auch da kommt CO2 heraus, und vor allen Dingen braucht man ziemlich lange Pipelines, die nicht ohne Risiken sind. Bitte tun Sie nicht immer so! Denn wenn man sich für eine Technologie oder für Verbünde zwischen Produktionsstandorten erwärmt, um Arbeitsplätze zu sichern, stehen Sie auf den Barrikaden, aber wenn es um Vorhaben geht, für die Sie sich stark machen, die aber ebenfalls infrastrukturelle Voraussetzungen brauchen, sind Sie in puncto Risiken in den Büschen. – Ich halte das nicht für sachgerecht.
Wenn wir wollen, dass wir mit fossilen Brennstoffen trotzdem erhebliche sachdienliche Beiträge zur Reduzierung von CO2-Emissionen leisten können, Herr Priggen, dann hat es keinen Sinn, dass Sie sich hinstellen und fordern, die Reserven, die es irgendwo in Lagerstätten gibt, sollte man für CO2 aus anderen Quellen reservieren.
Der Widerstand gegen dieses Gesetz, die Problematik, die in diesem Gesetz steckt, beruhen nicht darauf, dass CO2 aus einer bestimmten Quelle stammt, sondern darauf, dass man totale Widerstände vor Ort organisiert.
Sie wissen auch, dass das nicht sogenannte harmlose einfache Bürger sind, Herr Römer, die Widerstand leisten. Da wurde koordiniert. Aus der ganzen Bundesrepublik sind Kameraderien vor Ort geholt worden, um die ansässige Bevölkerung emotional anzutreiben. Das ist das Dilemma, mit dem wir zu kämpfen haben.
Ich will doch erst einmal nur das eine bescheiden. – Wir sind überzeugt: CCS ist ein möglicher Weg, diese CO2-Emission so einzufangen und zu verbringen, dass wir die Stromerzeugung, aber auch andere CO2-Emissionen unter Klimagesichtspunkten besser verkraften können, als wenn wir diese Entwicklung nicht nehmen.
Deshalb, zumal hier in Nordrhein-Westfalen auch noch Unternehmen bereitstehen, die Interesse an dieser Technologie bekunden, haben wir uns für eine gesetzliche Rahmenregelung starkgemacht, die die CCS-Richtlinie der EU in nationales Recht umsetzt.
Es gab im Herbst letzten Jahres übrigens bereits einen ersten Entwurf – Herr Römer, das vergessen Sie dann sehr gerne –, der von Herrn Gabriel kam. Das war das reinste CO2-Verhinderungsgesetz. Nichts hätte geklappt. Dann sind acht Monate lang Verhandlungen geführt worden. Wir bedauern sehr – das sage ich hier ganz klar –, dass sich die Widerstände vor Ort so verfestigt haben, dass alle Parteien in Schleswig-Holstein jetzt plötzlich auf den Barrikaden stehen und sich die Große Koalition in Berlin – was ich ausdrücklich bedauere – nicht auf einen Gesetzentwurf verständigen kann. – Wenigstens ist das meine – seit heute: eindeutige – Wahrnehmung.
Wir sind in Nordrhein-Westfalen anders aufgestellt. Wir haben im industriepolitischen Dialog die Verständigung mit Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Politik gesucht, um hier, weil es auch hier – das ist ja auch nicht neu – bei bestimmten Großprojekten und bei Pipelines Widerstände gibt, zu fragen: Wie muss man mit den Ängsten der Bevölkerung umgehen? – Durch frühzeitige Information, durch noch mehr Dialogbereitschaft.
Ich bin sicher, dass Sie, Herr Priggen, mit einer Formulierung, dass Sie die CO2-Müllkippe nicht wollen, der nötigen Versachlichung einen Bärendienst erweisen.
Dann können Sie das Verfahren und die Lagerstätten nämlich auch nicht für CO2 aus anderen Quellen als Reserve vorhalten, denn der Widerstand kommt ja nicht daher, dass in diesem Fall CO2 aus Kohlekraftwerken verbracht werden soll.
Ich darf daran erinnern, dass Nordrhein-Westfalen regionale Belastungen trägt, weil es hier besondere Vorkommen an Rohstoffen gibt. Das tut NordrheinWestfalen übrigens seit dem Krieg. So hat beispielsweise die Steinkohle von der Ruhr auch in Schleswig-Holstein für warme Öfen, für Stromerzeugung gesorgt, während von den Bergschäden wir alleine betroffen sind.
Atommüll – übrigens aus Kernkraftwerken, Herr Priggen – aus der ganzen Republik, auch aus Schleswig-Holstein, auch aus Bayern, wird im Zwischenlager Ahaus sicher verwahrt. Unsere Bevölkerung akzeptiert das und kann damit leben. Es gibt viele ähnliche Beispiele.
Ich appelliere an alle – Herr Römer, ausdrücklich noch einmal an Berlin –: Es muss möglich bleiben, in gesamtstaatlicher Verantwortung solche Lösungen für neue Fragen zu organisieren.
Die Sorge, dass durch das Nicht-mehr-Hinbekommen des Gesetzes Fördermittel verloren gehen, Herr Römer, teile ich deshalb nicht, weil bisher kein europäisches Land die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen hat. Ich gehe davon aus, dass die EU den Zugang zu diesen Fördermitteln zeitlich verlängern wird.
Nochmals: Wir halten eine gesetzliche Regelung für möglich, für sachgerecht, und wir hätten sie auch gerne zeitnah. Aber bevor wir ein sauschlechtes Gesetz in die Welt setzen, will ich lieber versuchen, in der neuen Legislaturperiode in einer anderen Koalition in Berlin eine vernünftige gesetzliche Regelung zu formulieren und zu verabschieden.
(Beifall von CDU und FDP – Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Hei! – Norbert Römer [SPD]: Dieser Gesetzentwurf ist gut; dem ha- ben Sie zugestimmt!)
Meine Damen und Herren, die Verantwortung sehe ich auf zwei Seiten: erstens aufseiten der Unternehmen der Energiewirtschaft, die ihre Projekte umsetzen wollen – sie müssen transparent und umfassend informieren, worum es geht –, und zweitens aufseiten der politisch Verantwortlichen.
Ich habe den Eindruck, vor Ort in SchleswigHolstein ist wenig bis gar nicht informiert worden. Ich weiß auch nicht, ob immer die pfiffigsten Mitarbeiter und Verhandler unterwegs waren, um die Zustimmung in dem Land politisch zu organisieren.
Ich bedaure sehr, dass der Zustand jetzt so ist, sage Ihnen jedoch: Besser ein gutes Gesetz etwas später und dafür keinen Verzicht auf eine Zukunftstechnologie.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick ist es sehr erfreulich, wenn hier im Hause eine breite Koalition – selbst Herr Kollege Priggen sagte: Im Prinzip schon, aber mit ganz gewissen Vorzeichen – pro CCS festzustellen ist.
Frau Thoben, allerdings haben Sie gerade eine Pirouette gedreht, die wir uns schwerlich erklären können. Obwohl wir Ihnen in der Analyse zustimmen, verstehen wir nicht Ihren Schwenk, zu sagen: Weil CCS so dringend notwendig und richtig ist, verschieben wir die Problematik auf die nächste Wahlperiode. – Das ist eine Logik, der wir nicht folgen können und der auch ihre Parteifreundin Hildegard Müller nicht zu folgen vermag. Denn die erklärte: Wer jetzt verschiebt, bedroht diese Tech
nologie mit dem Ausstieg. Da kann man Hildegard Müller und nicht Ihnen, Frau Ministerin Thoben, zustimmen.