Protocol of the Session on May 27, 2009

(Beifall von der FDP)

Ich empfinde die Diskussion als bedauerlich, weil hierdurch der Eindruck verfestigt wird, dass Teile der Sozialdemokraten auch in den Ländern weiterhin neue Schulden machen wollen und die Notwendigkeit einer konsequenten und strikten Schulenregelung weder verstanden haben noch einsehen.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Unglaublich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, weil Ihnen dies hier im Land Nordrhein-Westfalen nach Ihren bisherigen Äußerungen nicht gerecht wird, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie eine klare Position einnähmen und sich für eine deutliche Beibehaltung der engen Schuldenregelung einsetzten.

(Beifall von der FDP)

Wir wissen, dass wir für die Übergangszeiträume Regelungen ermöglichen müssen und gerade jetzt in der Krise aufgrund der allerorts wegbrechenden Steuereinnahmen auch auf eine Ausnahme angewiesen sind. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auf der politischen Agenda Fragen auch dann beantworten, wenn es schwierig ist.

Ich könnte jetzt noch viele Punkte nennen, bei denen ich weiteren Diskussionsbedarf sehe und hinsichtlich derer ich den jetzigen Kompromiss kritisiere, zum Beispiel den Stabilitätsrat und den Beurteilungsspielraum des Bundesfinanzministeriums bei der Frage des Saldos auf den Ausgleichskonten. Aber dies wird sicherlich alles in den Ausschussberatungen noch Erwähnung finden. Der Präsident hat mich auch schon zu Recht darauf hingewiesen, dass meine Redezeit dies nicht mehr zulässt. Ich freue mich auf konstruktive Beratungen und würde es begrüßen, wenn wir auch hier in NordrheinWestfalen für unser Land ein deutliches Zeichen für nachfolgende Generationen setzten. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Körfges.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der bedeutungsschwangeren Worte der Vorrednerin und des Vorredners ist es enttäuschend, dass geschichtliche Stunden, die von Ihnen hier sehr groß eingeläutet werden, in den eigenen Reihen einen relativ geringen Rückhalt finden.

(Beifall von der SPD)

Es geht offensichtlich darum, Eindrücke zu erwecken. Der von Ihnen beschworene Mentalitätswechsel scheint eher eine virtuelle Veranstaltung und weniger eine tatsächliche Veranstaltung zu sein, was bei einem Blick auf das Haushaltsgebaren in Nordrhein-Westfalen, den ich gleich darauf richten werde, deutlich wird.

Meine Damen und Herren, wir haben alle gemeinsam die Tatsache gewürdigt, dass sich unser Grundgesetz in den letzten 60 Jahren hervorragend bewährt hat. Ich räume ausdrücklich ein: Das bedeutet nicht, dass Verfassungen unantastbar sind. Man muss über sinnvolle und notwendige Änderungen und Ergänzungen nicht nur nachdenken, sondern sie auch vornehmen dürfen, wenn es erforderlich ist.

Auch in einem weiteren Punkt haben wir eine ganz große Nähe: Politik ist dafür verantwortlich, nachfolgenden Generationen keine Belastungen zu hinterlassen, die nicht zu bewältigen und unüberschaubar sind.

Das mit der Einigkeit ist jedoch eine schwierige Sache.

Wir bestreiten die Notwendigkeit der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in keiner Weise. Im Gegenteil: Wir fordern sie politisch ein. Auch wir fordern eine nachhaltige Finanzpolitik.

Bei den Staatszielen, die eben der Kollege Klein bemüht hat, sieht das jedoch anders aus. Es gibt sicherlich aus gutem Grund in der Verfassung Abwehrrechte.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben in Ihrer Geschichte aber immer Grundrechte als Teilhaberechte, als Rechte des Individuums auf Gleichbehandlung und gleiche Verhältnisse in der Gesellschaft gesehen. An der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind unterlassene Investitionen zum Beispiel im Bildungsbereich für künftige Generationen genauso belastend wie das Hinterlassen von Schulden. Das kann man nicht auseinanderdividieren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

Meine Damen und Herren, jetzt fängt es an, interessant zu werden. Geld lässt sich nur einmal verteilen und nur einmal einsparen. Wenn – dazu stehen wir – die Kanzlerin unseres Landes auf einem Bildungsgipfel sagt, 2 % vom Bruttoinlandsprodukt sollen verbindlich zusätzlich in Bildung investiert werden, dann stehen wir dazu. Es muss dann in solch einer Debatte aber auch ehrlich gesagt werden, wie die Gesamtveranstaltung finanziert werden soll.

(Christian Lindner [FDP]: Aber für die Ab- wrackprämie haben Sie Geld! Für alte Autos Geld, für junge Talente nicht!)

Sie können sich gleich gerne zu Wort melden. Darauf bin ich sehr gespannt.

Im Rahmen der Föderalismusreform haben wir eine Schuldenbremse vereinbart. Allerdings entspricht – meine Damen und Herren, hören Sie bitte genau zu – das, was jetzt im Augenblick in Berlin diskutiert wird, nicht mehr der ursprünglichen Vereinbarung, die im Koalitionsausschuss getroffen wurde. Da gab

es nämlich noch die Möglichkeit einer zwar eingeschränkten, aber zusätzlichen Verschuldung der Länder. Das war angelehnt an die MaastrichtKriterien.

Wenn ich mir anschaue, wie technisch gehalten die Regelungen im Grundgesetz sind, dann kann ich nur sagen, dass Herr Lammert gar nicht so unrecht hat, wenn er sagt: Je technischer eine Regelung ist, umso schwieriger ist es nachher, das in einer Verfassung zu leben und zu realisieren. – Wenn der Bundestagspräsident, der der CDU angehört, im Zusammenhang mit der Schuldenbremse von einer Verunstaltung der Verfassung spricht, dann müsste das auch Sie nachdenklich machen.

(Beifall von der SPD)

Die Bedenken, die sich auf die reale Haushaltssituation in unserem Land beziehen, blenden Sie offensichtlich aus. Denn grau ist alle Theorie.

Insbesondere für unseren Landeshaushalt ergibt sich eine Reihe von ungeklärten Fragen, zum Beispiel, ob es zulässig ist – ich gehe davon aus, dass es geprüft wird –, dass Bundesorgane in das Haushaltsrecht der Länder eingreifen. Wir reden nämlich auch und gerade an der Stelle über die Zukunft des Föderalismus, ob das eine auf Länderebene selbstverwaltete und selbstgestaltete Veranstaltung ist oder ob wir in Zukunft nur noch am Tropf des Bundes hängen. Darüber entscheiden wir in dieser Debatte heute zum Teil auch.

(Beifall von der SPD)

Aber das ist nur die formale Seite

Die Kommunen hängen von den Ländern ab. Die Länder habe als einzige Ebene keine eigene Steuerquelle. Es gibt keine eigenständige Steuerquelle der Länder.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Keine originäre Steuerquelle. Wir können uns gleich gerne darüber unterhalten.

Auf Landesebene gibt es also nicht die Möglichkeit, die Einnahmesituation durch eine Ausgestaltung von Steuern zu verbessern.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir einen kleinen Hinweis auf ein Glaubwürdigkeitsproblem, das wir meinen, entdeckt zu haben. Wer in heraufziehenden Wahlkampfzeiten mit Versprechungen von massiven Steuererleichterungen in den Wahlkampf zieht und gleichzeitig für eine Schuldenbremse wirbt, der ruft einen erheblichen Erklärungsbedarf hervor – auch in diesem Hause.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Überhaupt nicht!)

Das ist so ähnlich, verehrter Kollege Linder, als würde ein Zecher, der regelmäßig beim Wirt anschreiben lässt, seine Vorsätze, in Zukunft keinen

Deckel mehr zu machen, mit einer Runde Freibier für die Allgemeinheit krönen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Schauen Sie sich die SPD in Österreich an! Lernen Sie von der SPÖ! Kennen Sie die SPÖ?)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Becker?

Herr Kollege Becker, bitte schön.

Herr Kollege Körfges, wie bewerten Sie die Glaubwürdigkeit der antragstellenden Fraktionen der FDP und der CDU vor dem Hintergrund, dass gerade heute Morgen der Haushaltsausschuss die Abschaffung der Jagdsteuer beschlossen

(Gisela Walsken [SPD]: Das passt gut!)

und die Koalition ernsthaft darüber debattiert hat, dass man dadurch die Jäger und ihre freiwillige Arbeit stützen wolle?

Die bewerte ich genau so wie heute Morgen im Haushaltsausschuss, nämlich als deutlichen Hinweis darauf, dass es mit der Ernsthaftigkeit bei der Frage, mit öffentlichen Einnahmen eine zusätzliche Verschuldung zu vermeiden, bei den Damen und Herren der Koalition nicht so weit her ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn Sie hier für Nordrhein-Westfalen eine Schuldenbremse fordern, dann nehmen Sie bitte mit uns gemeinsam schonungslos einen Kassensturz vor! Legen Sie eine mittel- bis langfristige Finanzplanung vor, und zwar unter Berücksichtigung aller absehbaren Lasten. Denn, meine Damen und Herren, den Vorwurf können wir Ihnen nicht ersparen: Selbst in einer Phase von Hochkonjunktur und sprudelnden Steuereinnahmen haben Sie und Ihr Finanzminister es – im Gegensatz zu aller Schönrederei, die Sie betreiben – fertiggebracht, die Verschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen auf ein Rekordniveau von über 120 Milliarden € zu steigern.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

So weit zu realistischen und glaubwürdigen Annahmen hinsichtlich der Finanzplanung. Der Landtag kann über eine Schuldenbremse nur dann entscheiden, kann nur dann entscheiden, ob und wann wir ohne Neuverschuldung auskommen, wenn wir wissen, wo der Zug hinfährt, wenn wir eine Finanz

planung diskutieren, die sich – ich nenne drei Bereiche – auf die Personalausgaben des Landes bezieht, die sich auf die sozialen Sicherungssysteme bezieht, die auch durch den Landeshaushalt getragen werden, und die sich vor allen Dingen auf die Situation der Kommunen in unserem Lande bezieht.