Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik sollte sich nicht nur mit dem auseinandersetzen, was gerade am Tag passiert, sondern auch versuchen, zu antizipieren, welche Problemlagen in der nächsten Zeit aufkommen und wie man ihnen begegnen kann.
Betrachtet man die Wirtschaftskrise sowie die Entwicklungen der vergangenen 24 und insbesondere der letzten acht bis neun Monate, muss man zunächst einmal feststellen, dass die Gutachter, die sogenannten Wirtschaftsweisen, in der Regel falsch gelegen haben. Man muss aber auch feststellen, dass die Wirtschafts- und Konjunkturkrise jedenfalls nicht unvorhersehbar gewesen ist und spätestens seit dem Herbst letzten Jahres absehbar war. Ich sage das ganz bewusst, weil wir nach Auffassung meiner Fraktion, die Ende letzten Jahres einen Antrag zu einem Konjunkturprogramm des Landes gestellt hatte, deutlich zu spät gehandelt haben.
Gleichwohl – jetzt wird gehandelt. Jetzt gibt es ein Konjunkturprogramm des Bundes. Wir alle zusammen sind dabei, es jedenfalls in diesem Land zielgerichtet an die Räder zu bekommen. Das läuft in den Kommunen sehr unterschiedlich.
Wenn man aber – wie ich das eben gesagt habe – antizipiert, was in den nächsten Monaten und Jahren vor uns liegt, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass das Jahr 2010 und mit relativ hoher Sicherheit auch das Jahr 2011 für die Kommunen noch deutlich schlechter wird als das Jahr 2009. Ich sage das ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass
Es gibt weitere Indizien dafür, dass die Kommunen in den nächsten Monaten und Jahren eine sehr schwere Strecke vor sich haben werden. So hat unser Land bereits jetzt deutliche Steuermindereinnahmen. Finanzminister Linssen geht davon aus, dass der Rückgang im Jahr 2009 ungefähr 2,5 Milliarden € ausmacht – allerdings unter der Annahme, dass die Konjunktur lediglich 2,25 % verliert.
Diese Annahme geht, wie wir alle wissen, deutlich fehl. Wir brauchen heute nicht darüber zu spekulieren, ob es am Ende 5, 6 oder 7 % sein werden. Es ist aber absehbar, dass sich der Konjunktureinbruch in einem Rahmen zwischen 5 und 7 % bewegen wird.
Außerdem haben wir es mit einer deutlich steigenden Arbeitslosigkeit zu tun. Das ist ebenfalls absehbar, auch wenn die Kurzarbeit den Anstieg im Moment noch ein Stück weit auffängt.
In der Folge haben wir es auch mit deutlich steigenden Soziallasten in den Kommunen zu tun – in der Regel zunächst beim SGB III und dann beim SGB II. Insbesondere die Kosten der Unterkunft sind ganz erheblich. Das ist ein weiterer Punkt, der im nächsten Jahr zu Buche schlagen wird.
Meine Damen und Herren, hier kommen mehrere Effekte zusammen. So wirken die Regelungen des GFG an dieser Stelle nachlaufend. Die eigentlich zur Verstetigung gedachten Maßnahmen führen dazu, dass im nächsten Jahr die konjunkturellen Einbrüche des letzten Quartals 2008 und der ersten drei Quartale 2009 komplett bei den Zuweisungen an die Gemeinden ankommen werden. Wir haben die Mindereinnahmen der Gemeinden, über die wir in der letzten Zeit oft gestritten haben, weil das Land sich ein Stück weit bedient hat. Wir haben die erheblichen Soziallasten. Wir haben die Gewerbesteuereinbrüche. Im Übrigen haben wir bei den Kommunen auch noch Steuermindereinnahmen infolge der Steuererleichterungen innerhalb der Konjunkturpakete.
Es geht aber nicht nur – das will ich ganz deutlich sagen – um die kommunale Sicht in der Frage der vertikalen Verteilung, sondern es geht auch um die Konjunktur und die Frage, ob wir uns antizyklisch oder prozyklisch verhalten. Wenn wir uns in einer Art und Weise verhielten, wie es sich bei dem Szenario, das ich beschrieben habe, jetzt abzeichnet, würden wir uns mit Sicherheit prozyklisch verhalten. Dann hätten wir die Situation, dass durch das Konjunkturprogramm in diesem Jahr Anreize geschaf
fen würden, die zum Teil auch im nächsten Jahr noch laufen und dann auslaufen würden, während bei den Gemeindefinanzen ansonsten eine klar prozyklische Tendenz vorherrschen würde, sodass wir die Konjunktur zusätzlich abwürgen würden.
Meine Damen und Herren, insofern wäre es aller Mühen wert, den von uns beschriebenen Weg – oder möglicherweise in einem edlen Wettstreit zu findende andere Wege – zu beschreiten, um die kommunalen Finanzen zu verstetigen und dafür zu sorgen, dass sie im nächsten Jahr nicht all diesen Tendenzen in aufeinandergeschichteter und sich kumulierender Form ausgesetzt werden, womit sich auch in den Kommunen die Probleme kumulieren würden. Geschehen sollte dies jenseits parteipolitischer Polemik – also möglicherweise nach den Bundestags- und Landtagswahlen – und der allen innewohnenden Tendenz, vieles auf Kosten der Kommunen zu regeln; denn das würde sich noch verschärfend auswirken. Das darf nicht passieren.
Insofern bitten wir Sie, mit uns in den Beratungen im Ausschuss auf dem beschriebenen Weg oder auf einem ergänzenden, anderen Weg danach zu suchen, dass die Kommunen nicht in diese Situation kommen. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen, wenn ich an Ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich den Antrag nach der ausführlichen Debatte, die am heutigen Morgen zum Tagesordnungspunkt 1 gelaufen ist, zurückgezogen.
Sie haben dies nicht getan und machen damit deutlich, dass es Ihnen eben nicht um Inhalte geht. Im Bemühen um politische Profilierung ist Ihnen jedes Mittel recht. Ihre dabei produzierten Widersprüche erzielen zwischenzeitlich schon eine fast gesundheitsschädlich zu nennende Wirkung.
Ein Beispiel: Am heutigen Morgen spricht der Kollege Reiner Priggen davon, dass Bund und Länder sich zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise in bisher nie gekanntem Ausmaß verschuldeten und dies der Grund dafür sei, dass auf keinen Fall zusätzliches Geld für Steuersenkungen ausgegeben werden könne. Am frühen Nachmittag ist dies bereits vergessen. Denn der von Ihnen eben
beschriebene Weg besteht ja darin, einen Rettungsschirm einzurichten. Nun ist das eben nicht vorhandene Geld wieder verfügbar, um einen Rettungsschirm für die Kommunen mit erheblichen Mitteln auszustatten.
Diese verquere Grünen-Logik hat ihre Wurzeln in dem uns allen inzwischen hinlänglich bekannten Horst-Becker-Dogma,
welches lautet: Dieser Staat hat kein Geld, dieser Staat muss sich das Geld zwar auf Kosten nachfolgender Generationen leihen, das alles schert mich nicht, wir geben das Geld trotzdem aus.
Sehr geehrter Herr Becker, das ist mir zu dünn. Das überzeugt die Menschen in diesem Land nicht, und das überzeugt vor allem keinen einzigen Kommunalpolitiker.
Bereits in meiner Rede am 13. November des vergangenen Jahres zum SPD-Antrag „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ haben ich Ihnen gesagt, was die Menschen in diesem Bundesland wirklich interessiert. Am 22. Mai 2005 haben die Wählerinnen und Wähler auch über Ihre unsägliche Verschuldungspolitik zulasten der Kommunen abgestimmt. Das bekannte Ergebnis hält Sie aber anscheinend nicht davon ab, immer und immer wieder die Fortsetzung Ihrer Politik zu fordern, die uns an den Rand eines Staatsbankrotts gebracht hat.
Nur dank der guten Wirtschafts- und Finanzpolitik, dank des annähernd ausgeglichenen Haushaltes mit einer auf fast null zurückgeführten Nettoneuverschuldung sind Land und Kommunen gestärkt in diese Krise hineingegangen.
Nur deshalb können wir es uns heute leisten, die Nettoneuverschuldung zur Krisenbewältigung zu erhöhen.
Nur deshalb haben Kommunen im vergangenen Jahr die höchste Zuweisung in der Geschichte dieses Landes erhalten, und nur deshalb haben die Kommunen erstmals wieder positive Finanzsalden.
Zu dem Vorwurf einer möglichen prozyklischen Wirkung der Mittel aus dem Konjunkturpaket nur so viel: Da erzählen Sie uns im Antrag seitenweise Dinge, die bereits bei einem mäßig interessierten Zeitungsleser zwischenzeitlich zum Allgemeingut geworden sind. Eine Überschrift im Antrag lautet: „Wirtschaftsdaten weisen auf tiefste Rezession der Nachkriegszeit hin“.
Im Vertrauen, Herr Becker: Sie und die Fraktion der Bündnisgrünen sind nicht gerade die ersten, die dies diagnostizieren. Hätten Sie Ihren Antrag schreiben lassen, nachdem Sie eines der Gesprächsangebote genutzt hätten, die die LeibnizGesellschaft dankenswerterweise in den vergangenen Tagen angeboten hat, wären Sie diesem Trugschluss nicht erlegen.
Gerade die Mittel des Konjunkturpaketes für die Kommunen wirken keinesfalls prozyklisch. Dies ist nicht etwa meine bescheidene Meinung, sondern die durch wissenschaftliche Erkenntnis untermauerte Auffassung des Konjunkturforschers Dr. Roland Döhrn vom RWI.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Lösung der komplizierten Fragen im Zusammenhang mit der Neuordnung der Kommunalfinanzen hat die Landesregierung die sogenannte Ifo-Kommission eingerichtet. Sehr geehrter Herr Becker, wir beide sind Mitglied dieser Kommission. Lassen Sie uns doch gemeinsam an der Sache orientiert und gerne auch in Einzelfragen kontrovers um einen Weg ringen, der die finanzielle Zukunft unserer 396 nordrhein-westfälischen Kommunen und 31 Landkreise sichert!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der schwierigen Probleme, mit denen wir uns hier auseinanderzusetzen haben, und der schwierigen Situation, in der sich die Kommunen in unserem Lande – und zwar schon ohne die konjunkturelle Extremsituation, die sich im Augenblick abzeichnet – befinden, kann ich nur sagen: Herr Kollege Löttgen, was Sie ausgeführt haben, war vielleicht von Parteitaktik geprägt, ist aber in keiner Weise hilfreich bei den Problemen, um die es tatsächlich geht.
Wir als SPD-Landtagsfraktion begrüßen die Intention der antragstellenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sie mit dem Antrag verfolgt, ausdrücklich. Ich will an der Stelle auch sofort auf die Debatte von heute Morgen zurückgreifen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, sich einmal den Unterschied zwischen konjunkturell nützlichen Dingen wie dem Konjunkturpaket und Steuerleichterungen im Hinblick auf die Bekämpfung von Rezessionen vor Augen zu führen.
Wir wollen keine Umverteilungspolitik, sondern wir wollen, dass durch konjunkturelle Impulse, die durch die Allgemeinheit gegeben werden, Arbeitsplätze und Unternehmen vor Ort gesichert werden. Das passiert gerade bei den von Ihrem Koalitionspartner immer wieder eingeforderten Steuererleichterungen nicht. Das wandert nämlich auf Privatkonten.